Wildwest-Roman – Unsterbliche Helden 30 (eBook)

Mit gezinkten Karten

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Aufl. 2023
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-5927-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wildwest-Roman – Unsterbliche Helden 30 - Jonny Kent
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Eigentlich hat Jack Farland nur seine Wasserflasche in Lees Summit, dem kleinen Städtchen am westlichen Rande Missouris, füllen wollen. Doch dabei bleibt es nicht. Zwei geheimnisvolle Morde und ein Angriff auch auf Farland selbst wären nun allemal Grund genug gewesen, um den Ort gleich zu verlassen. Aber als plötzlich die betörende Esther auftaucht, ist es um den Ohioman geschehen. Und auch sonst scheinen sich ganz neue Perspektiven aufzutun. Denn eines der Mordopfer ist Sheriff Amper, und der starke Mann der Stadt und gleichzeitig Esthers Bruder, Chester Lee, sieht in Farland den idealen Nachfolger. So glaubt der Mann vom Eriesee schon, dass es das Schicksal endlich einmal gut mit ihm meinen könnte. Das ist allerdings ein ganz bitterer Irrtum, wie sich schon bald zeigen wird ...


Mit
gezinkten
Karten

Von Jonny Kent

Schlingernd rumpelte die schwere Überlandkutsche in die kleine Westernstadt ein. Der schnauzbärtige Fahrer kletterte mit hölzernen Bewegungen vom Kutschbock, stieg auf die Rampe der Wells Fargo Station und stieß sich den Hut aus der Stirn. Sein erster Blick galt der Schenke, die gleich nebenan lag.

Jetzt öffnete sich der Wagenschlag der alten Overland-Kutsche zur Straße hin, und der Blick des Mannes, der ausstieg, schweifte über die farblosen Häusergiebel, die die staubige Straße säumten. Verzweiflung sprang ihn an. Er stellte seine schwere Reisetasche ab und wischte sich mit dem Rockärmel den Schweiß aus dem Gesicht ...

   

Wie viele hundert Meilen war er nun wohl gefahren, ohne irgendwo auf einen grünen Zweig zu kommen? Zu viele, bei zu wenig Erfolg. Die Leute drüben in der Fabrik in St. Louis stellten es sich zu leicht vor, den Bewohnern der graubraunen Kistenholzstädte im Westen etwas zu verkaufen. Wer hatte schon Bedarf an neuen Tafelbestecks? Die Leute hatten ihr Zeug noch von den Eltern, Großeltern oder Schwiegereltern, und damit würde man auch noch weitere fünfzig Jahre auskommen, so unbegreiflich es denen drüben in St. Louis erscheinen mochte.

Albin Cordes war darüber sechsundvierzig Jahre alt geworden. Ein Reisevertreter ohne Erfolg. Nachdem er erst in St. Louis selbst jahrelang glücklos herumgelaufen war, hatten sie ihn in die sogenannte Provinz geschickt. Da verkaufte er dann hin und wieder etwas. Es gab doch immer ein paar Leute, die sich neue Gabeln, Löffel und Messer zulegten, sogar welche, die sich Kaffeelöffel anschafften.

Und als sie das in der Fabrik merkten, schickten sie die besseren Reisevertreter in die »gesunden« Gegenden, wie sie es nannten. Der verbrauchte Albin Cordes aber wurde zum Chef gerufen, und der erklärte ihm mit dreister Frechheit: »Wir haben Sie für größere Aufgaben ausersehen, Mr. Cordes: Sie werden den Westen für uns erobern. Wenn man da drüben etwas braucht, dann sind es Bestecks.«

Aber genau das war ein Irrtum. Jenseits der unsichtbaren Stacheldraht-Grenze zum Wilden Westen klammerten sich die Leute an das, was sie hatten. Weiter und weiter war der Handelsvertreter vorgedrungen, in der Hoffnung, doch irgendwo eine Oase zu finden, in der Menschen wohnten, die noch gar keine Bestecks hatten.

Cordes richtete den Blick jetzt auf die verwitterte Fassade eines großen Hauses, an dem oben an der Balustrade ein riesiges Schild mit der protzigen Aufschrift Hotel angebracht war.

Er nahm seine bleischwere Tasche auf und ging mit müden Schritten auf das Hotel zu.

Angenehme Kühle schlug ihm in der Halle entgegen. Das war etwas, was er an den Holzhäusern des Westens schätzte: Wenn es draußen kalt war, waren sie innen schön warm, und wenn es – wie heute –, draußen brütend heiß war, schlug einem drinnen angenehme Kühle entgegen.

Er hielt auf das Rezeptionspult zu, wo er eine Frau stehen sah. Sie hatte ihm den Rücken zugekehrt und schien angenehme, rundliche Formen zu haben. Sein von der erfolglosen Reise und dem ewigen Geschaukel in der Kutsche stark mitgenommenes Selbstbewusstsein regte sich. Er reckte sich auf, nahm den verschwitzten Hut ab und fuhr sich durch sein schütter gewordenes Haar. »Hallo, Miss!«

Da wandte die Frau den Kopf.

Der Handelsvertreter aus St. Louis erschrak, denn er blickte in ein aufgedunsenes Gesicht mit großporiger Haut und schweren Augensäcken. Farblose Augen musterten ihn abweisend. Der Blick der Frau haftete auf seiner schweren Reisetasche. »Was wollen Sie?« Offenbar hatte sie einen Blick für ihre Gäste. Diesem Mann und vor allem seinem Gepäck war anzusehen, dass er ein Handelsvertreter war.

Cordes sank seelisch in sich zusammen. »Wie sieht es mit einem Zimmer aus?«, fragte er mutlos.

»Ein Dollar pro Nacht. Das Bett muss selbst gemacht werden. Morgenkaffee ist im Preis enthalten.«

Im Bett?, hätte er am liebsten in aufsteigendem Ärger gefragt. Ein Dollar pro Nacht, das war eine bare Unverschämtheit in einem fünftklassigen Haus, selbst wenn das Frühstück inklusive war. Aber er hatte ja keine Wahl. In diesem Nest gab es höchstwahrscheinlich keine andere Unterkunftsmöglichkeit. »Ich nehme es«, sagte er müde.

Die Frau ergriff ein großes Buch, das in schwarzes Leinen eingebunden war, schlug eine Seite in der Mitte auf und deutete unter den letzten Namen, der da stand.

John Harrison, in Getreidegeschäften hier, von Nebraska kommend, stand da. Daneben das Datum.

Dieser John Harrison hatte eine Schrift wie ein Mann, der Erfolg hatte, jedenfalls schien es dem erfolglosen Besteckvertreter so. Er nahm die Feder, tauchte sie in das Tintenfass und hielt plötzlich inne. Dann flog ein hämisches Lächeln über sein Gesicht. Er setzte die Feder an und schrieb mit weitausholender protziger Schrift: Dr. Albin Cordes, Arzt aus New York, auf der Reise zu Gouverneur Jefferson in California.

Als er sich aufrichtete, zerrte ihm die Frau das Gästebuch weg, nahm mit einem blitzschnellen Griff einen Klemmer aus einer Schublade, setzte ihn auf die Nasenwurzel und beugte sich tief über das Geschreibsel.

Fast wäre ihr das Buch aus der Hand gefallen. »Oh!«, sagte sie auf einmal geziert, während sie sich aufrichtete. »Es ist uns eine Ehre, Doktor, Sie bei uns zu sehen. Sie wollen gewiss nach Kalifornien, um in die Dienste des dortigen Gouverneurs zu treten?«

»Ganz recht. Dürfte ich jetzt um meinen Zimmerschlüssel bitten?«

Die Frau hatte schon den Schlüssel zur ehemaligen Besenkammer in der Hand gehabt, tauschte ihn aber jetzt rasch mit dem von Nummer sieben, dem besten Zimmer des zurzeit wieder einmal völlig leeren Hauses.

»Übrigens, es kostet für so honorable Gäste nur fünfzig Cents die Nacht, Bettenmachen und reichhaltiger Morgenkaffee inbegriffen. Sicher werden Sie einige Tage bleiben. Die meisten Gentlemen, die hier Station machen, bleiben ein paar Tage hier. Lees Summit ist besonders schön. Wir haben eine ausgezeichnete Luft hier und ein Spielkasino, das in der ganzen Gegend bestens bekannt ist.«

Das würgende Gefühl war aus der Kehle des Handelsvertreters gewichen. Wie leicht man sich doch mit einer kleinen Lüge einen Anstrich geben konnte, der das Lebensgefühl erhöhte. Noch vor zwei Minuten hatte er den erstickenden Gedanken in sich aufsteigen gefühlt, der ihn in den vergangenen Wochen immer wieder überkommen war: Der Gedanke an den Revolver, den er an seiner rechten Hüfte trug.

Es war eine uralte Smith and Wesson-Kanone vom Kaliber .38 mit einem abgegriffenen Hirschhornknauf und brüniertem langem Lauf. Er hatte sie drüben in St. Louis gekauft, nachdem ihn in einer Bar zwei alte Trapper mit ihren Erzählungen aus dem Goldenen Westen zutiefst erschreckt hatten.

Ein Mann ohne Colt ist ein toter Mann im Westen! Diese Weisheit, die zweifellos etwas für sich hatte, war ihnen leicht von den Lippen gegangen – mit dem Erfolg, dass der Handelsvertreter dem einen das alte Schießeisen abgekauft hatte. Für sauer verdiente fünfzehn Dollar.

Nicht einen einzigen Schuss hatte er bisher aus der Waffe abgegeben, obgleich ihm der alte Trapper die Handhabung eine volle Stunde lang erklärt hatte – bei Drinks, die natürlich Cordes bezahlt hatte.

Er würde aber noch einen Schuss daraus abgeben. Je weiter er nach Westen vordrang, desto deutlicher stieg dieser Gedanke in ihm auf. Einen einzigen Schuss, und vielleicht würde er ihn selbst kaum noch hören.

Wenn er irgendwo ein paar Artikel verkauft hatte, schrieb er sofort an die Fabrik. Die aber überwies ihm seine Prozente erst, wenn der Kunde gezahlt hatte. Bei so einer Geschäftsverbindung musste man ja verhungern! Hätte er nicht vor zwei Monaten in der neuen Ansiedlung drüben bei Kay East für ein paar hundert Dollar Ware verkauft, so wäre er schon längst bei der Kugel angekommen.

In der Fabrik aber mussten sie völlig verrückt geworden sein. Sie hatten ihm mitgeteilt, dass sie bei so geringen Verkäufen weniger Prozente zahlen würden.

Er war praktisch am Ende. In Lexington, sechsunddreißig Meilen von hier, hatte er seinen letzten Eagle angebrochen. Wenn kein Wunder geschah, würde hier seine letzte Station sein.

Er war fest entschlossen, die staubige Stadt Lees Summit nicht mehr zu verlassen. Entweder brachte er jetzt ein größeres Geschäft auf die Beine, oder sie schaufelten ihm hier eine Grube. Mit Schaudern hatte er von der Postkutsche aus vor der Stadt den kleinen kahlen Hügel mit den Kreuzen gesehen, mit den schiefen, uralten Steinen und dem verdorrten Baum. Es musste fürchterlich sein, auf solch einem Stiefelhügel verscharrt zu werden.

Aber war es nicht völlig einerlei, wo man in die Erde gebuddelt wurde? Lag etwa der Präsident in Arlington besser als ein armer, elender Handelsvertreter in der rotbraunen Erde von Lees Summit am westlichen Rand von Missouri?

»Wünschen Sie auch im Haus zu essen, Dr. Cordes?«, rief ihm die Frau nach, als er schon auf der Treppe war.

Essen im Haus? Kein schlechter Gedanke. Es wurde auf die Rechnung geschrieben, und die konnten sie einem Toten...

Erscheint lt. Verlag 4.11.2023
Reihe/Serie Wildwest-Roman – Unsterbliche Helden
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bill • Caddo Hunter • Hal Warner • Italowestern • Jack Farland • Jack Morton • King-Miller-Rebellen • Old Jed & Jivaro • Revolverheld • Schlitzohr-Halunken • Teufelskerle • Tex Hondo • Western-Hit • Wilder Westen
ISBN-10 3-7517-5927-1 / 3751759271
ISBN-13 978-3-7517-5927-4 / 9783751759274
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