Den Tod belauscht man nicht (eBook)
448 Seiten
Hoffmann und Campe (Verlag)
978-3-455-01719-9 (ISBN)
Ninni Schulman, geb. 1972, hat lange als Journalistin für schwedische Tageszeitungen gearbeitet, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Ihre Krimis sind in Schweden regelmäßig Top-5-Bestseller.Nach dem großen Erfolg von Den Tod belauscht man nicht, Band 1 ihrer neuen Krimireihe, erscheint mit Das Paradies verrät man nicht nun der zweite Band um die Privatdetektivin Ingrid Wolt.
Ninni Schulman, geb. 1972, hat lange als Journalistin für schwedische Tageszeitungen gearbeitet, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Ihre Krimis sind in Schweden regelmäßig Top-5-Bestseller.Nach dem großen Erfolg von Den Tod belauscht man nicht, Band 1 ihrer neuen Krimireihe, erscheint mit Das Paradies verrät man nicht nun der zweite Band um die Privatdetektivin Ingrid Wolt.
Cover
Titelseite
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Kapitel 53
Kapitel 54
Kapitel 55
Kapitel 56
Kapitel 57
Kapitel 58
Kapitel 59
Kapitel 60
Kapitel 61
Kapitel 62
Kapitel 63
Kapitel 64
Kapitel 65
Kapitel 66
Kapitel 67
Kapitel 68
Kapitel 69
Kapitel 70
Kapitel 71
Kapitel 72
Kapitel 73
Kapitel 74
Kapitel 75
Kapitel 76
Kapitel 77
Kapitel 78
Kapitel 79
Kapitel 80
Kapitel 81
Kapitel 82
Dank der Autorin
Über Ninni Schulman
Impressum
Kapitel 1
Ingrid Wolt warf sich die Tasche über die Schulter und trat in die Freiheit hinaus. Obwohl es erst halb neun Uhr am Morgen war, flimmerte die Luft auf dem Anstaltsparkplatz schon vor Hitze. Hinter ihr schloss sich quietschend das hohe Gittertor.
Der Schatten der Stacheldrahtreihen auf dem Zaun lag schwarz über dem trockenen Kies. Die neue Jeans, die sie bei ihrem letzten überwachten Ausgang gekauft und für diesen Tag aufgehoben hatte, fühlte sich auf eine herrliche Weise steif an. Die Turnschuhe drückten etwas.
Nach ein paar hundert Metern bemerkte sie ein geflicktes Loch im Zaun. Vielleicht war Kiki vom Nordflügel im vorigen Sommer ja dadurch abgehauen. Ab und zu passierte es, dass Gefangene den Maschendrahtzaun aufschnitten und rauskrochen. Manche wagten sogar, obendrüber zu klettern, das Baumwollkleid in die Unterhose gestopft, um nicht am Stacheldraht hängen zu bleiben.
Die Straße runter nach Frövi fühlte sich bedeutend länger an als drei Kilometer, und sie musste mehrmals die Schulter für die Tasche wechseln, doch schließlich wichen die Bauernhöfe den Einfamilienhäusern. Sie versuchte aufrecht zu gehen, erhobenen Hauptes, obwohl ihr klar war, dass alle, die sie sahen, genau wussten, woher sie kam.
Erst am Bahnhof fand sie eine Telefonzelle. Sie schubste die unförmige Tasche in das Häuschen, nahm den Geldbeutel, dick befüllt mit all den Scheinen des Abschlusslohns, und fischte ein paar Ein-Kronen-Münzen heraus, die sie dann mit ihrer Hand umklammerte. War es zu früh, um anzurufen? Nein, sie waren um diese Zeit bestimmt schon wach. Sie steckte eine Krone in den Münzschlitz und wählte die Nummer, die sie auswendig konnte.
In der Telefonzelle war es heiß wie in einer Sauna. Während es klingelte, schob sie die Tür auf, um ein bisschen Sauerstoff reinzulassen. Sie wollte gerade schon wieder auflegen, als endlich eine Stimme zu hören war.
»Karlsson.«
Die Frau war ans Telefon gegangen.
»Hallo, ich bin es. Ingrid Wolt.«
»Aha. Hallo.«
Die Stimme distanziert, fast schon unfreundlich.
»Ich würde gern mit Anna sprechen.«
»Sie ist nicht da.«
»Ach so«, sagte Ingrid und schluckte. »Wo ist sie denn?«
»Bei einer Freundin.«
»Um diese Uhrzeit?«, fragte Ingrid und warf einen Blick auf die Bahnhofsuhr. »Es ist doch noch nicht mal neun.«
»Sie hat dort übernachtet.«
Ingrid hatte sich so sehr nach diesem Gespräch gesehnt und es in ihrem Innern Hunderte Male durchgespielt. Dass Anna nicht zu Hause sein könnte, war ihr überhaupt nicht in den Sinn gekommen.
»Dann probiere ich es später noch mal«, erwiderte Ingrid. »Jedenfalls bin ich jetzt raus.«
»Okay.«
»Vielleicht können Sie ihr das ausrichten und sagen, dass ich später noch mal anrufe. Und dass ich sie liebe wie nichts anderes auf der Welt.«
»Ja, klar. Das werde ich tun.«
Ingrid hängte den Hörer auf die Gabel und seufzte tief. In den letzten Tagen hatte sie an nichts anderes denken können, als diesen Anruf in Freiheit zu tun und die Stimme ihrer Tochter wieder zu hören.
Die nicht benutzte Münze war in ihrer Hand klebrig geworden, und sie ließ sie wieder in den Geldbeutel fallen. Jetzt hätte sie gern auch Thomas angerufen, aber der war im Urlaub und würde erst nächste Woche wiederkommen.
Ingrid stieß die Tür mit der Schulter auf und versuchte, die Enttäuschung abzuschütteln. Sie würde Anna später am Tag sprechen, und ihr Bruder würde auch irgendwann nach Hause kommen. Sie war nicht völlig allein auf der Welt. Eigentlich nicht.
Genau wie Thomas versprochen hatte, stand das Auto, ihr alter Saab 99, in einer Seitenstraße hinter dem Bahnhof. Abgesehen von etwas Flugrost auf den Kotflügeln war er überhaupt nicht so mitgenommen, wie sie befürchtet hatte. Der Schlüssel lag auf dem rechten Vorderrad, und als sie den Kofferraum öffnete, um ihre Tasche reinzulegen, musste sie den Hockey-Koffer beiseite schieben, den sie an jenem Tag, an dem alles schiefging, gepackt hatte und der nunmehr alles enthielt, was sie noch besaß. Sie fuhr leicht mit der Hand über den Nylonstoff, wagte aber nicht, den Reißverschluss aufzuziehen, um zu sehen, was drin war.
Sie schloss die Fahrertür auf, ließ sich auf dem brennend heißen Sitz nieder und umfasste prüfend das Lenkrad. Im Handschuhfach fand sie den Zettel mit ihrer neuen Adresse und der Telefonnummer des Vermieters, einem Gert Boström. Ihr Bruder hatte ihr außerdem mit Kugelschreiber auf einem karierten Ringbuchblatt eine hilfreiche Karte gezeichnet. Mora. Våmhus. Kumbelnäs. Den Siljan-See hatte er mit viel blauer Tinte eingefärbt. Ingrid war noch nie in ihrem Leben in Dalarna gewesen, und das war genau die Idee. Ein Ort, wo niemand sie kannte, war genau richtig, um neu anzufangen.
Sie legte die Karte auf den Beifahrersitz und sah ein weiteres Mal in den Rückspiegel, als rechnete sie damit, dass eine Wachpatrouille hinter ihr hergerannt käme, um sie am Wegfahren zu hindern. Doch es war niemand zu sehen. Sie war nun ein freier Mensch und konnte tun und lassen, was sie wollte.
Ein Schauder des Glücks durchfuhr sie, als sie den Zündschlüssel herumdrehte, vom Parkplatz ausscherte und Frövi hinter sich ließ.
Draußen auf der Landstraße schaltete Ingrid das Radio ein, kurbelte die Scheibe ganz herunter und ließ sich den Wind durchs Haar wehen. Viel kühler wurde es nicht davon. Die Jeans klebte am Oberschenkel, und der Schweiß lief.
Allmählich ging die offene Landschaft in einen dichten Wald über, nur ab und zu durch kleine, von hügeligen Feldern umgebene Dörfer unterbrochen. Als sie gesessen und über ihr neues Leben draußen und darüber nachgedacht hatte, wo sie wohl neu anfangen könnte, war unwillkürlich Dalarna in ihren Gedanken aufgetaucht. Nach einer Weile hatte sie gemerkt, dass es sie dorthin zog, weil Benny immer von den Sommern seiner Kindheit dort erzählt hatte. Er war genau wie sie in der Stadt aufgewachsen, aber manchmal, wenn sie gemeinsam vor irgendeiner Kaschemme Dealer ausspähten, genügte schon der Geruch von frisch gemähtem Gras, um ihn in Gedanken zurück zu einem Mittsommerfest oder einer Angeltour zu versetzen.
Manchmal hatte sie sich gefragt, was Benny wohl jetzt von ihr dachte, nach all dem, was passiert war. Bestimmt wusste er alles. Ingrid konnte sich gut vorstellen, wie unter den Kollegen in der Polizeizentrale getratscht worden war. Aber vielleicht hatte er, der sie besser kannte als die meisten, seinen Glauben an sie doch nicht verloren.
Nach ein paar Stunden hinter dem Steuer bekam Ingrid Hunger. Inzwischen näherte sie sich schon Leksand am Siljan-See, und so bog sie ab und fand an einem kleinen Platz ein China-Restaurant, das nett aussah.
Ehe sie aus dem Auto stieg, fischte sie eine Bürste aus der Handtasche, fuhr sich ein paarmal durch die Haare und band sie dann zu einem Pferdeschwanz.
Hier kennt mich niemand, und man sieht mir nicht an, woher ich komme, dachte sie gebetsmühlenartig und schlug die Autotür zu. Auch wenn ich hier bei 25 Grad in einer Jeans rumlaufe. Trotzdem wird niemand erkennen, dass ich fast drei Jahre lang im Knast gesessen habe.
Sie streckte sich, fuhr sich noch einmal mit der Hand übers Haar und ging dann so stolz, wie sie nur konnte, an den draußen sitzenden Touristen vorbei und hinein in das dunkle Restaurant.
Ingrid steuerte einen Fenstertisch mit Blick über den Platz an. Außer ihr saß nur noch eine junge Familie drinnen im Lokal. Mama, Papa und zwei Kinder. Das kleine Mädchen im Kindersitz hatte ein kariertes Kleidchen an und kleine Schleifen in den Haaren. Ingrid konnte den Blick nicht von ihr wenden.
Ob Anna immer noch frittierte Krabben mochte? Bekam sie die wohl manchmal? Oder war die Pflegefamilie von der Sorte, die sich niemals einen Restaurantbesuch gönnte?
Als das Mädchen merkte, dass es beobachtet wurde, grinste es Ingrid breit an, und Ingrid erwiderte das Lächeln. Doch nun drehte sich der Vater zu ihr um, und als sie seinen skeptischen Blick sah, verging ihr die gute Laune. Der Mann sah sie kaum an, sondern drehte ihr gleich wieder den Rücken zu und redete weiter mit seiner aufgehübschten Frau.
Der sieht mich an, als wäre ich eine alte Säuferin in einer Vorortskneipe, dachte sie. Als würde ich hier verkatert und lichtscheu das erste Bier des Tages bestellen.
Ihr brannte das Gesicht vor Scham, und sie wollte gerade aufstehen und das Restaurant verlassen, als eine junge Bedienung an ihrem Tisch auftauchte.
»Was darf es sein?«
Ingrid verhandelte mit sich selbst. Der Hunger zog im Magen, und sie hatte alles Recht, hier zu sitzen. Geld hatte sie auch. Sie hatte ihre Strafe abgesessen.
»Drei Vorspeisen, bitte«, sagte sie rasch, damit sie es sich gar nicht erst anders überlegen konnte und die Bedienung nicht genug Zeit haben würde, das billige Waschmittel in ihren Kleidern zu riechen. »Und ein Glas Fanta.«
Die Bedienung nickte, legte Besteck und eine Serviette hin und verschwand.
Als das beschlagene Glas mit der Limonade kam, nahm Ingrid ein paar Schluck und schaute aus dem Fenster, darauf bedacht, nicht die Familie anzusehen.
Der Platz war voller normaler Menschen, die mit anderen normalen Menschen zusammengehörten.
Würde sie selbst jemals wieder irgendwo dazugehören? Eine Gemeinschaft haben, eine Herde? Oder würde sie für den Rest ihres Lebens wie ein räudiger Fuchs einsam umherstreichen?
Sie wurde aus ihren Grübeleien gerissen, als plötzlich ein dampfender Teller vor ihr stand. Frittierte Krabben mit süßsaurer Soße,...
Erscheint lt. Verlag | 3.7.2024 |
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Reihe/Serie | Ingrid Wolt ermittelt | Ingrid Wolt ermittelt |
Übersetzer | Susanne Dahmann |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | 1980er Jahre • Achtziger • Achtziger Jahre • Coming-of-age • Dalarna • Ferien • Geheimnis • Jugend • Kindheit • Krimi • Kriminalroman • Nachbar • Nachbarschaft • Natur • Nostalgie • Privatdetektiv • Privatdetektivin • Pubertät • Schweden • Sommer |
ISBN-10 | 3-455-01719-3 / 3455017193 |
ISBN-13 | 978-3-455-01719-9 / 9783455017199 |
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