Elfenmond (eBook)

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2024
448 Seiten
Heyne Verlag
978-3-641-31926-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Elfenmond - Bernhard Hennen, James A. Sullivan
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Am 1. November 2004 veröffentlichten Bernhard Hennen und James Sullivan mit »Die Elfen« einen Roman, der die geheimnisvollsten Wesen der Fantastik in einem völlig neuen Licht zeigte: Diese Elfen sind düsterer und gefährlicher, zugleich aber auch faszinierender als man sie je zuvor gesehen hat. Der 1. November 2004 ist gleichzeitig auch der Beginn einer unglaublichen Erfolgsgeschichte. Bernhard Hennen erschuf im Lauf der Jahre einen gewaltigen Elfenkosmos, der inzwischen vier Romanzyklen und zahlreiche Kurzgeschichten umfasst und der Generationen von Fantasy-Fans begeistert. »Die Elfen« ist aus dem Kanon der deutschsprachigen Fantastik-Literatur nicht mehr wegzudenken. Anlässlich des zwanzigjährigen »Elfen«-Jubiläums stellen Bernhard Hennen und James Sullivan eine umfangreiche Sammlung mit allen Stories zu den »Elfen« zusammen. Zwei brandneue Geschichten der beiden Autoren, machen »Elfenmond« zu einem Muss für jeden Fantasy-Fan.

Bernhard Hennen, 1966 geboren, studierte Germanistik, Geschichte und Vorderasiatische Altertumskunde. Mit seiner »Elfen«-Saga stürmte er alle Bestsellerlisten und schrieb sich an die Spitze der deutschen Fantasy-Autoren. Bernhard Hennen lebt mit seiner Familie in Krefeld.

Gegenwart, im Wald,
nahe dem Steinkreis von Welruun


Farodin hielt ihre schlanken, weißen Hände. So kalt waren sie ! Fast alles Blut war daraus gewichen. Aileen lächelte ihn tapfer an, aber er schaffte es nicht, ihr Lächeln zu erwidern. Stattdessen wandte er sich ab und legte all seinen Zorn und all seine Verzweiflung in einen Fluch: »Wo verdammt ist Emerelle ? Hat sie uns im Stich gelassen ?«

Niemand antwortete ihm. Abgesehen vom leisen Stöhnen der Verwundeten war es still auf dem Schlachtfeld. Es waren nur wenige Stimmen. Alle Trolle, die verletzt zurückgeblieben waren, hatten sie längst getötet, und kaum ein Elf hatte den Angriff überlebt. Stunden um Stunden hatten sie gefochten, obwohl sie von Anfang an wussten, dass es aussichtslos war. Sie waren viel zu wenige gewesen; zehn Trolle auf einen Elfen, vielleicht sogar mehr. Hünen, die einen Elfen um mehr als einen Schritt überragten und das Vierfache wogen. Tumbe Ungeheuer, die immer wieder anstürmten, ganz gleich wie viele von ihnen fielen. Der Steinkreis, den die kleine Elfenschar hatte halten sollen, war nicht zu verteidigen gewesen. Sie hatten in den angrenzenden Wald zurückweichen müssen, um den Trollen wenigstens den Weg zur Shalyn Falah zu verlegen, der Brücke, die ins Herzland führte. Dorthin, wo Burg Elfenlicht lag, der Königssitz Emerelles, der die Trolle die Krone Albenmarks entreißen wollten.

Im dichten Wald waren die Elfen im Vorteil gewesen. Ein wenig zumindest. Die Schlachtreihe der Trolle war aufgebrochen, und jeder hatte für sich allein gekämpft. War für sich allein gestorben. So viele Stunden lang. Nun wichen die gleißenden Lichtspeere, die den ganzen Tag über durch das dichte Blätterdach auf die Kämpfenden und die Toten hinabgestoßen waren, der Dämmerung. Der Anblick des Grauens wurde gnädig vom Zwielicht verschluckt, aber der Gestank blieb. Der Geruch nach Eingeweiden, Blut, zerstampftem Laub, verbrannten Leibern. Sie hatten mit allen Mitteln gekämpft: mit Pfeilen, Schwertern und Magie, die nicht gegen lebendes Fleisch hätte gerichtet werden dürfen. Ja, sogar mit nackten Fäusten und Zähnen. Nie hatte Farodin ein solch verzweifeltes Gemetzel erlebt – und doch war zuletzt das Unvermeidliche geschehen. Das, was allen Verteidigern von Anfang an klar gewesen war und dem sie sich doch mit verzweifeltem Trotz entgegengestemmt hatten. Die Zahl der Trolle hatte über den Heldenmut der Elfen triumphiert. Ihre Stellung war einfach überrannt worden.

»Du … blutest, Farodin.« Aileens Stimme war kaum mehr als ein Hauch.

»Das ist nichts«, wiegelte er ab. »Nur eine Schramme.«

»Wie bei mir.«

Er hatte ihren Humor immer geliebt, doch dieses Mal wollte ihm kein Lächeln gelingen. »Ja«, sagte er schlicht und vermied den Blick auf die klaffende Wunde in ihrem Unterleib. Das Leben rann ihr davon. Der Blutstrom war nur mehr ein schwaches Tröpfeln. Ihre Hand so kalt !

»Ich habe deine Hände immer gemocht, Farodin. Schon am ersten Tag.« Sie verschränkte ihre Finger mit den seinen. So nah … Fast eins. Sie hatten einander geschworen, unzertrennlich zu sein. Und nun ging sie fort.

»Deine Hände«, hauchte sie. »So zart und doch voller Kraft. Deine schlanken Finger, die all meine Geheimnisse kennen.« Aileens Hand verkrampfte sich in der seinen, und ihre grünen Augen weiteten sich, als wolle sie den Tod allein mit der Kraft ihres Blickes bannen. Sie war so blass ! Und immer noch wunderschön.

Farodin blinzelte gegen die Tränen an. Nur Emerelle, die Elfenkönigin, könnte Aileen jetzt noch retten. Er aber war machtlos. Ja, seine Hände waren kräftig, aber heilen konnten sie nicht. Sie hatten gelernt, Wunden zu schlagen und …

Er schluckte, und kurz flackerte das Bild eines Gebirgsmassives vor seinem inneren Auge auf – das Bild der einsamen Täler der Mondberge, in denen er groß geworden war. Weit fort von den Kriegen um den Thron Albenmarks. Er hatte sich heraushalten wollen. Seine Familie gehörte nicht zu den Günstlingen Emerelles, sondern hütete das Land, das ihnen anvertraut war. Sie beschützten alle Albenkinder, die dort lebten. Selbst die zahllosen Kobolde, deren Launen so unerträglich waren, dass Farodin als Kind fast einmal einen von ihnen erschlagen hätte, weil sie ihm Ziegenpisse in den Milchbrei gerührt hatten. Sie beschützten auch die Faune, die sich in den dunklen Wäldern verbargen und am liebsten allein gelassen wurden, und die Minotauren, deren rasende Tanzfeste in Vollmondnächten Farodin als Kind geängstigt hatten. Seine Sippe bewahrte den Frieden in den Mondbergen. Sie waren Hüter, und sie machten ihre Sache besser als Emerelle – denn ihr war es nicht gelungen, den Frieden zu halten.

Nie hatte Farodin einer ihrer Henker werden wollen.

Bis er Aileen begegnet war.

Sie hatte ihn das Bluthandwerk gelehrt. Das Bluthandwerk und die Liebe. Sie war seine Meisterin im Schwertkampf gewesen. Nie hatte er ihr Können erreicht. Selbst Trolle hatten Aileen gefürchtet, jene Kriegerin, die auf dem Schlachtfeld so unerbittlich war und zugleich in schlaflosen Nächten Gedichte schrieb, die ihn zu Tränen rührten.

»Emerelle wird kommen«, flüsterte sie. »Sie hat es versprochen. Ich werde durchhalten – um deinetwillen. Wir müssen …« Ein Krampf ließ sie verstummen, und ihre schwache Stimme wich einem hohen, pfeifenden Atemgeräusch. Doch ihre Augen hielten ihn weiterhin gefangen, erstickten seine Verzweiflung und sagten mehr als alle Worte.

Nie hatte er sich so hilflos gefühlt wie in diesem Augenblick. Er konnte nichts tun ! Konnte nur die tiefer werdenden Schatten des Waldes betrachten und warten. Wo blieb die Königin, verflucht ! Er wollte aufspringen, seine Verzweiflung hinausschreien und zum Waldrand laufen, um nach Emerelle Ausschau zu halten. Stattdessen saß er weiterhin einfach nur da und hielt Aileens Hand in der seinen. Bei ihr zu sein, ihren Kopf in seinem Schoß gebettet, das war alles, was er ihr jetzt noch geben konnte.

Gedankenverloren strich er durch ihr Haar; da erinnerte er sich an den Barinstein, den er wohlverwahrt in seiner Gürteltasche trug. Er holte ihn hervor. Der verwunschene Stein war kaum so groß wie das erste Glied seines Daumens. Warmes, honigfarbenes Licht strahlte von ihm aus und vertrieb die Schatten. Selbst Aileens Blässe wich in diesem Licht einer lebendigeren Farbe, und ihre Augen erlangten noch einmal ein wenig von der strahlenden Kraft, die sie früher einmal gehabt hatten.

Doch die Illusion wiedererstarkten Lebens währte nicht lange: Dunkles Blut sammelte sich auf ihren Lippen. Ein Tropfen rann aus ihrem Mundwinkel, ihr Kinn hinab. Fahrig tastete sie danach, betrachtete das Blut auf ihren Fingerspitzen, und die Hoffnung in ihrem Blick erstarb. Hätte er nur sein Leben für ihres geben können ! So konnte, so durfte es nicht enden !

Sie sah zu ihm auf und lächelte schwach. »Erinnerst du dich noch an unseren ersten Tag ?«, flüsterte sie.

Farodin nickte, stählte sich, verbannte mit aller Macht den Schmerz aus seiner Stimme. Wenn er nur für einen Herzschlag lang seine Fassung verlöre, würde er sie nicht mehr wiedererlangen, würde den Damm kein zweites Mal errichten können, der jetzt noch seinen wogenden Schmerz zurückhielt. »Natürlich erinnere ich mich. Wie sollte ich diesen Tag jemals vergessen ?«

Sie drückte seine Hand. So schwach ! »Erzähl mir von dem Tag. Ich möchte deine Stimme hören, wenn ich gehe.«

»Ich sage es dir ungern, aber ich glaube, in deinem Zustand wirst du nirgendwohin gehen.« Das hatte er von ihr gelernt, sich dem Schicksal mit trotzigem Humor zu stellen. Eigentlich entsprach es nicht seinem Wesen. Sie hatte so vieles in ihm geweckt. Nur mit ihr zusammen fühlte er sich als ein Ganzes.

Aileen lächelte schwach, die Augen fest auf ihn gerichtet. Als könne sie auch ihr Leben halten, solange sie nur seinen Blick gefangen hielt.

»Emerelle wird bald bei uns sein. Dann wird alles wieder gut. Die Macht des Albensteins vermag jede Wunde zu schließen.«

Er log. Niemand wusste, wo die Elfenkönigin kämpfte. Ja, man wusste nicht einmal, ob sie noch lebte.

»Bitte erzähl …« Aileens Stimme war nur mehr ein Hauch über ihren Lippen. Blutleere Lippen, die einst in so wunderbarem, lebendigem Rot geschimmert hatten. So rot, als habe sie gerade frische Waldbeeren gegessen. Sie lächelte, und er versank in dem tiefen Grün ihrer Augen. Seine Erinnerung trug ihn fort von diesem Ort des Todes. Deutlich sah er ihn wieder vor sich, jenen Abend vor drei Jahren, der ihm Aileen geschenkt hatte.

»Der Herbst neigte sich schon dem Winter zu«, begann er, und die Worte fühlten sich an wie Asche. Tot, unfähig, den Zauber jenes Abends einzufangen. Stockend fuhr er fort: »Die Zeit, in der die Salme die Ströme hinaufziehen, um zu laichen, war fast vorüber. Ich stand fast bis zu den Hüften im eisigen Wasser …«

»Du warst … Du …«

»Scht, meine Schöne – nicht !«

Sie lächelte.

Ja, er war nackt gewesen ! Nur ein Idiot stellte sich zum Fischen angezogen in einen kalten Gebirgsbach, statt seine Kleider an einer trockenen Stelle zu verwahren. Und er war steif gewesen in jenem vergangenen Leben, verklemmt sogar. Sie aber hatte ihm beides genommen und ihm einen Hauch ihrer Ungezwungenheit geschenkt. Weshalb also unterbrach er sie jetzt ? Warum war jene Scham zurückgekehrt ? Und dann verstand er. Wenn sie starb, würde jene Ungezwungenheit, die ein Teil seines Lebens geworden war, mit ihr sterben. Er schluckte, rang darum, einen kühlen Kopf zu bewahren. Das war sein Kampf ! Sie verlangte...

Erscheint lt. Verlag 16.10.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte 2024 • 20 jahre elfen • eBooks • Elfen • elfen-universum • Fantasy • High Fantasy • Liebe • Magie • Neuerscheinung • SPIEGEL-Bestsellerautor
ISBN-10 3-641-31926-9 / 3641319269
ISBN-13 978-3-641-31926-7 / 9783641319267
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