Mord & Fromage (eBook)
336 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01670-5 (ISBN)
Ian Moore ist ein bekannter britischer Comedian und trat in Fernsehshows und auf großen Stand-up-Bühnen auf, bevor er begann, seinen originellen Blick auf die Welt in Bücher zu verpacken und damit sehr erfolgreich wurde. Ebenso wie sein Held Richard lebt auch der Autor seit einigen Jahren im französischen Loiretal, gemeinsam mit seinen drei Söhnen, seiner Frau und einer lustigen Ansammlung wilder und weniger wilder Tiere. «Mord & Croissants» war sein erster Krimi und stieg sofort auf die Times-Bestsellerliste ein, in «Mord im Chateau» ermittelt sein Held Richard ein drittes Mal im Loiretal.
Ian Moore ist ein bekannter britischer Comedian und trat in Fernsehshows und auf großen Stand-up-Bühnen auf, bevor er begann, seinen originellen Blick auf die Welt in Bücher zu verpacken und damit sehr erfolgreich wurde. Ebenso wie sein Held Richard lebt auch der Autor seit einigen Jahren im französischen Loiretal, gemeinsam mit seinen drei Söhnen, seiner Frau und einer lustigen Ansammlung wilder und weniger wilder Tiere. «Mord & Croissants» war sein erster Krimi und stieg sofort auf die Times-Bestsellerliste ein, in «Mord im Chateau» ermittelt sein Held Richard ein drittes Mal im Loiretal. Die Autorin und Diplomübersetzerin Barbara Ostrop arbeitet seit 1993 als literarische Übersetzerin aus dem Englischen, Französischen und Niederländischen und zählt Liebes- und Familienromane, Spannung, Historisches und Jugendromane sowie Fantasy zu ihren Schwerpunkten. Inzwischen hat sie über hundert Bücher ins Deutsche übertragen und so u.a. mehrere Romane von Simon Scarrow über das antike Rom für deutschsprachige Leserinnen und Leser zugänglich gemacht.
1
Richard Ainsworth fühlte sich wie ein Fisch auf dem Trockenen. Und wenn er den ausgezeichneten Sauvignon Blanc weiter in diesem Tempo herunterkippte, würde man ihn wohl noch hinausschmeißen, und dann säße er wirklich auf dem Trockenen. Ein Degustationsmenü, um den Eröffnungsabend des Restaurants Les Gens Qui Mangent zu feiern, und das gerade jetzt, da Valérie d’Orçay ihre Rückkehr angekündigt hatte: Es war zu schön, um wahr zu sein. Und das stimmte leider. Jetzt saß Richard also einsam und allein an einem Zweiertisch mitten zwischen sämtlichen Lokalgrößen des Val de Follet im Umkreis von fünfzig Kilometern und fühlte sich, wie Humphrey Bogart es ganz plastisch in Casablanca beschrieben hatte – «wie ein Mann, dem man einen Tritt in den Magen versetzt hat».
Er versuchte, auf den nächsten Schluck Wein zu verzichten, und widerstand einen Moment lang der Verlockung des schimmernden Kristallglases. Dann aber knurrte er: «Zum Teufel damit», und ergab sich dessen Charme. Sofort stand ein Kellner neben ihm, schneller als eine Wespe beim Picknick, und schenkte nach, eine Mischung aus Servilität und Verachtung im Gesicht. Ein Pariser Kellner, dachte Richard, der die geheime Kunst erlernt hat, erlesensten Service zu bieten und gleichzeitig einen unbezwingbaren Groll auszustrahlen.
«A töp-öp, Monsieur?», fragte der wieselflinke kleine Mann, ohne zu ihm hinunterzuschauen. Er meinte wohl einen Top-up, womit er sich anschickte nachzuschenken. Sein Versuch, Englisch zu sprechen, bewies seine Herkunft aus Paris zweifelsfrei. Nur ein Profi, der für den schicken Einweihungsabend aus der Hauptstadt geholt worden war, konnte so angeberisch sein.
«Danke, nur zu.» Richard sprach mit gezwungener Herzlichkeit. Eigentlich hatte er auf Französisch antworten wollen, nur um dem Mann klarzumachen, dass er sich nicht herumschubsen ließ, aber seine Reaktion war ganz spontan auf Englisch erfolgt, und genau das hatte der verdammte Kellner mit seiner Pariser Ausbildung vorhergesehen. Woher hatte er überhaupt gewusst, dass Richard Engländer war? Richard lief schließlich nicht mit einer Melone auf dem Kopf herum und war nicht mit einer Teekanne bewaffnet. Seit seinem Umzug nach Frankreich hatte er sich sehr große Mühe mit der Landessprache gegeben, und inzwischen beherrschte er sie gerade im richtigen Maße fließend. Ihm war klar, dass man jemandem, der mehrere Sprachen beherrschte, hier niemals richtig über den Weg traute – schon gar keinem Engländer –, und witzige Übersetzungen waren immer eine gute Möglichkeit, beim Kennenlernen das Eis zu brechen. Manchmal tat er sogar so, als wäre er sprachlich unbeholfener, als er es tatsächlich war, nur um ins Gespräch zu kommen. Vielleicht erkannte der Kellner ihn an seinem Anzug, den er heute seit Jahren zum ersten Mal trug und dessen Schnitt sehr englisch war, wie man ihm gesagt hatte. Ob das ein Kompliment war oder das Gegenteil davon, war ihm nicht klar gewesen, doch er hatte lieber nicht nachgehakt. Der englische «Stil» wurde von den Franzosen sehr bewundert, ob ein bei Debenhams erstandener Anzug von der Stange dafür auch zählte, konnte er allerdings nicht sagen. Normalerweise trug er Sachen, die an einem Mann mittleren Alters nicht weiter auffielen: gepflegt und zurückhaltend. Vielleicht würde schon ein gezogener Faden genügen, um das gefürchtete Urteil «er lässt sich gehen» zu provozieren, das einem seit Kurzem alleinstehenden Mann eines gewissen Alters stets drohte. Heute Abend hatte er sogar auf das Band verzichtet, mit dem er sich seine Lesebrille um den Hals hängte. Das Resultat war, dass er sie jetzt ständig verlegte, doch den Vorschlag hatte Valérie gemacht, und so bezahlte er diesen Preis gern.
Richard hatte den Verdacht, dass vielleicht gar nicht der Anzug seine englische Herkunft verriet, sondern eine ganz bestimmte Ausstrahlung von Verunsicherung. Das, was ihn von allen Franzosen im Raum unterschied, ließ sich genau definieren. Eine gewisse Verlegenheit in diesem Gourmettempel verriet seine Wurzeln. Während die Franzosen eine solche Umgebung als gegeben hinnahmen und so taten, als hätten sie ein Anrecht darauf, fühlte Richard sich hier fehl am Platz. Er kam sich seiner Umgebung unwürdig vor, fast so als wäre er ein Hochstapler, der jederzeit auffliegen könnte. Bildlich ausgedrückt, war seine britische Natur so auffällig wie eine englische Saveloy-Brühwurst auf einer Servierplatte mit Gratin Dauphinois.
Gleichwohl genoss er sein Leben an einem Nebenfluss der Loire sehr und mochte seine Rolle als fast schon exotischer Ausländer in dieser stillen, langsam vor sich hin plätschernden Welt. Eine der Einheimischen, die etwas alberne Jeanine, die die boulangerie der Stadt führte, behauptete, er sähe dem Earl of Grantham aus Downton Abbey ähnlich, doch Richard hatte die Serie nie gesehen. Dennoch bemühte er sich seitdem beim täglichen Kauf seines Baguettes immer um ein würdevolles Auftreten, fand das allerdings ziemlich anstrengend, da es so gar nicht sein Stil war. Sonst gab er sich gern ein wenig geistesabwesend und verwirrt, was er mit einer liebenswerten Höflichkeit verband. Nur war er eben heute Abend verstimmt, das war alles; etwas fehlte. Was das war, war natürlich für jedermann offensichtlich, da der Platz ihm gegenüber mit seinem glänzenden Besteck und dem leeren Teller laut verkündete, dass er «versetzt» worden war.
Verdammt!, dachte er und zerbrach beinahe den zierlichen Stiel seines Weinglases. Wann würden die jämmerlich wenigen Frauen in seinem Leben, nämlich derzeit drei – seine von ihm getrennt lebende Ehefrau, seine anspruchsvolle Tochter und seine nicht erschienene Tischpartnerin –, wann würden sie endlich aufhören, alles, was er sagte, wörtlich zu nehmen, und stattdessen zwischen den Zeilen lesen? Nach außen hin hatte er nicht überschwänglich reagiert, als Valérie verkündete, sie werde ins Val de Follet ziehen, aber er hatte auch nicht gerade das abweisende Gesicht einer steinernen Statue gemacht. Er dachte, in so einer Situation würde Coolness erwartet.
«Another töp-öp, Monsieur?»
Richard spannte sich an, erneut bereit zu einer französischen Antwort auf die Frage dieser Klette, doch dann ließ er die Schultern sacken und sagte mit schwacher Stimme auf Englisch: «Wirklich, jetzt schon? Na gut, warum nicht?»
Der Kellner hielt die Flasche inzwischen ziemlich weit unten in der Hand und schenkte den Wein mit einer fachmännischen Drehung ein. Dann stellte er den Pouilly-Fumé in den Eiskübel zurück, legte die Weinserviette um den schlanken Hals der Flasche, nickte vornehm, schlug praktisch die Hacken zusammen und schlängelte sich mit kleinen, zierlichen Schritten zwischen den Tischen hindurch, um sich ein anderes Opfer zu suchen, das er bedrängen konnte. Richard betrachtete die Flasche missmutig, tatsächlich ein Didier Dagueneau, was ihn immerhin aufmunterte. Es gab schlimmere Arten, versetzt zu werden, und er sollte stolz darauf sein, hier vor Ort so viel Ansehen zu genießen, dass er zu diesem Abend eingeladen worden war. Er entschied, nicht mehr auf grimmigen Bogart zu machen, der sich über Ingrid Bergmans Ausbleiben ärgert, sondern sich stattdessen einen Touch von Cary Grant in Die große Liebe meines Lebens zu geben. Hier nimmt der Versetzte es viel gutmütiger hin, dass Deborah Kerr nicht zum Rendezvous am Empire State Building erscheint. Das munterte Richard eine Weile auf: Wie schon von Jugend an fand er auch jetzt wieder Trost im Golden Age des Hollywood-Kinos, einer wunderbaren Zuflucht vor der Realität. Und er beschloss: Wenn er schon hier war, konnte er auch seinen Spaß haben.
Das Degustationsmenü war bisher ziemlich gut gewesen. Er hatte den Überblick über die Zahl der Gänge verloren, möglicherweise acht, aber vielleicht auch mehr. Eine schwindelerregende Zirkusshow mit gebratenen Jakobsmuscheln, Wachteleiern und ingwergewürztem pois-gourmand-Sorbet als Vorspeisen, Kiwi-Granita als Gaumenreiniger, raviolis de joue de veau avec soubise à l’oignon als Hauptgang … Richard war kein Experte. Normalerweise ging er kulinarische Events dieses Kalibers mit einer Beklommenheit an, die an Angst grenzte, daher hatte er keine Ahnung, ob das hier für einen Michelin-Stern reichen könnte oder nicht. Hingegen wusste er genau, dass er nach acht Gängen – oder waren es sogar neun? – alles andere als satt war. Tatsächlich, dachte er schuldbewusst und bemüht, nicht ganz so englisch zu sein, hatte er immer noch einen ziemlichen Appetit.
«Monsieur?» Der Kellner war zurück, die Nase so hoch oben, dass er sie vielleicht noch an einem der Luftkanäle stoßen würde, die unverkleidet über die Decke verliefen, wie es wohl derzeit im Restaurant-Design angesagt war: überall Rohre und Röhren. Das Centre Pompidou hatte so einiges auf dem Gewissen. «Wir servieren gleich das Dessert.» Wieder auf Englisch und mit grässlichem Akzent. «Hätten Monsieur gern Rotwein, oder möchten Sie bei dem weißen bleiben?»
Richard erkannte die Falle sofort. «Das Dessert ist mit Ziegenkäse, oder?»
«Richtig, Monsieur.» Die Nasenflügel zuckten.
«Dann bleibe ich bei diesem ausgezeichneten Sauvignon Blanc, danke. Wie von der Natur gewollt», fügte er großartig auf Französisch hinzu.
Der Kellner zog die Augenbrauen hoch und schnippte aus irgendeinem Grund mit den Fingern, als wäre er ein unzufriedener Flamencotänzer. Dann glitt er davon.
Der kleine Sieg beflügelte Richard, wie es so die Art von kleinen Siegen ist. Er sinnierte oft, dass sie der eigentliche Wesenskern des Lebens waren, der...
Erscheint lt. Verlag | 1.2.2024 |
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Reihe/Serie | Ein Brite in Frankreich | Ein Brite in Frankreich |
Übersetzer | Barbara Ostrop |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Britischer Humor • Britischer Krimi • Cosy Crime • Cosy Krimi • detektivroman • England • englische Krimis • Ermittlerduo • Ermittlerkrimi • Frankreich • Frankreich Krimis • französische Küche • französischer Krimi • Fromage • humorvolle Krimis • Käse • Kochen • Krimi • Krimi mit Herz • Kriminalgeschichten • Kriminalliteratur • Krimi Neuerscheinungen 2024 • krimis bücher • Krimis und Thriller • Krimi Thriller • Kulinarik • Kulinarischer Krimi • last minute geschenke • Leichter Krimi • Loiretal • Loire-Tal • lustige krimis bücher • Lustiger Ermittler • lustiger Krimi • Pension • Richard Osman • Robert Throrogood • Romane Krimis • spannende Bücher |
ISBN-10 | 3-644-01670-4 / 3644016704 |
ISBN-13 | 978-3-644-01670-5 / 9783644016705 |
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