Star Trek - Zeit des Wandels 8: Heilen (eBook)
384 Seiten
Cross Cult (Verlag)
978-3-98666-177-9 (ISBN)
01
TEZWA
Die Dämmerung senkte sich über die Stadt Alkam-Zar. Tiefrote Sonnenstrahlen brachen über den Horizont und überzogen die düsteren stahlgrauen Wolken mit ihrem feurigen Schein. Wie Klagerufe anmutende Windböen strichen zwischen den leeren Hüllen der alten wie modernen Gebäude hindurch – alle Opfer des Verfalls und der Zeit.
Sternenflottenensign Fiona McEwan stand am Rand eines von Trümmern übersäten Platzes nahe dem Zentrum der zerstörten Metropole. Wie in vielen anderen Städten auf Tezwa schwelten in Alkam-Zar auch mehr als zwei Wochen nach dem Einschlag eines klingonischen Torpedos noch immer Brände. Der Treffer hatte einen militärischen Raumhafen mehrere Dutzend Kilometer vom Stadtzentrum entfernt zerstört.
Die Leute haben vermutlich geglaubt, durch die Nähe zur Basis sicherer zu sein, dachte McEwan. Aber es hat sie nur zur Zielscheibe gemacht.
Hinter der zierlichen, rothaarigen jungen Offizierin koordinierte ein Team von Flüchtlingshelfern der Föderation die Verteilung von Lebensmitteln, sauberem Wasser und Medikamenten an die Tezwa, die durch den klingonischen Beschuss ihre Lebensgrundlage verloren hatten. Der Hilfstrupp bestand aus Zivilisten und Ärzten. McEwan gehörte dem sechsköpfigen Team an, das für ihren Schutz sorgen sollte. In ähnlich zerstörten Stadtgebieten auf dem ganzen Planeten waren andere Hilfsgruppen von tezwanischen Flüchtlingen nahezu überrannt worden, da ihre Not und Verzweiflung zu Kämpfen um Nahrungsmittel geführt hatten. Andere waren in Hinterhalte des Militärs geraten, das dem abgesetzten Premierminister Kinchawn weiterhin treu ergeben schien.
Heute jedoch blieb es in Alkam-Zar ruhig. Die meisten Einwohner standen noch unter Schock. Erwachsene und Kinder irrten wie ausgezehrte, bedrohliche Phantome durch die Straßen. Ihre Federkleider waren blass vor Staub und verfilzt durch Vernachlässigung, ihre Armfedern versengt, zerfetzt und blutverschmiert. Die schlurfenden Schritte auf dem zerbrochenen Glas und dem pulverisierten Gestein hallten von den Gebäuden wider. Geborstene Metallträger, an denen noch uralter Stein haftete, hatten den Boden aufgerissen und säumten die Haupt- und Seitenstraßen wie Monumente stiller Verzweiflung.
Bisher waren die Bemühungen der Föderation darauf konzentriert gewesen, den Überlebenden das Notwendigste zur Verfügung zu stellen – Nahrung, Wasser, Schutz und medizinische Grundversorgung. Vor zwei Tagen war dann das Ingenieurkorps eingetroffen, um sich der gewaltigen Aufgabe anzunehmen, den Wiederaufbau der zerstörten Städte zu koordinieren.
McEwan dagegen hatte es nicht eilig, die Straßen geräumt zu sehen. Sollten Kinchawns Getreue einen Angriff auf ihre Einheit wagen, wäre sie für jede Deckung dankbar.
Nur noch dreizehn Tage, ermutigte sie sich selbst. Dann darf ich wieder zurück aufs Schiff. Ihr zweiwöchiger Einsatz auf der Oberfläche des Planeten hatte gerade erst begonnen und schon sehnte sie sich zurück auf die Enterprise. Da sie an der Mission zur Neutralisierung von Tezwas bodengestützter Artillerie beteiligt gewesen war, hatte man es ihr glücklicherweise erspart, Teil der ersten, zermürbenden zweiwöchigen Rotation zu sein. Danilov hatte ihr erzählt, wie ihm der Gestank, die vielen Insekten und das Massensterben in den Großstädten Albträume beschert hatten. Seo hatte in einer gequälten Tonlosigkeit und ekelerregenden Details beunruhigend realistisch beschrieben, wie bei einem Guerillahinterhalt in Anara-Zel vier Sicherheitsoffiziere von der Republic getötet worden waren. Sowohl Danilov als auch Seo waren Veteranen, die an vorderster Front im Dominion-Krieg gekämpft hatten. Daher nahm McEwan ihre Warnungen sehr ernst.
Ein klagender Laut, gequält und doch wunderschön, durchbrach die drückende Stille. McEwan wandte sich seinem Ursprung zu und sah nach oben zum Dach eines zwanzigstöckigen Gebäudes, das wie ein ausgeweidetes Skelett über ihr aufragte. Ein einsamer tezwanischer Sänger stand wie ein Herrscher ganz oben auf dem Gebäude und breitete seine Arme aus, als wollte er den Himmel umarmen. Seine nasale und durchdringende Stimme hallte von den zertrümmerten, hohlen Bauwerken wider, die ins schwindende Licht des Tages gehüllt waren. Sein Kummer rührte McEwans Herz, das unter der schrecklichen Leere seiner opernhaften Klagelieder schmerzte.
Ohne ihren Blick von dem Sänger abzuwenden, griff sie nach dem Ärmel eines tezwanischen Jungen, der an ihr vorbeiging. Mit einer Hand hielt sie ihn fest, mit der anderen zeigte sie nach oben auf den Sänger. »Was singt er da?«
Der Junge folgte ihrer Geste mit benommenem, entrücktem Blick. Vollkommen ungerührt von dem Sänger antwortete er: »Es ist ein Trauerlied. Wir singen für die Toten.«
McEwan stand da und konnte ihren Blick nicht von dem Sänger abwenden. Seine Stimme klang majestätisch wie das Heulen eines Wolfes unter der schattenhaften grauen Wolkenkuppel und legte sich wie ein Bann der Trauer über sie. Der Junge versuchte, sich aus ihrem Griff zu winden, und sie ließ ihn gehen. »Für wen singt er das?«
Erneut sah der Junge hinauf. Dann wandte er sich von ihr ab und erwiderte erschreckend emotionslos: »Für die Welt.«
Sie blickte dem Jungen nach, der mit seinem Anteil an den täglichen Notfallrationen der Föderation unter dem Arm davonstapfte. Erneut ertönte die Stimme des Sängers und ließ McEwans Blick nach oben schweifen. Kurz erfüllte seine Melodie jede Ecke von Alkam-Zar. Dann versiegte sie wie ein Todeshauch. Ein schwacher, tragischer Ton erhob sich und entschwand in den Himmel. Es klang, als würde seine Seele entfliehen. Er lehnte sich nach vorn und stürzte kopfüber vom Gebäude.
McEwan blieb der Schrei im Hals stecken, als sie den Sturz des Sängers verfolgte. Weder schlug er um sich noch schrie er. Er fiel, als wäre es sein Schicksal. Mitfühlende Angst stieg in ihr auf, als der Körper des Sängers immer schneller wurde.
Dann schlug er mit einem dumpfen, lauten Schmatzen auf dem Boden auf.
McEwans entsetztes Keuchen ging in ein ersticktes Schluchzen über. Tränen liefen ihr übers Gesicht.
Um Fassung ringend drehte sie sich langsam in Richtung des großen Platzes. Hinter ihr standen andere Sternenflottenoffiziere, die die Szene ebenso schockiert verfolgt hatten. Eine Zivilistin aus dem Hilfstrupp schlug sich die Hand vor den Mund und begann zu weinen. Viele andere Flüchtlingshelfer wandten sich ab. Ein junger Arzt eilte mit einem chirurgischen Notfallset quer über den Platz. Dass seine Bemühungen vergebens sein würden, schien ihn nicht abzuhalten. Direkt hinter ihm folgte ein FNN-Reporter.
Allerdings hatte McEwan nur Augen für die Tezwa. Sie warteten auf ihre Nahrungspakete und Wasserrationen und schienen vom grausamen Ende des Sängers keine Notiz zu nehmen. Vielleicht war es ihnen auch egal. Mehr noch als sein Selbstmord ängstigte sie ihre gefühlskalte Gleichgültigkeit.
Sie wischte sich die Tränen von der Wange und zählte erneut die Tage, bis sie diese Welt verlassen dürfte und sie nie wieder sehen müsste.
Geordi La Forge zog sich die Kapuze seines Parkas tiefer ins Gesicht. Mit hochgezogenen Schultern versuchte er, sich vor dem kalten, sauren Regen zu schützen, der sich grau und kühl in dem fast kreisrunden Krater sammelte. Er lag wie ein dunkler Schlund vor ihm. Bis vor Kurzem hatte an dieser Stelle noch eins der gewaltigen Artilleriegeschütze der Tezwa gestanden. Die Pfütze aus rötlichem Schlamm am Boden der Grube wurde mit jeder Minute tiefer.
Die einst üppigen Hügel ringsum bestanden nur noch aus skelettierten Bäumen und verdorrten Pflanzen. Der Geruch der verrottenden Vegetation erfüllte die kalte, nach Ozon riechende Morgenluft. Für diese katastrophalen Umweltschäden war jedoch nicht die Implosion der Nadion-Impulskanone verantwortlich. Vielmehr waren sie das Ergebnis der gewaltigen Mengen Asche, Staub und anderer Gifte durch den klingonischen Vergeltungsangriff, der das Militär Tezwas und die wichtigsten Einrichtungen auf der Planetenoberfläche zerstört hatte.
Ein forensisches Ingenieursteam der Sternenflotte arbeitete geschäftig am Rand des Katers. Die Mitglieder scannten und untersuchten die Umgebung mit ihren Trikordern und einer Vielzahl anderer spezieller Gerätschaften. Ensign Emily Spitale und Lieutenant Mitchell Obrecht gehörten zu La Forges Stab auf der Enterprise. Die anderen neun Ingenieure stammten von den Raumschiffen Republic, Armagosa und Musashi. Ihre langen Gesichter und die verzweifelten Seufzer ließen La Forge zu dem Schluss kommen, dass ihre Suche ebenso erfolglos verlief wie die neunundzwanzig anderen in der vergangenen Woche.
Er teilte ihre Frustration. Vorläufige...
Erscheint lt. Verlag | 2.9.2024 |
---|---|
Übersetzer | Björn Sülter |
Verlagsort | Ludwigsburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction |
Schlagworte | Abenteuer • action • Enterprise • Kult • Picard • Popkultur • Prequel • Space Opera • Star Trek • star trek picard |
ISBN-10 | 3-98666-177-8 / 3986661778 |
ISBN-13 | 978-3-98666-177-9 / 9783986661779 |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Größe: 7,8 MB
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich