Missy und das halbseidene Kleid (eBook)
359 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-3008-9 (ISBN)
In jedem gebrauchten Kleidungsstück verbirgt sich eine Geschichte. In manchen auch ein Mord.
Missy, Besitzerin eines Vintage-Lädchens an der Englischen Riviera, entdeckt in einer Lieferung ein ungewaschenes Seidenkleid sowie eine Zigarettenspitze mit einer Nadel. Wurde damit ihre Theaterkollegin Amanda Peer bei einer Dreißiger-Jahre-Party ermordet? Als Missys heimlicher Schwarm Harry Sailor zum Hauptverdächtigen wird, setzt sie alles daran, den Fall zu lösen - zum Unmut von Inspector Corning, dem sie ein Dorn im Auge ist. Bei ihrer Spurensuche schlüpft Missy mithilfe von Mode und Accessoires aus dem vergangenen Jahrhundert in immer neue Rollen. Dabei kommt sie jedoch nicht nur dem Geheimnis des Seidenkleides näher, sondern auch dem ihrer eigenen Familie ...
Cosy Crime aus der Heimat von Agatha Christie. Mit britischem Humor und Vintage-Touch.
Holly Birtwell ist das Pseudonym von Antje Wenzel, die 1984 in Berlin geboren wurde. Nach einem Bibliotheksstudium in Potsdam arbeitete sie als Texterin und schrieb Geschichten für Kinder. Längere Zeit lebte sie in Hawaii, wo sie surfen lernte und an einer alten Schreibmaschine tippte. Seit den Britpop-Zeiten hat sie ein Faible für England und mag den britischen Humor in Büchern und Serien. Ihr Kinderbuch 'RockeTim - Mein Hund legt los und ich zieh' Leine' (Oetinger, 2017) spielt in Cornwall. Im Rahmen einer Autorenausbildung im Schreibhain Berlin entstand der Stoff für ihre Cozy Crime-Reihe, die an der Englischen Riviera, der Heimat von Agatha Christie, spielt. Seitdem verlässt sie während des Schreibens für kurze Ausflüge ihr Leben als Bibliothekarin und Mutter in Berlin, um sich in die Gegend zu träumen
Kapitel 1
Missy wippte mit ihrem Bein zu »These Boots are made for Walking« und schob sich ein Stück Hummer in den Mund. So ließ es sich leben! Leider war dieses Dolce Vita an der Südküste Englands auch ziemlich teuer. Wenn sie nicht bald ein Kleid oder wenigstens einen Hut verkaufte, musste sie sich die nächsten Tage von Bohnen und Toast ernähren.
Ein leises Glockenläuten drang von der Eingangstür bis zu ihrem Büro – die Gelegenheit war gekommen! Missy leckte sich die Finger ab und wusch sie an dem schmalen Waschbecken. Vor dem Spiegel richtete sie ihr Tuch, das sie zu einem Turban gewickelt hatte, und tänzelte in den Verkaufsraum ihres Vintage-Ladens. Wie bei einer Zeitreise streifte sie durch die Jahrzehnte, vorbei an Samtshirts und Schlaghosen aus den 70ern, Miniröcken aus den 60ern und Lederjacken und Tellerröcken aus den 50ern.
»Clara, schön, dich zu sehen!«, sagte sie zu der kleinen blonden Frau, die sich ein hellblaues Kostüm vor den Körper hielt.
»Hallo Missy, ich brauche diesmal etwas Klassisches für ein Vorstellungsgespräch. Das Kostüm hier wäre perfekt!« Sie kam einen Schritt näher und flüsterte: »Und, hast du ihm sein Geheimnis entlockt?«
Missy konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. »Natürlich. Dieses Rätsel habe ich gestern erst gelöst.« Sie machte eine Kunstpause, um die Spannung zu steigern. Es funktionierte. Claras Augen weiteten sich, als würde Miss Marple persönlich vor ihr stehen und den Mörder entlarven.
»Das Kostüm wurde bei der Eröffnung eines Gepardengeheges getragen«, sagte Missy. Sie liebte es, ihre Kundinnen mit den Geschichten, die sich hinter den Kleidungsstücken verbargen, zu verblüffen. Mittlerweile waren sie zu ihrem wichtigsten Verkaufsargument geworden. Je skurriler und mysteriöser, desto besser.
»Was? Du nimmst mich auf den Arm.« Clara blickte sie mit einer Mischung aus Entsetzen und Neugier an.
»Riech selbst. Zuerst wirst du von Lavendel eingehüllt, wahrscheinlich von einem Weichspüler. Wenn du aber weiter an dem Stoff schnupperst, nimmst du den Geruch einer Raubkatze wahr.«
Clara hob den Rock zu ihrer Nase. »Das muss doch kein Gepard sein. Es könnte auch eine Katze sein, die auf dem Schoß ihres Frauchens saß.«
Missy schüttelte den Kopf. »Meine Nase täuscht sich nie. Ich war extra im Zoo von Paignton und habe das Gepardengehege besucht. Mein Verdacht hat sich bestätigt. Der Geruch ist zu herb und erdig für eine Hauskatze.«
»Wie aufregend! Und woher weißt du, dass das Kleid bei der Eröffnung des Geheges getragen wurde? Hast du die Zoowärter befragt?«
Missy griff in die Tasche des Blazers und zog, ähnlich spektakulär wie ein Magier, der einen weißen Hasen aus einem Hut zaubert, einen weißen Papierklumpen hervor. Sie entfaltete ihn, und zum Vorschein kam eine verwaschene Eintrittskarte. »Das Beweisstück. Siehst du die Schrift?«
»CSP«, las Clara vor. »Den Rest kann ich nicht lesen. Was soll mir die Eintrittskarte sagen, außer dass die Vorbesitzerin beim Waschen vergessen hat, die Taschen zu leeren?«
»CSP ist die Abkürzung für Cheetah Safety Program, eine Gepardenfarm in Südafrika. Dort leben Geparden auf einer großen Fläche und werden geschützt. Damit sie etwas Abwechslung haben, werden sie ab und zu von Touristen besucht und gestreichelt.«
»Dann hat die Vorbesitzerin sich wohl sehr schick gemacht für den Geparden und ihn auch gleich gekuschelt.« Claras Gesicht hellte sich auf, und sie zwinkerte Missy zu.
»Fall gelöst, Watson.« Missy grinste.
Clara schnupperte noch einmal an dem Blazer. »Ich nehme das Kostüm!«
Missy lächelte. Ihre Kundschaft ließ sich gern von ihren Geschichten verzaubern und erzählte sie weiter. Das war das Wichtigste, denn war es nicht das Wesen von Geschichten, dass sie verbreitet wurden?
Missy dachte oft daran, wie sie vor einem Jahr, kurz nach ihrem 35. Geburtstag, in Deutschland alles stehen und liegen gelassen hatte und kurzerhand in das Städtchen Torquay gezogen war. Zum Glück hatte sie durch ihre Mutter neben dem deutschen auch einen britischen Pass, sonst hätte sie heiraten oder nachweisen müssen, dass sie gerade den Abschluss an einer Topuniversität geschafft hatte oder ein innovatives Business eröffnen wollte, und sie war sich nicht sicher, ob das Vintage Mission dazu zählte. Sie hätte nie gedacht, dass sie den britischen Pass außer für ein paar Reisen einmal gebrauchen würde, da sie nur selten in England gewesen war und sie dort keine Verwandten hatte. Da hatte sie auch die Stadt Torquay noch nicht gekannt, von der sie vom ersten Besuch an verzaubert gewesen war.
Missy hatte das Gefühl, ihr Fleckchen Erde gefunden zu haben, in dem sie Wurzeln schlagen und ihre eigene Geschichte voranbringen wollte. Sie liebte diesen Ort an der sogenannten Englischen Riviera, die mit seinem für England ungewöhnlich milden Klima, den Sandstränden zwischen Steilküsten und Höhlen und den vielen Hügeln tatsächlich an die Côte d’Azur erinnert. Und Palmen, überall Palmen! Die Stadt hatte ihre ganz eigene, glanzvolle Geschichte, von der die viktorianischen Villen erzählten, und war auch die Heimat von Agatha Christie.
Leider war der Glanz in den letzten Jahrzehnten angeraut, aber vielleicht konnte Missy dem Ort mit ihrem Laden ein Fünkchen Glamour zurückgeben. Außerdem gab es da noch eine andere Geschichte, der sie hier nachspüren wollte.
In der ruhigen Dolphin Road, nur ein paar Minuten Fußweg von der Strandpromenade und dem Hafen entfernt, hatte sie ein »FOR RENT«-Schild in einem Schaufenster entdeckt. Sie war sofort verzaubert gewesen von dem maroden Charme der alten Villa, die sich perfekt für ihren Traum eines Vintage-Ladens eignete. Ohne zu überlegen, vermietete Missy ihre Wohnung in Deutschland und richtete den Laden mit Fundstücken von Flohmärkten und Antiquariaten ein, wobei sie jedes Jahrzehnt anders dekorierte. Dazu stellte sie auch ältere Ausgaben von Agatha Christies Büchern. Sie erinnerten sie daran, dass jedes Kleidungsstück wie ein Fall war, den sie lösen wollte, oder besser: eine Mission!
Seit der Eröffnung hatte sich das Vintage Mission in ganz Südengland herumgesprochen. Erst kamen die Kundinnen die wenigen Kilometer aus Paignton am Strand entlanggefahren, später auch aus den umliegenden Ortschaften, die oft mit »mouth« endeten: Dartmouth, Teignmouth, Sidmouth. Der Ruf des Ladens verbreitete sich unter Vintage-Liebhabern, die fasziniert waren von den Einzelstücken aus dem letzten Jahrhundert und von Missys Geschichten. Manche reisten sogar nur deswegen aus Brighton oder London an.
Nachdem Clara gegangen war, verkaufte Missy noch mehrere Geschichten: ein A-linienförmiges weißes Minikleid, das an das Hochzeitskleid von Yoko Ono erinnerte, sowie eine Lederjacke, die der vorherige Besitzer bei einer Motorradtour durch das nördliche Afrika getragen hatte. Auch eine Tasche aus Korbgeflecht mit Bambusgriff wurde sie los. Kein Wunder, denn sie war auch schon bei einem romantischen Heiratsantrag am Strand von Biarritz dabei gewesen. Das Essen für die nächsten Tage war gesichert.
Kurz vor Feierabend knurrte Missys Magen. Bis auf die Hummerreste zu Mittag und einem Scone zur Tea Time hatte sie nichts mehr gegessen. In einer Stunde würde ihr Kochkurs beginnen, bis dahin musste sie es noch aushalten.
Sie ging zum Schallplattenspieler und legte »Dream a little Dream of me« von Ozzie Nelson auf. Die Platte hatte sie für ein paar Pfund auf einem Flohmarkt erworben. Jedes Mal aufs Neue war sie begeistert von der Originalversion aus den 30er-Jahren, die viel beschwingter klang als das Cover von The Mamas and The Papas. Sobald das Orchester zu spielen begann, bewegte Missy den Kopf im Takt und hängte Kleidungsstücke, die im falschen Jahrzehnt gelandet waren, tänzelnd wieder an die richtige Stelle. Dabei sang sie den träumerischen Text mit und dachte unweigerlich an Harry, der am nächsten Morgen mit einer neuen Lieferung kommen würde. Automatisch zogen sich ihre Mundwinkel nach oben, und ihre Wangen glühten. Würde sie sich morgen trauen, ihn endlich um ein Date zu bitten?
Lächelnd zählte Missy die Kasse, holte ihre Tasche aus dem Büro und zog gerade ihren Schlüssel heraus, als das Glockenläuten wieder leise zu hören war. ...
Erscheint lt. Verlag | 7.11.2023 |
---|---|
Reihe/Serie | Mit Charme, Schirm und Mord | Mit Charme, Schirm und Mord |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | Britisch • Cosy Crime • Cozy Crime • Donnerstagsmordclub • England • England-Krimi • Großbritannien • Kriminalroman • Krimi Reihe • Mordclub • Nita Prose • Richard Osman • Shaftesbury • the Maid • weibliche Ermittlerin • Windsor-Komplott • Wohlfühlkrimi |
ISBN-10 | 3-8412-3008-3 / 3841230083 |
ISBN-13 | 978-3-8412-3008-9 / 9783841230089 |
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Größe: 787 KB
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich