Oma Hildegard und der Spielplatz des Schreckens (eBook)
240 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-44787-1 (ISBN)
Hildi von Henn ist leidenschaftliche Sandkasten-Feministin und Vollzeit-Oma. Sie gehört zum verarmten Adel und ist 70+, das sieht man ihr aber beides nicht an. Oma Hildegard ist glücklich geschieden und hat die Weltreise erst mal verschoben, damit sie sich um ihre zwei Enkelkinder kümmern kann.
Hildi von Henn ist leidenschaftliche Sandkasten-Feministin und Vollzeit-Oma. Sie gehört zum verarmten Adel und ist 70+, das sieht man ihr aber beides nicht an. Oma Hildegard ist glücklich geschieden und hat die Weltreise erst mal verschoben, damit sie sich um ihre zwei Enkelkinder kümmern kann.
Kapitel 16
Kita-Besorgungen
Hast du die Liste mit? Die musst du brav abarbeiten. Da darf nichts fehlen, sonst sind die sauer.« Tini hängt schon wieder total gestresst im Türrahmen, während wir noch am Küchenblock frühstücken.
»Schätzchen, wolltest du nicht aus dem Kita-Mental-Load aussteigen und das alles mir überlassen?«, zwinkere ich und trinke einen Schluck Kaffee.
»Ja, entschuldige. Danke.« Tini wirft mir eine Kusshand zu und schnappt sich ihre Aktenordner, die bereits auf dem kleinen Konsolentisch an der Treppe im Flur warten. Es ist ein wunderschönes kleines Stadthaus, in dem die Familie meiner Tochter ihr Zuhause gefunden hat, und ich muss gestehen, ich bin sehr stolz darauf, dass Tini mein ausgeprägtes Stilgefühl geerbt hat. Auch wenn es nicht mein Geschmack ist. Hier weht ein Hauch Britstyle, gepaart mit dem von mir verhassten Minimalismus, den ich mich weigere zu verstehen, unterbrochen von einem gelegentlichen Augenzwinkern à la Mottentempel. Die Grundfarbe bei Tini ist Weiß, und alles muss immer verstaut sein. Dazu Holz meets Metall. Nichts Antikes natürlich, eher klare Flächen, aber immerhin etwas Relief, wie man es aus den Hamptons-Küchen kennt. Manchmal gefällt mir das, manchmal ist es mir zu sehr Ton in Ton. Das Leben ist ja nicht beige. Zu viel Minimalismus ist in meinen Augen wie mit Helm Fahrrad fahren: Einfach peinlich, weil man auch wirklich jedem klarmacht, dass man bei dieser Form der Fortbewegung um sein Leben fürchtet – und das mehr als um seine Frisur.
Der Minimalist hat Angst zu leben, wenn Sie mich fragen, denn Leben ist Chaos. Er versteckt sich lieber hinter der Reduktion und der Funktion, als seinen Charakter zu verraten. Und genau deswegen bringe ich Tini hin und wieder penetrante Knall-Accessoires mit, die sie dann auch behält und irgendwann sogar mag. Wie eine rote Kuckucksuhr, die im Flur hängt, um das ganze Wohnkonzept ad absurdum zu führen, was mich mit tiefer Befriedigung erfüllt. Gestatten? Grand-mère terrible! In der Küche hängen von mir Andy-Warhol-Geschirrtücher, die Schwiegerdepp Christian notorisch hasst, und als Rutschauto für die Kleinen rollt natürlich ein von Omi gespendeter grüner Miniatur-Porsche übers Parkett. Prägung und so. Kann man gar nicht früh genug mit anfangen.
Tinis Telefon klingelt, als würde das Gerät dafür bezahlt.
»O Gott, was?« Tini weicht sofort alle Farbe aus dem Gesicht. »Was ist passiert?«, fragt sie und schaufelt in einer Art Übersprungshandlung noch schnell Geschirr in die Spüle, was ja nun wirklich keinem weiterhilft, weil man es von da eh noch mal Richtung Geschirrspüler tragen muss. »Okay, ich bin gleich da.«
Sie legt auf und macht ein Gesicht, als hätte man ihr vorgeschlagen, als Work-Life-Balance-Optimierung ihren Laptop in einen Bach zu ditschen und sich mit einem Eichhörnchen anzufreunden. Schließlich findet sie ihre Fassung wieder: »Wir haben einen Mitarbeiter, dessen Frau sich vor einiger Zeit von ihm getrennt hat und bei dem dann eine Depression diagnostiziert wurde, mit der er offen umgeht, dummerweise nun auch gegenüber dem Assistenten der Geschäftsleitung. Der hat nicht gerade verständnisvoll reagiert und gepoltert, er identifiziere sich heute mit Taubstummen und habe kein Ohr für so einen Blödsinn. Daraufhin hat sich der Mitarbeiter beim Betriebsrat beschwert und ein Waschbecken demoliert.«
»Also früher war auch mehr Lametta. Da hätte man ganze Büroräume aus dem Fenster geworfen – heute reicht’s gerade mal für ein Waschbecken«, entgegne ich trocken.
Tini guckt mich fassungslos an.
»Tini, das war ein Scherz. Und was passiert jetzt mit ihm?«
»Ich muss vermitteln. Schließlich habe ich ihn vor seiner Krise ja eingestellt.« Tini greift nach ihrem Blazer, küsst die Kinder und läuft Richtung Tür.
»Vielleicht fängt er mal an zu daten und verliebt sich in eine Sanitärinstallateurin. Davon hätten alle was. Tschüs, mein Herz!«, rufe ich und fange an, etwas aufzuräumen. Diese jungen Menschen und ihre modernen Krisen. Früher hätte man seine Zipperlein doch auch nicht mit zur Arbeit genommen, aber inzwischen gibt es ja für jeden Gemütszustand eine eigene Diagnose. Wenn ich mal im Flow bin, ist das manisch, wenn mir meine Konzentration nach einem langen Tag flöten geht, habe ich ein Aufmerksamkeitsdefizit … Als ob das Leben leichter wäre, wenn man allem immer gleich einen Namen gibt. Und am Ende ist ja doch immer die Mutter schuld. Oder die Großmutter. Das hättet ihr wohl gern.
Als die Küche aufgeräumt ist, fällt mein Blick auf DIE LISTE: »Passfotos, bitte zwei große und zwei kleine, einen Trinkbecher, Brotdose, Hausschuhe, Gummistiefel, Matschhose, Sonnencreme, ein Handtuch, Badebekleidung, einen Leinenbeutel mit Wechselkleidung, Malkittel, Geld für Gruppenkasse, Turnbeutel mit Turnzeug. Bitte alles mit Namen beschriften.« Hollala. Die machen echt keine Scherze. Da haben wir heute ordentlich zu tun.
Eine halbe Stunde später sind wir auch schon unterwegs. Eigentlich hatte ich mich auf einen gemütlichen Einkaufsbummel gefreut, aber irgendwie hat ständig jemand Hunger oder Durst, oder der Kinderwagen verkeilt sich an Aufstellern, Bordsteigen oder Gehhilfen meiner Altersgenossen. Wir kämpfen uns durch den Trubel und haken alles brav ab: Becher, Brotdose, Leinenbeutel, Turnbeutel. Irgendwie nimmt es kein Ende. Die Geschäfte sind alle viel zu warm oder zu klimatisiert, und so schicke ich zwischendurch immer wieder Stoßgebete zum Himmel, es möge doch endlich ein Ende nehmen. Um uns herum: viele andere Eltern mit quengelnden Kleinkindern. Zwischendurch klingelt mein Handy, aber ich gehe nicht ran. The person you are calling is mentally not available. Ich will nur noch fertig werden. »Omi, Durst!«, »Omi, Hunger!«, quengelt es dazwischen immer wieder. Hier ein Wasser, da ein Milchbrötchen. »Omi, ich habe mich gestoßen!« – »Können wir den Teddy da kaufen?« – »Kann ich auf das Mini-Karussell/Auto/den Massagesessel?« – »Nein.« – »Nein.« – »Nein!«
Irgendwann sind wir tatsächlich fast fertig. Es fehlt nur noch eins: die Matschhose. Und tatsächlich finden wir ein letztes Exemplar! Fritz-Ferdinand ist ganz aufgeregt, denn die Hose ist baggergelb. Das ist natürlich »cool«. Es ist auch noch die letzte! Und auf halb neun steht eine Mutter, die genau das Gleiche gespannt hat. Jetzt heißt es schnell sein, oder wir müssen durch die halbe Stadt ins andere Kaufhaus. Nicht mit mir! Zwei Gehetzte, ein Gedanke – und so dämlich das auch ist, hechten wir auch schon beide auffällig unauffällig in Richtung Textil. Die junge Frau erwischt das linke Hosenbein, ich das rechte. Wut steigt in mir hoch, schließlich sind wir schon ewig unterwegs, die Luft ist entsetzlich, und meine Enkel machen mich wahnsinnig. Da kann man als junger Mensch auch mal nachgeben, oder? Ich schaue zur Seite und sehe, dass meine Widersacherin drei Kinder dabeihat. Sie ist bestimmt erst Mitte dreißig, aber trägt Augenringe wie eine Hundertjährige. Doch nachgeben? Nein, egal, ich brauche diese Matschhose, dann ist endlich Feierabend.
»Sie sind so albern! Wollen Sie sie nicht loslassen?«, faucht mich meine Matschhosenmitstreiterin an.
»Nein, eigentlich nicht, es ist das letzte Teil auf der Kindergartenliste!«
»Ach, und bei mir vielleicht nicht? Hau bloß ab, Oma!«
In dem Moment, als ich mir überlege, ihr das Matschteil zu entreißen, um es ihr um die Ohren zu klatschen, springt ein Verkäufer zwischen uns.
Er hüstelt und greift mit langen spitzen Fingern nach der Hose. Nanu? Was soll denn das?
»Tut mir leid, meine Damen. Dieses Produkt wurde zurückgerufen.«
»Wieso das?«, fragen wir zeitgleich.
»Das Gelb der Hose besteht aus einem Azofarbstoff, der den gesetzlichen Grenzwert überschreitet, was bedeutet, dass kanzerogene Amine im Spiel sind, die im menschlichen Körper durch reduktive Spaltung wieder in ihre Ausgangsstoffe zerlegt werden können, was durch Darmbakterien oder Azoreduktasen der Leber oder von extrahepatischem Gewebe geschehen kann. Außerdem ist die Sonnenschutzkennzeichnung falsch. Bedeutet: Die angegebenen UV-Werte sind nicht verlässlich. Und wir haben hier Kordelzüge mit freien Enden, die können sich bei verschiedenen Aktivitäten eines Kindes verfangen und zu einer Strangulierung führen. Total gefährlich. Ich muss diese Hose leider beschlagnahmen. Sie ist eine Gefahr für sich und andere.«
»Für sich? So gefährlich kann Kleidung sein?«, fragt meine Matschhosengegnerin zurück und schaut mich an. Ich zucke mit den Schultern.
»Es freut mich, dass ich Sie vor größerem Schaden bewahren konnte«, sagt der junge Mann, zupft noch einmal an der Hose, die meine Mitkämpferin bis eben noch mit zwei spitzen Fingern festgehalten hat, und verschwindet.
»Es tut mir leid, ich war wie von Sinnen«, sage ich und schaue die junge Frau an.
»Ich auch. Sorry. Es ist alles so viel. Ich brauche das alles mal drei.«
Wir lächeln uns an. »Wollen wir einen Versöhnungskaffee am Rande des kleinen Indoor-Spielplatzes gegenüber trinken?«, schlage ich vor. Bin mir selbst peinlich und muss mich erst mal wiederherstellen.
»Gern …«, sagt mein Gegenüber, die Kinder jubeln, bis Fritz-Ferdinand auf den Verkäufer zeigt, der gerade an uns vorbeigehen will – mit einer Tüte und einem mehr als verdächtigen Kassenbon in der Hand. Alle kapieren sofort.
»Der Wicht ist überhaupt gar kein Verkäufer!«, stellt meine neue Freundin fest und stößt einen Schrei aus.
»Wenn sich zwei streiten …«, lacht der junge Mann und...
Erscheint lt. Verlag | 3.6.2024 |
---|---|
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Comic / Humor / Manga ► Humor / Satire |
Schlagworte | altern ist heilbar • älter werden mit Humor • Berufstätige Eltern • beste Oma Buch • bücher für frauen • Bücher Humor • bücher zum lachen • Familienalltag • Familienleben • Generationen • Geschenk für Großeltern • Geschenk für Mütter • Geschenk für Oma • Gleichberechtigung • Großmutter Geschenkidee • Hildi von Henn • humorvolle Bücher für Frauen • Kinderbetreuung • Kinderbetreuung Familie • Kinderbetreuung großeltern • KITA-Platz • Lustige Bücher • lustige Bücher für Eltern • lustige Romane • lustiges Oma-Buch • Moderne Oma • Monika Bittl • Oma Geschenke zum Geburtstag • oma sein • Online-Omi • Renate Bergmann • Sabine Bode • selbstbewusst altern • süße Omi • unterhaltsame Frauenromane • weihnachtsgeschenk eltern • weihnachtsgeschenk oma • witzige Bücher |
ISBN-10 | 3-426-44787-8 / 3426447878 |
ISBN-13 | 978-3-426-44787-1 / 9783426447871 |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Größe: 1,7 MB
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich