Jenseits des Grabes (eBook)

Spiegel-Bestseller
Kriminalroman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024
528 Seiten
Limes Verlag
978-3-641-31634-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Jenseits des Grabes - Fred Vargas
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Endlich: Kommissar Adamsberg ist zurück! Und er ist bereit für seinen bislang spektakulärsten Fall!
In Louviec, einem kleinen Ort in der Bretagne, gehen merkwürdige Dinge vor sich: Ein Wildhüter wird mit einem kostbaren Messer in der Brust tot aufgefunden. In der Nacht zuvor wollen die Alten des Dorfes den hinkenden Schritt eines Geistes gehört haben, der immer dann erklingt, wenn Unheil bevorsteht. Als Adamsberg, der legendäre Kommissar, von dem Fall Wind bekommt, ist er nicht mehr zu halten: Er steigt in die Ermittlungen ein, ohne zu ahnen, dass dies nur der Auftakt ist zu einer Mordserie, die das Dorf erschüttern wird. Doch Adamsberg wäre nicht Adamsberg, wenn ihm nicht ein Detail auffallen würde, dem alle anderen keine Bedeutung beimessen...

»Fred Vargas ist einfach großartig. Das ist das Schöne an diesen Krimis: die schrägen Dialoge, die Ironie und die Leichtigkeit, die alle Ermittlungen beflügeln.« Brigitte

Lesen Sie auch die anderen Bände der Reihe um Kommissar Jean-Baptiste Adamsberg!

Fred Vargas, geboren 1957, ist ausgebildete Archäologin und hat Geschichte studiert. Sie ist heute die bedeutendste französische Kriminalautorin mit internationalem Renommee. 2004 erhielt sie für »Fliehe weit und schnell« den Deutschen Krimipreis, 2012 den Europäischen Krimipreis für ihr Gesamtwerk und 2016 den Deutschen Krimipreis in der Kategorie International für »Das barmherzige Fallbeil«.

II


In der Tat hatte Kommissar Adamsberg einen Monat zuvor seine Befugnisse auf Danglard übertragen und morgens um acht in aller Eile seine Tasche gepackt, um nach Combourg in die Bretagne zu fahren, eine Gegend, die er kaum kannte. Ein paar Kollegen beneideten ihn um das unvergleichliche, sich in jedem Sandkorn brechende Licht, das ihn an der Küste erwartete. Der eine empfahl ihm einen Abstecher nach Saint-Malo, der nächste Spaziergänge an den noch wilden Stränden. Danglard hingegen wusste, dass dieser kurze Aufenthalt für den Kommissar alles andere als ein Fest war. Die Besprechung, zu der er fuhr, markierte das Ende einer monatelangen kräftezehrenden Jagd auf einen wahnsinnigen Mörder, der fünf sechzehnjährige Mädchen vergewaltigt und grausam ermordet hatte. Der Fall zog jede Menge Papierkram nach sich, und den verabscheute Adamsberg. Teilnehmen würden auch die vier anderen Kommissare, die unter seiner Leitung die Verfolgungsjagd organisiert und ihn hinter vorgehaltener Hand als zu langsam oder sogar träge bezeichnet hatten. Doch am Ende mussten sie zugeben: Er war es gewesen, der in den ungleichen Schnittwunden der Leichname ein Muster erkannt und darüber die Verbindung zwischen den fünf Opfern hergestellt hatte, die sich über den gesamten Nordwesten des Landes verteilten, was die Suche auf einen einzigen Mörder eingrenzte. Er hatte die einsamen Waldgebiete um Angers, Le Mans, Tours, Evreux und Combourg durchkämmt und rund um die Fundorte jeden Stein umgedreht. Er hatte aus einer sehr feinen Blutspur, die nicht zu den Schnittwunden passte, geschlossen, dass der Handschuh des Mörders an einer Stelle eingerissen sein musste, und um einen genetischen Abgleich gebeten. Das Ergebnis: keine Übereinstimmung in der Datenbank. Anschließend hatte er eine vollständige Liste aller Unternehmen der Region Nord-West verlangt, die Handelsvertreter und Fernfahrer beschäftigten, egal ob sie Bücher oder Teller verkauften. Und er hatte dafür gesorgt, dass das Personal in den Gendarmerien und Kommissariaten vor Ort aufgestockt wurde, damit allen männlichen Angestellten im Außendienst eine DNA-Probe entnommen werden konnte. Siebenhundertdreiundvierzig Proben waren bereits analysiert worden, als Adamsbergs Partner ihn drängten, die mühselige und aussichtslose Suche abzubrechen. Zwei Tage später lag das erhoffte Resultat auf dem Tisch und versetzte in seiner Unwahrscheinlichkeit das gesamte Ermittlerteam in Erstaunen. Man hatte den Kerl in seiner Wohnung in Fougères verhaftet – deshalb sollte die abschließende Konferenz im nahe gelegenen Combourg stattfinden. Der Mann entpuppte sich als durch und durch gewöhnlich, man musste schon zehnmal hingucken, um ihn auf der Straße wiederzuerkennen: ein dicklicher Familienvater von dreiundfünfzig Jahren mit Glatze, roten Wangen und einem völlig nichtssagenden Gesicht, das Vertrauen einflößte. Bestimmt hatten diese fünf Mädchen, so unvorsichtig es war, dass sie per Anhalter reisten, einen Blick auf den Fahrer geworfen, ehe sie eingestiegen waren. Und was wirkt harmloser als ein dicker, allem Anschein nach gutmütiger und väterlicher Glatzkopf?

Und die Erinnerung an den Anblick der jungen, verzerrten Gesichter der Mädchen und ihrer aufgeschlitzten Körper ließ Adamsberg bei seinem Aufbruch nach Combourg nicht los. Sie würden den gemeinsamen Abschlussbericht in Anwesenheit des Präfekten des Departements Ille-et-Vilaine erarbeiten, der ihm dann auch noch feierlich irgendeinen Verdienstorden verleihen wollte. Im Unterschied zu seinen Kollegen ahnte Danglard, dass es passendere Momente als diesen gab, um dem sonst für Schönheit so empfänglichen Kommissar den im Sonnenlicht glitzernden bretonischen Quarzsand anzupreisen – nichts interessierte Adamsberg in dem Augenblick weniger als dieser Sand. Deshalb zügelte der Commandant, was ihn einige Mühe kostete, seine sagenhafte Gelehrsamkeit und ersparte dem Kommissar Ausführungen zur Geschichte von Combourg, zu der beeindruckenden mittelalterlichen Festung und dem Mann, der dort seine Jugend verbracht hatte: dem Schriftsteller François-René de Chateaubriand, der noch hundertfünfundsiebzig Jahre nach seinem Tod den Ruhm der zur »Wiege der Romantik« erklärten Stadt sicherstellte. Tapfer beschränkte er sich darauf, Adamsberg die einhundertzwanzig Seiten Bericht zu überreichen, die er in seinem Namen zu Papier gebracht hatte. In den vielen Jahren ihrer Zusammenarbeit hatten sie sich stillschweigend darauf geeinigt, dass das Verfassen von Dokumenten dieser Art in Danglards Kompetenzbereich fiel. Der Kommissar besaß in diesen Dingen keinerlei Talent, während der Commandant für die Literatur und das geschriebene Wort leidenschaftlich glühte – Danglard konnte sich für das erlesenste Werk über die Buchmalerei ebenso begeistern wie für einen schlichten Verwaltungsbericht. Und er war mit einem bemerkenswerten Stil gesegnet, den er glaubwürdig an die unbeholfene Bürokratensprache anzupassen verstand, die man von einem Polizisten und speziell von Adamsberg erwartete. Vor allem aber brachte er die Daten und Fakten in eine thematische und logische Reihenfolge, wozu der Kommissar beim besten Willen nicht imstande war.

Als Adamsberg ohne Eile über die Autobahn Richtung Rennes fuhr – nur wenige Menschen hatten ihn je in Eile oder ungeduldig erlebt –, dachte er, dass er sich allein auf das Wiedersehen mit Franck Matthieu freute, dem Kommissar von Combourg, mit dem er tagelang das Waldgebiet um den Fundort der jungen Lucile erkundet hatte, der letzten Toten in dieser schrecklichen Serie, auf deren Körper sich die kleine, alles entscheidende Blutspur fand. Er und Matthieu hatten sich, so unterschiedlich sie waren, nahezu auf Anhieb gut verstanden, während der Kommissar von Angers die ganze Zeit in trotziger Distanz verharrte. Matthieu war Adamsberg, den man ihnen aus Paris geschickt und vor die Nase gesetzt hatte, ohne Vorbehalte oder eifersüchtige Verachtung begegnet. Auch nicht mit übertrieben guter Laune, sondern mit einer natürlichen, unaufdringlichen Offenheit. Es ging kein Funken Herablassung von ihm aus, dabei tat man Adamsberg in den Provinzkommissariaten gern als überschätzten Träumer oder Faulpelz ab. Ein kanadischer Kollege hatte ihn einmal als »Wolkenschaufler« bezeichnet und damit einen Spitznamen geschaffen, den man in der Pariser Brigade zwar sparsam, aber je nach Sachlage durchaus aufgriff. Matthieu hatte Adamsbergs Effizienz nie angezweifelt, ebenso wenig wäre es Adamsberg in den Sinn gekommen, Matthieus Qualitäten zu hinterfragen. Sicher, der Kommissar aus Combourg – eigentlich aus Rennes, aber Combourg unterlag seiner Zuständigkeit – war gelegentlich Zeuge der schweigsamen und zerstreuten Abschweifungen seines Pariser Kollegen gewesen, auch hatte er Bemerkungen aufgeschnappt, die in keinem offenkundigen Zusammenhang mit den Ermittlungen standen. Zugleich aber hatte Adamsberg ihn mit seiner Aufmerksamkeit für Details und seinem sensationellen visuellen Gedächtnis überrascht. Es hatte beispielsweise keiner Fotos bedurft, damit er sich an die Anordnung der zahlreichen Schnittwunden auf den Leichen erinnerte.

Es fiel Adamsberg auch jetzt nicht schwer, sich Matthieus Gesicht und Mimik zu vergegenwärtigen, er sah dessen runden Bretonenschädel mit den blonden Haaren und den kleinen blauen Augen präzise vor sich – typische Keltenvisage, hätte Danglard gesagt. Matthieu strahlte etwas Wohlwollendes aus, an das Adamsberg sich immer wieder klammerte, um die makabren Ereignisse der letzten Wochen, die ihm ebenfalls sehr deutlich, viel zu deutlich vor Augen standen, zu verdrängen.

Zehn Minuten vor Sitzungsbeginn lenkte er seinen Wagen auf den Parkplatz der Gendarmerie von Combourg. Das einschläfernde, rein administrative Treffen zog sich wie befürchtet über zwei Stunden hin. Am Ende wurde ihm erwartungsgemäß die Aufgabe zuteil, sämtliche Einzelberichte in einen Kollektivbericht zu verwandeln. Stoisch nahm er die Akten seiner vier Kollegen entgegen und ließ sie, zusammen mit der glänzenden Medaille, die ihm der Präfekt überreicht hatte, in seiner Tasche verschwinden. Als er ins Freie trat, war er zu betäubt, um die herrliche bretonische Luft zu genießen. Er sah sich nach Matthieu um, der nicht minder ermattet auf ihn zukam.

»Dieser ganze bürokratische Scheiß«, stöhnte Matthieu.

»Und der elende Papierkram«, ergänzte Adamsberg, hob seine schwerer gewordene Tasche hoch und lobpreiste Danglard, der sich der lästigen Pflicht annehmen würde. »Vierhundertdreißig Seiten, die neu gegliedert und gebündelt werden müssen. Wir sollten uns vorher unbedingt noch eine schöne Ablenkung gönnen. Ich weiß, du wohnst in Rennes, aber du kennst doch bestimmt dieses Schloss in Combourg?«

»Klar«, sagte Matthieu nach einem kurzen verblüfften Innehalten. »Welcher Bretone kennt es nicht? Hast du es dir nicht angesehen, als wir zusammen in Brissac gearbeitet haben? Du hättest nur sieben Kilometer weiter gemusst.«

Adamsberg zuckte mit den Schultern.

»Hab ich wohl verpasst. Und jetzt hängen mir meine Kollegen seit Tagen damit in den Ohren. Mein zweiter Auftrag für heute lautet: Schlossbesichtigung in Combourg. Anscheinend ist das ein Muss, keine Ahnung, warum.«

»Komm«, Matthieu packte ihn am Arm, »du wirst es sofort kapieren. Wir schauen es uns an und dann gehen wir einen trinken.«

»Gute Idee«, sagte Adamsberg und hängte sich die Tasche über die Schulter.

Matthieu setzte ihn in der Straße gegenüber dem Schloss ab. »Ich bin in zehn Minuten wieder da«, sagte er und verschwand zu Fuß in Richtung Stadtzentrum.

Als Kommissar Matthieu zwölf Minuten später zurückkehrte, stand Adamsberg wie angewurzelt an derselben Stelle...

Erscheint lt. Verlag 8.5.2024
Reihe/Serie Kommissar Adamsberg ermittelt
Kommissar Adamsberg ermittelt
Übersetzer Claudia Marquardt
Sprache deutsch
Original-Titel Sur la dalle
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 2024 • Adamsberg • Bestseller aus Frankreich • Bretagne • Buchempfehlung • Das barmherzige Fallbeil • Der Zorn der Einsiedlerin • Dorfkrimi • eBooks • Ermittlerkrimi • Europäischer Krimipreis • Frankreich • Frankreich Krimi • Geheimnis • Grab • Jean-Baptiste Adamsberg • Kommissar • Krimi • Krimibestenliste • Krimi Bestseller • Kriminalromane • Krimis • Mordserie • Neuerscheinung • Paris • Pariskrimi • Spiegelbestseller aktuell • Spiegel Bestseller Autorin
ISBN-10 3-641-31634-0 / 3641316340
ISBN-13 978-3-641-31634-1 / 9783641316341
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