Vergessene Stimmen -  Michael Connelly

Vergessene Stimmen (eBook)

Der elfte Fall für Harry Bosch
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
528 Seiten
Kampa Verlag
978-3-311-70496-6 (ISBN)
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Jahrzehntelang blieb der Mord an Rebecca Lost ungeklärt. Bis Harry Bosch nach einer dreijährigen Auszeit zum LAPD zurückkehrt. In die Abteilung für Cold Cases versetzt, wird Bosch und seiner Partnerin Kiz Rider als Erstes der Fall aus dem Jahr 1988 vorgelegt. Seither hat die Kriminalistik entscheidende Fortschritte gemacht: Die Spuren auf der Tatwaffe werden erneut untersucht, und ein DNA-Abgleich führt die beiden Ermittler zu Roland Mackey, einem vorbestraften Kleinkriminellen. Hat er die erst sechzehnjährige Becky keine 500 Meter von ihrem Elternhaus entfernt erschossen? Liegt der Tat ein rassistisches Motiv zugrunde? Harry Bosch zweifelt an Mackeys Schuld. Je weiter seine Ermittlungen voranschreiten, desto größer wird der Widerstand in den eigenen Reihen. Und bald schon kommen menschliche Abgründe ans Licht, die Bosch bis ins Mark erschüttern.

Michael Connelly ist mit über 85 Millionen verkauften Büchern in 45 Sprachen einer der US-amerikanischen Krimi-Superstars. 1956 geboren, wuchs er in Florida auf, wo er als Journalist arbeitete, bis ihn die Los Angeles Times als Gerichtsreporter in die Stadt holte, in der sein literarisches Idol Raymond Chandler seine Romane spielen ließ, was Connelly ihm später gleichtun sollte. Im Kampa Verlag erscheinen neben den Fällen des legendären Ermittlers Harry Bosch und der Nachtschicht-Detective Rene?e Ballard auch Connellys Romane mit Jack McEvoy und Michael »Mickey« Haller. Connelly lebt in Kalifornien und in Florida.

Michael Connelly ist mit über 85 Millionen verkauften Büchern in 45 Sprachen einer der US-amerikanischen Krimi-Superstars. 1956 geboren, wuchs er in Florida auf, wo er als Journalist arbeitete, bis ihn die Los Angeles Times als Gerichtsreporter in die Stadt holte, in der sein literarisches Idol Raymond Chandler seine Romane spielen ließ, was Connelly ihm später gleichtun sollte. Im Kampa Verlag erscheinen neben den Fällen des legendären Ermittlers Harry Bosch und der Nachtschicht-Detective Renée Ballard auch Connellys Romane mit Jack McEvoy und Michael »Mickey« Haller. Connelly lebt in Kalifornien und in Florida.

Erster Teil Die blaue Religion


1


In Praxis und Dienstordnung des Los Angeles Police Department ist ein Zwei-Sechser der Anruf, der die prompteste Reaktion nach sich zieht und zugleich die meiste Angst unter der kugelsicheren Weste weckt. Es ist ein Anruf, von dem häufig eine Karriere abhängt. Die Bezeichnung ist eine Kombination aus einem Code-2-Funkspruch, was »schnellstmöglich reagieren« bedeutet, und dem sechsten Stock des Parker Center, von dem aus der Polizeichef das Police Department leitet. Ein Zwei-Sechser ist also ein dringender Anruf aus dem Büro des Polizeichefs, und jeder Polizist, dem sein Platz bei der Polizei lieb ist, wird ihm umgehend nachkommen.

Detective Harry Bosch war während seiner ersten Dienstzeit über fünfundzwanzig Jahre beim LAPD gewesen, ohne einen solchen Anruf des Polizeichefs erhalten zu haben. Abgesehen von der Abschlussfeier an der Polizeiakademie, bei der er 1972 seine Dienstmarke überreicht bekam, hatte er auch keinem Polizeichef mehr die Hand geschüttelt oder mit einem gesprochen. Er hatte mehrere von ihnen überdauert – und sie natürlich bei Polizeiveranstaltungen und -begräbnissen gesehen –, aber er hatte in dieser ganzen Zeit mit keinem mehr persönlich zu tun gehabt. Er erhielt seinen ersten Zwei-Sechser an dem Morgen, an dem er nach dreijähriger Pensionierung in den Polizeidienst zurückkehren sollte und sich gerade vor dem Badezimmerspiegel die Krawatte band. Es war ein Adjutant des Polizeichefs, der Bosch auf seinem privaten Mobiltelefon anrief. Bosch fragte erst gar nicht, woher er die Nummer hatte. Es verstand sich von selbst, dass das Büro des Polizeichefs die entsprechende Macht hatte, derlei Erkundigungen einzuziehen. Bosch sagte, er werde spätestens in einer Stunde da sein, worauf der Adjutant erwiderte, er werde früher erwartet. Bosch band sich die Krawatte im Auto zu Ende, als er auf dem Freeway 101, so schnell es der Verkehr zuließ, in die Stadt fuhr.

Von dem Moment an, in dem er das Gespräch mit dem Adjutanten beendet hatte, brauchte Bosch genau vierundzwanzig Minuten, bis er durch die Flügeltür der Chefsuite im sechsten Stock des Parker Center marschierte. Das war Rekordzeit, selbst wenn er in der Los Angeles Street vor dem Polizeipräsidium verkehrswidrig geparkt hatte. Wenn sie seine private Handynummer wussten, wussten sie sicher auch, was für eine Glanzleistung es war, es unter einer halben Stunde aus den Hollywood Hills ins Büro des Polizeichefs zu schaffen.

Doch der Adjutant, ein Lieutenant namens Hohman, starrte ihn mit desinteressiertem Blick an und deutete auf eine Couch mit Plastikbezug, auf der bereits zwei andere Männer warteten.

»Sie sind spät dran«, sagte er. »Nehmen Sie Platz.«

Um die Sache möglicherweise nicht noch schlimmer zu machen, beschloss Bosch, nicht zu protestieren. Er ging zu der Couch und setzte sich zwischen die zwei Männer in Uniform, die die Armlehnen in Beschlag genommen hatten. Sie saßen kerzengerade da und unterhielten sich nicht. Er nahm an, dass sie ebenfalls einen Zwei-Sechser erhalten hatten.

Zehn Minuten vergingen. Die Männer neben Bosch wurden vor ihm aufgerufen und beide jeweils in exakt fünf Minuten vom Polizeichef abgefertigt. Als der zweite Mann im Büro des Chief war, bildete Bosch sich ein, laute Stimmen aus dem Allerheiligsten zu hören, und als der Mann herauskam, war er kreidebleich. Offensichtlich hatte er in den Augen des Chief in irgendeiner Form Scheiße gebaut, und soviel während seiner Pensionierung zu Bosch durchgedrungen war, nahm es der neue Polizeichef nicht auf die leichte Schulter, wenn jemand Scheiße baute. Bosch hatte in der Times eine Meldung gelesen, dass ein hochrangiger Polizeiangehöriger degradiert worden war, weil er den Chief nicht darüber in Kenntnis gesetzt hatte, dass der Sohn eines Stadtrats, der gern gegen die Polizei Stellung bezog, nach einer Sauftour am Steuer erwischt worden war. Der Polizeichef erfuhr erst davon, als besagter Stadtrat bei ihm anrief, um sich über polizeiliche Schikanen zu beschweren, als ob das LAPD seinen Sohn gezwungen hätte, in der Bar Marmount sechs Wodka Martini zu trinken und auf der Heimfahrt am Mulholland Drive einen Baumstamm zu rammen.

Endlich legte Hohman den Telefonhörer auf und deutete mit dem Finger auf Bosch. Bosch war bereits aufgestanden. Er wurde rasch in ein Eckbüro geführt, von dem man auf die Union Station und die dazugehörigen Gleisanlagen hinabblickte. Die Aussicht war ganz passabel, aber nicht spektakulär, was aber keine Rolle spielte, weil das Gebäude bald abgerissen würde. Die Polizei würde in provisorische Räumlichkeiten umziehen, während an derselben Stelle ein neues, modernes Polizeipräsidium errichtet wurde. Das gegenwärtige Präsidium hieß bei den einfachen Polizisten »das Glashaus«, weil es dort angeblich keine Geheimnisse gab. Bosch fragte sich, unter welchem Namen das neue Gebäude wohl bekannt würde.

Der Polizeichef saß an einem großen Schreibtisch und unterzeichnete Papiere. Ohne von seiner Tätigkeit aufzublicken, forderte er Bosch auf, vor dem Schreibtisch Platz zu nehmen.

Nach dreißig Sekunden hatte der Chief das letzte Dokument unterschrieben und schaute auf. Er lächelte.

»Ich wollte Sie kennenlernen und wieder im Department begrüßen.«

Er sprach wie jemand aus dem Osten des Landes. Di-pahtment. Das störte Bosch nicht weiter. In L.A. war jeder von woanders. Zumindest schien es so. Das war sowohl die Stärke als auch die Schwäche dieser Stadt.

»Es ist schön, wieder dabei zu sein«, sagte Bosch.

»Sie wissen, dass Sie auf mein Betreiben hin wieder hier sind.«

Das war keine Frage.

»Ja, Sir, das weiß ich.«

»Wie Sie sich sicher denken können, habe ich umfangreiche Erkundigungen über Sie eingezogen, bevor ich Ihre Rückkehr in den Polizeidienst genehmigt habe. Ich hatte zwar wegen Ihres – nennen wir es mal Stils – gewisse Bedenken, aber letzten Endes überwog doch Ihr Talent. Auch Ihrer Partnerin Kizmin Rider dürfen Sie für ihre Fürsprache danken. Sie ist eine gute Polizistin, und ich habe Vertrauen zu ihr. Sie hat Vertrauen zu Ihnen.«

»Ich habe mich bereits bei ihr bedankt, aber ich werde es noch einmal tun.«

»Ich weiß, es ist nicht einmal drei Jahre her, dass Sie den Dienst quittiert haben, aber lassen Sie mich Ihnen versichern, Detective Bosch, die Polizei, in die Sie heute wieder eintreten, ist nicht mehr die Polizei, aus der Sie ausgeschieden sind.«

»Dessen bin ich mir bewusst.«

»Hoffentlich. Wissen Sie über den Konsenserlass Bescheid?« Unmittelbar nachdem Bosch aus dem Department ausgeschieden war, war der damalige Chief gezwungen worden, einer Reihe von Reformen zuzustimmen, um nach einem FBI-Ermittlungsverfahren wegen massiver Korruption, Brutalität und Menschenrechtsverletzungen eine Übernahme durch die Bundespolizei abzuwenden. Der gegenwärtige Polizeichef musste sich an diesen Erlass halten, wenn er nicht riskieren wollte, künftig seine Weisungen vom FBI zu erhalten. Und das wollte niemand, angefangen beim Chief bis hinab zum einfachen Streifenpolizisten.

»Ja«, sagte Bosch. »Ich habe davon gelesen.«

»Gut. Es freut mich, dass Sie sich auf dem Laufenden halten. Und noch mehr freut es mich, Ihnen mitteilen zu können, dass wir entgegen allem, was Sie vielleicht in der Times gelesen haben, große Fortschritte machen und diesen Schwung nicht verlieren wollen. Wir wollen die Polizei auch in technischer Hinsicht auf den neuesten Stand bringen. Wir sind sehr um eine größere Volksnähe der Polizei bemüht. Wir haben eine Vielzahl positiver Entwicklungen eingeleitet, Detective Bosch, aber davon kann in den Augen der Öffentlichkeit vieles wieder zunichtegemacht werden, wenn wir auf althergebrachte Methoden zurückgreifen. Verstehen Sie, was ich damit sagen will?«

»Ich denke schon.«

»Sie werden nicht sofort fest in den Polizeidienst übernommen, sondern erst einmal nur ein Jahr auf Probe. Betrachten Sie sich also wieder als Berufsanfänger. Ein Neuling – der älteste Neuling übrigens. Ich habe Ihre Wiederaufnahme in den Polizeidienst angeordnet, genauso kann ich Sie im Lauf dieses Jahres jederzeit ohne Angabe eines Grundes wieder vor die Tür setzen. Geben Sie mir also keinen Grund.«

Bosch antwortete nicht. Er glaubte auch nicht, dass das von ihm erwartet wurde.

»Am Freitag findet in der Polizeiakademie die Abschlussfeier des letzten Kadettenjahrgangs statt. Ich hätte gern, dass Sie daran teilnehmen.«

»Sir?«

»Ich möchte, dass Sie daran teilnehmen. Ich möchte, dass Sie das Engagement in den Gesichtern dieser jungen Menschen sehen. Ich möchte Ihnen noch einmal die Traditionen dieser Behörde vor Augen halten. Ich glaube, das könnte Ihnen zu neuer Motivation verhelfen.«

»Wenn Sie das möchten, werde ich an der Feier teilnehmen.«

»Gut. Dann sehen wir uns also in der Polizeiakademie. Sie sitzen als mein Gast im VIP-Zelt.«

Der Chief machte sich auf einem Block einen Vermerk zu der Einladung. Dann legte er den Stift beiseite und richtete einen Finger auf Bosch. Sein Blick bekam etwas Eindringliches.

»Hören Sie zu, Bosch. Brechen Sie nie das Gesetz, um das Gesetz durchzusetzen. Sie verrichten Ihren Dienst immer und zu jeder Zeit mit Mitgefühl und im Einklang mit der Verfassung. Alles andere dulde ich nicht. Alles andere duldet diese Stadt nicht. Sind wir uns da einig?«

»Da sind wir uns einig.«

»Dann wäre das also...

Erscheint lt. Verlag 13.6.2024
Reihe/Serie Ein Fall für Harry Bosch
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 1988 • Achtziger • Amerika • Cold Cases • DNA • Kriminalistik • L.A. • LAPD • Los Angeles • polizeichef • Rebecca Lost • Roland Mackey • USA
ISBN-10 3-311-70496-7 / 3311704967
ISBN-13 978-3-311-70496-6 / 9783311704966
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