Du und ich und der Sommer (eBook)

Roman - In Russland verboten, von TikTok geliebt: Die Romance über eine schwule Liebe in einem sowjetischen Sommerlager endlich auf Deutsch!
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2024 | 1. Auflage
512 Seiten
Blanvalet (Verlag)
978-3-641-31570-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Du und ich und der Sommer -  Elena Malisowa,  Katerina Silwanowa
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Ein Sommer und der Zauber der ersten Liebe ...
Als der rebellische sechzehnjährige Jura das Sommerlager in Charkiw betritt, glaubt er ein paar lange, langweilige Wochen vor sich zu haben. Doch dann tritt Wolodja in sein Leben. Der sonst eher nachdenkliche Neunzehnjährige plant, ein Theaterstück auf die Beine zu stellen, und bittet Jura um Hilfe. Während der Vorbereitungen für das Stück merken die Teenager, dass sie weitaus tiefere Gefühle füreinander hegen als nur Freundschaft. Gefühle, die verboten sind und von denen niemand etwas erfahren darf. Nach dem Sommer trennen sich die Wege der beiden. Zwanzig Jahre vergehen - Jahre voller Veränderungen, Jahre, in denen sie einander nie vergessen können. Bis Jura endlich beschließt, seine erste Liebe Wolodja wiederzufinden ...

Sensibel und berührend erzählt das russisch-ukrainische Autorenduo von einer besonderen Liebesgeschichte in einem Land, in dem Anderssein bis heute unter Strafe steht.

Elena Malisowa wurde 1988 in einer sowjetischen Provinzstadt geboren. Bereits als Kind verfasste sie erste Gedichte, später kamen Kurzgeschichten und Romane dazu.
2016 lernte sie Katerina Silwanowa kennen, und die beiden beschlossen, ein gemeinsames Buch zu schreiben. Die Veröffentlichung von »Du und ich und der Sommer«, die von der ersten Liebe zwischen zwei jungen Männern in einem sowjetischen Sommerlager erzählt, löste eine Welle der Begeisterung bei den Leser*innen sowie auf TikTok aus und eroberte Platz 1 der russischen Bestsellerliste. Aufgrund der Thematik wurde die Reihe in Russland als »LGBTQ-Propaganda« eingestuft und verboten, die Autorinnen wurden daraufhin des Landes verwiesen. Elena Malisowa lebt mittlerweile in Deutschland, Katerina Silwanowa musste in die Ukraine zurückkehren.

KAPITEL 1

Rückkehr


Sie wunderten sich, dass in seinem Kofferraum eine Schaufel lag. Dabei ist das in ländlichen Gegenden ganz normal. Was, wenn es einen plötzlichen Wintereinbruch gibt? Gut, gerade war September – aber wenn er nun in einem Schlammloch stecken blieb? Hatten sie zu Gummistiefeln und Scheibenreiniger auch eine Meinung?

Jura wusste nicht genau, ob die Verkehrspolizisten ihn ein bisschen drangsalieren wollten. Sie waren doch Einheimische, sie kannten die Straßen hier.

Nachdem sich die Polizisten seine Erklärungen bezüglich der Schaufel angehört hatten, nickten die zwei, die einander wie aus dem Gesicht geschnitten waren, im Gleichtakt, ließen ihn jedoch nicht fahren. Juras Führerschein hatte ihnen verraten, dass er im Ausland lebte, und nun witterten sie ihre Chance auf ein Souvenir – ausländisches Geld. Der Regelverstoß sei ja wohl offensichtlich. Steht dort ein Schild? Ja. Ist das hier eine Fünfzigerzone? Ja. Ist er zu schnell gefahren? Ja. Liegt also ein Verstoß vor? Natürlich.

Er ist den Hügel runtergebrettert, an dessen Fuß zwar ein Schild steht, aber vom Ast einer Pappel verdeckt wird. Jura hat es schlicht übersehen.

Er grinste: »Statt hier unten mit dem Blitzer rumzustehen, hättet ihr lieber den Ast absägen sollen, der das Schild verdeckt.«

Das nahmen die Verkehrspolizisten gar nicht gut auf. Es liege nicht in ihrem Kompetenzbereich, Äste abzusägen, und nicht in seinem, ihnen ihren Beruf zu erklären.

»Also gut, dann her mit dem Strafzettel.« Der eine der Zwillingsbrüder, der ein bisschen größer war als der andere, drehte Juras Führerschein in seinen Händen. »Wir können dieses Problem auch anders lösen. Sie wollen sicher keinen Ärger, oder?«

Jura hatte sein halbes Leben in Deutschland verbracht. Sein europäisches Rechtsverständnis lieferte sich einen Kampf mit seinem gesunden Menschenverstand. Sollte er auf Gerechtigkeit pochen oder die Polizisten einfach bestechen und Zeit sparen? Der Kampf währte nur kurz.

»Wie viel?«

Die Männer schauten sich an und kniffen abschätzend die Augen zusammen. »Fünfhundert.«

Jura klappte seine Brieftasche auf. Die Verkehrspolizisten grinsten siegesgewiss.

»Wie komme ich nach Goretowka?«, fragte Jura, als er bezahlt hatte. »Auf der Karte ist zwar das Dorf verzeichnet, aber keine Straße dorthin. Früher hat es eine gegeben.«

»Goretowka?«, fragte der Große. »Das ist schon seit Langem kein richtiges Dorf mehr. Dort ist jetzt eine Siedlung.«

»In Ordnung, dann ist es halt kein Dorf mehr. Aber wie kommt man hin?«

»Hin kommt man, hinein aber wohl kaum. Das Gelände wird bewacht.«

Bevor er auf die Polizisten getroffen war, hatte Jura einen klaren Plan gehabt: bis Goretowka fahren und von dort aus über die Felder der einstigen Kolchose und zum Fluss hinabsteigen. Doch nun stellte sich heraus, dass das Gelände abgesperrt war.

Sollte er es dennoch riskieren? Den Wachschutz bestechen, damit sie ihn reinließen? Nein, falls es missglückte, hätte er zu viel Zeit verloren. Ihm blieb nur der Weg durch das Lager.

»Verstehe. Wie komme ich zur Schwalbe?«, fragte er.

»Wohin?«

»Zum Pionierlager Schwalbe, benannt nach der Partisanin Sina, die Schwalbe, Portnowa. Das war hier irgendwo in der Nähe.«

Der kleinere Zwilling leuchtete förmlich auf. »Ach ja, das Lager. Ja, da war mal eins.«

Der größere Zwilling musterte Jura misstrauisch. »Was wollen Sie da?«

»Unter der Sowjetmacht war ich oft in diesem Lager, habe dort sozusagen meine Kindheit verbracht. Und nun habe ich Heimweh, Nostalgie, Sie verstehen …«

»Nostalgie, klar.« Die Verkehrspolizisten blickten sich an. »Haben Sie eine Karte?«

Jura reichte die Karte einem von ihnen und verfolgte aufmerksam, wohin dieser mit dem Finger zeigte.

»Fahren Sie auf der P-295 bis zum Dorf Retschnoje, direkt hinter dem Ortseingangsschild biegen Sie nach rechts ab und fahren immer geradeaus.«

»Danke.«

Er nahm die Karte wieder an sich, bedankte sich erneut und machte sich auf den Weg.

»Ich wusste, dass man mich mindestens einmal anhalten würde«, schimpfte er und gab Gas.

Er erkannte nichts wieder und orientierte sich nur mittels Karte. Vor zwanzig Jahren hatten sich entlang der Straße noch dichte dunkle Wälder mit Sonnenblumenfeldern abgewechselt, aber nun griff die nahe gelegene Stadt nach dem Gebiet. Die Wälder waren abgeholzt, die Felder planiert und einige Bereiche eingezäunt worden, dahinter dröhnten Kräne, Traktoren und Bagger. Der einst endlose Horizont war von Datschen- und Einfamilienhaussiedlungen verstellt.

Jura bog hinter dem Ortseingangsschild von Retschnoje ab. Die asphaltierte Straße endete schlagartig, das Auto schwankte über einen Feldweg, die Schaufel im Kofferraum schepperte.

Er konnte sich an den Weg zum Lager nicht mehr erinnern. Das letzte Mal war Jura vor zwanzig Jahren hier gewesen. Wie viel Freude es gemacht hatte, inmitten einer Kolonne weiß-rot gestreifter LiAZ-Busse, mit der Aufschrift Kinder und mit Wimpeln verziert, auf großer Fahrt zu sein, Pionierlieder zu singen oder gelangweilt aus dem Fenster zu blicken, da man bereits zu erwachsen für so etwas war. Jura erinnerte sich, wie er beim letzten Mal nicht mehr gesungen, sondern dem Lied zugehört hatte, das genau so eine Buskolonne mit Wimpeln auf dem Weg ins Pionierlager beschrieb. Und nun, zwanzig Jahre später, hörte er dem Scheppern der Schaufel zu, die im Kofferraum herumhüpfte. Er schimpfte auf die Schlaglöcher und betete, dass er nicht stecken bleiben würde, blickte nicht zu blauem Himmel wie damals, sondern zu grauen Wolken hinauf.

»Es darf nicht regen.«

Sein Plan war minutiös durchdacht. Allerdings war er davon ausgegangen, dass er übers Dorf an den Fluss gelangen würde, und daher früh losgefahren. Doch nun musste er sich am hellen Tag durch das Lager schleichen. Andererseits war September, und etwaige Kinder waren längst abgereist. Und da das Lager kein Militärobjekt war, war gewiss nur ein einzelner Wachmann anwesend.

Würde der Mann ihn stellen, müsste er sich was einfallen lassen.

Pionierlageralltag … rote Halstücher, Frühsport, morgendlicher Fahnenappell, Baden und Lagerfeuer – all das war vor langer Zeit gewesen. Heute lief so was wahrscheinlich ganz anders ab: Ein regelrecht anderes Land war das inzwischen, man hatte andere Freizeitbeschäftigungen und Lieder. Kinder trugen keine Halstücher und Anstecknadeln mehr. Doch es war dasselbe Lager. Und schon bald würde Jura sich dort an die wichtigste Zeit in seinem Leben und an den für ihn wichtigsten Menschen zurückerinnern. Vielleicht würde er auch herausfinden, was aus ihm geworden war. Und das bedeutete, dass er ihm vielleicht irgendwann wiederbegegnen würde – dem einzigen Freund, den er je gehabt hatte.

Doch als er vor dem Tor aus dem Auto stieg, sah Jura seine heimlichen Befürchtungen bestätigt: Vom Maschendrahtzaun, der das ganze Gelände einst umschlossen hatte, ragten lediglich die Betonpfosten auf, das Metall hatte die Zeit nicht überdauert. Das fröhlich rot-gelbe Tor war kaputt: Ein Torflügel hing wie ein ausgekugelter Arm in den Angeln, während der andere auf dem Boden lag und schon halb zugewachsen war. Das Blau-Grün des Wächterhäuschens war längst abgeblättert, die Holzwände waren schwarz und modrig, und das Dach war eingestürzt.

Jura seufzte schwer. Im Grunde hatte er es geahnt, schließlich hatte er in Deutschland gelebt und nicht hinter dem Mond. Er wusste, was in der Ukraine nach dem Zerfall der Sowjetunion los gewesen war. Er wusste, dass Fabriken geschlossen worden waren. Und dieses Lager war schließlich an eine von ihnen gebunden gewesen, die Kinder der Werktätigen waren jeden Sommer hierher gefahren.

Doch Jura hatte nicht wahrhaben wollen, dass der allgemeine Zerfall zwangsläufig auch die Schwalbe ereilen würde. Das Pionierlager war immerhin der glücklichste Ort seiner Kindheit gewesen.

Die freudige Aufregung der Herfahrt erlosch, und Wehmut und Trauer machten sich in ihm breit. Seine Stimmung entsprach nun dem düsteren Wetter und dem staubigen Nieselregen, der eingesetzt hatte.

Jura ging zum Auto zurück, zog seine Gummistiefel an, holte die Schaufel aus dem Kofferraum und schulterte sie. Er stieg über den morschen Torflügel und betrat das Gelände.

Jeder Schritt vorwärts entpuppte sich als ein Schritt zurück in jene glückliche Zeit, in der er verliebt gewesen war. Er blieb unweit der Kreuzung stehen. Nach links ging es zum Speisesaal, der Pfad rechts von ihm führte zu einem Gebäude, dessen Funktion er nicht mehr wusste, und geradeaus führte die Allee der Pionierhelden zum Zentrum des Lagers, dem Appellplatz. Neben einem Blumenbeet lagen noch ein paar der Platten, mit denen der Weg damals gepflastert gewesen war.

»Das war doch hier.« Jura lächelte, als er sich daran erinnerte, wie er spät in der Nacht, als das ganze Lager schlief, mit weißer Kreide den schönsten Buchstaben der Welt auf die Gehwegplatten gemalt hatte – das W.

Am nächsten Morgen hatten sich die Kinder auf dem Weg zum Frühstück gefragt, was das seltsame runde Gebilde um den Buchstaben wohl zu bedeuten hatte. Rylkin aus Gruppe zwei glaubte, dahintergekommen zu sein. »Kameraden, das ist ein Apfel.«

»Quatsch. Welche Apfelsorte fängt denn mit W an?«

Keiner kam dahinter, dass es sich in Wirklichkeit um ein Herz handeln sollte. Als Jura inmitten der Nachtgeräusche den Klang geliebter...

Erscheint lt. Verlag 28.2.2024
Reihe/Serie Jura und Wolodja
Übersetzer Olga Tomyuk
Sprache deutsch
Original-Titel Leto v pionerskom galstuke (ЛЕТО В ПИОНЕРСКОМ ГАЛСТУКЕ)
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2024 • Achtzigerjahre • Bestseller • Booktok • Briefe • Buchempfehlung • bücher für frauen • Buchgeschenk • Coming of Age • eBooks • Erste Liebe • Forbidden Love • Heranwachsen • Historische Liebesromane • Homophobie • Jugend • Kharkiv • Krim • kulturpass • LGBTQ • lgbtqia+ • Liebesgeschichte • Liebesroman • Liebesromane • Neuerscheinung • Own Voice • Pioniere • queer romance • Roman • Roman auf zwei Zeitebenen • romancebooks • Romane • Russland / Sowjetunion • second chance romance • Sommer • Suche • tiktok made me buy it • Trennung • Ukraine • Verbotener Bestseller • Wiedersehen
ISBN-10 3-641-31570-0 / 3641315700
ISBN-13 978-3-641-31570-2 / 9783641315702
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