Star Trek - Picard: Fenris-Ranger (eBook)
368 Seiten
Cross Cult (Verlag)
978-3-98666-548-7 (ISBN)
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FENRIS
Die romulanische Sonne starb, und was eine Milliarde Seelen eine Tragödie nannte, sah ein Heer von Parasiten lediglich als günstige Gelegenheit.
Große Katastrophen neigten dazu, ihr eigenes Ökosystem hervorzubringen, einschließlich der sprichwörtlichen Wasserlöcher, an denen sich Jäger und Beute bereitwillig mischten und ihre Kämpfe und Nicklichkeiten vorübergehend ruhen ließen, um ihren Durst zu stillen. Das Kettle war ein solches Wasserloch und eins der beliebtesten in der Hauptstadt von Fenris. Es war voller dunkler Ecken mit hohen gepolsterten Sitzbänken und die dort stattfindenden Transaktionen und Treffen waren in einen permanenten Rauchschleier gehüllt. Verstohlenes Geflüster verbarg sich hinter synthetischer Musik wie Fremde hinter falschen Namen. Seine Betreiber behaupteten, das Etablissement würde Mahlzeiten servieren, aber niemand konnte sich daran erinnern, wann er innerhalb seiner Wände das letzte Mal jemanden hatte essen sehen. Das Kettle war nicht gerade für seine Speisekarte bekannt. Seine mehr als reichlich ausgestattete Bar hingegen war praktisch legendär.
Genau dort, umgeben von Katastrophengewinnlern und plötzlich bekehrten Pilgern, saß Seven allein und sehnte sich nach einem flüchtigen Moment der Ruhe von den Erinnerungen, die sie heimsuchten. Eine Ruhe, die allein durch eine hinreichende Menge Alkohol erreicht werden konnte. Sie war der Gesellschaft anderer, der Sinnlosigkeit von Small Talk und der unablässigen Frage, welches Lächeln echt war, schon lange überdrüssig.
Einst war das Kettle ein friedlicher Ort gewesen, um sich nach einer langen Patrouille zu entspannen – bis vor weniger als einem Jahr das fragile Kartenhaus der Föderation eingestürzt war. Zuerst war da der Androidenanschlag auf die Utopia-Planitia-Flottenwerften auf dem Mars im Sol-System gewesen. Tausende Tote. Zahllose Schiffe, die für die Evakuierung der Romulaner bestimmt waren, verloren. Kurz darauf war Admiral Jean-Luc Picards groß angelegte Rettungsmission dem wachsenden Isolationismus der Föderation zum Opfer gefallen und in einem Anflug von Angst und Misstrauen abgeblasen worden. Diese moralisch fragwürdige Entscheidung hatte hundert Millionen Seelen auf Romulus oder in einem seiner benachbarten Systeme gestrandet zurückgelassen, die alle bald durch die bevorstehende Supernova des romulanischen Sterns ausgelöscht werden würden.
Innerhalb weniger Tage nach dem Rückzug der Sternenflotte und der Föderation sowie der Einstellung materieller Hilfslieferungen war die erste Welle guter Samariter auf Fenris gelandet. Seitdem waren mehr von ihnen eingetroffen, als Seven zählen konnte. Eine Handvoll jeder Welle wollte sich den berüchtigten Fenris-Rangern anschließen. Die meisten anderen waren hier, um sich irgendwie nützlich zu machen, aber es gab immer auch ein paar, die auf der Flucht vor ihrer schmutzigen Vergangenheit in den Qiris-Sektor kamen. Und ebenjene schienen Seven stets hier in dieser Bar zu finden.
Seven vermied grundsätzlich Augenkontakt mit anderen Gästen und meistens war die sture Konzentration auf ihr Getränk genug, um diejenigen abzuschrecken, die auf eine Unterhaltung mit ihr hofften. Dennoch behielt sie alle um sie herum im Auge. Jeden zwielichtigen Taschendieb, der am anderen Ende der Bar sein Unwesen trieb, jeden Säufer, der für einen kostenlosen Drink flirtete, ohne jemals vorzuhaben, sein unausgesprochenes Versprechen einzulösen, jeden bezahlten Schläger, der so tat, als würde er nicht mindestens vier Waffen am Körper versteckt tragen. Gang, Mimik und Körperhaltung – all das waren untrügliche Zeichen, wenn man nur wusste, wonach man Ausschau halten musste, und Seven hatte fünf lange Jahre gelernt, die Hinweise direkt vor ihren Augen richtig zu deuten.
Was das Enigma, das neben ihr saß, doppelt faszinierend machte.
Auf dem Barhocker neben ihr hatte eine dunkelhaarige, gertenschlanke Frau Platz genommen. Sie hatte große, dunkle und ausdrucksvolle Augen, die von kunstvollen Linien und viel Make-up noch betont wurden. Ihr Teint war blass und makellos und als sie Sevens Blick bemerkte, ließ sie blendend weiße Zähne in einem Lächeln aufblitzen. Ihre Kleidung war sauber, aber nicht auf eine spießige Art und Weise. Ihre Stiefel zeigten Spuren natürlicher Abnutzung. Sie sah gepflegt aus, ohne penibel zu wirken.
Die Frau war nicht zu deuten. Ein Rätsel.
Sie deutete auf Sevens leeres Glas. »Darf ich Ihnen die nächste Runde spendieren?«
»Nein.« Seven gab vor, die Fremde zu ignorieren, während sie sie gleichzeitig im Spiegel hinter der Bar beobachtete. »Ich bezahle meine Drinks selbst.«
»Bitte?« Wie ein Zauberer, der eine Karte aus dem Ärmel zieht, legte die Frau einen Creditchip auf die Theke. »Sie sind doch Fenris-Ranger Seven, oder?«
Ihren eigenen Namen zu hören ließ Seven innehalten. Ihr wurde klar, dass die Frau ihre Taktik übernommen hatte und sie nun durch den Spiegel ansah. »Bin ich.« Ihre rechte Hand wanderte langsam zu dem Phaser in ihrem Oberschenkelholster. »Woher kennen Sie meinen Namen?«
Ihre Frage ließ die andere nervös auflachen. »Meinen Sie das ernst? Wer kennt denn Ranger Seven nicht? Ich habe tellaritische Händlermarines in Kneipen von Pollux bis Qo’nos Geschichten über Sie erzählen hören. Und ich wusste, wenn auch nur ein Zehntel von denen wahr ist, muss ich Sie einfach kennenlernen.«
Der Enthusiasmus der Fremden war schmeichelhaft, doch Seven war nicht in der Stimmung. »Ich gebe keine Autogramme.«
»Ich will auch keins.«
Das Selbstbewusstsein der Frau hatte etwas Mysteriöses an sich, auch wenn es von ihrer ehrfürchtigen Bewunderung etwas getrübt wurde. Doch es reichte, um in Seven Neugier bezüglich ihrer eigentlichen Motive zu wecken. Dennoch gab sie sich gleichgültig. »Und was wollen Sie dann?«
»Reden.«
»Worüber?«
»Wie man ein Fenris-Ranger wird.«
Seven unterdrückte ein zynisches Lachen. »Warum sollten Sie das wollen?«
»Weil ich helfen will. Jeden Abend sehe ich es in den Nachrichten: das Leid. Die Obdachlosigkeit. Den Hunger. Kein Wasser, keine Medizin. Anständige Leute, die im Stich gelassen wurden, als die Föderation die Nerven verlor. Gesetzestreue Siedler, die nun der Gnade einer wachsenden Kaste von Warlords ausgeliefert sind. Und wenn ich ganz ehrlich sein darf … das macht mich krank. Krank vor Wut. Ich habe mir gesagt, dass eine Einzelperson wie ich nichts tun kann. Aber es wurde einfach zu viel. Jeden Abend diese Nachrichten – ich konnte es einfach nicht mehr ertragen. Ich weiß, dass ich die Galaxis nicht retten kann. Aber als Fenris-Ranger kann ich vielleicht wenigstens ein paar der Seelen retten, die es sonst nicht schaffen würden.«
Es platzte nur so aus der Frau heraus, ein Geständnis wie ein reißender Strom bei Hochwasser, und es überwältigte Seven. Sie erinnerte sich, wie sie selbst vor ein paar Jahren Ähnliches gesagt hatte, und als sie eine solche Erklärung nun von einer anderen hörte, stellte sie erstaunt fest, wie überzeugend eine solche Mischung aus Leidenschaft und Naivität sein konnte.
Dennoch … sie konnte nicht zulassen, dass jemand blind in ein solch prekäres Leben hineinstolperte. Sie sah der Frau fest in die Augen. »Ich verstehe Sie ja, wirklich. Aber Fenris-Ranger zu sein ist kein Spiel. Es kann gefährlich, aber auch sehr langweilig sein. Wir schützen die Unschuldigen so gut wir können, aber manchmal müssen wir uns mit dem Teufel einlassen, um den Frieden zu wahren. Um einen guten Ranger zu zitieren, den ich einst kannte: Es ist nicht einfach nur ein Abenteuer – es ist ein Job.«
Keins ihrer Worte schien den Eifer der anderen Frau dämpfen zu können. »Ich bin bereit. Für schwere Entscheidungen, schlechtes Essen, die lange Stille der Tiefraumpatrouillen, für alles. Irgendwo da draußen ist jemand, der einen Ranger braucht, der für ihn einsteht. Ich will dieser Ranger sein. Können Sie mir helfen?«
Seven schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht. Sie scheinen es ernst zu meinen. Aber ein Teil von mir ist besorgt, dass Sie keine Ahnung haben, worauf Sie sich da einlassen. Oder dass Sie es aus den falschen Gründen wollen.«
»Was waren denn Ihre Gründe, sich den Rangern anzuschließen?«
»Lange Geschichte.«
»Schon gut. Ich habe heute Abend nichts mehr vor.« Die dunkelhaarige Frau winkte dem tiburonischen Barkeeper zu und deutete auf Sevens leeres Glas. »Noch einen für den Ranger und einen Belgarian Sunset für mich.« Sie schob ihren Creditchip über die Theke. »Und machen Sie bitte einen Deckel...
Erscheint lt. Verlag | 2.9.2024 |
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Übersetzer | Stephanie Pannen |
Verlagsort | Ludwigsburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction |
Schlagworte | Abenteuer • action • Enterprise • Fenris-Ranger • Janeway • Prequel • SEVEN • Space Opera • Star Trek |
ISBN-10 | 3-98666-548-X / 398666548X |
ISBN-13 | 978-3-98666-548-7 / 9783986665487 |
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