Ein Wolf unter den Schafen (eBook)
493 Seiten
Bastei Entertainment (Verlag)
978-3-7517-5597-9 (ISBN)
Ein tödlicher Unfall auf dem Bruncliffer Viehmarkt veranlasst den Auktionator dazu, Samson und Delilah zu Hilfe zu rufen. Was harmlos beginnt, wird rasch gefährlich, als die beiden eindeutige Hinweise auf einen Mord finden. Gleichzeitig meldet sich Clive Knowles bei ihnen, ein Schäfer, dessen Tiere von Dieben bedroht werden, die die Dales seit geraumer Zeit unsicher machen. Und damit nicht genug: Pete Ferris, ein Wilderer, nutzt die Gelegenheit und will Samson endlich das Fell über die Ohren ziehen. Hängen alle Vorgänge zusammen? Samson und Delilah merken: Böse Wolle lässt sich tatsächlich nicht färben - und setzen alles daran, die Schuldigen zur Strecke zu bringen, komme, was da wolle!
<p><strong>Julia Chapman</strong> ist das Pseudonym von Julia Stagg. Sie lebt in den wunderschönen Yorkshire Dales im Norden Englands. Wenn sie nicht schreibt, erkundet sie zu Fuß oder mit dem Rad ihre Umgebung, die wichtiger Bestandteil ihrer Krimis ist - allen voran die kleinen Dörfer und Ortschaften mit ihren liebenswerten Einwohnern.</p>
1
Harry Furness war der glücklichste Mensch auf der Welt.
Von seinem Podium aus überblickte er die bis auf den letzten Platz besetzte Auktionshalle. Volles Haus! Nicht ein Platz war mehr frei auf den abgestuften Sitzreihen, die den Ring zu drei Vierteln umgaben, und auch der Gang darunter war überfüllt. Und auf den Ring selbst wartete eine Reihe erstklassigen Viehs – genug, um die Leute zum Bieten zu bringen und die Preise in die Höhe zu treiben.
Für einen Auktionator in seiner Glanzzeit war das ein erhebender Anblick. Und in Verbindung mit einem unerwarteten Sieg des Rugbyklubs Bruncliffe am Wochenende gab es kaum etwas, das einen Mann noch glücklicher hätte machen können.
Er warf einen Blick nach rechts auf die zierliche Gestalt, die in der obersten Sitzreihe saß. Umgeben von der Masse der Bauern zu beiden Seiten wirkte sie winzig, wie ein neugeborenes Swaledale-Lamm inmitten strammer Texel-Schafböcke. Als ob sie die Schwere seines Blicks spürte, sah sie von dem Buch in ihrem Schoß auf und lächelte mit süßen Grübchen, erwiderte kurz seinen Blick, bevor sie, mit brennenden Wangen und ins Gesicht fallendem blondem Haar, wieder wegsah.
Sarah Mitchell. Die Frau, die Harrys Herz erobert hatte. Und von der er hoffte, dass sie am Ende des Tages einwilligen würde, seine Frau zu werden.
»Machen wir eine außerplanmäßige Pause, Harry, oder kommt bald das nächste Los?«, rief eine trockene Stimme von der anderen Seite der Zuschauertribüne. »Weil ich nämlich gerne ein paar Lämmer kaufen würde, solange sie faktisch noch Lämmer sind, deshalb.«
Harry richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf seine Arbeit und grinste den Zwischenrufer an. »Sie haben ja recht, John, Sie brauchen sich nicht gleich die Haare zu raufen – die wenigen, die Sie noch haben!«
Lautem Gelächter von den Zuschauerrängen folgte ein Nicken Harrys zu der Kollegin, die das Gatter bediente, und eine kleine Herde gedrungener Beltex-Auen und -Lämmer drängte in den Ring.
Mit dem Hammer in der Hand nahm Harry Furness, leitender Auktionator und glücklichster Mensch auf der Welt, seine Arbeit wieder auf.
Die Dinge waren nicht so, wie sie sein sollten. Er war so lange in ein und derselben Branche tätig gewesen, dass er wusste, wenn etwas im Busch war. Im Schutz einer Steinmauer holte er langsam sein Handy aus der Tasche, hielt es so ruhig wie möglich und richtete die Kameralinse in den Pferch auf die Gestalt, die sich über die Schafe beugte. Aber seine Hände waren nicht mehr so zuverlässig wie früher, denn das leichte Zittern des Alters machte sich bemerkbar, und die blanke Oberfläche des Handys verrutschte in seinem arthritischen Griff. Aber es würde reichen müssen. Was er auch einfing, egal wie unscharf, es wäre besser als nichts. Etwas, das er Harry zeigen konnte, sobald die Auktion vorbei war.
Der arme Junge würde am Boden zerstört sein. All die harte Arbeit auf diese Weise vergolten zu bekommen!
Im Hintergrund kam ein weiteres Los unter den Hammer; Harrys laute Stimme dröhnte durch den Ring, als er mit Scherzen und seinem schelmischen Grinsen zu höheren Geboten ermunterte.
Hier bei den Pferchen war es ruhiger. Dunkler. Das verkaufte Vieh ordentlich eingesperrt und zur Abholung bereit. Die Gassen zwischen den Pferchblöcken waren menschenleer, denn die Leute waren vom Auktionsgeschehen angezogen worden. Nur er und ein paar andere Stallarbeiter waren hier hinten und behielten die Dinge im Auge. Dinge wie dieses. Leute, die nicht da waren, wo sie sein sollten, und die Dinge taten, die sie nicht tun sollten.
Eine Bewegung im Pferch veranlasste ihn, sich hinter die Mauer zurückzuziehen, während die Gestalt, das Beweisstück in der Hand, sich umdrehte und in die Gasse hinausschlüpfte und davoneilte.
Er wartete noch einen Moment und ging dann hinüber, hob den Riegel am Gatter an und betrat den Pferch. Die Schafe kauten teilnahmslos, nichts deutete darauf hin, dass man sich an ihnen zu schaffen gemacht hatte. Was auch zu erwarten war, wenn man bedachte, was er gesehen hatte. Was zum Teufel war hier los?
Denn normal war das, was hier vorging, nicht.
Nachdenklich wandte er sich zum Gehen.
»Is was?«
Die Worte kamen aus einem fiesen Mund in einem noch fieseren Gesicht, dessen linoleumgraue Augen von schwarzen Brauen überschattet wurden. In der Gasse stand ein Mann und starrte ihn an.
Plötzlich schien die Zuflucht des Auktionsrings in weiter Ferne zu liegen.
»Eins neunzig geboten, zwei, zwei zehn, Ihr Gebot, zwei fünfzehn, alle auf dieser Seite raus …« Harry ließ seine Hand über die linke Seite der Arena wandern und suchte mit den Augen die Menge nach denjenigen ab, die mitgeboten hatten, aber ausgestiegen waren.
Ein Kopf zuckte, nicht mehr als ein leichtes Neigen einer flachen Mütze. Er brauchte kein weiteres Zeichen.
»Zwei zwanzig«, stürzte er sich darauf und wandte sich wieder an den ursprünglichen Bieter, »zwei zwanzig, Ihr Gebot, zwei fünfundzwanzig, zwei dreißig …«
Naserümpfen und ein entschiedenes Kopfschütteln. Noch einer, der ausstieg. Nur noch ein Bieter übrig. Harry spürte den Abschluss nahen.
»Höre ich zwei fünfunddreißig?« Er musterte erneut die Reihen der Gesichter. »Dann verkaufe ich jetzt, zwei dreißig … zwei dreißig – verkauft!«
Harry ließ den Hammer fallen und blickte automatisch nach rechts zum Auslassgatter, das sich öffnen sollte …
»Megan!«
»Hab’s!« Megan, die Auszubildende, war da und schob mit hochrotem Gesicht und dickem blondem Zopf, der ihr über die Schulter baumelte, das Gatter weit auf und scheuchte die verkauften Schafe in den Pferch. Noch bevor sich das Gatter hinter ihnen geschlossen hatte, war Harry schon bei der nächsten Versteigerung.
»Schön, als Nächstes das, worauf Sie alle gewartet haben …«
Erwartungsvolles Raunen lief durch die Arena: Jetzt ging es ans Eingemachte. Das war die Art von Versteigerung, die sowohl Schaulustige als auch Kaufinteressenten anlockte. Es war die Art von Versteigerung, die Harry liebte.
»Nun denn«, dröhnte er, als das erste der schlachtreifen Lämmer mit seiner Mutter den Ring betrat, »das sind erstklassige Exemplare, also keine Scheu! Wer gibt mir eins zwanzig für die beiden?«
Mit einer gemurmelten Entschuldigung schloss er das Gatter hinter sich und bewegte sich instinktiv nach rechts, weg von dem Mann, weg vom Auktionsring. Er musste sich zwingen, nicht zu rennen, denn die Stahlgitter, aus denen die Pferche bestanden, engten ihn ein. Gelangweilte Schafe beobachteten sein Tun.
Das Handy hielt er immer noch in der Hand. Sollte er jemanden anrufen? Oder war er einfach nur töricht?
Von hinten hörte er Schritte. Er warf einen Blick über die Schulter. Der Mann folgte ihm. Wahrscheinlich auf dem Weg zum Hauptausgang. Kein Grund zur Sorge.
Aber wenn das, was er gesehen hatte, das war, wofür er es hielt? Dann gab es eine Menge, worüber er sich Sorgen machen musste. Und niemanden, dem er vertrauen konnte.
Er hob das Telefon ans Gesicht und schielte auf den Bildschirm, während er sich durch die Gasse zwängte, aber ohne seine Lesebrille war alles verschwommen. Er erkannte eine Strähne blonden Haares und drückte auf das Profilbild. Sie war die Einzige, an die er sich wenden konnte.
Das Vieh vor ihm bestand jetzt aus Rindern, die Boxen waren robuster, die Insassen unruhiger. Und hinter ihm beschleunigten sich die Schritte.
Ein weiteres Los zu einem Rekordpreis verkauft. In der Auktionshalle herrschte fieberhafte Aufregung; Ostern stand vor der Tür, und da gingen diese Lämmer weg wie seltene Juwelen. Harry nickte, und das Gatter zu seiner Linken wurde geöffnet. Das nächste Los kam hereingestürmt, hüpfte herum und blökte laut.
»Also gut, hier haben wir ein paar tolle Exemplare. Erstklassige Mule-Suffolk-Kreuzungen. Erstes Gebot, eins dreißig hier rechts …«
Aus der Fassung gebracht, ließ er das Telefon Telefon sein und begann in Trab zu verfallen. An echtes Laufen war nicht zu denken, denn eine Hüftoperation, deren erhofftes Resultat sich nie richtig eingestellt hatte, hatte ihm ein ausgeprägtes Hinken beschert, das sich noch verschlimmerte, wenn er versuchte, sich schnell zu bewegen. Schwer humpelnd hastete er an den Boxen vorbei, der Puls in den Ohren wummernd, das Handy noch in der Hand, aber ohne die Zeit, es zu benutzen.
Nicht mehr weit, und er würde die Abzweigung zu den Laderampen erreichen.
Im Freien gab es bestimmt Bauern, die Vieh abholten, oder andere Leute, die sich dort aufhielten. Da wäre er in Sicherheit.
Nur dass es nicht dazu kam. Denn vor ihm war eine weitere Gestalt aufgetaucht. Größer als der erste Mann. Noch bedrohlicher. Er stand in der Gasse und versperrte den Zugang zu den Rampen – an dem vorbeizukommen war unmöglich.
Ein schneller Blick nach hinten: Sein Verfolger hatte das Tempo zu einem Schlendern gedrosselt. Er lächelte. In seiner rechten Hand lag ein Messer, dessen Klinge gemein glitzerte.
Er hatte keine Wahl. Er würde durch die Boxen gehen müssen.
Er öffnete das nächstgelegene Gatter und schlüpfte in die Box; das Vieh darin wich vor ihm zurück.
Erst als sich das Gatter hinter ihm schloss, bemerkte er seinen Fehler.
Jungstiere. Die ihn schon beobachteten. Nervös und reizbar nach einem langen Tag auf engstem Raum. Aber da er sein ganzes Leben mit Vieh gearbeitet hatte, wusste er, was er tat.
»Ruhig, Jungs«, murmelte er und ging langsam auf sie zu. »Ganz...
Erscheint lt. Verlag | 27.9.2024 |
---|---|
Reihe/Serie | Dales Detective Agency | Dales Detective Agency |
Übersetzer | Axel Franken |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Date With Danger |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | agatha raisin • Ann Granger • Cosy Mystery • Dales Detective Agentur • Inspector Barnaby • Krimis • Landhauskrimi • M.C.Beaton • Mitchell und Markby • Mord in bester Tradition |
ISBN-10 | 3-7517-5597-7 / 3751755977 |
ISBN-13 | 978-3-7517-5597-9 / 9783751755979 |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Größe: 2,9 MB
Digital Rights Management: ohne DRM
Dieses eBook enthält kein DRM oder Kopierschutz. Eine Weitergabe an Dritte ist jedoch rechtlich nicht zulässig, weil Sie beim Kauf nur die Rechte an der persönlichen Nutzung erwerben.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich