Lavendel-Sturm (eBook)
304 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-46792-3 (ISBN)
Carine Bernard wurde 1964 in Niederösterreich geboren und lebt mit ihrem Mann in der Nähe von Düsseldorf. Sie hat ein Faible für Frankreich und erkundet Land und Leute am liebsten entlang kleiner Nebenstraßen mit dem Campingbus. Die Provence mit ihren malerischen Dörfern und der vorzüglichen Küche ist dabei schon seit Jahren ihr liebstes Ziel.
Carine Bernard wurde 1964 in Niederösterreich geboren und lebt mit ihrem Mann in der Nähe von Düsseldorf. Sie hat ein Faible für Frankreich und erkundet Land und Leute am liebsten entlang kleiner Nebenstraßen mit dem Campingbus. Die Provence mit ihren malerischen Dörfern und der vorzüglichen Küche ist dabei schon seit Jahren ihr liebstes Ziel.
Kapitel 1
Putain de merde!«
Eine Tasse schepperte zu Boden, schlagartig verstummten die Gespräche. Lilou fuhr herum. Lieutenant Cravasse war kreidebleich geworden unter ihrem feuerroten Haar und starrte mit weit aufgerissenen Augen auf ihren Bildschirm. Mit einem Schritt war Lilou bei ihr. »Valerie, was ist los?«
Die anderen redeten wild durcheinander. Bashir war aufgesprungen, der alte Cropardin trat zu ihnen. Roguenot eilte mit Lappen und Eimer heran und bückte sich nach den Scherben.
Auf dem Monitor der Kollegin war ein Foto zu sehen: eine junge Frau in einem weißen Kleid, dunkles Haar umrahmte ein schmales, blasses Gesicht. Sie lag auf dem Rücken und hatte die Augen geschlossen, als ob sie schliefe, doch Valerie Cravasses Reaktion nach zu urteilen war das ganz und gar nicht der Fall.
»Wer ist das?«, fragte Lilou leise.
Cravasse wies ruckartig zum Bildschirm. »Das ist meine Schwester!«
»Mon dieu!« Bashir war ebenfalls herangekommen, er riss die Augen auf. »Valerie, was ist da passiert?«
»Ich habe keine Ahnung.« Valeries Stimme klang heiser. »Ich habe doch keine Ahnung.«
Lilou hatte Lieutenant Cravasse in ihr eigenes Büro geführt, fort von den aufgeregten Stimmen der Kollegen. Sie hatte ihr frischen Kaffee geholt und sie auf dem Sofa platziert, dem hellblauen Ledersofa, das sie von ihrem ersten Gehalt als Commissaire aus eigener Tasche bezahlt hatte. Genau für solche Situationen war es gedacht – auch wenn sie wünschte, es wäre nicht ausgerechnet so ein schrecklicher Anlass gewesen, bei dem sie es zum ersten Mal wirklich benötigte. Jedenfalls war es richtig gewesen, nicht erst auf die Zustimmung der Zentrale in Paris zu warten, ging ihr durch den Kopf, als sie sich zu Valerie setzte. »Erzähl mir von ihr«, bat sie.
Inzwischen hatte Lilou die Rundmail der Gendarmerie ebenfalls gelesen, mit der das Foto gekommen war: Gestern Nachmittag hatten Wanderer in der Nähe von Beaumes-de-Venise eine Frauenleiche entdeckt. Da die Tote keinen Ausweis bei sich trug, konnte die herbeigerufene Gendarmerie sie nicht identifizieren, weshalb heute routinemäßige Anfragen an Police nationale und Police municipale gestellt worden waren. Nichts ahnend hatte Lieutenant Cravasse die E-Mail geöffnet und so vom Tod ihrer Schwester erfahren.
Valerie Cravasse räusperte sich. Sie war immer noch blass, schien sich aber ein wenig gefangen zu haben. »Angeline ist meine jüngere Schwester«, begann sie. »Sie studiert Kunstgeschichte in Avignon, aber ich fürchte, sie ist nicht sehr fleißig.« Unwillig schüttelte Cravasse den Kopf. »War nicht sehr fleißig, muss ich jetzt wohl sagen.« Sie nahm die Dienstkappe ab und fuhr sich durch die kurzen roten Haare. »Wir hatten kaum noch Kontakt, seit sie nicht mehr bei unseren Eltern wohnte. Sie arbeitete in einem Café an der Place de la Juiverie und hat da auch ein Zimmer.«
»Verstehe.« Lilou wusste nicht, was sie sagen sollte, sie fühlte sich hilflos. Sie hatte keine Geschwister, und was in Valerie Cravasse gerade vorging, konnte und wollte sie sich gar nicht vorstellen. Ihre Kollegin war sonst so taff, doch jetzt war von ihrer üblichen burschikosen Art nichts zu bemerken. »Möchtest du dir den Nachmittag freinehmen?«
Lieutenant Cravasse atmete tief durch. »Das würde ich tatsächlich gern. Ich muss vermutlich in die Rechtsmedizin, um sie zu identifizieren, oder nicht?« Sie schüttelte den Kopf. »Dass ich einmal auf dieser Seite einer Ermittlung stehen würde …«
»Bis jetzt wissen wir ja noch nicht einmal, ob es überhaupt eine Ermittlung gibt«, entgegnete Lilou. »Es kann auch ein Unfall gewesen sein. Außerdem ist die Gendarmerie zuständig und nicht wir.«
»Das weiß ich doch.« Cravasse zog die Brauen zusammen. »Aber meine Eltern werden das nicht verstehen. Sie werden mich fragen, was passiert ist. Und natürlich würde ich das auch gern wissen.«
Lilou nickte. Das wiederum konnte sie gut nachvollziehen. »Wenn du möchtest, rufe ich Capitaine Soual von der Gendarmerie an. Er weiß bestimmt mehr, als in dieser E-Mail stand. Außerdem kann ich ihm dann gleich sagen, dass … nun, wer die Tote ist.«
Valerie Cravasses Gesicht hellte sich ein wenig auf. »Das ist eine gute Idee.« Sie straffte die Schultern. »Ja, bitte mach das.«
Lilou erhob sich und ging zu ihrem Schreibtisch. Davide Souals Nummer hatte sie in ihrem Telefon gespeichert, denn er war einer der wenigen Gendarmen, die die Zusammenarbeit mit der Police nationale nicht aus Prinzip ablehnten. Lilou hatte zwar den Verdacht, dass das mehr mit ihr als mit seiner grundsätzlichen Einstellung zu tun hatte, aber in dieser Situation war ihr das egal. Valerie hatte ein Recht darauf, zu erfahren, was geschehen war.
Capitaine Soual notierte sich die Informationen, die Lilou ihm weitergab: den Namen und die Adresse der Toten, ihr Geburtsdatum sowie die Anschrift ihrer Eltern. Wenigstens diese Aufgabe konnte Lilou ihrer Kollegin abnehmen. Natürlich würde die Gendarmerie Valerie Cravasse noch ausführlich befragen, aber das musste nicht heute geschehen, da stimmte Davide Soual Lilou zu. Nur die Identifizierung der Leiche, das solle ihre Kollegin bitte zeitnah erledigen.
Allerdings wusste er über den Fall auch nicht viel mehr als das, was in der E-Mail gestanden hatte. Die Tote war am Sonntagnachmittag in einer Höhle am Rocher de Rocalinaud gefunden worden, ein ziemlich eindrucksvolles Sandsteinmassiv und im Sommer ein beliebtes Ausflugsziel für Touristen. Jetzt im Winter wurde der Felsen deutlich seltener besucht, sodass die Leiche womöglich bereits seit einigen Tagen in der Höhle gelegen hatte – Genaueres würde erst die Obduktion ergeben. Die Spurensicherung war gestern Abend noch am Felsen gewesen und hatte sichergestellt, was sicherzustellen war. Wenig genug, wie es schien. Fußspuren waren im Sand des Höhleneingangs nicht mehr zuzuordnen, nachdem die Wanderer, die die Tote gefunden hatten, mehrmals hin und her gelaufen waren. Fingerabdrücke durfte man auf dem rauen Sandstein ohnehin nicht erwarten. Und die zahlreichen Kerzenstummel, die die Kollegen in der Höhle gefunden hatten, mochten schon vor wer weiß wie langer Zeit abgebrannt worden sein. Im Grunde genommen gab es nichts. Nichts, außer einer jungen Frau, die ohne Anzeichen von äußeren Verletzungen tot auf dem Boden dieser Höhle lag. Gewandet in ein langes, weißes Kleid und aufgebahrt wie Schneewittchen in seinem Sarg, hatte Davide Soual gesagt. Mit dem Unterschied, dass Schneewittchen wach geküsst worden war, während für dieses Mädchen jede Hilfe zu spät kam.
Lilou verabschiedete sich mit dem Versprechen, dass Lieutenant Cravasse noch heute Docteur Bonaventure in der Rechtsmedizin aufsuchen würde, um die Tote zu identifizieren. In kurzen Worten berichtete sie Valerie das wenige, was sie erfahren hatte.
»Weißt du, ob sie einen Freund hatte?«, fragte sie zuletzt. »Oder kennst du jemanden aus ihrem Freundeskreis? Wer könnte wissen, was sie in dieser Höhle wollte?«
Valerie Cravasse schüttelte den Kopf. »Wir waren nicht so eng miteinander«, sagte sie leise. »Angeline war ja einige Jahre jünger als ich. Sie war erst zwölf, als ich bei der Polizei anfing. Und seit sie von zu Hause ausgezogen ist, habe ich sie nur noch selten gesehen.« Sie rieb sich übers Gesicht. »Man glaubt immer, man hat noch ganz viel Zeit. Und in Wahrheit …«
»So darfst du nicht denken, Valerie.« Lilou setzte sich wieder zu ihr. »Du konntest doch nicht ahnen, dass sie …«
»Sie war meine kleine Schwester. Ich hätte auf sie aufpassen müssen.« Erneut traten Tränen in die Augen der Polizistin. Mit einer unwirschen Handbewegung wischte sie sie weg. »Ich sah ja, dass sie nicht vorankam. Ich hab immer vermutet, dass sie mit den falschen Leuten in Kontakt war. Mit Leuten, denen eine solide Ausbildung, ein geregeltes Leben nichts bedeutet.«
»Du denkst an die Drogenszene?« Lilou sah sie aufmerksam an. »Das sollten die Kollegen von der Gendarmerie erfahren.«
»Ach, ich weiß es doch nicht.« Cravasse hob die Schultern. »Bestimmt hat sie mal Gras geraucht, das tun inzwischen doch alle. Aber ob sie auch noch was anderes genommen hat? Ich hab keine Ahnung, ich habe nichts bemerkt.«
Lilou wusste, was ihre Kollegin meinte. Gerade der unregelmäßige Konsum von Partydrogen fiel Angehörigen oder Kollegen oft gar nicht auf. Aber vorausgesetzt, ihr Verdacht traf zu, würde sich Valerie trotzdem Vorwürfe machen.
Ihre Kollegin rieb sich die Hände am rauen Stoff ihrer Hosenbeine ab und erhob sich. »Ich sollte dann wohl zum centre hôpital fahren.« Sie war blass, ihre Augen waren gerötet, ihre Bewegungen wirkten fahrig.
Lilou stand ebenfalls auf. »Soll ich mitkommen?«, bot sie an. Sie warf einen Blick auf die Uhr, die über der Tür hing. »Ich habe heute Nachmittag keine Termine mehr.«
Die Polizistin sah sie überrascht an. »Das würdest du tun?«
»Natürlich.« Lilou nickte bekräftigend. »So etwas sollte niemand allein durchstehen müssen.«
Cravasse machte eine abwehrende Geste. »Ich schaffe das schon.«
»Außerdem interessiere ich mich selbst für den Fall«, fuhr Lilou schnell fort. »Ich muss nur Commissaire Demoireau Bescheid sagen.«
»Na dann.« Valerie Cravasse zuckte mit den Schultern und wandte sich zur Tür. »Wenn du unbedingt willst …«
Vermutlich würde sie es nie zugeben, aber Lilou hatte den Eindruck, Valerie Cravasse war tatsächlich ein wenig erleichtert, als sie sich auf den Beifahrersitz von Lilous Dienstwagen fallen ließ. Bis zu Lilous Eintritt war sie die einzige Polizistin in der...
Erscheint lt. Verlag | 1.4.2024 |
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Reihe/Serie | Die Lavendel-Morde | Die Lavendel-Morde |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Carine Bernard • carine bernard reihenfolge • Carpentras • Commissaire Demoireau • COSY • Cosy Crime • cosy crime deutsch • Cosy Krimi • cosy krimi deutsch • cosy krimi neuerscheinungen • Die Lavendel-Morde • Die Lavendel-Morde 8 • Ermittler-Krimi • Genuss • Krimi Frankreich • krimi frankreich provence • Krimi Kommissarin • Krimi kulinarisch • Kriminalroman • Kriminalromane Serien • Krimi Provence • krimi reihen • Krimi Serie Frankreich • Krimis mit Kommissarin • Krimis von Frauen • Krimi Urlaub Provence • krimi weibliche ermittlerin • Krimi Wein • Kulinarik • Länderkrimi • Lavendel-Fluch • Lavendel-Gift • Lavendel-Grab • Lavendel-Tod • Lavendel-Zorn • Lilou Braque • Madame le Commissaire • Mord • Mordfall • Pierre Martin • Polizei Krimis/Thriller • Polizistin • Provence • provence krimi • Provencekrimi • Provence-Krimi • Provence Krimis Neuerscheinungen 2024 • Provence Roman • Roman Urlaub • Simon Bastien • Südfrankreich • Urlaubskrimi • Urlaubskrimi Provence • Urlaubslektüre • Urlaubslektüre Frankreich • Urlaubslektüre Frauen • Urlaubslektüre Krimi • Urlaubsromane • weibliche Ermittler • Wein • Wohlfühlkrimi |
ISBN-10 | 3-426-46792-5 / 3426467925 |
ISBN-13 | 978-3-426-46792-3 / 9783426467923 |
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