Jerry Cotton Sonder-Edition 226 (eBook)

Rotes Blut - weißer Mohn

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Aufl. 2024
80 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-6262-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Jerry Cotton Sonder-Edition 226 - Jerry Cotton
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Nach Hongkong führte uns die Verfolgung eines berüchtigten amerikanischen Gangsters. Dort wurden wir urplötzlich in einen Sensationsfall verstrickt, bei dem es um gigantische Mengen Roh-Opium für die Mafia ging. Ich flog ins Goldene Dreieck, mitten ins Hauptquartier des gefürchteten Opiumkönigs Morton Khan. Meine Chancen, mit dem Leben davonzukommen, waren gering. Denn als ich Morton Khan begegnete, war ich an Händen und Füßen gefesselt ...

1


Wie ein Peitschenhieb zerriss der Knall die Stille. Ich fuhr herum, instinktiv, blitzartig, obwohl der düstere Hotelflur völlig leer war. Guy Milesi schrie. Mit dem ganzen Gewicht presste ich den hageren kleinen Mann gegen die fleckige Tapete.

Mein Freund und Partner Phil Decker stand breitbeinig da, den Revolver im Combat-Anschlag. Ich wartete auf die Schüsse, auf Türenschlagen, Schritte und Stimmengewirr. Aber nichts geschah. Jedenfalls nichts, das bis hier herauf in den vierten Stock des Hongkong Star gedrungen wäre.

Einen Augenblick glaubte ich fast, geträumt zu haben. Dann hörte ich Guy Milesi stöhnen, spürte das Zucken seines Körpers und trat erschrocken einen Schritt zurück.

Das Gesicht des kleinen Mannes war blau angelaufen. Flatternd griffen seine Hände zum Herzen. Noch einmal bekam er Luft. Noch einmal schrie er.

Ich hielt ihn an den Schultern, sonst wäre er zusammengesackt. Verdammt, ich wusste, dass er nicht verletzt war, nicht verletzt sein konnte. Doch ich spürte die Nähe des Todes wie einen eisigen Hauch, der mich berührte.

Milesis Augen brachen, als ich ihn zu Boden gleiten ließ und versuchte, den Kragen an seinem Hals zu lockern. Zu spät! Der Mann lebte nicht mehr.

Immer noch konnte ich keine Verletzung entdecken. Nur diese blauen Lippen, die über der Brust verkrampften Hände und die Todesangst, die in dem verzerrten Gesicht wie festgefroren war.

Herzinfarkt, dachte ich.

Der Schreck hatte ihn getötet. Der Schreck wegen eines Knalls, den er für einen Schuss gehalten haben musste. Später stellte sich als Ursache die Explosion eines vergessenen Dampfdrucktopfs in der Hotelküche heraus.

Die englische Polizei hatte das Gebäude geräumt. Niemand war zu Schaden gekommen. Niemand außer dem amerikanischen Gangster Guy Milesi, den Phil und ich von Hongkong nach New York zurückbringen sollten, damit er gegen seine ehemaligen Komplizen auspackte.

Die Mafiabosse, die Milesi zum Schweigen bringen wollten, brauchten sich jetzt nicht mehr anzustrengen.

»Herzinfarkt«, knurrte Phil zwei Stunden später im Hotelzimmer erbittert. Einem Zimmer in einer unauffälligen, durchschnittlichen Touristenherberge übrigens, nicht in dem düsteren Loch, wo unser Mann vor seinem Tod untergekrochen war. »Jemand hätte uns doch, verdammt noch mal, sagen müssen, dass Milesi ein schwaches Herz hat!«, fuhr mein Freund fort. »Nach allem, was für seine Sicherheit unternommen worden ist, wäre es ja wohl ein Klacks gewesen, einen Arzt aufzutreiben, der ihn unter Beruhigungsmittel oder sonst was gesetzt hätte.«

Ich zuckte mit den Schultern. Der Whisky, den ich in der Hand hielt, schmeckte mir nicht.

Wenn, hätte, wäre ... Milesi war tot. Daran ließ sich nichts ändern. Die Chance, mithilfe seiner Aussage einen entscheidenden Schlag gegen die Mafia zu führen, diese Chance, derentwegen Phil und ich nach Hongkong geschickt worden waren, gab es nicht mehr.

Oder doch? Waren da noch unbekannte Fakten und Zusammenhänge? Milesi wäre nicht ausgerechnet nach Hongkong geflohen, wenn er sich nicht etwas davon versprochen hätte.

Alte Verbindungen vielleicht, die er nutzen wollte? Oder Freunde, von denen er sich Hilfe versprach? Viel wussten wir nicht in dieser Richtung, aber immerhin ...

Meine Gedanken stockten, als das Telefon summte. Ich hatte ein Gespräch nach New York angemeldet. Mr. High war am anderen Ende der Leitung. Trotz der riesigen Entfernung klang seine Stimme überraschend klar.

Ich berichtete knapp.

Der Chef schwieg einen Augenblick.

»Sehen Sie noch irgendwelche Möglichkeiten, Jerry?«, fragte er dann. »Könnte Milesi zum Beispiel Aufzeichnungen hinterlassen haben?«

»Nicht in seinem Hotel, Sir.«

»Und sonst? Hat er Leute getroffen, telefoniert oder Kontakte aufgenommen?«

»Wir wissen nur von einem Fall, Sir.« Ich zögerte. »Eine Sache, die mir von Anfang an etwas merkwürdig vorkam. Milesi hat gleich nach seiner Ankunft im Hotel Telefonbücher gewälzt und den Namen eines amerikanischen Geschäftsmanns namens Rodney Garret unterstrichen. Die betreffende Nummer versuchte er dann mehrfach anzurufen. Jedes Mal wenn er ein paar Worte gesagt hatte, wurde laut Auskunft des Portiers das Gespräch unterbrochen. Milesi selbst behauptete, den Mann mit einem alten Bekannten verwechselt zu haben, der ebenfalls Garret heißt und offenbar nicht mehr in Hongkong lebt.« Ich hob die Schultern, obwohl Mr. High es nicht sehen konnte. »Die Erklärung klang halbwegs plausibel. Bisher hatten wir keinen Grund, weiter in dieser Richtung nachzuforschen. Nur jetzt ...«

»Ein Versuch kann auf jeden Fall nicht schaden. Sie haben freie Hand, Jerry, natürlich nur, soweit es sich mit Ihrer Rolle als Gast in der Kronkolonie vereinbaren lässt.« Der Chef machte eine Pause. »Außerdem könnte Ihnen vielleicht die Adresse der Firma Johnson Incorporated weiterhelfen ...«

Er nannte die Anschrift, ein Bürohaus in Kowloon. Ich grinste matt, als ich den Hörer auflegte und Phil den Zettel mit der Notiz zuschob. Mr. Highs Formulierung und die Art, wie er das Wort Firma betonte, hatten deutlich genug verraten, dass es sich um eine Deckadresse handelte.

Firma – so wird bei uns in den Staaten unter Geheimdienstleuten die CIA genannt. Central Intelligence Agency.

Phil verdrehte die Augen. Wir haben beide nicht besonders gern mit den Gentlemen aus Langley zu tun. Es gibt bei ihnen zu viele, die den Stempel topsecret am liebsten auch noch auf die Statistik über den Büroklammernverbrauch in ihrer Dienststelle drücken würden.

Phil warf eine Münze und verlor prompt.

Er würde das Vergnügen haben zu versuchen, der Firma Johnson Incorporated Geheimnisse über die Unterwelt von Hongkong und Guy Milesis mögliche Verbindungen zu entreißen.

In der klaren, kühlen Gebirgsluft wirkten die Umrisse der Landschaft wie aus Pappe geschnitten. Schnaubende Maultiere, klappernder Huftritt, das knarrende Stiefelleder der Männer, Murmeln und gelegentliche Flüche mischten sich zu einer einschläfernden Geräuschkulisse, hinter der dennoch fast greifbar Spannung lauerte.

Lee Singal, ehemaliger CIA-Mann und jetzt Agent der Rauschgiftbehörde, legte den Kopf in den Nacken. Über ihm ragte der Gipfel des Mount Shaolein in den Himmel. Ein gleichmäßiger Kegel, nur von dem gezackten Grat unterbrochen, den die Angehörigen des Schan-Volks in ihrer Sprache Drachenzahn nannten.

Lee Singal kannte den Platz von zwei früheren Besuchen. Er hatte dort ein kleines Camp mit Funkgerät und Ausrüstung angelegt, die letzte Bastion für den äußersten Notfall. Ein schmales Lächeln glitt über seine Züge. Für ein Himmelfahrtskommando, fand er, war dieses Schlupfloch zwischen Himmel und Erde sehr passend ...

»Vorsicht, Lee!«

Die dunkle, kehlige Stimme hinter ihm gehörte dem Burmesen Ula Mandalai. Er war stämmig und untersetzt. Wie ein Sack hing er auf dem schwankenden Maultier, als könnte er sich nur mit Mühe halten. Lee Singal kannte ihn besser. Auch die Männer wussten, dass in dem schweigsamen Burmesen Granit steckte.

Sie waren Söldner, ein zusammengewürfelter Haufen. Deserteure, Abenteurer, Banditen, ehemalige nationalchinesische Soldaten, junge Schan, die der Hunger aus ihren Dörfern vertrieben hatte. Männer, die nur dem Stärkeren gehorchten. Sie kämpften für den, der Bezahlung versprach. Doch sie würden auch ohne Skrupel über ihn herfallen, sobald er sich eine Blöße gab.

Lee Singal wusste das. Er gab sich keine Blöße. Nur einmal hatte er den Eindruck gehabt, dass sich eine Gruppe etwas zu eingehend mit dem Maultier befasste, auf dem sie die Dollars vermutete. Die geballte Ladung Handgranaten war in einer Felsenmulde explodiert, ohne jemand zu gefährden. Die moralische Wirkung reichte jedoch aus und hielt vor.

»Ich kenne den Weg«, sagte Singal über die Schulter, ohne sein Reittempo zu ändern. »Es sieht mörderisch aus. Aber der Fels ist gut, und der Pfad verbreitert sich schnell wieder. Die Kolonne wird durchkommen.«

»Wenn du es sagst ...«

Die Stimme des Burmesen klang gleichmütig. Er zeigte selten eine Gemütsbewegung. Denen, die ihn nicht kannten, war er unheimlich. Nicht einmal Singal wurde völlig klug aus ihm.

Sie arbeiteten nicht zum ersten Mal zusammen, sie kannten sich seit Jahren und verließen sich blind aufeinander. Man hätte es Freundschaft nennen können, wenn auf Ula Mandalais unenträtselbare Beziehung zum Rest der Welt Begriffe wie Freundschaft anwendbar gewesen wären.

Lee Singal warf noch einen prüfenden Blick auf die Kolonne. Schwankende Maultiere, schwer bepackt mit Säcken voll Roh-Opium. Zerlumpte, abgerissene Männer, die teils ritten, teils stoisch marschierten. Wurzellose Männer. Im Schan-Staat, dem Herzen des Goldenen Dreiecks, gab es sie zuhauf.

Die Zahl der sogenannten Opium-Armeen, die hier ihr Leben vom Rauschgift fristeten, ließ sich immer nur schätzen. Und immer gab es Überläufer, Versprengte,...

Erscheint lt. Verlag 6.1.2024
Reihe/Serie Jerry Cotton Sonder-Edition
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer • Action Abenteuer • action romane • action thriller • action thriller deutsch • alfred-bekker • Bastei • bastei hefte • bastei heftromane • bastei romane • bastei romane hefte • Bestseller • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • erste fälle • Fall • gman • G-Man • Hamburg • Heft • Heftchen • Heftroman • heftromane bastei • Kindle • Krimi • Krimiautoren • Krimi deutsch • krimi ebook • Krimi kindle • Kriminalfälle • Kriminalgeschichte • Kriminalgeschichten • Kriminalroman • Kriminalromane • kriminalromane 2018 • kriminalromane deutsch • Krimi Reihe • Krimireihen • krimi romane • Krimis • krimis&thriller • krimis und thriller kindle • Krimi Urlaub • letzte fälle • martin-barkawitz • Polizeiroman • Romanheft • Roman-Heft • schwerste fälle • Serie • Soko-Hamburg • spannend • spannende Krimis • spannende Thriller • Spannungsroman • Stefan Wollschläger • Tatort • Terror • thomas-herzberg • Thriller • Wegner
ISBN-10 3-7517-6262-0 / 3751762620
ISBN-13 978-3-7517-6262-5 / 9783751762625
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