A Man's Job (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
408 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-8412-3487-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

A Man's Job -  Edith Anderson
Systemvoraussetzungen
16,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen

Eine jüdische Amerikanerin träumte vom Sozialismus - Wiederentdeckung einer unbeugsamen Autorin.

Diese erstaunliche Geschichte über die Frauen, die während des Zweiten Weltkrieges die Jobs der Männer übernehmen, um das gesellschaftliche Leben aufrechtzuerhalten, basiert auf wahren Hintergründen - die Autorin selbst war eine von ihnen. 

Worauf beruht eigentlich die uralte Vorstellung von der Überlegenheit der Männer?, fragen sich die jungen Frauen hier am Bahnhof von Port Empire, New Jersey, USA. Anstelle ihrer abwesenden Männer, Brüder und Söhne sind sie es, die den Eisenbahnverkehr am Laufen halten. Argwöhnisch werden sie von den verbliebenen männlichen Kollegen empfangen. Ihnen werden die am schlechtesten bezahlten Fahrten angedreht und spezielle Dienstvorschriften aufgezwungen, die nichts als Schikane sind. Und dann werden die Schaffnerinnen auch noch gegeneinander ausgespielt. 

Die vorliegende Neuübersetzung folgt dem Originalmanuskript und wird ergänzt um einen biographischen Essay von Carolin Würfel, Autorin des Bestsellers »Drei Frauen träumten vom Sozialismus: Maxie Wander, Brigitte Reimann, Christa Wolf«.



Die jüdisch-amerikanische Journalistin Edith Anderson (1915-1999) begegnete 1943 in New York dem deutschen Exilanten Max Schröder. Als dieser nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nach Ostberlin ging, verließ sie, die vom Sozialismus träumte, das antikommunistische Amerika und folgte ihrem Ehemann in die spätere DDR. Auch in der Wahlheimat blieb sie eine eigensinnige und unabhängige Denkerin, die sich als Journalistin, Autorin und Herausgeberin einen Namen machte. »A Man's Job« (1956) ist ihr Romandebüt.

1


Acht Frauen, alle über zwanzig und eine über fünfunddreißig, saßen an einem heißen Junitag um einen langen Tisch herum und musterten einander verstohlen, während ihnen ein Mann mittleren Alters namens Mr. Miller aus einer kleinen Broschüre vorlas. Das Zimmer, in dem sie saßen, gehörte zu den Büroräumen einer großen amerikanischen Eisenbahngesellschaft. Die Fenster waren alle weit geöffnet, doch die Sommerluft an der Ostküste war still, und es gab keine Aussicht auf ein Gewitter. In der Schwüle draußen vor dem Fenster standen die hohen Rauchsäulen der Fabrikschlote, Lokomotiven und Kriegsschiffe, bogen sich ein wenig, verflüchtigten sich aber nicht.

Die Frauen hörten Mr. Miller zu, aber nur so, wie man dem Summen der Bienen zuhört, wenn man in einer Hängematte liegt und liest. Was er mit geduldiger und monotoner Stimme vortrug, war ihnen völlig unverständlich, und er machte auch keine Anstalten, irgendetwas zu erklären. Hin und wieder blickte er auf und ermahnte sie sanft, die Seite umzublättern, und dann blätterten die Frauen, die alle die gleiche kleine Broschüre vor sich hatten, gehorsam die Seite um, während Sätze wie »Nach Intensität und Dauer muss der Ton der Trillerpfeife deutlich proportional der Entfernung sein, die das Signal überwinden soll« flüchtig an ihnen vorübersummten und sich draußen mit dem Rauch vermengten.

Und doch war das Zimmer ebenso mit kompliziertem Leben angefüllt wie das kleinste Molekül eines stehenden Gewässers. Die Frauen taxierten einander. Es bahnten sich Bündnisse an und Feindschaften. Alle versuchten, ihren Charakter hinter der Maske der Freundlichkeit oder der Gleichgültigkeit zu verbergen, zugleich aber die Tarnung der anderen zu durchschauen. Sie prüften Kleidung, Frisur und Make‑up, bestimmten Alter, nationale Herkunft, vermutliche Konfession und Familienstand, und dementsprechend akzeptierten sie sich fürs Erste oder verwarfen einander.

Obwohl sie nicht begriffen, was ihr Ausbilder ihnen vorlas, waren sich doch alle des ungewöhnlichen Umstands und der Verantwortung bewusst, seine Schülerinnen zu sein. Das Bewusstsein ihres neuen Status – oder vielmehr des Status, den sie nach Beendigung des Lehrgangs einnehmen würden – hatte ihre Gedankenwelt um etwas bereichert, was vorher nicht vorhanden gewesen war. Sie sollten zu den ersten Frauen in den Vereinigten Staaten gehören, die bei der Bahn arbeiteten, und sie waren aufgeregt und nervös, die eine oder andere sogar beklommen. Diese Aufregung beeinflusste natürlich den Eindruck, den sie voneinander hatten. Sie weckte in ihnen Überlegungen, welches Potenzial wohl Menschen besaßen, die sie normalerweise übersehen oder gemieden hätten, ohne sich Gedanken über den Grund zu machen.

Mr. Miller, den das Novum, Frauen zu Eisenbahnerinnen auszubilden, selbst stark beeindruckte, kam es nicht in den Sinn, sie könnten tiefer beeindruckt sein als er. In seinen Augen waren sie jung, lebhaft und unbedacht. Er war Zugführer, und weil er anständig war und ein Ehrenmann, hatte man ihn dazu ausersehen, die »weiblichen Schaffner« – so die offizielle Bezeichnung – auszubilden. Niemand konnte ihm nachsagen, er habe jemals geflucht oder sei ohne seine Frau zu einem Eisenbahnerpicknick gegangen; noch nie hatte sich durch sein Verschulden ein Zug verspätet; er war seit zweiunddreißig Jahren bei der Bahn und Mitglied der Bruderschaft der Eisenbahner1, ohne dort jemals auffällig geworden zu sein. Mit seiner kahlen, vorgewölbten Stirn und der goldgeränderten Brille wirkte er babyhaft und väterlich zugleich. Tatsächlich bemühte er sich ganz bewusst, väterliche Gefühle für die Frauen vor ihm zu entwickeln, was ihm zu seiner Bestürzung jedoch misslang – ja, er ertappte sich dabei, dass er feindselige Gefühle unterdrücken musste. Bei dem Gedanken an das, was sie erwartete, hätte er am liebsten laut aufgelacht. Seine Töchter jedenfalls hätte er nicht hier arbeiten lassen. Die Schichtzeiten, die gefährliche Nachtarbeit, der Ruß, der Staub, der Schmutz, die Weichen, die umzulegen einem Mann seine ganze Kraft abverlangte, und das Schlimmste von allem: Die Neuen, die jetzt bei der Bahn arbeiteten, waren Faulenzer, nichts als Faulenzer! Vor zwanzig Jahren hätte man solche Typen aus dem Einstellungsbüro geworfen, wenn sie es gewagt hätten, sich dort blicken zu lassen.

Mr. Miller fingerte an seiner goldgeränderten Brille und fühlte sich beim Vorlesen aus dem Regelwerk irgendwie schuldbewusst. Er achtete selbst nicht auf das, was er da las. Er wusste, dass auch die Mädchen nicht aufpassten, und erwartete es nicht einmal, ebenso wenig war er in Sorge, ob sie etwas versäumten. Er wusste, sie würden das Regelwerk nicht eher begreifen, bis sie wirklich zur Arbeit anträten und es mit der Wirklichkeit zu tun hätten. So lernten auch alle anderen. Bis dahin würden sie dafür, dass sie hier saßen und taten, was von ihnen verlangt wurde, einen vollen Tageslohn erhalten, was recht angenehm war und nicht schlimmer, als in die Kirche zu gehen. Doch das Schuldgefühl blieb.

»’türlich ist nicht alles so einfach wie das Regelwerk, wissen Sie«, sagte er irgendwann und blickte etwas schüchtern auf die Mädchen, wobei er bemerkte, wie Miss Shipman hastig einen Zettel wegsteckte, den sie gerade Miss Asher hatte zuschieben wollen. Er fing ihren Blick auf; sie ließ ein unterdrücktes prustendes Lachen hören, und er lächelte nachsichtig. »Natürlich müssen Sie das Regelwerk kennen«, betonte er, weil er das Gefühl hatte, einen ernsteren Ton anschlagen zu müssen, »aber – nun ja, Sie werden schon noch dahinterkommen, dass man die Vorschriften nicht immer buchstabengetreu umsetzen kann. Es nützt nichts, Ihnen genau auseinanderzusetzen, wie und wann; Sie werden es beizeiten lernen. ’türlich, es gibt Leute, die lernen das Regelwerk nie, aber die bleiben nicht, ja, die bleiben nicht lange bei uns.«

Die anwesenden Frauen, selbst diejenigen, die dazu neigten, bei jeder Kleinigkeit loszulachen, die sie entfernt an ihre Schulzeit erinnerte, waren bei diesen unheilvollen Worten ebenso betroffen wie Mr. Miller selbst. Er stockte und besann sich. »Nun, ich denke, für heute haben wir genug gelesen. Zum Lunch gehen wir ins ›Y‹2 – das Essen ist ziemlich gut –, und wenn wir zurückkommen, nehmen wir uns die Fahrkarten vor.« Er hielt einen Packen Fahrkarten hoch, entfaltete sie wie einen Fächer und lächelte.

Die Mädchen wurden munter, sowohl beim Anblick der Fahrkarten als auch bei der Aussicht auf eine Erfrischung. Fahrkarten waren etwas Handfestes, waren bunt, hatten Geldwert. Wahrscheinlich hat noch niemand auf der Welt eine Bahnfahrkarte in der Hand gehalten, ohne eine gewisse Aufregung und Neugier zu empfinden angesichts des kleinen, dünnen Kartonstreifens, eng bedruckt mit winzigen Buchstaben, aus denen in fettem Schwarz oder Rot der Name des Reiseziels hervorsticht – WASHINGTON – PORT EMPIREBOSTON –, eines Ortes, an dem sich gewiss etwas Neues ereignen wird, nun, da man selbst hinfährt. Befugt zu sein, so viele Fahrkarten in der Hand zu halten wie Mr. Miller, und zu wissen, was jede einzelne Farbe bedeutete und an welcher Stelle die Karte gelocht werden musste – das verlieh einem in den Augen vieler Frauen eine gewisse Macht über andere Menschen. Denen, die immer nur den Druck der Macht anderer Menschen auf sich gespürt haben, ist bereits dies bisschen Macht eine Freude. Von allen fühlte Mrs. Jugg diese Freude am stärksten, auch wenn ihrem Gesicht nichts anzumerken war.

Mrs. Jugg war die Älteste. Sie war fünfunddreißig und empfand den Unterschied zwischen sich und den anderen Frauen als sehr groß. Er war auch groß, aber nicht allein wegen ihres Alters. Mit grämlichem, abweisendem Gesicht hatte sie den ganzen Morgen hindurch wie unter Fremden gesessen, offenbar ohne deren Existenz auch nur ein einziges Mal zur Kenntnis zu nehmen. Sie nahm nur Mr. Miller zur Kenntnis. Sie saß unmittelbar rechts von ihm und war die Einzige, die beharrlich versuchte, seinem Vortrag zu folgen. Doch das gelang ihr nicht, was sie beunruhigte. Sie nahm sich vor, jeden Abend das Regelwerk zu studieren. Für sie war Mr. Miller der netteste Mann der Welt, ein Mann, der mit beispielloser Güte versuchte, ihr wichtige Kenntnisse zu vermitteln und sie für die Uniform würdig zu machen, die sie demnächst tragen sollte.

Jetzt erhoben sich alle,...

Erscheint lt. Verlag 14.3.2024
Reihe/Serie Die Andere Bibliothek
Co-Autor Carolin Würfel
Übersetzer Max Schroeder, Otto Wilck, Hans-Christian Oeser
Sprache deutsch
Original-Titel Gelbes Licht
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Carolin Würfel • DDR • Drei Frauen träumten vom Sozialimus • Emanzipation • Frauen in Männerjobs • Freundinnen • Gleichberechtigung • Jüdische Amerikanerin • Kommunismus • Neuübersetzung • Rosie the Riveter • Sozialismus • USA • Wiederentdeckung • Zweiter Weltkrieg
ISBN-10 3-8412-3487-9 / 3841234879
ISBN-13 978-3-8412-3487-2 / 9783841234872
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 792 KB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Die Geschichte eines Weltzentrums der Medizin von 1710 bis zur …

von Gerhard Jaeckel; Günter Grau

eBook Download (2021)
Lehmanns (Verlag)
14,99