Über den Umgang mit Menschen -  Adolph Knigge

Über den Umgang mit Menschen (eBook)

Ein Brevier des guten Benehmens - Penguin Edition (Deutsche Ausgabe) - Klassiker einfach lesen
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2024 | 1. Auflage
576 Seiten
Penguin Verlag
978-3-641-31481-1 (ISBN)
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Ein Leitfaden für ein zivilisiertes Miteinander - nie war es so wertvoll wie heute, in Zeiten von Digitalisierung und sozialen Medien.
Ein Buch, das gelesen haben sollte, wer sich in Gesellschaft begibt - egal, in welche

Mit seinem legendären Brevier des guten Benehmens schuf der Freiherr von Knigge nach eigenem Bekunden «ein System, dessen Grundpfeiler Moral und Weltklugheit sind». Wie verhalten wir uns angemessen gegenüber dem Mitmenschen? Wie zeigen wir dem Gegenüber unsere Wertschätzung, wie erweisen wir ihm die verdiente Achtung? Und welche Manieren sind für eine kultivierte Unterhaltung unverzichtbar? - Auf diese und viele andere Fragen gibt der Knigge klar und verständlich Antwort.

PENGUIN EDITION. Zeitlos, kultig, bunt.

Adolph Freiherr von Knigge (*16.10.1752 in Bredenbeck, ?6.5.1796 in Bremen) studierte Rechtswissenschaften in Göttingen und hatte danach Hofämter in Kassel und Hanau inne. Ab 1780 privatisierte er und verdiente sein Geld als Schriftsteller, Rezensent und Übersetzer. Von 1780 bis 1784 war Knigge Mitglied des radikalaufklärerischen Illuminatenordens; in zahlreichen Schriften unterstützte er die Ziele der Französischen Revolution. Sein Werk »Über den Umgang mit Menschen« ist bis heute - wenn auch als Benimmfibel missverstanden - berühmt. Sein übriges Werk, Romane wie »Die Reise nach Braunschweig« (1792), Satiren wie »Des seligen Herrn Etatsraths Samuel Conrad von Schaafskopf hinterlassene Papiere« (1792), Theaterstücke und Essays, ist hingegen so gut wie vergessen.

Einleitung

1

Wir sehen die klügsten, verständigsten Menschen im gemeinen Leben Schritte tun, wozu wir den Kopf schütteln müssen.

Wir sehen die feinsten theoretischen Menschenkenner das Opfer des gröbsten Betrugs werden.

Wir sehen die erfahrensten, geschicktesten Männer bei alltäglichen Vorfällen unzweckmäßige Mittel wählen; sehen, dass es ihnen misslingt, auf andere zu wirken, dass sie, mit allem Übergewichte der Vernunft, dennoch oft von fremden Torheiten, Grillen und von dem Eigensinne der Schwächeren abhängen, dass sie von schiefen Köpfen, die nicht wert sind, mit ihnen verglichen zu werden, sich müssen regieren und misshandeln lassen, dass hingegen Schwächlinge und Unmündige an Geist Dinge durchsetzen, die der Weise kaum zu wünschen wagen darf.

Wir sehen manchen Redlichen fast allgemein verkannt;

Wir sehen die witzigsten, hellsten Köpfe in Gesellschaften, wo aller Augen auf sie gerichtet waren und jedermann begierig auf jedes Wort lauerte, das aus ihrem Munde kommen würde, eine nicht vorteilhafte Rolle spielen; sehen, wie sie verstummen oder nur gemeine Dinge sagen, indes ein anderer, äußerst leerer Mensch die kleine Summe von Begriffen, die er hie und da aufgesammelt hat, so durcheinander zu werfen und aufzustutzen versteht, dass er Aufmerksamkeit erregt und, selbst bei Männern von Kenntnissen, für etwas gilt.

Wir sehen, dass die glänzendsten Schönheiten nicht allenthalben gefallen, indes Personen, mit weniger äußern Annehmlichkeiten ausgerüstet, allgemein interessieren. –

Kurz! wir werden täglich gewahr, dass die klügsten und gelehrtesten Männer, wenn nicht zuweilen die untüchtigsten zu allen Weltgeschäften, doch wenigstens unglücklich genug sind, durch den Mangel einer gewissen Gewandtheit zurückgesetzt zu bleiben, und dass die Geistreichsten, von der Natur mit allen inneren und äußeren Vorzügen beschenkt, oft am wenigsten zu gefallen, zu glänzen verstehen.

Manche Leute glauben, größere Eigenschaften berechtigten sie, die kleinen gesellschaftlichen Schicklichkeiten, die Regeln des Anstands, der Höflichkeit oder der Vorsicht zu vernachlässigen – das ist nicht gut getan. Großer Eigenschaften wegen verzeiht man große Fehler, weil Menschen von feinerem Stoffe heftige Leidenschaften zu haben pflegen; wo aber keine Leidenschaft im Spiele ist, da soll der bessere Mann auch weiser handeln als der alltägliche; und es ist nicht weise gehandelt, die unschuldigen Gebräuche der Gesellschaft zu verachten, wenn man in der Gesellschaft leben und wirken will.

Ich rede aber hier nicht von der freiwilligen Verzichtleistung des Weisen auf die Bewunderung des vornehmen und geringen Pöbels. Dass der Mann von besserer Art da in sich selbst verschlossen schweigt, wo er nicht verstanden wird; dass der Witzige, Geistvolle in einem Zirkel schaler Köpfe sich nicht so weit herablässt, den Spaßmacher zu spielen; dass der Mann von einer gewissen Würde im Charakter zu viel Stolz hat, sein ganzes Wesen nach jeder ihm unbedeutenden Gesellschaft umzuformen, die Stimmung anzunehmen, wozu die jungen Laffen seiner Vaterstadt den Ton mit von Reisen gebracht haben, oder den gerade die Laune einer herrschenden Coquette5 zum Konversations-, Kammer- und Chorton erhebt; dass es den Jüngling besser kleidet, bescheiden, schüchtern und still, als nach Art der meisten* unserer heutigen jungen Leute vorlaut, selbstgenügsam und plauderhaft zu sein; dass der edle Mann, je klüger er ist, um desto bescheidener, um desto misstrauischer gegen seine eignen Kenntnisse, um desto weniger zudringlich sein wird; oder dass, je mehr innerer, wahrer Verdienste sich jemand bewusst ist, er um desto weniger Kunst anwenden wird, seine vorteilhaften Seiten hervorzukehren, so wie die wahrhafte Schönheit alle kleinen anlockenden, unwürdigen Buhlkünste, wodurch man sich bemerken zu machen sucht, verachtet. – Das alles ist wohl sehr natürlich! – davon rede ich also nicht.

Auch nicht von der beleidigten Eitelkeit eines Mannes voll Forderungen, der unaufhörlich eingeräuchert, geschmeichelt und vorgezogen zu werden verlangt und, wo das nicht geschieht, eine traurige Figur macht; nicht von dem gekränkten Hochmute eines abgeschmackten Pedanten, der übellaunig* wird, wenn er das Unglück hat, nicht allerorten für ein großes Licht der Erden bekannt und als ein solches behandelt zu sein, wenn nicht jeder mit seinem Lämpchen herbeiläuft*, um es an diesem großen Lichte der Aufklärung anzuzünden. Wenn ein steifer Professor, der gewöhnt ist, von seinem bestaubten Dreifuße herunter, sein Lehrbuch in der Hand, einem Haufen gaffender, unbärtiger Musensöhne stundenlang hohe Weisheit vorzupredigen und dann zu sehn, wie sogar seine platten, in jedem halben Jahre wiederholten Späße sorgfältig nachgeschrieben werden; wie jeder Student so ehrerbietig den Hut vor ihm abzieht und mancher, der nachher seinem Vaterlande Gesetze gibt, ihm des Sonntags im Staatskleide die Aufwartung macht; wenn ein solcher einmal die Residenz oder irgendeine andere Stadt besucht und das Unglück nun will, dass man ihn dort kaum dem Namen nach kennt, dass er in einer feinen Gesellschaft von zwanzig Personen gänzlich übersehn oder von irgendeinem Fremden für den Kammerdiener im Hause gehalten und «Er» genannt wird, er dann ergrimmt und ein verdrossenes Gesicht zeigt; oder wenn ein Stubengelehrter, der ganz fremd in der Welt, ohne Erziehung und ohne Menschenkenntnis ist, sich einmal aus dem Haufen seiner Bücher hervorarbeitet und er dann äußerst verlegen mit seiner Figur, buntscheckig und altväterisch gekleidet, in seinem vor dreißig Jahren nach der neuesten Mode verfertigten Bräutigamsrocke dasitzt und an nichts von allem, was gesprochen wird, Anteil nehmen, keinen Faden finden kann, um mit anzuknüpfen; so gehört das alles nicht hierher.

Ebenso wenig rede ich von dem groben Zyniker, der nach seinem Hottentotten-Systeme alle Regeln verachtet, welche Übereinkunft und gegenseitige Gefälligkeit den Menschen im bürgerlichen Leben vorgeschrieben haben, noch von dem Kraftgenie, das sich über Sitte, Anstand und Vernunft hinauszusetzen einen besonderen Freibrief zu haben glaubt.

Und wenn ich sage, dass oft auch die weisesten und klügsten Menschen in der Welt, im Umgange und in Erlangung äußerer Achtung, bürgerlicher und anderer Vorteile, ihres Zwecks verfehlen, ihr Glück nicht machen; so bringe ich hier weder in Anschlag, dass ein widriges Geschick zuweilen den Besten verfolgt, noch, dass eine unglückliche leidenschaftliche oder ungesellige Gemütsart bei manchem die vorzüglichsten, edelsten Eigenschaften verdunkelt.

Nein! meine Bemerkung trifft Personen, die wahrlich allen guten Willen und treue Rechtschaffenheit mit mannigfaltigen, recht vorzüglichen Eigenschaften und dem eifrigen Bestreben, in der Welt fortzukommen, eignes und fremdes Glück zu bauen, verbinden und die dennoch mit diesem allem verkannt, übersehn werden, zu gar nichts gelangen. Woher kommt das? Was ist es, das diesen fehlt und andere haben, die, bei dem Mangel wahrer Vorzüge, alle Stufen menschlicher, irdischer Glückseligkeit ersteigen? – Was die Franzosen den esprit de conduite nennen, das fehlt jenen: die Kunst des Umgangs mit Menschen – eine Kunst, die oft der schwache Kopf, ohne darauf zu studieren, viel besser erlauert als der verständige, weise, witzreiche; die Kunst, sich bemerken, geltend, geachtet zu machen, ohne beneidet zu werden; sich nach den Temperamenten, Einsichten und Neigungen der Menschen zu richten, ohne falsch zu sein; sich ungezwungen in den Ton jeder Gesellschaft stimmen zu können, ohne weder Eigentümlichkeit des Charakters zu verlieren noch sich zu niedriger Schmeichelei herabzulassen. Der, welchen nicht die Natur schon mit dieser glücklichen Anlage hat geboren werden lassen, erwerbe sich Studium der Menschen, eine gewisse Geschmeidigkeit, Geselligkeit, Nachgiebigkeit, Duldung, zu rechter Zeit Verleugnung, Gewalt über heftige Leidenschaften, Wachsamkeit auf sich selber und Heiterkeit des immer gleich gestimmten Gemüts; und er wird sich jene Kunst zu eigen machen. Doch hüte man sich, sie zu verwechseln mit der schädlichen, niedrigen Gefälligkeit des verworfenen Sklaven, der sich von jedem missbrauchen lässt, sich jedem preisgibt, um eine Mahlzeit zu gewinnen, dem Schurken huldigt und, um eine Bedienung zu erhalten, zum Unrechte schweigt, zum Betruge die Hände bietet und die Dummheit vergöttert.

Indem ich aber von jenem esprit de conduite rede, der uns leiten muss bei unserm Umgange mit Menschen aller Gattung, will ich nicht etwa ein Komplimentierbuch6 schreiben, sondern einige Resultate aus den Erfahrungen ziehen, die ich gesammelt habe während einer nicht kurzen Reihe von Jahren, in welchen ich mich unter Menschen aller Arten und Stände umhertreiben lassen und oft in der Stille beobachtet habe. – Kein vollständiges System, aber Bruchstücke, vielleicht nicht zu verwerfende Materialien, Stoff zu weiterem Nachdenken.

2

In keinem Lande in Europa ist es vielleicht so schwer, im Umgange mit Menschen aus allen Klassen, Gegenden und Ständen, allgemeinen Beifall einzuernten; in jedem dieser Kreise wie zu Hause zu sein; ohne Zwang, ohne Falschheit, ohne sich verdächtig zu machen und ohne selbst dabei zu leiden, auf den Fürsten wie auf den Edelmann und Bürger, auf den Kaufmann wie auf den Geistlichen nach Gefallen zu wirken, wie in unserm deutschen Vaterlande; denn nirgends vielleicht herrscht zu gleicher Zeit eine so große Mannigfaltigkeit des Konversationstons, der Erziehungsart, der Religions- und anderer Meinungen, eine so große Verschiedenheit der Gegenstände, welche die...

Erscheint lt. Verlag 11.4.2024
Reihe/Serie Penguin Edition
Nachwort Wolf Lepenies
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2024 • Benimmbuch • Benimmregeln • eBooks • Gesellschaft • gesellschaftliche anlässe • Klassiker • Leitfaden • Neuerscheinung • Österreich • Pädagogik • Ratgeber • Regelwerk • Schweiz • Social Media • Soziale Medien • zivilisierter umgang
ISBN-10 3-641-31481-X / 364131481X
ISBN-13 978-3-641-31481-1 / 9783641314811
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