Zärtlich ist die Nacht. Roman -  F. Scott Fitzgerald

Zärtlich ist die Nacht. Roman (eBook)

Der zweite große Roman des US-amerikanischen Autoren. 'F. Scott Fitzgerald war der Größte unter uns allen' Ernest Hemingway
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2024 | 1. Auflage
448 Seiten
Anaconda Verlag
978-3-641-31852-9 (ISBN)
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In der Villa der Exil-Amerikaner Dick und Nicole Diver an der Südküste Frankreichs gehen Künstler, Snobs und andere Landsleute ein und aus. Die jugendlich-unverdorbene Schauspielerin Rosemary aber sucht mehr als exquisite Geselligkeit, sie verführt den Hausherrn und gewinnt tatsächlich die Liebe des erfolgreichen Psychiaters. Damit beginnt eine Dreiecksgeschichte, die spannungsreicher kaum verlaufen könnte, denn Dick und Nicole bindet weit mehr aneinander als ein Eheversprechen. Dieser autobiografisch grundierte Roman voll psychologischer Finesse ist der letzte große Wurf von F. Scott Fitzgerald, dem Schöpfer des »Großen Gatsby«.
  • »Engel sind die eleganteren Menschen. Aber wer hoch steigt, wird tief fallen. Niemand zeigte beides so schön wie F. Scott Fitzgerald.« Frankfurter Rundschau
  • »F. Scott Fitzgerald ist ein Schriftsteller, wie er uns heute fehlt. Man kann ihn wieder und wieder lesen.« Frankfurter Allgemeine Zeitung


Francis Scott Fitzgerald (1896-1940), geboren in St. Paul, Minnesota, ging nach seinem Studium in Princeton als Reporter nach New York. Sein erster Roman »This Side of Paradise«, erschienen 1920, brachte ihm schnellen Ruhm und plötzlichen Reichtum. Zwei Jahre später erschien seine Kurzgeschichtensammlung »Tales of the Jazz Age«, mit der er den ausgelassenen 1920er Jahren ihren Namen gab. Eine ganze Generation erkannte sich in seinen Figuren wieder. Fitzgerald war jedoch nicht nur der Chronist, sondern auch selbst die Hauptfigur der endlosen, verschwenderischen Parties des Jazz-Zeitalters. Gemeinsam mit seiner Frau Zelda inszenierte er sich als charmanter, mondäner Weltenbummler und extravaganter Lebemann; die Ausschweifungen des Paares füllten die New Yorker Klatschblätter.

Dieses Leben forderte jedoch seinen Tribut: Zelda erlitt 1930 einen Nervenzusammenbruch und wurde in eine psychiatrische Klinik eingewiesen; Scott verfiel zusehends seiner Alkoholsucht. Seine Veröffentlichungen in den 1930er Jahren konnten an die großen Erfolge nicht mehr anknüpfen. Die letzten drei Jahre seines Lebens verbrachte er als Drehbuchautor in Hollywood. Finanziell und gesundheitlich ruiniert, starb Fitzgerald im Alter von nur 44 Jahren an Herzversagen.

I


An der Küste der französischen Riviera, auf halbem Weg etwa zwischen Marseille und der italienischen Grenze, stand ein großes, stolzes, rosafarbenes Hotel. Ehrerbietige Palmen milderten die Glut seiner Fassade, und vor ihm erstreckte sich ein kurzer, blendender Badestrand. Neuerdings dient er angesehenen und eleganten Leuten als Sommerfrische; 1925 lag er, wenn seine englischen Gäste im April nach Norden abgereist waren, nahezu verlassen da. Nur die Dächer von einem Dutzend alter Villen schimmerten wie Wasserrosen aus den dichten Pinien zwischen Gausses Hôtel des Étrangers und dem fünf Meilen entfernten Cannes hervor.

Das Hotel und sein leuchtender gelbbrauner Gebetsteppich von Badestrand bildeten ein Ganzes. Früh am Morgen spiegelten sich im Wasser das ferne Bild von Cannes, die Rosa- und Elfenbeintöne alter Befestigungen und die purpurnen Alpen an der italienischen Grenze zitterten auf den sich kräuselnden Wellen und den Ringen, die an klaren, seichten Stellen von Wasserpflanzen an die Oberfläche geschickt wurden. Vor acht kam ein Mann in blauem Badeanzug zum Strand herunter, und nachdem er nach umständlichen Vorbereitungen seinen Körper mit dem kalten Wasser in Berührung gebracht hatte, planschte er mit viel Gebrumm und Schnaufen eine Minute im Meer herum. Als er sich entfernt hatte, lagen Strand und Bucht eine Stunde lang ruhig da. Handelsschiffe zogen am Horizont langsam westwärts; Hotelpagen lärmten im Hof; der Tau auf den Pinien verdunstete. Eine Stunde später tönten die Autohupen von der gewundenen Straße an der Hügelkette des Maurenmassivs herab, das das Küstengebiet vom richtigen provenzalischen Frankreich trennt.

Eine Meile vom Meer entfernt, wo die Pinien durch staubige Pappeln abgelöst werden, befindet sich eine abgelegene Bahnstation; von dorther brachte eine leichte Kutsche an einem Junimorgen 1925 eine Dame und ihre Tochter zu Gausses Hotel. Das Gesicht der Mutter trug Spuren einer verblassenden Schönheit, die bald von roten Äderchen durchzogen sein würde; ihr Ausdruck war in angenehmer Weise ruhig und aufgeweckt zugleich. Man ließ jedoch seine Augen alsbald zu ihrer Tochter wandern, die einen Zauber in ihren rosigen Händen barg und deren Wangen lieblich glühten, wie die Haut von Kindern, die nach dem kalten abendlichen Bad von plötzlicher Röte überzogen wird. Ihre schöne, hohe Stirn stieg sanft zu ihrem Haar hinan, das sie wie eine Helmzier umgab und aus der Schmachtlocken und Wellen und Schnörkel aus Aschblond und Gold hervorquollen. Ihre Augen waren lebhaft, groß, klar, feucht und glänzend, die Farbe ihrer Wangen war echt; sie wurde von ihrem jungen, starken Herzen unmittelbar zur Oberfläche gepumpt. Ihr Körper verweilte noch eben im letzten Stadium der Kindheit – sie war fast achtzehn, doch der Tau lag noch auf ihr.

Als Meer und Himmel in Form einer dünnen, glänzenden Linie unter ihnen erschienen, meinte die Mutter:

»Ich habe das Gefühl, dass uns dieser Ort nicht zusagen wird.«

»Ich will sowieso nach Hause«, antwortete das Mädchen.

Beide sprachen in heiterem Ton, hatten jedoch offenbar keinen festen Plan; außerdem ärgerten sie sich über die Tatsache, dass ihnen kein Vorhaben, einerlei welcher Art, zugesagt hätte. Sie trugen Verlangen nach besonders aufregenden Dingen, nicht weil ihren erschöpften Nerven ein Anreiz nötig hatten, sondern aus der Begierde von Schulkindern heraus, die einen Preis gewonnen und sich ihre Ferien verdient haben.

»Wir bleiben drei Tage und fahren dann nach Hause. Ich werde sofort telegrafisch Plätze auf dem Dampfer belegen.«

Im Hotel gab das Mädchen die Bestellung in fließendem, aber ziemlich monotonem Französisch auf, wie etwas Auswendiggelerntes. Als sie sich im Erdgeschoss eingerichtet hatten, trat sie in die Helle der französischen Fenster und ein paar Stufen hinaus auf die Steinterrasse, die am Hotel entlanglief. Beim Gehen hielt sie sich wie eine Balletttänzerin, ließ ihr Gewicht nicht in den Hüften, sondern im Kreuz ruhen. In dem heißen Licht draußen hob sich ihr Schatten scharf ab, und sie zog sich zurück – es blendete zu sehr. Fünfzig Meter weiter unten bot das Mittelmeer den sengenden Sonnenstrahlen seine Farbe dar; unter dem Geländer schmorte ein ausgeblichener Buick in der Hotelauffahrt.

Tatsächlich herrschte nur am Strand lebhaftes Treiben. Drei englische Kinderwärterinnen saßen und strickten Pullover und Strümpfe mit den langweiligen viktorianischen Mustern der Vierziger-, Sechziger- und Achtzigerjahre und begleiteten ihr Tun mit einem Geplapper, das im Tonfall einer Beschwörung glich. Näher am Wasser hatte sich ein Dutzend Leute unter einem gestreiften Sonnenschirm häuslich eingerichtet, während die dazugehörigen Kinder an seichten Stellen nach wenig beeindruckten Fischen jagten oder nackt und glänzend vom Kokosöl in der Sonne lagen.

Als Rosemary zum Strand kam, lief ein zwölfjähriger Junge an ihr vorbei und warf sich mit jauchzenden Schreien ins Meer. Da die forschenden Blicke aus den fremden Gesichtern sie bedrückten, legte sie ihren Badeumhang ab und folgte dem Jungen. Sie ließ sich ein paar Meter mit dem Gesicht nach unten treiben, aber als sie merkte, dass das Wasser flach war, kam sie mit Anstrengung auf die Füße und stakste vorwärts, indem sie ihre schlanken Beine wie Gewichte gegen den Widerstand des Wassers schob. Als es ihr bis zur Brust ging, blickte sie zum Strand zurück: ein kahlköpfiger Mann mit einem Monokel und im Badetrikot, mit herausgedrückter Brust und eingezogenem Bauch, betrachtete sie aufmerksam. Als Rosemary den Blick zurückgab, ließ der Mann das Monokel fallen, das sogleich in seinem vorwitzigen Brusthaar verschwand, und goss sich aus einer Flasche, die er in der Hand hielt, ein Glas ein.

Rosemary legte ihr Gesicht aufs Wasser und kraulte mit kurzen, heftigen Schlägen zum Floß. Das Wasser umspülte sie, zog sie sanft hinab, von der Hitze fort, sickerte in ihre Haare und floss in die Winkel ihres Körpers. Sie drehte sich um und um darin, umarmte es, schwelgte darin. Als sie das Floß erreichte, war sie außer Atem, aber eine sonnengebräunte Frau mit sehr weißen Zähnen blickte zu ihr herunter, und Rosemary, die sich plötzlich der kalkigen Weiße ihres eigenen Körpers bewusst wurde, drehte sich auf den Rücken und ließ sich dem Strand zutreiben. Der behaarte Mann mit der Flasche sprach sie an, als sie herauskam.

»Hören Sie – draußen, hinter dem Floß, gibt’s Haie.« Er war von unbestimmbarer Nationalität, sprach aber ein langsames Oxford-­Englisch. »Gestern haben sie zwei britische Matrosen von der Flotte in Golfe-Juan verschlungen.«

»Um Himmels willen!«, rief Rosemary.

»Die Abfälle von den Schiffen locken sie herein.«

Seine Augen wurden ausdruckslos, als wenn er andeuten wollte, dass er nur gesprochen hatte, um sie zu warnen; er tat zwei Schritte rückwärts und goss sich ein weiteres Glas ein.

Etwas verlegen, doch angenehm berührt von dieser Unterhaltung, in der sich ein gewisses Interesse ihr gegenüber gezeigt hatte, suchte sich Rosemary einen Platz zum Sitzen. Augenscheinlich hatte jede Familie den Streifen Sand im Besitz, der vor ihren Sonnenschirmen lag; überdies herrschte ein lebhaftes Hin und Her – man besuchte sich, man plauderte miteinander – eine Atmosphäre von Gemeinsamkeit, in die man nicht eindringen konnte, ohne anmaßend zu erscheinen. Weiter oben, wo der Sand mit Steinen und trockenem Seetang gemischt war, befand sich eine Gruppe von Menschen, deren Haut ebenso weiß war wie ihre. Sie lagen unter kleinen Handsonnenschirmen statt unter Strandschirmen und fühlten sich offenbar weniger zu Hause. Rosemary fand Platz zwischen den dunklen und den hellen Leuten und breitete ihren Badeumhang auf dem Sand aus.

Als sie so dalag, hörte sie zunächst nur die Stimmen der Menschen, fühlte deren Füße um ihren Körper herumlaufen und ihre Gestalten zwischen ihr und der Sonne vorbeigehen. Der warme und nervöse Atem eines neugierigen Hundes berührte ihren Nacken; sie spürte, wie ihre Haut zu schmoren begann, und lauschte dem matten Glucksen der heranspülenden Wellen. Dann unterschied ihr Ohr einzelne Stimmen, und sie vernahm, wie jemand spöttisch berichtete, »dieser Kerl, der North«, habe am Abend vorher einen Kellner aus einem Café in Cannes gewaltsam entführt, um ihn mitten durchzusägen. Erzählt wurde die Geschichte von einer weißhaarigen Dame in voller Abendgarderobe, die offensichtlich noch vom Abend vorher stammte, denn ein Diadem haftete in ihrem Haar, und eine kraftlose Orchidee hauchte an ihrer Schulter ihr Leben aus. Rosemary wurde von einer vagen Antipathie gegen sie und ihre Gesellschaft erfasst und wandte sich ab.

Am nächsten bei ihr, auf der anderen Seite, lag eine junge Frau unter einem Dach von Schirmen und schrieb aus einem auf dem Sand liegenden Buch eine Liste von Dingen ab. Sie hatte ihren Badeanzug von den Schultern gestreift, und ihr rötlich-orangebrauner Rücken, den eine Reihe mattweißer Perlen zierte, glänzte in der Sonne. Ihr Gesicht war herb und schön und traurig. Sie begegnete Rosemarys Blicken, aber sah sie nicht. Weiter weg befanden sich ein gut aussehender Mann mit Jockeymütze und rot gestreiftem Badetrikot; dann die Frau, die Rosemary auf dem Floß gesehen hatte und die sie nun gleichfalls anblickte, die sie sah; dann ein Mann mit schmalem Gesicht, goldgelben, löwenhaften Locken, in blauem Badetrikot und ohne Hut, der sich ernsthaft mit einem unverkennbar südländischen jungen Mann in schwarzem Badetrikot unterhielt, während beide an kleinen Stücken Seetang im Sand herumzupften. Sie hielt die...

Erscheint lt. Verlag 17.7.2024
Übersetzer Grete Rambach
Sprache deutsch
Original-Titel Tender is the Night
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2024 • American dream • amerikanische Klassiker • Amerikanische Literatur • amerikanische Moderne • Amerikanischer Traum • Baz Luhrmann • Carey Mulligan • Der große Gatsby • Die wilden Zwanziger • eBooks • Flapper • gatsby buch • Gelbe Hefte • Gelbe Reihe • geschenk für englischlehrer • Gesellschaftsporträt • Great American Novel • große gatsby zusammenfassung • High Society • Leonardo di Caprio • Literaturklassiker • Long Island • Neuerscheinung • Prohibition • Reclam • Roaring Twenties • Robert Redford • self-made men • Weltliteratur
ISBN-10 3-641-31852-1 / 3641318521
ISBN-13 978-3-641-31852-9 / 9783641318529
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