Die Lebenspflückerin und der Meerkristall (eBook)

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2023 | 1. Auflage
352 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-3271-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Lebenspflückerin und der Meerkristall - Regine Kölpin
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Ostfriesland 1548 - Die Hebamme Hiske Aalken hat alle Hände voll zu tun, denn in der Herrlichkeit Gödens grassiert das Marschenfieber. Als ihr in dieser schweren Zeit der Arzt Jan Valkensteyn zur Hilfe eilt, taucht auch ein holländischer Kaufmann namens Friso van Heek auf, der Hiske wenig sympathisch ist. Gleichwohl ist er ein faszinierender Mann, den offensichtlich ein großes Geheimnis umgibt. Ein Geheimnis, das mit einem wertvollen Medaillon - dem Meerkristall - und mit einer entstellenden Narbe zu tun hat, die der Kaufmann am Arm trägt. Eines Tages wird Friso van Heek tot im Neuen Siel gefunden, und der Meerkristall ist spurlos verschwunden. Hiske glaubt, dass der Mord etwas mit dem Medaillon und mit Frisos geheimnisvoller Vergangenheit zu tun hat, aber sie findet mit ihren Vermutungen nur bei Jan ein offenes Ohr. Nach und nach wird ihr klar, dass der Kaufmann in der Herrlichkeit viele Feinde hatte ...

Zweiter Teil der großen Lebenspflückerinnen- Reihe.



Regine Kölpin ist 1964 in Oberhausen geboren und wuchs die ersten Jahre ihrer Kindheit auf einem alten Rittergut 'Hof Hirschberg' bei Großalmerode auf. Seit ihrem 5. Lebensjahr lebt sie an der Nordseeküste in Friesland. Die mehrfache Spiegel-Bestsellerautorin schreibt Romane und Geschichten unterschiedlicher Genres. Ihre Arbeiten sind mehrfach ausgezeichnet worden. Sie ist auch als Herausgeberin tätig und an verschiedenen Musik- und Bühnenproduktionen beteiligt. Außerdem hat sie über 200 Kurztexte publiziert. Regine Kölpin ist mit dem Musiker Frank Kölpin verheiratet. Sie haben fünf erwachsene Kinder, mehrere Enkel und leben in einem kleinen Dorf in Küstennähe. In ihrer Freizeit verreisen sie gern mit ihrem Wohnmobil, um sich für neue Projekte inspirieren zu lassen.

2. Kapitel


Hiske war, obwohl sie nur wenige Stunden Schlaf gefunden hatte, früh aufgestanden, denn sie musste in die Neustadt, weil ein Weib niederkam. Die Fäuste ihrer Magd hatten laut gegen die Tür geschlagen und kein weiteres Ausruhen geduldet. Die Hebamme war müde, wusch sich mit noch fast geschlossenen Augen Hände und Gesicht.

Für den Wortsammler, ihren Ziehsohn, stellte sie eine Schale Haferbrei hin, die er wie immer mit drei großen Schlucken leeren würde. Er war noch größer und kräftiger geworden, seit er bei Hiske regelmäßig etwas zu essen bekam. Sie hatte nicht viel, aber es reichte, um nicht krank zu werden, und es reichte, um mit gefülltem Magen dem Tagwerk nachzugehen. Wenn die Weiber mit ihren Diensten zufrieden waren, gab es nicht nur die von Krechting festgesetzten Münzen, sondern meist noch etwas Mehl, Graupen oder Hafer, womit Hiske etwas Essbares herstellen konnte. In der letzten Woche hatte sie sogar ein gerupftes Huhn geschenkt bekommen, das sie, zusammen mit dem Wortsammler und Garbrand, als Festmahl zu sich genommen hatte.

Mit dem Sprechen haperte es nach wie vor bei dem Jungen. Er war weder in der Lage, ganze Sätze zu bilden, noch alle Dinge beim Namen zu nennen. Er schöpfte weiterhin Wortfantasien, die oft über Hiskes Vorstellungswelt hinausgingen. Hinzu kam, dass er keine klare Aussprache hatte und die Silben oft nuschelte. Einzig Garbrand verstand meist, was der Wortsammler sagen wollte, und so war er eine Art Vaterersatz, zumindest aber ein enger Vertrauter, für ihn geworden.

Anfänglich hatte Hiske versucht, ihm seinen wirklichen Namen, den seine Mutter ihr genannt hatte, zurückzugeben, doch er reagierte nicht, wenn man ihn mit Balthasar ansprach. Also nannte ihn jedermann nur den Wortsammler, und der andere Name war in Vergessenheit geraten. Vergessen, so wie das Jahr seiner Geburt. Er musste jetzt ungefähr zwölf Lenze zählen, obwohl er beileibe älter wirkte und das alle eine lange Zeit getäuscht hatte.

Hiske schlug sich das Tuch um die Schultern und machte sich auf den Weg. Der Boden war noch feucht vom Tau, und über den Wiesen waberten die Morgennebelschleier. Ein Blick zum Hammrich, ein Sumpfgebiet, das sich hinter der Burg erstreckte, zeigte ihr auch da eine weiße Wand, die sich nach und nach verflüchtigte, als schöbe sie jemand Stück für Stück beiseite. Hiske sah ein altes Bauernweib über die Wiesen darauf zusteuern. Sie würde von den dort niedrig wachsenden Weiden Zweige für die Korbherstellung schneiden.

Hiske lief mit schnellem Schritt, es war zu Fuß ein Stück des Weges. Sie hatte schon überlegt, die alte Hofstelle aufzugeben und Krechting zu bitten, ihr in der Neustadt ein kleines Haus zur Verfügung zu stellen. Die Wege waren im Winter nur schwer begehbar, und so würde es ihr nicht möglich sein, immer rechtzeitig bei den Weibern in der Neustadt anzukommen. Doch in dem Fall würde es andersherum für sie schwer werden, die Niederkommenden in Dykhusen zu erreichen. Vielleicht war es aber möglich, ein Gefährt zu bekommen, um die Entfernung leichter überwinden zu können.

Als sie die Straße zum alten Hafen betrat, sah sie aus dem Augenwinkel, dass am neuen Siel tatsächlich ein großer Kahn angelegt hatte. Sie empfand es stets als willkommene Abwechslung, wenn ein Schiff kam. Vermutlich auch, weil sie immer wieder die Hoffnung hegte, dass eines Tages Jan darauf einfahren würde. Die Schiffe wurden immer größer, die früher einlaufenden Knorren waren seit Kurzem von anderen Schiffen wie Hulk oder Kraweel abgelöst worden, seitdem das neue Siel befahrbar war, wenngleich sich die Fertigstellung noch hinzog.

Sie wunderte sich allerdings, dass Krechting zu früher Stunde an ihr vorbeistürmte und nur kurz innehielt, um Hiske eine knappe, höfliche Aufwartung zu machen. »Gott grüße Euch, Hebamme«, sagte er. »Mit dem Schiff ist der Mann angereist, der die Neustadt mit mir fertigbauen wird, damit wir zu Wohlstand kommen in der Herrlichkeit. Ich empfehle mich!« Damit lief er weiter.

Hiske war das altbekannte Blitzen in seinen Augen nicht entgangen. Hinrich Krechting hatte eine neue Aufgabe, die ihn ausfüllte, das gab ihm hoffentlich seinen Schwung und seine Lebenskraft zurück.

Sie eilte weiter zu einem Haus, das mit roten Backsteinen gemauert und mit roten Ziegeln gedeckt war. Es war eine kleine ebenerdige Kate. Im vorderen Teil befand sich die Bäckerei, im hinteren schlossen sich Schlafraum, Küche und Kuhstall an.

Der Ehemann stand vor der Backstube, winkte die Hebamme nach hinten durch. Sie musste die Kammer nicht suchen, das Stöhnen des Weibes hallte Hiske entgegen. Sie lag mit großen Augen in ihrer Bettstatt und wirkte erleichtert, als die Hebamme eintrat. Hiske tastete die Lage des Kindes ab, untersuchte die Frau. Die Wehen waren noch nicht kräftig.

»Es dauert noch. Ich komme gleich wieder, lasse aber Kräuter zum Kauen hier, die dir die Schmerzen nehmen.« Hiske sah die Furcht in den Augen der Gebärenden, es war ihre erste Niederkunft.

»Lass mich nicht allein!«, bat sie die Hebamme.

Hiske strich dem Weib über die Stirn, setzte sich auf die Bettkante. »Hör zu, ich laufe nur zum neuen Siel. Es ist ein Schiff gekommen, und ich muss sehen, ob sie frische Kräuter, Öle und Töpfe für mich haben, damit ich euch alle weiter behandeln kann. Wenn ich zu spät komme, hat mir der Bader wieder alles vor der Nase weggeschnappt.«

Obwohl er es nicht braucht und dies nur tut, um mir eins auszuwischen, dachte die Hebamme. Sie sagte es aber nicht laut, weil sie keine Zwietracht säen wollte.

Das Weib nickte. »Es dauert also noch?«

»Ja, versuche, zwischen den Wehen zu ruhen, noch geht es, denn sie werden in immer kürzeren Abständen über dich kommen und an Stärke zunehmen. Nutze die Zeit jetzt, damit du bei Kräften bleibst.« Mit diesen Worten stand sie auf und ging hinaus.

Vor der Tür wartete der Mann. »Ist es bald auf der Welt?« Hiske schüttelte den Kopf. »Nein, aber bleibt ruhig. Alles ist gut. Ich bin gleich zurück.«

Als Hiske wieder auf die Straße trat, schlug ihr schon jetzt die aufkommende Wärme entgegen. Es würde wieder ein stickiger, sehr warmer Tag werden. Der Juni hatte es in diesem Sommer in sich. Es war heiß, und es gab viel zu viele Mücken, die in riesigen Schwärmen über dem Wasser verharrten und dann vor allem am Abend über die schlafenden Bewohner herfielen. Hiske konnte ihre Stiche an Armen, Beinen und im Gesicht kaum noch zählen. Der Weg zum neuen Siel war lediglich ein Trampelpfad, holprig und nur schwer zu begehen, vermutlich würde das die nächste Straße sein, die sie bauen würden. Einfacher wäre es, am Deich zu laufen, dort entlang wurden auch alle Waren transportiert. Doch es war ein Umweg.

Als Hiske den neuen Hafen erreichte, herrschte schon reges Treiben. Die Waren wurden abgeladen, das Deck geschrubbt. Viele Menschen hatten sich versammelt, ein großer Teil war ungewaschen und sofort als Reisende kenntlich. Der Bader Dudernixen rannte hin und her und versuchte, den Ankommenden sein neues Badehaus schmackhaft zu machen. Es stieß Hiske ab, wie er sich den Menschen anbiederte. Dennoch ließen sich ein paar von ihm in Schlepp nehmen.

Magda Dudernixen schlich hinter ihrem Mann her, sie war seit dem Tod ihres Kindes nur noch ein Schatten ihrer selbst. Sie konnte es nicht verwinden, dass ihr das Marschenfieber binnen kürzester Zeit das Kind genommen hatte. Für die Frau hegte die Hebamme mittlerweile großes Mitleid. Die Geburt des Kindes war schwer gewesen, fast hätte Hiske es wagen müssen, ihr den Bauch aufzuschneiden. Doch kaum war das Kind ein paar Tage auf der Welt, hatten die Dämpfe der Moore es infiziert und gleich in Gottes Arme zurückgegeben. Obwohl Hiske sich nicht sicher war, ob der Bader nicht nachgeholfen hatte. Nur – wer sollte ihn anklagen, wenn die eigene Frau vor ihm kuschte wie ein geprügelter Hund?

Das Marschenfieber war auch am Hafen in aller Munde. Immer wieder schnappte Hiske das Wort auf, die Menschen waren in...

Erscheint lt. Verlag 1.12.2023
Reihe/Serie Die Lebenspflückerin
Die Lebenspflückerin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Frauenschicksal • historisch • Historischer Roman • Iny Lorenz • Ken Follett • König • Liebe • Ostfriesland • Ralf Dorweiler • Sabine Weiß
ISBN-10 3-8412-3271-X / 384123271X
ISBN-13 978-3-8412-3271-7 / 9783841232717
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