Tödliche Ostfriesengeister. Ostfrieslandkrimi -  Elke Nansen

Tödliche Ostfriesengeister. Ostfrieslandkrimi (eBook)

(Autor)

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2023 | 1. Auflage
200 Seiten
Klarant (Verlag)
978-3-96586-895-3 (ISBN)
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»Verdori, jetzt hast du mit deinem Gerede eine Hexe aus dem Nebel beschworen!« An diesem unheimlichen Nebeltag scheint ganz Emden ein Auffahrunfall zu sein, und während Streifenpolizisten dabei sind, die Unfälle aufzunehmen, meldet eine verzweifelte Frau auf der Polizeistation ihren jugendlichen Sohn als vermisst. Und als wäre das Chaos nicht schon komplett, taucht vor den Kommissaren Richard Faber und Rike Waatstedt plötzlich mitten auf der Straße eine Gestalt auf! Im letzten Moment kann Faber mit einer Vollbremsung das Schlimmste verhindern. Bei der Gestalt im Nebel handelt es sich um die unheimliche Alte, die in der Umgebung nur »Kräuterhexe« genannt wird und in einer kleinen Hütte in Groothusen lebt. Sie erzählt den Kommissaren Dinge, die im Zusammenhang mit dem vermissten Jugendlichen zu stehen scheinen, und will sie zu einem Tatort führen. Was ist dran an den Behauptungen der »Kräuterhexe«, deren genaue Identität niemand kennt? Steht sie wirklich in Kontakt mit Geistern, wie sie erzählt, oder hat alles eine rationale Erklärung? Für die ostfriesischen Ermittler beginnt ein Fall, den wohl keiner von ihnen jemals vergessen wird …



Elke Nansen ist das Pseudonym einer Autorin, die den Norden und Ostfriesland liebt. Die Nordsee, die unendliche friesische Weite, das platte Land mit seinen ganz speziellen Charakteren - diese Region hat ihren eigenen rauen Charme, hier kann Elke Nansen ihrer Fantasie freien Lauf lassen. Und so schreiben sich die spannendsten Geschichten manchmal wie von selbst ... Besonders angetan haben es der Autorin die ostfriesischen Inseln, die sie alle schon besucht hat. Als leidenschaftliche Taucherin liebt Elke Nansen die See und das Wasser. 8 Jahre hat sie im niedersächsischen Städtchen Verden an der Aller gelebt.

Kapitel 2


 

Die Stippvisite bei Uwes Ex-Freundin hatte nichts gebracht. Sie bestätigte, dass die Freundschaft jetzt fast ein Jahr beendet war. Man hatte zwar keinen Groll aufeinander, aber dennoch recht wenig miteinander zu tun. Was das Mädchen außerdem bestätigte, waren Frau Eukens Aussagen zu Uwes Charakter. Er würde nie, ohne sich zu melden, von zu Hause fernbleiben. Auch meinte sie, dass er ein verantwortungsvoller und hochanständiger Kerl sei, der von seinem Vater und besonders von seiner Mutter geliebt würde.

»Siehst du, ich habe es dir ja gesagt, es ist en lüttje Welt. Das klart heute auch nicht mehr auf«, meinte Rike, als sie das Haus über die Bäckerei wieder verließen. Faber sah auf die Uhr. Wahrscheinlich hast du recht. Zwölf Uhr und es herrscht weiterhin eine dicke Waschküche, dachte er in dem Moment.

»Wir fahren langsam nach Pewsum. Ruf doch mal Laurien an, ob sie jemanden von der Diskothek erreicht hat«, sagte er, als sie einstiegen. Obwohl er die Strecke eigentlich gut kannte, tippte er dennoch die Adresse ins Navi ein. Es schien, der Nebel war dicker geworden. Wo es mal lichter wurde, tanzten Schwaden wie Geister. Er wendete und fuhr Richtung Ring zurück. Als er erneut an Frau Eukens Haus vorbeikam, erkannte man nicht mal mehr die Haustür. Durch die Kastanienallee am Ring gab der Nebel plötzlich den Blick auf Wiesen und abgeerntete Felder frei. Die frei stehenden Nebel­schwaden waren ein regelrechtes Spektakel. Sie waberten und nahmen alle Arten von unheimlichen Gestalten an, bevor sie sich wieder auflösten. »Gruselig, sieh mal, das sieht aus wie der Tanz der Gespenster«, meinte er und stoppte einen Moment, um sich das Schauspiel anzusehen.

»Oh, oh«, meinte Rike plötzlich ernst. Dann wurde ihre Stimme leise und geheimnisvoll, als sie sagte: »Du weißt, die ruhelosen Seelen von Mördern und Ermordeten tanzen als Wiedergänger im Irrlicht der Moore. Nur wenn eine geschlossene Nebelfront über das Land zieht, verlassen sie das Moor und suchen die Nähe der Menschen. Um sich ein Leben zu stehlen.«

Faber drehte den Kopf zu ihr und sah sie entsetzt an. Er war nicht gerade der Mutigste, wenn es um Nebel, Vollmond und Geisterkram ging. Irgendwie konnte er dann nicht rational denken. Auf Hoch­deutsch, er fürchtete sich nachts auf Friedhöfen und vermied jeden Horror- oder Geisterfilm. »Was redest du denn da?«

»Opa sagt das immer«, meinte sie mit Todesmiene, doch als sie seinen Gesichtsausdruck sah, hielt sie es nicht mehr aus und fing schallend an zu lachen. Sie konnte sich gar nicht mehr beruhigen und kicherte immer noch, als er auf die Neu-Etumer Straße nach links abbog. »Entschuldige«, sagte sie und streichelte seinen Unterarm, als sie bemerkte, wie sauer er war. »Du hast mir eine Steilvorlage gelie­fert, das konnte ich mir nicht entgehen lassen.«

Gerade wollte Faber etwas erwidern, als plötzlich mitten auf der Straße eine Gestalt auftauchte. Der Kommissar spürte, wie sein Herz einen Moment aussetzte, legte eine Vollbremsung hin und wich nach rechts aus. Dadurch, dass er sehr langsam unterwegs gewesen war, stoppte der Wagen, ohne auszubrechen. Außerdem waren sie glück­licherweise genau an einer Abbiegung zu einem Feldweg, sodass ihr Auto nicht in den Straßengraben rutschte und so auf dem Fahrradweg zum Stehen kam. Aus dem Augenwinkel konnte er die Gestalt sehen und es stellten sich alle Nackenhaare auf. Selbst Rike hatte einen Schrei losgelassen.

»Verdori, jetzt hast du mit deinem Gerede eine Hexe aus dem Nebel beschworen«, sagte er mit angespannter Stimme, löste aber den Gurt und stieg aus. Keine fünf Meter entfernt, stand immer noch diese Gestalt im Nebel auf der Straße. Faber sah recht schnell, dass seine Moorhexe recht lebendig war, als er auf sie zuging. Selbst Rike war jetzt bei ihm.

»Meine Güte«, meinte sie und trat an die Alte heran. »Ist Ihnen was passiert, sind Sie verletzt?«

Faber schluckte, als er die Frau in ihrer ganzen Pracht sah. Bunte Filzröcke übereinander. Eine alte Strickjacke, und über dem grauen, langen, geflochtenen Zopf trug sie ein buntes Kopftuch. Aus der Stoffumhängetasche, die sie geschultert hatte, lugten Kräuter und Halme heraus. Das Einzige, was Faber beruhigte, waren die Turnschuhe, die sie mit Wollsocken trug. Hätte sie jetzt noch eine Hakennase und Holzpantinen getragen, wäre er wahrscheinlich sofort wieder ins Auto gesprungen.

Rike nahm die Frau am Arm und führte sie erst einmal von der Straße zum Auto. »Ist alles in Ordnung? Wollen Sie sich ins Auto setzen?«, redete Rike weiter auf sie ein. Sie nahm eine kleine Wasserflasche aus dem Handschuhfach und hielt sie ihr hin. Doch anstatt des Wassers griff die Alte erst an Rikes kleinen Babybauch und lächelte.

»Es wird ein schönes und sehr glückliches Kind«, sprach die alte Frau das erste Mal. Dann nahm sie das Wasser und setzte sich hinten in den Audi. Auch Rike und Faber stiegen wieder ein. Der Nebel war klamm und dadurch unangenehm kühl. Jetzt in dem geschlosse­nen Raum konnte Faber ein derbes Aroma von Kräutern riechen. Es war nicht unangenehm, ein eigenartiger Geruch kitzelte seine Nase.

»Es tut mir leid, ich hätte Sie fast überfahren«, sagte er und hatte sich wie Rike nach hinten gedreht.

Die Alte trank einen großen Schluck, drehte die Flasche zu und ließ sie ganz selbstverständlich in ihrer Tasche verschwinden. »Nein, mien Jung, hättest du nicht. Ich wusste, dass ihr kommt. Darum habe ich auf euch gewartet. So, jetzt fahr mich nach Haus, ich habe meine Kräuter, die man bei dieser Art von Nebel suchen muss. Dort brennt ein Feuer, ich mache deiner Frau einen guten Tee, der das Kind stark macht, und dabei müssen wir reden«, sagte die Alte.

»Woher wissen Sie, dass Rike meine Frau ist?«, fragte Faber ungläubig.

»Dumme Fragen bleiben ohne Antwort!«, brummte sie nur.

»Ich bin Hauptkommissar Faber, und das ist meine Frau und Kollegin Kommissarin Waatstedt. Wie heißen Sie denn und wo muss ich hin, um Sie nach Hause zu fahren?«

»Ich weiß«, meinte sie und seufzte. »Was ich euch zu erzählen habe, ist nicht für die Ohren eines Bäckers oder Bauern bestimmt. Dafür brauche ich einen Schandarm! Fahr nach Groothusen an der Kreuzung rechts und immer weiter. Ich sage dir dann schon, wo mein kleiner Wald ist!« Damit lehnte sich die Frau zurück und griff erstaunlicherweise nach dem Gurt, um sich anzuschnallen.

»Woher wussten Sie, dass wir hier sind? Haben Sie auf dem Revier angerufen?«, fragte Faber reichlich naiv.

Doch Rike winkte ab und meinte: »Komm, fahr schon, das klären wir bei der Grootmoder to Huus.«

Bevor die Van-Wingene-Straße in die Hamswester Straße über­ging, die nach Hamswehrum führte, lotste die Alte ihn rechts rein. Sie holperten über einen Feldweg, und die Nebelschwaden wurden dicker, weil sie hier zwischen den Bäumen hängen blieben. Die Alte führte ihn wirklich in ein Wäldchen. »Ist das hier nicht das alte Kirchengelände mit dem Besucherhäuschen des Pfarrers?«, fragte Rike, die sich in der Gegend besser auskannte. Als Kind hatte sie alle Dörfer auf ihrem Fahrrad erkundet und abenteuerliche Plätze ent­deckt.

»Pah«, machte die Alte von hinten. »Von wegen Besucher, das ist jetzt mein Häuschen. Du kannst hier anhalten, mien Jung«, wandte sie sich dann an Faber, der den Audi am Rand des Weges parkte. Aber falls wirklich noch ein Fahrzeug hier entlang wollte, würde es nicht durchkommen. Sofort schnallte sich die Frau ab und hüpfte behände aus dem Auto. Sie klopfte an Rikes Seitenfenster und winkte ihnen, ihr zu folgen.

»Rike, du trinkst bei der Kräuterhexe keinen Tee«, befahl Faber wie ein General.

»Mach dir bitte nicht ins Hemd, mein Liebster. Ich habe von der Alten schon gehört. Knut hat mir erzählt, dass seit mehr als einem Jahr in Groothusen eine Kräuterhexe lebt. Sie muss ganz ordentlich was auf dem Kasten haben, denn viele gehen zu ihr. So, und wir beeilen uns mal lieber, sonst verlieren wir sie im Nebel«, erwiderte Rike und ihr Mann konnte anhand der Stimme nicht beurteilen, ob sie es ernsthaft meinte.

Als sie ausstiegen, umgab sie sofort wieder der feuchtkalte Nebel. Sie gingen zwar in die Richtung, in der die Alte im weißen Dunst verschwunden war, sehen konnte man sie jedoch nicht mehr. Also folgten sie dem Weg durch die Bäume, bis sie einen Lichtschein sahen und auch Holzfeuerrauch in die Nase bekamen. Neben dem Häuschen, welches dann in Sicht kam, standen hohe Pappelbäume. Und als die Krähen in ihren Nestern oben anfingen, sich wegen der Störung zu beschweren, zuckte Faber zusammen. »Mann, das ist ja wie in dem Film Blair Witch Project. Jetzt sieh dir nur mal die Hütte an. Siehst du das Kaninchen, das da hängt? Das hat die bestimmt auf der Landstraße aufgesammelt und macht Ragout daraus«, plapperte Faber nervös. Irgendwie kam er sich vor wie Hänsel in dem Märchen der Gebrüder Grimm.

»Nu holl man dien Beck to blarren!«, forderte Rike ihn auf den Schnabel zu halten....

Erscheint lt. Verlag 11.12.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
ISBN-10 3-96586-895-0 / 3965868950
ISBN-13 978-3-96586-895-3 / 9783965868953
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