Dorian Hunter 137 (eBook)

Der Jungfrauenturm

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Aufl. 2023
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-5698-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Dorian Hunter 137 - Neal Davenport
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Eine gespenstische Stille lag über dem Wald. Nur gelegentlich knackten schneebedeckte Äste. Eine traumhaft schöne Winterlandschaft. Verschneite Bäume, tiefer Schnee und ein hoch stehender Mond, der ein unwirkliches Licht verbreitete.
Nur das glühende Augenpaar, das in der Luft zu schweben schien, passte nicht zur friedlichen Stimmung.
Es hatte den ganzen Nachmittag und die halbe Nacht geschneit. Der Schnee lag stellenweise höher als einen Meter.
Das glühende Augenpaar bewegte sich, und jetzt erschien eine unheimliche Gestalt. Es war eine uralte hagere Frau mit langem, stumpfem und eisengrauem Haar. Das hässliche Gesicht mit der Geiernase war eingefallen, die Haut runzelig wie ein vertrockneter Apfel. Die Haut schien Blasen zu werfen.
Das abstoßend hässliche Geschöpf war federleicht, denn seine Füße versanken nicht einmal im lockeren Pulverschnee.
Die Gestalt bewegte sich rasch vorwärts. Sie lief zwischen den Bäumen hindurch, blieb gelegentlich stehen und lauschte.

1. Kapitel


Nach wenigen Minuten erblickte sie ein tief verschneites Haus auf einer kleinen Lichtung. Neben dem Haus standen zwei eingeschneite Autos.

Das Haus, eine villenartige »Jagdhütte«, war einstöckig und ziemlich groß. In einigen Fenstern im Erdgeschoss brannte Licht.

Einen Moment zögerte das Geschöpf. Dann schlich es langsam näher, huschte über den Schnee und blieb unweit eines der erhellten Fenster stehen.

Die Vorhänge waren zurückgezogen. So konnte es in den Raum blicken.

In einem offenen Kamin brannte ein hochloderndes Feuer, auf den Tischen standen Kerzen. Der Raum war in ein angenehmes Licht getaucht. Ein halbes Dutzend junger Mädchen und Burschen saßen um den Kamin, tranken, rauchten und plauderten angeregt.

Das unheimliche Geschöpf schlich noch näher heran. Es presste sich in den Schatten einer hohen Tanne, und die glühenden Augen musterten den Raum verlangend.

Vier attraktive Mädchen und drei junge Männer saßen vor dem Kamin. Zwei der Mädchen fielen durch ihre Schönheit besonders auf. Das Verlangen und die Gier des unheimlichen Geschöpfes wurden immer größer.

Ein Mädchen stand langsam auf, streckte sich und sagte etwas zu den anderen.

Das unheimliche Geschöpf trat einen Schritt zurück, als das rothaarige Mädchen zum Fenster blickte. Es sagte wieder etwas, zuckte die Schultern und ging aus dem Zimmer.

Vor Erregung konnte die dämonische Alte kaum noch ruhig stehen bleiben.

Die Haustür wurde geöffnet, und ein breiter Lichtstreifen fiel über den Schnee. Dann trat das rothaarige Mädchen heraus, blieb stehen und atmete tief durch.

Das Mädchen war groß und schlank. Es war mit einem giftgrünen Pullover, schwarzen Hosen und Seehundschuhen bekleidet. Es hob die Arme und warf das lange Haar über die Schultern.

Das unheimliche Geschöpf duckte sich. Die großen Augen glühten stärker.

Träge setzte sich die Rothaarige in Bewegung. Sie breitete die Arme weit aus, lachte vergnügt und stapfte durch den hüfthohen Schnee. Sie beugte sich vor, berührte mit beiden Händen den Schnee und fuhr bis zu den Handgelenken hinein.

Das uralte Monster rannte los. Es lief rasch und geschmeidig auf das junge Mädchen zu, das ihm den Rücken zuwandte.

Zwei Schritte vor der Rothaarigen blieb es stehen und hob die krallenbewehrten Klauen. Sein Körper bebte vor Verlangen.

Das junge Mädchen lachte wieder, bückte sich und formte mit beiden Händen einen Schneeball. Es drehte sich langsam um, hob den rechten Arm und wollte den Schneeball auf das Haus werfen. Da erblickte es das unheimliche Geschöpf, das neben ihm auf dem Schnee kauerte und es aus glühenden Augen anblickte.

Die Augen der Rothaarigen wurden groß. Ihr Mund öffnete sich, und der Schneeball entfiel ihrer Hand.

In diesem Augenblick sprang die Alte sie an. Die Krallen bohrten sich in die Schultern des Mädchens. Die Wucht des Anpralls war so groß, dass die Rothaarige umfiel. Ihr Körper versank im tiefen Schnee.

Die Alte warf sich gierig knurrend über das junge Mädchen, das vor Schmerz und Schock wie gelähmt war.

Schmatzende Geräusche waren zu hören. Dann wurde es still.

Eine Wolkenbank schob sich vor den Mond. Irgendwo kreischte ein Vogel.

Minuten später richtete sich das unheimliche Geschöpf auf und lief auf den Wald zu.

In der großen holzgetäfelten Stube war es wohlig warm.

Sabrina Becker lag vor dem Kamin auf einem Bärenfell und starrte die brennenden Holzscheite an. Ein offenes Feuer und Kerzen – das war die richtige Beleuchtung, die ihr langes dunkles Haar zur Geltung brachte. Es floss in weichen Wellen über ihren Rücken und verhüllte ihr ausdrucksvolles Gesicht wie mit einem Schleier.

Aus den verborgenen Lautsprechern klang leise Musik. Leonard Cohen. Seine schwermütigen Lieder drückten genau Sabrinas Stimmung aus.

Sabrina schloss die Augen, um den Zauber des Augenblicks festzuhalten.

Hier, in der sogenannten »Jagdhütte« ihres Vaters, hatte sie sich schon als kleines Mädchen wohlgefühlt. Stundenlang war sie durch die endlos scheinenden Wälder gewandert. Nur sie und ihr Hund, der nun auch schon lange tot war.

Dieses Haus hatte in ihrem Leben schon immer eine große Rolle gespielt. Hierher hatte sie sich zurückgezogen, wenn sie allein hatte sein wollen. Hierher hatte sie Freunde eingeladen, wenn sie ganz besonders fröhlich gewesen war.

Und hier war sie während einer schwülen Sommernacht zu einer Frau geworden.

Sie lächelte wehmütig, als sie an Rolf dachte. Wie lange ist das schon her? Und was ist aus ihm geworden?

Ihre Gedanken wanderten im Kreis. Längst vergessene Erinnerungen wurden in ihr wach.

Das leise Stimmengemurmel um sie herum, das Klirren der Eisstücke in den Gläsern und die Musik drangen wie durch einen Filter an ihr Ohr.

»Sabrina ist eingeschlafen«, sagte Werner Rellstab und setzte sich zu Sabrina auf den Boden. Sanft legte er seine rechte Hand auf ihre Schulter, und sie bewegte sich leicht. Sie wälzte sich träge auf den Rücken und blickte Werner an, der sich lächelnd über sie beugte und sie zu küssen versuchte. Doch Sabrina drehte den Kopf zur Seite und setzte sich auf.

Sie machte sich nicht sehr viel aus Werner. Er hielt sich für unwiderstehlich und erwartete, dass jede Frau ihn anhimmelte, sobald er ihr nur einen Blick aus seinen dunkelblauen Augen zuwarf. Aber da war er bei Sabrina an die falsche Adresse gekommen. Sie machte sich schon seit langer Zeit ein Vergnügen daraus, solchen forschen Typen einen Denkzettel zu verpassen. Und für Werner würden die Tage hier in der Hütte im Spessart mit einer bitteren Enttäuschung enden – das stand für Sabrina fest. Sie spielte mit ihm und reizte ihn, und wenn er glaubte, endlich am Ziel zu sein, war sie abweisend wie eine Jungfrau aus dem neunzehnten Jahrhundert.

Sabrina griff nach ihrem Glas, trank einen Schluck und blickte an Werner vorbei zu Lilo und Nick, die eng umschlungen auf einer Couch saßen. Senta hatte ihren trüben Blick bekommen, ein Zeichen, dass sie innerhalb der nächsten Minuten einschlafen würde. Freddie hockte missmutig neben ihr und warf ihr Blicke zu, die immer finsterer wurden.

Sabrina grinste vergnügt, als sie sah, dass Werner die Lippen verärgert zusammenpresste.

»Dagmar braucht aber ziemlich lange, um sich abzukühlen«, sagte Sabrina spöttisch. »Willst du nicht mal nachsehen, wo sie steckt?«

»Sie wird schon kommen«, sagte Werner unwillig. Er hatte die Spitze nur zu deutlich verstanden. Bei Dagmar Zell hatte er sofort Erfolg gehabt. Das hübsche rothaarige Mädchen hatte ihn in den letzten Stunden angehimmelt, doch er hatte ihr kaum Beachtung geschenkt. Für ihn war nur Sabrina interessant.

»Willst du nicht endlich mal eine andere Platte auflegen, Sabrina?«, fragte Freddie missmutig. »Senta schläft jeden Augenblick ein.«

»Da hilft auch keine andere Platte«, stellte Werner fest. »Ihr hilft nur frische Luft. Sie sollte einen Spaziergang machen. Vielleicht läuft ihr Dagmar über den Weg.«

Sabrina stand langsam auf. Ihre gute Laune war verflogen. Sie fürchtete, dass es noch Ärger mit Werner und Senta geben würde. Senta reagierte oft etwas merkwürdig, wenn sie betrunken war.

Senta beugte sich vor, und das blonde Haar fiel ihr wirr ins Gesicht. Sie war eine außerordentlich gut aussehende Frau. Der eng anliegende Pullover betonte die überwältigende Fülle ihrer Brüste.

»Ich werde dir mal was sagen, hübscher Junge«, sagte Senta mit schwerer Zunge. »Nur weil ich mal in einem Anfall von Verrücktheit mit dir ins Bett gegangen bin, brauchst du dich jetzt nicht groß aufzuspielen. Du bist nur hübsch, aber sonst ist mit dir nichts los. Dein ...«

»Beherrsche dich, Senta«, sagte Sabrina.

Senta holte tief Luft. Ein wahrhaft unglaublicher Anblick. Ihr gewaltiger Busen schien den Pulli zu sprengen. Freddie bekam Stielaugen.

»Glotz mich nicht so geil an«, brummte Senta. »Ihr Männer seid doch alle gleich. Ihr denkt nur an das eine. Und wenn ihr es dann erreicht habt, erlischt euer Interesse.«

»Das kommt ganz auf die Frau an«, sagte Werner zynisch. »Hat ein Mädchen eine gute Figur, dann ist meist sonst nichts mit ihr los. Dann hat sie meist einen leeren Kopf.«

»Sieh dir den kleinen Scheißer an«, sagte Senta. »Gerade er spuckt große Töne. Dabei ist er dreimal beim Abitur durchgefallen. Hätte sein Vater nicht die Prüfungskommission bestochen, hätte er es nie geschafft.«

»Und wie war es bei dir?«, fragte Werner aggressiv und blickte sie durchdringend an. »Du hast brav und willig die Beine breit gemacht – und der Lehrkörper hatte seinen Spaß. Du bist doch nichts anderes als ...«

Sentas rechte Hand schoss vor, aber Werner wehrte den Schlag ab.

»Wollt ihr nicht endlich mit diesem Quatsch aufhören!«, sagte Nick Junker scharf. Er stand auf und trat zwischen Werner und Senta. »Es ist doch immer die...

Erscheint lt. Verlag 25.11.2023
Reihe/Serie Dorian Hunter - Horror-Serie
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • sonder-edition • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony-Ballard • Top • Zaubermond
ISBN-10 3-7517-5698-1 / 3751756981
ISBN-13 978-3-7517-5698-3 / 9783751756983
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