Unsere kurze Ewigkeit -  Melanie Metzenthin

Unsere kurze Ewigkeit (eBook)

Margarethe und Fritz Krupp. Roman einer Ehe
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
416 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60636-3 (ISBN)
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Die große Liebe wurde ihre größte Herausforderung Essen, 1882. Der begehrteste Junggeselle des Ruhrpotts heiratet eine alte Jungfer: Für Fritz Krupp und die gleichaltrige Margarethe mag es eine Liebeshochzeit sein, doch die feine Gesellschaft sieht in der Braut keine gute Partie. Margarethe beweist allerdings schnell, was in ihr steckt. Immer wieder muss sie für ihren kränklichen Gatten einspringen und ihn in privaten wie beruflichen Belangen vertreten. Ihr Mann, das Unternehmen und die Krupp-Dynastie verlangen ihr alles ab - ihre Ehe wird für sie zur Lebensaufgabe, Erfüllung und Herausforderung zugleich.

Melanie Metzenthin wurde 1969 in Hamburg geboren, wo sie auch heute noch lebt. Als Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie hat sie einen ganz besonderen Einblick in die Psyche ihrer Patienten, zu denen sowohl Traumatisierte als auch Straftäter gehören. Bei der Entwicklung der Figuren ihrer historischen Romane greift sie auf ihre beruflichen Erfahrungen zurück.

Melanie Metzenthin wurde 1969 in Hamburg geboren, wo sie auch heute noch lebt. Als Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie hat sie einen ganz besonderen Einblick in die Psyche ihrer Patienten, zu denen sowohl Traumatisierte als auch Straftäter gehören. Bei der Entwicklung der Figuren ihrer historischen Romane greift sie auf ihre beruflichen Erfahrungen zurück.

1


»Wenn du als Dienstbotin arbeiten willst, brauchst du dich hier nie mehr blicken zu lassen. Dann bist du nicht mehr meine Tochter!«

Dieser Satz ging Margarethe nicht mehr aus dem Kopf. Nicht einmal die wunderschöne Landschaft, die an ihrem Zugfenster vorbeiflog, konnte sie ablenken. Unter anderen Umständen hätte sie mit Sicherheit ihren Skizzenblock hervorgezogen, um die herbstroten Wälder und die ockerfarbenen Felder festzuhalten. Sie hätte nach Rehen, Fasanen und Füchsen Ausschau gehalten. Doch diesmal war alles anders. Zu schmerzhaft hatten sich die harschen Worte in ihr Herz gegraben. Die letzten Worte, bevor sie aufgebrochen war, um ihr Elternhaus für lange Zeit, wenn nicht gar für immer, zu verlassen. Wenigstens hatte sie das Zugabteil für sich allein. Sie hätte es nicht ertragen, mit irgendeinem Fremden höfliche Konversation betreiben zu müssen, während ihre Gefühle durcheinanderwirbelten.

Es waren nicht nur Schmerz und Enttäuschung, sondern vor allem Wut. Unbändige, heiße Wut, die ihre Schläfen pochen und den Kopf schmerzen ließ, als wolle er zerspringen. Ein Schmerz, so stark, dass sie am liebsten geschrien hätte, um sich Erleichterung zu verschaffen. Natürlich tat sie das nicht, sie war schließlich eine Freiin von Ende, dazu erzogen, stets auf ein tadelloses Benehmen zu achten. Und zu einem tadellosen Benehmen gehörte es, sich nicht mit der Mutter zu zanken. Dennoch ärgerte sie sich maßlos, dass sie ihrer Mutter nicht widersprochen hatte. Zunächst hatte sie sich eingeredet, es wäre ihr natürlicher Respekt vor der Frau, die sie geboren hatte. Und in gewisser Weise stimmte das. Sie war schon vierundzwanzig Jahre alt, doch dieser Respekt beherrschte noch immer ihr Handeln. In Wirklichkeit war es aber ihre Feigheit. Sie hatte Angst davor gehabt, sich mit einer angemessenen Widerrede Luft zu verschaffen, denn sie wusste, dass sich nicht einmal ihr Vater August im Streit gegen die Mutter durchsetzen konnte. Und der war immerhin amtierender Oberpräsident der Provinz Hessen-Nassau. Andererseits bewies ihre Reise, dass sie sich in gewisser Weise doch durchgesetzt hatte. War es nicht die viel bessere Antwort, zu handeln, anstatt hitzige Worte zu wechseln, die doch zu keiner Lösung führten?

Sie war keine Dienstbotin, ganz gleich, was ihre Mutter sagte. Sie war Absolventin des Lehrerinnenseminars und hatte über den Verein deutscher Lehrerinnen in England eine gut bezahlte Stellung als Gouvernante im Haushalt des britischen Admirals John MacKenzie angeboten bekommen. Er war achtundfünfzig Jahre alt, seine Frau Anabella um vier Jahre jünger. Das Paar hatte vier Kinder, Anni, die nur drei Jahre jünger als Margarethe selbst war, den vierzehnjährigen Stammhalter Kenneth und die beiden Töchter Laura und Lissie, elf und zwölf Jahre alt, ihre künftigen Schützlinge. Margarethe war sehr stolz gewesen, als sie dieses Stellenangebot bekommen hatte. Die Bezahlung war viel besser als in Deutschland, und Mrs MacKenzie hatte ihr einen begeisterten Brief geschrieben, in dem sie ihrer Freude Ausdruck verliehen hatte, dass eine Frau mit solch guten Referenzen künftig die Erziehung ihrer jüngsten Töchter übernehmen würde. Mit Sicherheit hatten die Empfehlungsschreiben, die Bertha Krupp und die Gräfin von der Leyen ihr ausgestellt hatten, einen Großteil zu dieser Begeisterung beigetragen.

Margarethe erinnerte sich daran, wie sie Mrs MacKenzies Brief stolz ihrer Mutter gezeigt hatte. Doch anstatt sich zu freuen, war diese empört gewesen: »Du bist die Freiin von Ende und Enkelin des Grafen von Königsdorff«, hatte sie geschrien, bevor jene bitteren Worte gefallen waren, die Margarethe noch immer verfolgten. Das Pochen in ihren Schläfen verstärkte sich wieder. Am meisten ärgerte sie die Doppelmoral ihrer Mutter. Jetzt kam sie ihr mit der vornehmen Herkunft ihrer Familie. Dabei hatte sie von ihr jahrelang verlangt, für die Familie zu putzen, die Wäsche zu machen und die jüngeren Geschwister zu hüten, weil zu wenig Geld für ordentliches Personal da war. Wäre sie Gouvernante beim deutschen Hochadel geworden, hätte ihre Mutter mit Sicherheit voller Stolz mit ihr renommiert. Aber die Familie MacKenzie war nun mal bürgerlich.

Ob ihre Mutter diese Doppelmoral wohl schon als Kind erlernt hatte? Oder war es ihre Art der Bewältigung gewesen, weil ihr Leben nicht so verlaufen war, wie sie es sich eigentlich gewünscht hatte? Diese Frage hatte Margarethe sich nie beantworten können. Sie wusste nur, dass sie niemals so leben wollte wie ihre Mutter, die mit achtzehn Jahren ihr erstes Kind bekommen hatte und mit neununddreißig Jahren zum dreizehnten Mal niedergekommen war. Ihre beiden Erstgeborenen hatte sie bereits als Säuglinge zu Grabe tragen müssen, ebenso wie den kleinen Ehrenfried, ihr zwölftes Kind. Danach war nur noch die kleine Irene geboren worden. Eleonore von Ende mochte einen schwierigen Charakter haben, aber sie hatte auch kein leichtes Leben gehabt. Wenigstens hatte sie ihre Töchter trotz aller Querelen niemals dazu genötigt, eine ungewollte Ehe einzugehen. Als Margarethe daran dachte, verrauchte ihre Wut. Sie hat mich verletzt, aber sie hat mich nie daran gehindert, das zu tun, was ich wirklich will. Ich kann alles schaffen, ich muss nur die Konsequenzen tragen. Und wenn ich dazu bereit bin, kann mich nichts aufhalten.

Heute fuhr sie ein letztes Mal für lange Zeit nach Essen, um ihrer mütterlichen Freundin Bertha Krupp einen Abschiedsbesuch abzustatten. In zwei Tagen ging es dann von der Villa Hügel aus nach Hamburg. Dort würde sie die Fähre nach England nehmen und von Harwich weiter nach Holyhead in Nordwales reisen.

Ein Ruck ging durch den Waggon. Margarethe schreckte aus ihren Gedanken und sah, dass der Zug in einem kleinen Bahnhof angehalten hatte. Noch vier Stationen bis Essen. Sie schaute aus dem Fenster und betrachtete einige der wartenden Fahrgäste. Ein uniformierter Soldat, eine fünfköpfige Familie und ein Mann um die vierzig mit einem gewaltigen Schnauzbart. Sie hoffte, dass sie noch eine Weile mit ihren Gedanken allein bleiben könnte. Es gab schließlich genügend freie Abteile.

Als die Pfeife des Schaffners ertönte, war Margarethe erleichtert, denn niemand war in ihr Abteil gestiegen. Doch als der Zug anfuhr, stellte sie fest, dass sie sich zu früh gefreut hatte. Der schnauzbärtige Mann kam den Gang hoch, schaute in ihr Abteil und öffnete es dann.

»Guten Tag, ist hier noch ein Platz frei, meine Dame?«

Sie nickte stumm.

Der Mann hievte seinen kleinen Koffer in das Gepäcknetz, dann nahm er ihr gegenüber Platz. »Ich hasse es, allein in einem Abteil zu sitzen. Da bin ich doch sehr froh, dass ich Sie hier getroffen haben, meine Dame.« Er warf einen Blick auf ihre Hände, die in weißen Handschuhen steckten. Vermutlich taxierte er, ob sie einen Ehering darunter trug, denn sofort fragte er: »Oder ist Ihnen Fräulein lieber?«

»Verzeihen Sie, aber mir ist im Augenblick nicht nach Konversation zumute.«

»Oh, habe ich da in ein Wespennest gestochen? Haben Sie gar Liebeskummer? Wissen Sie, mit mir können Sie über all das reden, ich bin ein guter Zuhörer, und ich habe schon so manches Herzensleid während einer Bahnfahrt gelindert.«

Margarethe sah ihm direkt in die Augen. »Mein Herr, ich sagte, mir ist nicht nach Konversation zumute.«

»Nun, vielleicht sollte ich Ihnen dann erst einmal von mir erzählen, damit Sie etwas Vertrauen fassen. Ich bin Fridolin Stemmler, Geschäftsreisender auf dem Weg nach Essen.«

Margarethe unterdrückte einen Seufzer. Musste dieser aufdringliche Mensch ausgerechnet das gleiche Ziel wie sie haben?

»Wollen Sie wissen, was ich vertrete?«

Margarethe schaute schweigend aus dem Fenster. Das schien ihr Gegenüber als Aufforderung zu verstehen.

»Beste Savon de Marseille. Die gute Seife aus Marseille, die für ihren hohen Anteil an Olivenöl bekannt ist. Reinigend und dennoch schonend zur Haut und dabei wohlduftend. Ich habe nicht nur Rosen- und Lavendelduft im Angebot, sondern auch exotische Düfte wie Schokolade.«

Margarethe sah weiterhin aus dem Fenster.

»Wissen Sie, warum ich nach Essen fahre? Weil man sich vor dem Essen die Hände waschen sollte.« Er lachte albern. »Nun kommen Sie schon, meine Dame, das war lustig. Wollen Sie nicht einmal lächeln und mir das Strahlen Ihrer Zähne zeigen?«

Margarethe zog ein kleines in Leder eingeschlagenes Büchlein aus...

Erscheint lt. Verlag 3.5.2024
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Capri • Capri-Affäre • Essen • Fritz Krupp • Kaiser • Margarethe Krupp • Margarethenhöhe • neuerscheinung 2024 • Ruhrgebiet • Starke Frau • Villa Hügel
ISBN-10 3-492-60636-9 / 3492606369
ISBN-13 978-3-492-60636-3 / 9783492606363
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