Unter der Sommerlinde von Gourdon -  Susanne Morel

Unter der Sommerlinde von Gourdon (eBook)

Roman | Ein gefühlvoller historischer Roman um den selbstlosen Einsatz einer jungen Frau zwischen Liebe und Krieg
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
368 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-46760-2 (ISBN)
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'Unter der Sommerlinde von Gourdon' von Susanne Morel entführt auf eine Kräuterfarm in die Provence in den 30er Jahren und schildert das spannende Leben einer mutigen Krankenschwester. Provence, 1935. Manon lebt für ihren Beruf als Krankenschwester. Nicht immer stößt sie mit ihrem Engagement bei den Vorgesetzten auf Zustimmung und muss sich mit ungerechtfertigten Demütigungen auseinandersetzen. Unweit des Anwesens ihrer Eltern trifft sie eines Abends auf Léandre, der dort eine Kräuterfarm bewirtschaftet. Umgeben vom würzigen Duft seiner Gewürzfelder erlebt sie ihre Heimat ganz neu und lässt den Traum von einer gemeinsamen Zukunft mit Léandre entstehen. Als Manon unerlaubt einen totkranken deutsch-jüdischen Jungen ins Krankenhaus schleust, kommt es zum Skandal, und Manon wird aus dem Dienst entlassen. Ihre hart erarbeitete Unabhängigkeit scheint in Stücke zu zerfallen. Doch dann bietet sich ihr eine Gelegenheit, die alles verändern könnte und Manon fragt sich, wie weit sie bereit ist, ihren Traum zu gehen ...   Ein historischer Roman über eine junge Frau, die ihren eigenen Weg sucht - und die Liebe findet.  Vor dem Hintergrund des heraufziehenden 2.Weltkriegs verströmt dieser inspirierende Roman den Duft von Thymian und Rosmarin. Susanne Morel ist die Autorin der spannenden historischen Familiensaga 'Die Pfirsichblütenschwestern'. 

Aufgewachsen in einer österreichischen Kleinstadt, empfand Susanne Morel früh den Drang, das Land ihrer Vorfahren zu erkunden. Frankreich. In den Weinbergen ihres Großvaters findet sie immer wieder ganz zu sich und verspürt dort eine ungemeine Quelle an Schaffenskraft, die sich in ihren Geschichten widerspiegelt.Bevor sie sich mit der Verwirklichung ihres ersten Buches auseinandersetzte, lebte sie ihre Kreativität als Kostümbildnerin an namhaften Opernhäusern Wiens aus.Heute wohnt sie mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern auf dem Land, wo sie die stete Ruhe und die Nähe zur Natur genießt.

Prolog


Gourdon, Oktober 1921.

Es war dunkel, und eigentlich durfte Manon zu dieser Zeit nicht allein in den Park. Aber heute ließ sie sämtliche Verbote hinter sich und konzentrierte sich auf die Suche nach Heilkräutern.

Sie glaubte, sich zu erinnern, in einem Lehrbuch aus der Schulbibliothek von den Heilkräften des Rosmarins gelesen zu haben.

»Entzündungshemmend, schmerzstillend, anregend«, zählte sie die aufgeführten Wirkungsbereiche auf und hielt dabei ihre Laterne hoch, um den schwachen Schein der Kerze bestmöglich zu nutzen.

»Verwendung als Heilkraut«, fuhr sie fort, »bei Herzschwäche, Atemnot, Kreislaufschwäche.«

Dann schloss sie die Augen und versuchte, sich jedes Detail der farbigen Skizze in Erinnerung zu rufen. Die Nadeln der Pflanze waren an der Oberfläche dunkelgrün und an der Unterseite grau. Rosmarin wuchs als immergrüner Strauch und gedieh an sonnigen, warmen Plätzen.

Manon blickte hoch zu den Baumwipfeln, die sich im Mondlicht scheinbar sanft in den Schlaf wiegten. Hier würde sie keinen Rosmarin finden, nicht mitten im Park. Ein schwerer Seufzer kam aus ihrer Kehle und verklang zwischen den nachtschwarzen Baumstämmen. Warum nur hatte sie sich nicht bei Tageslicht auf die Suche gemacht?

Großmutter war krank, lag im Bett und fand seit Tagen nicht die Kraft, um aufzustehen. Der Arzt hatte mit bedrückter Miene den Kopf geschüttelt und seine Hand auf Vaters Schulter gelegt. Ihr, Manon, hatte man nichts gesagt. Wie immer. Sie war ja schließlich ein Kind, gerade einmal acht Jahre alt, zu jung, um das Leben zu verstehen – oder den Tod.

Manon ließ den Park hinter sich und hastete über die mondbeschienene Wiese, die sich silbrig schimmernd vor ihr ausbreitete. Kurz dachte sie an die vielen Schmuckstücke, die die Großmutter in einer Schatulle verwahrte wie einen Schatz, und die sie ihr nur an ganz besonderen Tagen zeigte oder ihr sogar erlaubte, etwas anzuprobieren. Dann standen sie gemeinsam vor dem Spiegel und bewunderten die schweren Ketten an Manons zierlichem Hals.

Für einen Moment glaubte Manon, das herzhafte Lachen ihrer Großmutter zu hören, und hielt inne. Nein, da war nichts. Nur der schaurige Ruf eines Waldkauzes, der aus den Tiefen des Parks zu ihr herüberklang. Sie schüttelte den Kopf und machte sich weiter auf die Suche nach dem Rosmarin. Ihre Schritte wurden länger, als der kleine Gemüsegarten in ihr Blickfeld rückte.

Die Haut der letzten Kürbisse glänzte im Schein der Laterne. Hinter den Blättern von Sellerie und Roter Bete entdeckte sie, an eine kleine Steinmauer geschmiegt, wonach sie suchte. Vom langen Sommer und der Ernte ausgezehrt, waren es nur noch ein paar dürre Zweige, die auf sie warteten. Aber die würden bestimmt genügen. Hastig brach sie ein paar davon ab und rannte erleichtert zurück ins Haus. Den Rosmarin trug sie wie eine Trophäe in ihrer Linken und strahlte dabei, als hätte sie Großmutters Krankheit bereits besiegt.

Im Haus angekommen, stellte Manon die Laterne ab und kümmerte sich nicht um ihre schmutzigen Schuhe, sondern stürmte sofort die Treppe hoch.

Kurz vor Großmutters Schlafzimmer verlangsamte sie ihre Schritte und holte tief Luft. Der frische, harzige Geruch des Rosmarins stieg ihr in die Nase und klärte ihre Gedanken.

Leise, um die Großmutter nicht zu wecken, drückte sie die Türklinke hinunter und öffnete die Tür gerade so weit, um hindurchschlüpfen zu können.

Am Krankenbett dann blickte sie auf das Gesicht ihrer schlafenden Großmutter, das im Schein der Kerzen beinahe leblos wirkte. Die Falten um Mund und Augen hatten sich im Verlauf der Krankheit tiefer eingegraben, ließen die lieb gewonnenen Züge verhärmt wirken.

»Jetzt wird alles gut, das verspreche ich dir«, flüsterte Manon kaum hörbar und drapierte die Rosmarinzweige um den Hals ihrer Großmutter. So konnte sie den heilenden Geruch einatmen und schnell wieder gesund werden.

Erleichtert setzte Manon sich an die Bettkante. Sie würde hierbleiben und für den Rest der Nacht Wache halten. Und morgen, wenn die ersten Sonnenstrahlen durchs Fenster fielen und Großmutters unzählige Porzellanfiguren und Vasen aufblitzen ließen, dann wäre auch der letzte Rest von Sorge verschwunden.

Großmutter würde sie anlächeln und ihr mit den warmen, trockenen Händen über die Wange streicheln. Dann würde es nicht mehr lange dauern, und sie könnte das Bett verlassen, um ihrem gewohnten Tagesablauf nachzugehen. Sie würden wieder ihre gemeinsamen Spaziergänge durch den Park unternehmen, ins Dorf gehen, um in der Kirche zu beten, in Büchern schmökern und frisch angerührten Kakao schlürfen.

Nein, es würde gewiss nicht mehr lange dauern, das wusste Manon. Die Sorge um ihre grand-mère fiel von ihr ab und machte einer schweren Müdigkeit Platz. Gerne hätte sie die Augen offen gehalten, um die fortschreitende Heilung zu beobachten, zuzusehen, wie Großmutters Haut langsam an Farbe gewann, ihr Brustkorb sich wieder kräftiger hob und senkte und ihre Gesichtszüge zum Leben erwachten. Den Kampf gegen den Tod hätte sie gewonnen, da war sie sicher, aber die Müdigkeit war einfach zu schwer, zu drückend. Manon ergab sich, kuschelte sich eng neben ihre Großmutter und schloss die Augen.

 

»Manon, was machst du hier? Bist du verrückt?« Die schrille Stimme ihrer Mutter riss sie aus ihrem Traum. Eben war sie noch auf Wolken geflogen und hatte auf die Welt hinabgeblickt, und nun spürte sie Mutters harten Griff an der Schulter.

»Steh sofort auf.«

Manon gehorchte und verließ das Bett. Während sie sich streckte, blickte sie zu ihrer Großmutter. Ihr Gesicht hatte sich über Nacht verändert. Es war wie eingefallen, die Haut wirkte wächsern, der Ausdruck erstarrt.

»Lieber Gott, steh mir bei!« Die Mutter eilte aus dem Zimmer, lief die Treppe hinunter und rief hysterisch durchs Treppenhaus nach ihrem Mann. Während die Stimme ihrer Mutter stetig leiser wurde, wurde die Stille um die Großmutter immer lauter.

Konnte es sein, dass sie tot war? Nein, das war doch gar nicht möglich. Manon streckte die Hand aus und griff nach einem der vertrockneten Rosmarinzweige. Dann strich sie mit den Fingerspitzen über Großmutters Wange. Sie war kalt. Erschrocken zog sie die Hand zurück. Es war, als läge auf dem Bett nicht mehr der Mensch, der sie seit ihrer Geburt getragen, getröstet, geliebt und umarmt hatte, sondern eine Puppe aus Porzellan.

Plötzlich kam ihr die nächtliche Suche nach dem Rosmarin lächerlich vor. Was hatte sie sich dabei nur gedacht? Hatte sie tatsächlich geglaubt, den Tod mit ein paar Zweigen überlisten zu können? Dass ihr Wissen über die Heilkraft der Kräuter größer war als die überirdische Macht über Leben und Tod? Nur weil sie vor ein paar Wochen in einem Buch über die Wirkungsweise von Rosmarin gelesen hatte, machte das noch lange keine Heilerin aus ihr. Sie war ein dummes kleines Mädchen, das niemand ernst nahm – zu Recht.

Tränen perlten über ihre Wange und tropften auf die erkaltete Hand der Großmutter.

Das spürt sie nicht mehr, dachte Manon und schüttelte den Kopf, weil dieser Gedanke so unbegreiflich groß war, dass er sich im gesamten Raum ausbreitete und sich in den Furchen des rustikalen Bodens festkrallte und den Porzellanfiguren jeden Glanz raubte.

Das spürt sie nicht mehr, wiederholte sie in Gedanken und ließ die Schultern hängen.

Es war ihre Schuld. Diese Erkenntnis traf sie wie eine von Mutters scharfen Ohrfeigen, wenn sie die Klavierstunde geschwänzt hatte, um stattdessen durch den Park zu laufen und auf Bäume zu klettern.

Sie, Manon, hätte ihre Zeit in der Bibliothek zubringen müssen, um zu erforschen, welche Arznei einem altersschwachen Herz auf die Sprünge half. So viel Zeit, die sie mit Märchenbüchern vergeudet hatte. So unsagbar viel verlorene Zeit.

Ihre Sicht trübte sich, und Großmutters Gesicht verschwamm hinter einem Vorhang aus Tränen.

Vater kam ins Zimmer gestürmt und beugte sich über den Leichnam. Er schluchzte, vergrub sein Gesicht an ihrer Brust und weinte um seine Mutter.

In diesem Moment wurde Manon bewusst, dass sie nicht nur ihre Großmutter im Stich gelassen, sondern ihren Vater gewiss zutiefst enttäuscht hatte.

Manon griff sich an die Kehle, die wie zugeschnürt war. Sie musste weg, hinaus an die frische Luft. Ein letztes Mal blickte sie auf den Leichnam ihrer grand-mère, dann eilte sie aus dem Zimmer, über die Treppe hinunter und durch die schwere Eingangstür. Erst als sie draußen angekommen war und die Sonne ihre Tränen trocknete, fand sie ein wenig zu sich selbst zurück.

Noch nie zuvor hatte sie einen Leichnam gesehen. Und noch nie zuvor hatte sie einen Menschen verloren, der ihr am Herzen lag.

Erschöpft lehnte sie sich an die warme Hausmauer und blickte hoch zum Himmel. Ob ihre Großmutter jetzt dort oben war und auf sie herunterblickte? Ob sie böse war mit ihr, weil sie es nicht geschafft hatte, ihr zu helfen?

Ein lauter Schluchzer entfuhr ihrer Kehle und erschreckte ein paar Vögel, die fluchtartig aus den Büschen stoben.

Sie schloss die Augen und rief sich das liebevolle Lächeln ihrer Großmutter in Erinnerung. Dann sah sie hoch zum Himmel und schwor sich, dass ihr nie wieder ein derartiger Fehler unterlaufen durfte. Gleich morgen würde sie mit ihrem Vater nach Grasse fahren, um sich in der Bibliothek ein Buch auszuleihen, das vollgestopft war mit medizinischem Wissen. Sie würde die Begriffe inhalieren, sie aufsaugen und eins werden mit ihnen. Sie würde keine Gelegenheit verstreichen lassen, um sich Kenntnisse anzueignen, die Leben zu retten vermochten. Für Großmutter war es...

Erscheint lt. Verlag 2.5.2024
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte 1935 • Ärztin • Aufkommender Antisemitismus • Befreiung • Duftende Kräuter • Emanzipation • Emanzipation der Frau • Entlassung • fristlose Entlassung • Geschwisterbeziehung • Heimatkultur • Hingebungsvolle Krankenschwester • historischer Roman 20. Jahrhundert • Hoffnung auf bessere Zeiten • Idealismus • Judenverfolgung • Jüdisches Kind • Junge Ärztin • Krankenschwester • Kräuterfarm • Künstler • Liebesroman • Liebe und Verbindung • LIEBE ZUR NATUR • Lucinda Riley • Menschlichkeit trotz Vorschriften • Moralische Entscheidungen • Mut zum Widerstand • Nationalsozialismus • Nationalsozialismus Roman • Paris • Persönlicher Traum • Professionalität in der Pflege • Provence • Roman für Frauen • Rosmarin- und Thymianfelder • Schwestern • Slebstständigkeit • soziale Konflikte • Ungerechtfertigte Demütigungen • Verbotene Liebe • Was lesen nach Lucinda Riley? • Widerstand gegen Ungerechtigkeit • Zusammenhalt und Solidarität • Zweiter Weltkrieg
ISBN-10 3-426-46760-7 / 3426467607
ISBN-13 978-3-426-46760-2 / 9783426467602
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