Langeooger Legende. Ostfrieslandkrimi -  Marc Freund

Langeooger Legende. Ostfrieslandkrimi (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
180 Seiten
Klarant (Verlag)
978-3-96586-869-4 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
3,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen

In der alten Villa in den Langeooger Dünen stimmt etwas nicht! Nur was ist da los? Die Kommissarin Rieke Voss bekommt Besuch von einer alten Freundin, die sie seit langer Zeit nicht mehr gesehen hat. Edda Gruber ist auf die Insel gekommen, um der bekannten Schauspielerin Carmen von Weitensteyn bei der Erstellung ihrer Autobiografie zu helfen. Doch hat sie von Anfang an das Gefühl, dass in der Villa dieser „Langeooger Legende“ ein Geheimnis verborgen ist. Durch Zufall entdeckt Edda im Keller einige augenscheinlich wertvolle Bilder. Besteht hier etwa ein Zusammenhang mit dem rätselhaften Verschwinden des Ehemanns der Schauspielerin? Rieke Voss beginnt nachzuforschen und stößt dabei auf kriminelle Aktivitäten in der Vergangenheit des Paares. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Gerret Kolbe will sie der Schauspielerin einige Fragen stellen, doch für die Inselkommissare ist Eile geboten. Denn in der Villa ist unerwartet Besuch angekommen, angeblich Verwandte der Hausherrin, und die Lage spitzt sich immer weiter zu. Als kurz nach dem Eintreffen der beiden Kommissare eine der anwesenden Personen stirbt, scheint die brisante Situation auf Langeoog endgültig außer Kontrolle zu geraten …

Kapitel 4


 

»Ja, bitte?«

Die Worte wirkten lustlos dahin genuschelt. Und auch das Aussehen der jungen Frau in der Tür passte dazu. Die Dunkelhaarige mochte vielleicht Mitte zwanzig sein, sah allerdings mindestens zehn Jahre jünger aus, was in ihrem Fall aber nicht unbedingt von Vorteil war.

Ihr Gesicht war leicht aufgedunsen, die blasse Haut hier und da von geröteten Pickeln durchbrochen, die wie kleine aktive Vulkane in einer mondartigen Landschaft aussahen. Ihre Stirn wurde halb von herunterhängenden Haarsträhnen verdeckt.

Sie war unauffällig gekleidet. Jeans, Turnschuhe, dazu ein Kapuzenpullover, der mindestens eine Nummer zu groß für sie war. Die Vorderseite war mit zusammenhanglosen Bezeichnungen beschriftet.

»Ich bin auf Einladung von Frau von Weitensteyn hier. Mein Name ist Edda Gruber.«

Die junge Frau in der Tür machte keine Anstalten, irgendetwas zu tun, nicht einmal zu signalisieren, ob sie die Worte verstanden hatte. Eine fast schon peinliche Pause entstand.

»Sie hat mir nichts davon gesagt, dass jemand herkommt«, sagte sie nach einer ganzen Weile. Ihr Blick blieb dabei auf dem großen braunen Koffer haften, den sie anstarrte, als sei es ein Ding aus einer anderen Welt.

»Dafür kann ich nichts«, entfuhr es Edda. Etwas sanfter schob sie hinterher: »Ich bin als Schreibkraft angestellt worden und soll hier für die nächsten Wochen …«

»Ich werde ihr Bescheid sagen«, fuhr die andere dazwischen. Und im Weggehen, über die rechte Schulter nuschelnd: »Sie können meinetwegen reinkommen. Aber machen Sie die Tür hinter sich zu!«

Edda fasste ihren Koffer an dem leise knarrenden Ledergriff und hievte das Gepäckstück über die Türschwelle der altmodischen Strandvilla. Das Haus war in der Nähe der Dünen errichtet worden und wirkte so alt, als habe es bereits vor Entstehung der Ostfriesischen Inseln seinen Platz an dieser Stelle gehabt.

Edda erschrak ein wenig über das Geräusch, das die Tür verursachte, als diese hinter ihr krachend ins Schloss fiel. Es hallte noch eine Weile in den Weiten des geräumigen Hauses nach.

Die Diele war mit dunklem Holz getäfelt. Irgendjemand hatte versucht, dem Ganzen einen maritimen Anstrich zu verleihen. An den Wänden fanden sich kunstvoll drapierte Fischernetze, geknotete Tampen und dazwischen Ölgemälde, die allesamt die Wildheit der aufgewühlten See als verbindendes Element hatten. Auf einer Anrichte aus Teakholz befanden sich zwei ausgestopfte, handgroße Säbelzahnfische, die ihre weit aufgerissenen Mäuler einander zugewandt hatten.

Edda Gruber war in der Mitte der Diele stehen geblieben und spürte in sich ein leicht beklemmendes Gefühl.

Sie hörte träge, tappende Laute, die sich über den gefliesten Boden näherten. Ein grauer Labradorrüde tauchte auf, warf ihr einen abschätzenden Blick zu und kam schwanzwedelnd angetrottet.

»Hallo, wer bist du denn?«, platzte es aus Edda heraus.

Das Tier kam näher, schnüffelte kurz an Eddas Hosenbein und setzte sich mit einem leisen Seufzen direkt neben sie auf den Boden. Der Labrador ließ es zu, dass Edda seinen Kopf kraulte, und machte auch ansonsten einen zufriedenen Eindruck.

Irgendwo im Haus wurde eine Tür geöffnet. Spärliches Tageslicht flutete in einen langen Korridor, der in der Halle mündete.

Edda wandte ihren Kopf in die Richtung und erblickte einen schattenhaften Umriss, der sich langsam durch den Flur näherte. Ein dumpfes Geräusch begleitete die Schritte. Ein seltsamer Laut, den Edda zunächst nicht deuten konnte.

Nach und nach wurden die Umrisse schärfer. Sie wurden zu einer alten Frau, die in ihrer rechten Hand einen Spazierstock mit sich führte. Am Fuß der Gehhilfe befand sich eine klobige Gummikappe, die bei jedem zweiten Schritt auf den gefliesten Boden schlug.

»Sie müssen Fräulein Gruber sein. Ich heiße Sie in meinem Haus herzlich willkommen. Wie ich sehe, haben Sie schon Bekanntschaft mit Bishop gemacht.«

Carmen von Weitensteyn war eine Dame. Eine echte Dame vom alten Schlag. Eine, die Ausstrahlung besaß, was sicher auch ihrer hochgewachsenen Gestalt geschuldet war. Und einem Gesicht, in dem jedes einzelne ihrer neunundsiebzig Lebensjahre seine Spuren hinterlassen hatte, in den markanten Kerben ihrer leicht herben Mundpartie und in den krausen Falten, die sich in Schlangenlinien über ihre breite Stirn zogen. Ihr Haar war silbern, straff zurückgekämmt und thronte wie eine makellose Haube auf ihrem Kopf. Hier und da wurde es durch Klammern gehalten und in die gewünschte Form gebracht.

Carmen von Weitensteyn trat ein paar Schritte näher und blieb unmittelbar vor Edda stehen. Die alte Dame blinzelte die jüngere aus leicht zusammengekniffenen Augen an.

»Sie sehen adrett aus, nicht wahr? Sie müssen entschuldigen, aber mein Augenlicht ist nicht mehr allzu gut, was ich Ihnen ja bereits am Telefon andeutete. Vieles erkenne ich nur noch schemenhaft. Was einerseits ein Jammer ist, wenn man auf dieser Insel lebt. Auf der anderen Seite habe ich eine gute Ausrede, wenn es um das Elend in dieser Welt geht, dass ich nicht mehr sehen muss. Kommen Sie, wir wollen eine Tasse Tee miteinander trinken und dabei alles Weitere besprechen. Sie wollen doch in meinem Hause bleiben?«

»Ich würde Ihr Angebot gerne annehmen«, gab Edda etwas kleinlaut zurück.

»Sehr gut. Das wird vieles einfacher machen. Agnes? … Agnes!«

Irgendwo im Haus klappte eine Tür. Leise, leicht schlurfende Schritte näherten sich. Die junge Hausangestellte tauchte in der Halle auf.

»Ja?«

»Machen Sie uns bitte Tee, Agnes. Und bringen Sie ihn dann ins Wohnzimmer. Und noch eins: Wenn ich Sie rufe, dann antworten Sie mit Ja, gnädige Frau oder etwas ähnlich Passendem. Wenn ich mich nicht irre, trage ich Ihnen das jetzt schon zum dritten Mal auf.«

»Ist gut … gnädige Frau«, antwortete die Angestellte und machte auf dem Absatz kehrt, um in der Küche des Hauses zu verschwinden. Edda schloss mit sich selbst eine Wette ab, dass Agnes Leopold dabei das Gesicht zu einer Grimasse verzogen hatte.

»Das junge Ding muss noch viel lernen«, erklärte die Hausherrin. Sie legte Edda eine Hand auf den Unterarm und senkte ihre Gesprächslautstärke. »Unter uns: Ich bin normalerweise nicht so streng, aber ich finde, ein klein wenig Respekt habe ich mir schon von dieser Jugend verdient.« Die alte Dame blickte ihr Gegenüber an. Es wurde deutlich, dass sie eine Antwort erwartete.

»Freundlichkeit und Respekt dem anderen gegenüber hat sicher noch niemandem geschadet«, gab Edda leicht unsicher zurück.

»Das meine ich eben auch. Immerhin bezahle ich das Mädchen dafür, dass es freundlich zu mir ist. Sie hält sich tagsüber hier auf und hilft mir bei der Hausarbeit. Sonderlich geschickt stellt sie sich dabei nicht gerade an, aber auch das wird sie schon noch lernen. Agnes ist erst seit drei Monaten bei mir. Sie hat eine Frau abgelöst, von der ich mich trennen musste, weil …« Die alte Dame hielt inne. Ihr faltiger Mund verzog sich zu einem listigen Lächeln.

»Verzeihen Sie. Ich rede und rede, und Sie haben vermutlich einen ganzen Haufen Fragen, die Sie mir stellen wollen. Kommen Sie, lassen Sie uns ins Wohnzimmer hinüberwechseln.«

Edda nickte höflich und folgte Carmen von Weitensteyn zu einer alten weißen Holztür, deren schwere eiserne Klinke die alte Frau in diesem Moment herunterdrückte.

Ein leises Knacken ertönte dabei. Das Türblatt stand offenbar unter Spannung.

Auch der graue Labrador Bishop hatte sich von seinem Platz erhoben und trottete den beiden Frauen hinterher. Dabei ließ er keinen Zweifel darüber, dass er für diesen Vorgang scheinbar alle Zeit der Welt hatte.

»Achten Sie auf die Schwelle«, sagte Carmen und deutete mit ihrem Gehstock nach unten. »Darüber stolpern die meisten, wenn sie das erste Mal hier sind.«

Edda Gruber trat in ein großes Wohnzimmer, hinter dessen breiter Glasfront sich ein Wintergarten anschloss.

Der Raum selbst verfügte über einen gemauerten Kamin, in dem helles Holz aufgeschichtet war. Auf dem Sims befanden sich gleich mehrere Preise und Auszeichnungen, unter ihnen auch ein goldener BAMBI, den Filmpreis, den Edda mit einigem Erstaunen bewunderte. Sie hatte so etwas noch nie in echt gesehen.

»Sie betrachten meine Preise?« Carmen lachte leise. Es klang melancholisch, vielleicht schwang sogar eine Spur Verbitterung darin mit.

»Ich habe dieses Tier vor einigen Jahren bereits für mein Lebenswerk erhalten. Für die beste Haupt- oder Nebenrolle hat es den Herrschaften wohl nie gereicht. Stattdessen also ein Preis für das Lebenswerk. Wie für alle, denen man damit sagen will: Eigentlich gehörten Sie schon immer in die zweite Reihe, aber Sie waren bis zuletzt noch so fleißig und hartnäckig, dass wir gar nicht anders können, als Ihnen diesen Preis zu überreichen. Aber danach wäre es uns allen ganz recht, wenn Sie sich aufs Altenteil begäben, um anderen Schauspielerinnen eine faire Chance...

Erscheint lt. Verlag 28.11.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
ISBN-10 3-96586-869-1 / 3965868691
ISBN-13 978-3-96586-869-4 / 9783965868694
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 601 KB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Roman

von Anne Freytag

eBook Download (2023)
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
14,99
Band 1: Lebe den Moment

von Elenay Christine van Lind

eBook Download (2023)
Buchschmiede von Dataform Media GmbH (Verlag)
9,49