Kleopatras Grab -  Constantin Schreiber

Kleopatras Grab (eBook)

Ägypten-Krimi
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
320 Seiten
Hoffmann und Campe (Verlag)
978-3-455-01764-9 (ISBN)
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Ein Mord, eine Verschwörung - und ein seit Jahrtausenden gehütetes Geheimnis Als der Priester der Sankt-Nicholas-Kirche in Alexandria tot aufgefunden wird, herrscht nicht nur in der Gemeinde heller Aufruhr: Alles deutet auf Mord hin. Doch wer oder was steckt dahinter - die Mafia, ein Familienstreit oder doch der erfolgshungrige Archäologe, der in den Gotteshäusern der Stadt etwas zu suchen scheint und vielen ein Dorn im Auge ist? Die junge Kommissarin Theodora Costanda wird mit dem Fall betraut und stößt auch durch ihre Außenseiterrolle - als Frau, als Angehörige der griechischen Minderheit, als Christin - bei ihren Ermittlungen auf eine Mauer des Schweigens. Doch sie gibt nicht auf und kommt einem uralten Bund auf die Spur, der eines der größten Geheimnisse der Antike zu bewahren sucht - um jeden Preis.

Constantin Schreiber, Jahrgang 1979, moderiert seit Januar 2021 die 20-Uhr-Nachrichten der »Tagesschau«. 2016 wurde er mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Mit seiner 2019 gegründeten Deutschen Toleranzstiftung setzt er sich für interkulturellen Austausch im In- und Ausland ein. Er ist Autor mehrerer Bücher. Zuletzt erschienen bei Hoffmann und Campe sein Roman Die Kandidatin (2021) sowie Glück im Unglück (2023), die beide zu Spiegel-Bestellern wurden. Er lebt mit seiner Familie in Hamburg.

Constantin Schreiber, Jahrgang 1979, moderiert seit Januar 2021 die 20-Uhr-Nachrichten der »Tagesschau«. 2016 wurde er mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Mit seiner 2019 gegründeten Deutschen Toleranzstiftung setzt er sich für interkulturellen Austausch im In- und Ausland ein. Er ist Autor mehrerer Bücher. Zuletzt erschienen bei Hoffmann und Campe sein Roman Die Kandidatin (2021) sowie Glück im Unglück (2023), die beide zu Spiegel-Bestellern wurden. Er lebt mit seiner Familie in Hamburg.

Kapitel 1


Freitag

Zuerst war er untergegangen in dem Lärm des Verkehrs, der unablässig über die Brücke geführt wird, aber dann hören sie ihn doch – den schrillen, hektischen Aufschrei. Die Menschen in den Cafés verstummen, die spielenden Kinder am Strand halten inne, Passanten auf der Promenade bleiben stehen und recken die Köpfe. Auf der Terrasse des San-Giovanni-Hotels lehnt eine junge Frau an der Brüstung. Die Augen schreckgeweitet zeigt sie in Richtung Brücke, die die kleine Bucht von Stanley Beach überspannt. In sanften Wellen schwappt das Wasser unten gegen die Brückenpfeiler, zwischen denen sich ein lebloser Körper im Takt hebt und senkt – er ist bekleidet, männlich, die Arme ausgebreitet, den Kopf unter Wasser.

Schon laufen die Menschen am Ufer zusammen, Einheimische wie Touristen. Heute, an einem Freitagnachmittag, ist der Strand voll. Es sind vielleicht die letzten Tage in diesem Jahr, an denen es noch warm genug ist, die Sonnenstrahlen am Meer zu genießen. Die Wintermonate stehen bevor, in denen es hier an der Nordküste Ägyptens mild, aber regnerisch ist. Jedenfalls zu ungemütlich für einen Tag am Meer. Jetzt aber, Ende Oktober, ist der Strand noch mal so voll wie sonst nur im Sommer. Stanley Beach an Alexandrias Uferstraße, der Corniche, ist für gewöhnlich ein einziger großer Laufsteg, auf dem sich stolz die Vielfalt dieser Stadt präsentiert. Sehen und gesehen werden ist das Motto. Doch jetzt schauen alle nur auf die leblose Gestalt, keine fünfzig Meter vom Ufer entfernt.

Ein Mann läuft zum Strand hinunter, ist mit wenigen Sprüngen im Wasser, krault in Richtung Brückenpfeiler, zieht den Körper zu sich und schleppt ihn an Land.

Der Tote muss schon geraume Zeit im Wasser getrieben haben. Die Haut ist bläulich weiß, das Gesicht aufgedunsen. Einige Badegäste halten ihren Kindern die Augen zu, andere haben Smartphones gezückt und machen Fotos.

Jetzt ertönen Polizeisirenen. Mehrere Polizeiwagen nähern sich dem Platz, wo die Corniche zur Brücke abzweigt. Sie halten an. Dann kommen die Polizisten. Sie fordern die Schaulustigen auf, beiseitezutreten und sie durchzulassen. In den nächsten Minuten sind sie und die Einsatzhelfer damit beschäftigt, den Ort abzusperren und Sichtschutze aufzustellen.

Ein Arzt trifft ein, kniet sich neben die Leiche. Er betrachtet das schlammverschmierte Hemd des Mannes, reißt es auf. Auf dem hellen Torso hebt sich deutlich eine blutrote Stichwunde nahe dem Herzen ab. Zwei der Polizisten beobachten das Geschehen mit ernsten Gesichtern. Das ist kein Fall für sie. Sie sind einfache Streifenpolizisten aus dem Viertel.

Einer der beiden holt sein Handy aus der Tasche, nimmt einen Anruf entgegen, nickt, legt wieder auf. Er wendet sich an seinen Kollegen. »Jemand von der Mordkommission ist schon unterwegs. Ein Theo.«

»Eine Theo«, sagt wie aufs Stichwort die Frau, die sich den beiden von hinten genähert hat. »Theodora Costanda, tasharrafna – sehr erfreut«, sagt sie im besten alexandrinischen Arabisch, damit klar ist: Sie ist von hier.

Sie kennt das – die Irritation wegen ihres griechischen Namens. Und natürlich wegen ihres Geschlechts. Eine Frau bei der Polizei, noch dazu in der Mordkommission – das ist ungewöhnlich in Ägypten, selbst in Alexandria.

Alexandria mit seinem hohen Anteil an Christen und den vielen modernen, säkularen Musliminnen ist anders als andere Städte des Landes. Hier tragen weniger Frauen einen Hijab. Viele arbeiten inzwischen in Berufen, die traditionell von Männern dominiert wurden und noch immer dominiert werden. Aber mit ihrer hellen Haut, ihren blauen Augen und den halblangen, gewellten braunen Haaren wirkt Theo auf die meisten Ägypter wie eine agnabija, eine Ausländerin. Doch Alexandria ist ihre Heimat – wenn sie auch nicht hier geboren ist. Aber das ist eine lange Geschichte.

Zwei Männer mit schweren Taschen nähern sich der Absperrung, werden von den Polizisten aufgehalten. Die Kollegen sehen unsicher zu Theodora herüber.

»Die Spurensicherung. Lasst sie durch«, sagt Theodora in bestimmendem Ton.

»Sind Sie die ermittelnde Kommissarin?«, fragt einer der Männer, der sich ihr als Polizeimeister Basil vorstellt.

Theodora nickt.

Als der Polizist an ihr vorbei zu dem Toten schaut, wird sein Blick starr. Dann sieht er Theodora verwundert an. »Wissen Sie, wer das ist?«

Theodora schüttelt den Kopf.

»Ich dachte … weil Sie Christin sind …«

Theo betrachtet erneut das zur Seite gedrehte, aufgequollene blasse Gesicht. Sie ist sich sicher, dass sie den Mann noch nie gesehen hat.

Basil hilft ihr auf die Sprünge. »Abuna Gabriel. Der Priester der Sankt-Nicholas-Kirche.«

Theo runzelt die Stirn. »Sankt Nicholas? Die ist nicht gerade in der Nähe, oder?«, murmelt sie.

Der Polizist schüttelt den Kopf.

Theodora sieht auf die Leiche. Ein ermordeter Geistlicher in einem Land, in dem orthodoxe Christen immer wieder Opfer islamistischer Anschläge werden. Das verheißt nichts Gutes.

~

Das Zentrum Alexandrias ist noch immer geprägt von den Prachtbauten, die im europäischen Stil errichtet wurden, als die Stadt Ende des 19. Jahrhunderts wieder zu Reichtum und Bedeutung gelangte, nachdem die antike Metropole im Mittelalter zu einer ärmlichen Hafenstadt verkommen war. Baumwolle machte Ägypten damals wohlhabend. Über Alexandria wurde der Rohstoff nach Europa und Amerika verschifft. Unweit der Hafenpromenade, auf dem Tahrir-Platz, findet sich die Reiterstatue von Mohammad Ali. Er hat Ägypten in die Moderne geführt. Die »Place des Consuls«, wie der Platz damals hieß, war nicht nur die Adresse vieler Konsulate, sondern mit ihren zahlreichen Cafés und Restaurants und vornehmen Geschäften bevorzugte Flaniermeile für reiche Europäer und die wohlhabende Oberschicht des Landes. Heute ist der Platz gesäumt von zwei parallel verlaufenden Hauptverkehrsadern, die wenige hundert Meter weiter im Osten in die Fuad-Straße münden. Dort, unweit des in weißer Pracht erstrahlenden Kulturpalasts, der »Bourse Toussoun«, sowie umgeben von weiteren Bauten im neoklassizistischen und Art-déco-Stil, steht ein Gebäude, das mit seiner futuristischen blau-weißen Kunststoff-Fassade sonderbar deplatziert wirkt – die Polizeistation al-Attarin.

Hier im ersten Stock befindet sich Theos kleines Büro. Die Klimaanlage, die über dem Fenster angebracht ist, brummt. Im Zimmer herrschen fast schon zu kühle achtzehn Grad. Theo sitzt an diesem Abend am Schreibtisch und starrt auf ihren Laptop. Es ist ungewöhnlich heiß für Ende Oktober, denkt sie. Ob das etwas mit dem Klimawandel zu tu hat? Seit sie vom Strand zurückkehrt ist, hat das mulmige Gefühl nicht nachgelassen. Wenn sich herausstellen sollte, dass die Tat islamistisch motiviert war, dann würden ihre Ermittlungen zwangsläufig sofort politisch ausgeschlachtet werden.

In Alexandria ist das Zusammenleben von Christen und Muslimen lange Zeit friedlich gewesen, anders als im Süden, in Oberägypten. Doch vor allem seit der sogenannten »islamischen Wiedergeburt« ist es auch hier immer wieder zu Gewaltausbrüchen gekommen. Damals, in den achtziger Jahren, zerstörten islamistische Fundamentalisten Kirchen, Wohnhäuser und Geschäfte von Christen. Klöster wurden überfallen, Mönche misshandelt und getötet. Nur allzu oft stand die Polizei tatenlos daneben – oder schloss sich dem Mob sogar an. Und dann kam es zu dem Anschlag vom 1. Januar 2011, der alles verändern sollte. Vor der Allerheiligenkirche explodierte eine Bombe, als die Kopten gerade ihren Neujahresgottesdienst feierten. Einundzwanzig Menschen starben, siebenundneunzig wurden verletzt. Ein Blutbad. Theo kann sich nur allzu gut daran erinnern. Sie war mit Freundinnen tagsüber auf der Corniche spazieren gegangen, wo zwischen kurzen winterlichen Regenschauern immer wieder eine wärmende Sonne durchkam. Nesrin war auch dabei, ihre beste Freundin. Als sie sich an dem Tag verabschiedeten, sagte Nesrin noch, wie sehr sie sich darauf freute, den Abend mit ihrer Familie zu verbringen. Mit ihrer Großmutter wollte sie später in die Allerheiligenkirche. Es war das letzte Mal, dass Theo Nesrin gesehen hat. Und jetzt der ermordete griechisch-orthodoxe Priester …

Theo schließt das Dokument, in dem sie stichwortartig die Ereignisse des heutigen Tages notiert hat. Für einen Moment sieht sie ins Leere. Sie ist ratlos. Ist sie wirklich die Richtige für diese Ermittlung? Als Frau? Als Christin? Als relativer Neuling bei der Kripo?

Noch dazu wird sie von den Kollegen auch wie eine Außenseiterin behandelt. Al-junanija ist hier so was wie ihr Spitzname – »die Griechin«.

In der Schule nannten viele Lehrer sie »Hibatullah«, was die arabische Übersetzung ihres Namens ist: »Theodora«, »Geschenk Gottes«. Daraus wurde für gewöhnlich kurz »Hiba«. Sie hätte »Theo« vorgezogen.

Theodora fühlt, dass sie mit ihren griechischen Wurzeln inzwischen einer aussterbenden Art angehört – wenngleich diese Wurzeln sehr tief reichen. Alexandria ist im Altertum schließlich von Griechen gegründet worden. Noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts zählte die griechische Gemeinde über hunderttausend Mitglieder, heute sind es nur noch vierhundert. Doch was spielen diese alten Geschichten in der modernen Welt noch für eine Rolle?

Theo klappt den Laptop zu. Schluss jetzt mit der Grübelei. Sie beschließt, morgen mit ihrem Chef über die Sache zu...

Erscheint lt. Verlag 6.5.2024
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Ägypten • Alexandria • Constantin Schreiber • Ermittlerin • Islam • Kairo • Kriminalroman • Krimireihe • Regionalkrimi • Tagesschau
ISBN-10 3-455-01764-9 / 3455017649
ISBN-13 978-3-455-01764-9 / 9783455017649
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