Das Geheimnis der Venus -  Pia Rosenberger

Das Geheimnis der Venus (eBook)

Historischer Roman
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
448 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-8412-3492-6 (ISBN)
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Der Frühling im Palazzo Medici.

Florenz, 1482: Die 18-jährige Mira harrt seit einer Verschwörung gegen die Familie der Medici in einem Kloster aus. Als man sie zurück nach Florenz ruft, unterstützt sie den Maler Sandro Botticelli bei seinem neuen Gemälde »Primavera«. Während der Arbeit daran lernt sie den Gardisten Riccardo kennen, der ihr Herz wider Willen höherschlagen lässt, denn Mira soll einen Cousin von Lorenzo de Medici heiraten. Aber nicht nur die Liebe gibt Mira Rätsel auf, sondern auch das Vorbild der schönen Venus und der Tod einer der drei Grazien ... 

Die spannende Geschichte hinter dem berühmten Botticelli-Gemälde »Primavera«.

 





Pia Rosenberger wurde in der Nähe von Osnabrück geboren und studierte nach einer Ausbildung zur Handweberin Kunstgeschichte, Literaturwissenschaft und Pädagogik. Seit über 20 Jahren lebt sie mit ihrer Familie in Esslingen und arbeitet als Autorin, Journalistin, Museumspädagogin und Stadtführerin. Im Aufbau Taschenbuch sind bereits ihre Romane »Die Bildhauerin«, »Die Künstlerin der Frauen«, »Colette« sowie »Wir Frauen aus der Villa Hermann« erschienen.

1.


Maremma, Frühjahr 1482

Den Namen Semiramide fand Mira d’Appiano viel zu hochtrabend für sich. Sie stand auf einem der grünen Hügel der Maremma, die zum Horizont in Wellen aus Schatten und Nebel ausliefen wie das Meer, an dessen Ufer sie geboren war. In der Nähe arbeiteten Bauern auf den Feldern, und in der Luft lag der Duft nach schwerer roter Erde. Selbst die Lerche, die im Blau des Himmels vom Sommer sang, war ein Teil der Stille.

Mira atmete tief durch und spürte dem Gefühl der Freiheit nach. Auf dem Hügel hinter ihr lag der Konvent der Santa Maria Annunziata, in dem sie die letzten vier Jahre verbracht hatte. Das Kloster war nicht mehr als eine Ansammlung von Steinbauten. Ohne die kleine Kirche mit dem Kreuz auf dem Turm konnte man es leicht mit einem Bauerngut verwechseln. Niemand sah ihm an, dass es ein Ableger der stolzen Abtei San Sisto Vecchio bei Rom war, des ersten Nonnenklosters, das der heilige Domingo de Guzmán im 13. Jahrhundert auf italienischem Boden gegründet hatte. Hierher hatte ihr Bruder, Fürst Jacopo IV. von Piombino, sie nach dem Attentat der Pazzi gebracht. Er hatte das Kloster der Dominikanerinnen gerade wegen seiner Abgeschiedenheit ausgesucht. Zuerst hatte sie sich wie lebendig begraben gefühlt, aber dann hatte ihre Seele an diesem Ort der Stille Kraft geschöpft.

Mira setzte sich ins Gras und legte die Arme um ihre angezogenen Knie. Wie gern würde sie bleiben. Das Kloster war der beste Platz für eine gelehrte Frau wie sie. Niemand nahm Anstoß daran, wenn sie ihre Zeit damit zubrachte, in die Natur zu gehen und die Pflanzen in der kargen Landschaft zu studieren. Anmutig ließ sie sich auf ihren Fersen nieder. Die Wiese strotzte nur so von Blumen und Kräutern, und Mira war gekommen, um eines davon abzubilden. Es war ein Löwenzahn, dessen Geschwister das Gras mit Tausenden von leuchtend gelben Farbtupfern sprenkelten. Salve, mein Schöner, dachte sie, du bist blutreinigend und aufheiternd und als Sirup nicht zu unterschätzen.

Ihre Zeichenutensilien hatte Mira in einem Deckelkorb mitgebracht. Sie nahm das Holzbrett mit dem Blatt, legte es auf ihre Knie und hielt die Form der Pflanze mit Feder und Tinte fest. Kolorieren würde sie ihre Zeichnung heute Nacht beim Schein einer Öllampe, das Sonnengelb ihres Herzens, das Smaragdgrün der Blätter.

»Mira!« Mühelos durchschnitt die helle Kinderstimme die Stille.

Mira richtete sich auf und beobachtete, wie eine kleine Gestalt sich schnaufend den Hügel hinaufkämpfte. Es war Anna Santori, die Tochter einer Adelsfamilie aus der Gegend, die im Kloster erzogen wurde.

»Puh, hab ich mich beeilt!« Sie stöhnte und fiel Mira in die Arme.

»Du glühst ja.« Mira hatte die Kleine erst heute Morgen unterrichtet. Sie strich ihr die wirren Haare aus dem Gesicht und goss ihr Saft aus ihrer Flasche ein.

Anna trank durstig. »Die Mutter Oberin sagte, ich solle dich so schnell wie möglich holen. Es sind Boten aus Florenz gekommen.«

»Für mich?« Mira runzelte die Stirn.

»Ja, und sie haben einen weißen Zelter mitgebracht wie für eine Dame, die zur Falkenjagd geht.« Anna seufzte sehnsüchtig. »Extra für dich, aber du bist ja auch eine Prinzessin.«

Diese unbestreitbare Tatsache würde Mira am liebsten vergessen. Sie packte ihre Zeichensachen zusammen, nahm Anna bei der Hand und machte sich mit ihr auf den Heimweg. Das Mädchen an ihrer Seite sang und hüpfte die ganze Zeit und merkte nicht, dass Mira tief in Gedanken versunken war. Eine Abordnung Lorenzo de Medicis – das klang nach Aufbruch und dem Ende ihres ruhigen Lebens.

Sie liefen hügelabwärts, banden sich die Röcke hoch, um einen eiskalten Bach zu durchqueren, und stiegen zum Kloster hinauf, dessen Steinmauern die Wärme des Frühlingstags gespeichert hatten. Die alte Pförtnerin Bernarda ließ sie ein. Wen störte es, dass sie fast blind war? Das Kloster lag so abgelegen, dass sie sich um seine Sicherheit keine Sorgen zu machen brauchten.

Im Hof herrschte Stille. Die Schwestern hatten sich zum Stundengebet in der Kirche versammelt. An der Mauer standen sechs Pferde, die die Stallburschen gerade mit Hafer versorgten. Unter ihnen war tatsächlich ein weißer Zelter mit melancholischen Augen. Anna bückte sich und pflückte ein Büschel Gras für ihn. »Guck mal, er knabbert an meinen Fingern«, rief sie entzückt. Nachdenklich strich Mira über seine warmen Nüstern.

Die Boten spielten im Schatten der Mauer Karten und ließen eine Korbflasche mit Wein kreisen. Sie trugen den Wappenrock mit den Palle, den sechs Kugeln, die die Medici repräsentierten. Mira unterdrückte die aufkommende Panik. Lorenzo schien daran zu liegen, dass sein kleines Unterpfand Florenz unbeschadet erreichte. Sonst hätte er ihr nicht seine persönliche Leibgarde auf den Hals gehetzt.

Kühle senkte sich über sie, als sie aus der prallen Sonne in den Schatten trat. »Wer ist euer Anführer?«

Ein knorriger Graubart hob den Kopf und musterte sie abschätzig. »Der schlägt sich gerade im Refektorium den Bauch voll. Ihr seid also die Kleine, die wir abholen sollen? Die Braut von Enzo di Pierfrancesco, dem grünen Jungen?«

Mira beantworte seine Frage nicht, sondern machte auf dem Absatz kehrt und ging erhobenen Hauptes davon. In diesem Moment öffnete sich die Kirchentür für die Nonnen, die aus der Kirche strömten wie ein Schwarm schwarz-weiße Elstern. Sie wartete, bis sie vorübergegangen waren. Dann stieg sie die schmale Wendeltreppe in den Turm hinauf und klopfte an die Tür der Äbtissin.

»Tretet ein!«

Mira drückte die Klinke herunter und schob sich in den kreisrunden Raum hoch über der Maremma. Wie oft hatte sie hier mit Maria Donata Schach gespielt oder über philosophische und theologische Probleme diskutiert? Die Äbtissin stand am Fenster und blickte in die weite Landschaft hinaus. Misstrauisch beäugte Mira den Brief, der ungeöffnet auf dem Tisch lag.

Maria Donata wandte sich ihr zu. »Da seid Ihr ja, Prinzessin Semiramide. Er ist für Euch bestimmt. Also zögert nicht, ihn zu öffnen.«

Die Äbtissin entstammte der mächtigen Familie Colonna und zählte noch keine dreißig Jahre. Böse Zungen behaupteten, ein Kloster sei ein guter Ort, um überzählige Töchter loszuwerden. Doch Maria Donata war so erfüllt von ihrer Liebe zu Gott und den Menschen, dass Mira sich keinen besseren Platz für sie vorstellen konnte.

»Setzt Euch, Semiramide, ich bitte Euch.«

Sie nahm zögernd Platz, während die Äbtissin Wein aus einer Karaffe in zwei Becher füllte. Mira trank einen Schluck, bevor sie das Siegel brach, den Brief auffaltete und las. Danach ließ sie den Bogen sinken und starrte in die Weite. »Hier ist man dem Himmel so nah.«

»Schreibt er, was ich denke?«, fragte Maria Donata.

Mira nickte. »Lorenzo il Magnifico selbst ruft mich in höflichen, aber bestimmten Worten zurück nach Florenz. Die Hochzeit ist für Juli angesetzt, aber er erwartet mich schon jetzt in der Stadt.« Sie zögerte. Hatte die Äbtissin ihr nicht erst gestern zu verstehen gegeben, wie sehr sie sie schätzte? »Könntet Ihr Euch nicht für einen Aufschub einsetzen?«

Maria Donata seufzte. »Ihr wisst, dass das nicht im Rahmen meiner Möglichkeiten liegt. Das Kloster ist ein Refugium für Frauen, manche sind für immer hier, andere auf Zeit. Die Welt ruft Euch zurück. Ihr seid hochgeboren und mit einem jungen Mann aus bester Familie verlobt.«

»Warum nur müssen Frauen sich immer fügen?« Mira seufzte. »Ihr könntet Einspruch einlegen, sagen, dass ich unentbehrlich bin.« Sie kannte die Antwort, bevor Maria Donata sie aussprach.

»Einem Lorenzo de Medici widerspricht man nicht.« Die Äbtissin schob zwei Finger unter den Rand ihres Schleiers, der so fest saß, dass sich an ihrem Haaransatz ein roter Streifen gebildet hatte. »Aber sagt …« Maria Donata sah sich um und flüsterte. »Seid Ihr überhaupt in der Lage, Euch dem zu stellen, was Euch erwartet?«

Mira schluckte unbehaglich. Es war Maria Donata nicht entgangen, dass sie Florenz nicht ohne Grund verlassen hatte.

»Ich werde es versuchen. Danke, Mutter Oberin. Danke für alles.« Sie stand auf. Es gab nichts mehr zu sagen. Frauen wurden als Unterpfand der Macht verheiratet und hatten Gehorsam...

Erscheint lt. Verlag 15.7.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 15. Jahrhundert • Botticelli • Buchmalerin • Flora • Florenz • Frühling • Gardist • Gemälde • Grazien • Intrigen • Kunst • Medici • Mord • Pazzi-Verschwörung • Primavera • Renaissance • Venus • Verbotene Liebe
ISBN-10 3-8412-3492-5 / 3841234925
ISBN-13 978-3-8412-3492-6 / 9783841234926
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