Uli der Knecht (eBook)

Eine Gabe für Dienstboten und Meisterleute
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2023 | 1. Auflage
528 Seiten
Diogenes (Verlag)
978-3-257-61414-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Uli der Knecht -  Jeremias Gotthelf,  Philipp Theisohn
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Uli trinkt zu viel und prügelt sich mit anderen jungen Männern im Dorf. Er glaubt, als Knecht zu einem Leben in Armut verdammt zu sein. Sein Meister spricht ihm Mut zu, und bald wird aus Uli ein anderer Mann. Von den Frauen wird er umschwärmt, von den Männern zu Geschäften gedrängt. Bis Vreneli in sein Leben tritt. Aber erst muss er lernen, den eigenen Weg zu erkennen - und zu gehen.

Jeremias Gotthelf, geboren 1797 in Murten als Albert Bitzius, war Theologe und lebte als Pfarrer in Lützelflüh im Emmental. Seinem Engagement als Liberaler wurde mit der neuen Verfassung ein Ende gesetzt: Geistlichen wurde politische Betätigung verboten. Erst mit 40 Jahren begann er zu schreiben. Es entstanden 13 Romane sowie 75 Geschichten, die alle von den Menschen und vom Leben im Emmental erzählen und eine ländliche Comédie humaine bilden. Gotthelf starb 1854 in Lützelflüh.

Jeremias Gotthelf, geboren 1797 in Murten als Albert Bitzius, war Theologe und lebte als Pfarrer in Lützelflüh im Emmental. Seinem Engagement als Liberaler wurde mit der neuen Verfassung ein Ende gesetzt: Geistlichen wurde politische Betätigung verboten. Erst mit 40 Jahren begann er zu schreiben. Es entstanden 13 Romane sowie 75 Geschichten, die alle von den Menschen und vom Leben im Emmental erzählen und eine ländliche Comédie humaine bilden. Gotthelf starb 1854 in Lützelflüh.

So vergingen Uli einstweilen die Heiratsflausen und er ward wieder der recht emsige Knecht, der seinem Dienst alle Aufmerksamkeit widmete. Seine Rosse waren die schönsten weit und breit, die Kühe glänzten und einen solchen Misthaufen hätte er noch nie gehabt, sagte der Meister. Wenn es einer verstehe, so könne er mit dem gleichen Stroh fast z’Halb mehr Mist machen als ein anderer; das sehe man hier. Aber er hätte schon Knechte gehabt, gäb wie er es ihnen gesagt habe, sie seien in ihrem Trapp fortgefahren und hätten gelächelt in den Maulecken. Es mach ihn aber auch nichts täuber als so ein ybildisches Bürschchen, das nichts verstehe und sich doch nicht wolle brichten lassen; das meine, der Meister habe zu seiner eigenen Sache nichts zu sagen. Das seien die, wo in Gottsnamen nichts lernten und ihrer Lebenlang gleich dumm blieben, wo zuletzt niemand gerne als Tauner brauche für 10 Kreuzer des Tags. Uli fliss sich aber auch zu allen Arbeiten außer dem Hause. Im Fahren war er ein Meister, und seine 4 Rosse zogen so satt und gleichlig an, wenn er die Geißel hob, dass sie wenigstens ⅓ mehr als andere ab Platz zogen: ja soviel der Wagen tragen mochte, zogen sie, sie ließen nichts stehen. Er hielt Pflug trotz einem alten Bauer und mit Säen mochte ihn nicht bald einer. Selbst das kleine G’säm, Klee, Flachs etc., konnte ihm der Meister zu säen überlassen, und die Meisterfrau sagte: Sie sehe fry keinen Unterschied, wenn d’r Johannes säe oder d’r Uli. Der Meister sagte manchmal, das gehe aufs Haar ganz gleich, sei er daheim oder nicht, und man wisse gar nicht, wie viel wöhler man sei, wenn man einen Knecht habe, dem es am Dienst gelegen sei und dem man etwas anvertrauen könne, als wenn man so einen Stopfi habe, dem nichts in Sinn komme als heute eine Unfläterei und morgen eine Lümmelei. Er habe das schon manchem gesagt; dann habe man ihm geantwortet: Du hast gut krähen, du vermagst Lohn zu geben; üser eim muss Zinsen geben, da vermögen wir nicht vierzigkrönig Knechten, wir müssens mit mingere machen. Dann habe er ihnen gesagt, wenn sie doch rechnen wollten, so würden sie finden, dass die wohlfeilsten Knechte die teursten seien; aber das hätten sie nicht fassen wollen.

So predigte Johannes oft und war stolz auf seinen Knecht. Uli hatte nach und nach bis auf vierzig Kronen Lohn erhalten und von diesen wenigstens zwanzig vorgespart, und doch war er stolz gekleidet und hatte mehr Hemder, und zwar gute, als mancher Baurensohn. Er hatte viel über hundert Kronen in der Kasse und sah sich bereits für einen vermöglichen Mann an. Doch wie oft mit dem Essen der Hunger kömmt, so kömmt oft mit dem Huslichwerden, mit dem Vermögengewinnen die Ungeduld. Es scheint viel zu langsam zu gehen; es dunkt einem, es sei nicht zu erwarten, bis etwas Erkleckliches beisammen sei, und das müsse anders gehen. Das ist ein eigen Kapitel über diese Krankheit, die alle mehr oder weniger ergreift, die zu einigen eigenen Kronen kommen und denen der Gedanke geboren worden ist: v’rmöglich zu werden. Sie ergriff auch Uli, und es dünkte ihn von zweien eins: Entweder sollte er etwas Eigenes anfangen oder noch mehr Lohn zu machen suchen; so sechszig Kronen, dünkte ihn, sollte er an einem Orte darnach wohl zu erhalten im Stande sein, und wenn er einen guten Platz als Stallknecht bekommen könnte, so könnte er leicht auf hundert Kronen kommen. Es reue ihn freilich, da fort, dachte er, und es seien ihm alle lieb; aber es müsse ein jeder für sich selbsten auch sehen. Der Meister sah diese Krankheit und merkte sie aus einzelnen Äußerungen; aber er zürnte nicht darüber. Er war nicht von denen einer, die glauben, wenn sie einem Dienstboten Gutmeinenheit zeigen, so solle derselbe dafür ein lebenslängliches Opfer bringen, d.h. ihnen um einen Lohn dienen lebenslang, der ihren Kräften nicht angemessen ist. Wohlverstanden, ich rede hier nicht von der Sucht der meisten Diensten, alle Jahre weiterzuziehen um 1, 2 Kronen Lohn mehr, wobei sie gar nichts in Anschlag bringen, weder ihre Fähigkeit noch die ihrer wartende Arbeit noch den sittlichen Namen, den sittlichen Schutz eines Hauses. Das Bewusstsein, etwas Gutes an einem getan zu haben, ist auch ein Lohn, und jedenfalls genießt man einige Zeit lang den besser gewordenen Menschen. Aber dann gehe man nicht zu weit. Kann man denselben bei sich nicht seinen Kräften angemessen stellen und lohnen, so sei man ihm nicht selbstsüchtig vor seinem Weiterkommen, sondern setze sein Werk also fort, dass man ihm selbst weiterzuhelfen, ihn recht zu stellen sucht; dann hat man für zeitlebens ein dankbares Herz, einen Freund gewonnen.

So recht klar sah Johannes das gleich anfangs nicht ein, und es wurmte ihn, dass er Uli für einen andern erzogen haben sollte; aber er ließ es sich nicht merken und kam endlich doch zum Schluss: Entweder musst du ihn belohnen, bis er zufrieden ist, oder ihn gehen lassen. Als daher Uli in seinem zum Meister gewonnenen Vertrauen ihm einmal eröffnete, er wisse nicht recht, was anfangen: ob etwas kaufen oder mieten, oder was?, so konnte derselbe ohne Bitterkeit ihm raten. »Ich begreife es«, sagte er, »dass du nicht immer bei mir bleiben kannst; du bist jung und musst deine jungen Jahre brauchen, und dir mit dem Lohn noch viel nache z’mache, gruset mir auch, wenn es mir vielleicht schon nützlicher wäre. Aber was denkst du ans Kaufen oder Empfangen? Was willst du mit deinen hundert Kronen anfangen? Etwas Großes ist nicht möglich, da sind hundert Kronen grad wie nichts. Und wenn man nicht auch etwas Geld in den Fingern hat, so kann man gar nichts zwängen und ist immer am Hag. Man muss alles wohlfeiler verkaufen denen, die bar zahlen und die es wohl merken, wenn einer Geld haben muss; man kann nie warten, bis es die rechte Zeit ist. Dagegen muss man alles teurer kaufen von denen, die es einem Dings geben; man kann sich nie wehren, ist immer im Hinterlig, bis man die Beine ob sich kehren muss. Noch schlimmer ist es mit etwas Kleinem. Es gruset mir allemal, wenn ich jemand so an ein kleines Heimwesen sich hängen sehe, wo man alles, was darauf wächst, librement selber braucht; woraus soll man den Zins geben? Die Kuhheimetli sind zum Kaufen und Empfangen weitaus die teuersten; auf solchen gehen die meisten zugrunde, wenn sie den Zins innerhalb des Hages nehmen müssen. Wo ein Gewerbe dabei ist oder sonst ein anderweitiger Verdienst, da ist es ein anderes. Mit deinem Gelde kannst du keines zahlen, hast höchstens für die B’satzig (das nötige Vieh auf einem Hof; man besetzt die Berge, d.h. schickt das nötige Vieh hinauf): Was willst du darauf anfangen? Nein, dafür habe noch Geduld; du kämest um deine Sache, ehe du daran dächtest. Aber wenn ich etwa einen Platz vernehme, wo du recht Lohn machen kannst, so will ich dir nicht davor sein. Öppe nit Stallknecht; da gibt es gerne böse Alter: d’r Gliedersucht oder d’r Wysucht entrinnt öppe nit menge. Du reust mich freilich; aber ich kann doch nicht klagen, dass du öppe grad fortgewollt hast und öppe uverschant mit dem Lohn gewesen seiest; dass du nicht öppe eingesehen, dass du mir auch etwas zu verdanken hättest. Du bist nun bald zehn Jahre bei mir, und so habe ich allerdings auch deine Besserung zu Nutzen gehabt. Zähl darauf: Wenn mir etwas anläuft, so will ich an dich sinnen. Du kannst selber auch nachsehen, nur sag es mir immer öppe i d’r Zyt.« So offen redeten Knecht und Meister miteinander; sie mochten sich das Maul gönnen, und es war keinesten Schade (der Schade von keinem).

Herbst war es. Voll Obst hingen die Bäume, voll Kühe waren die Matten, voll Erdäpfelgräber die Äcker, voll Eichhörnchen die Birnbäume, voll Jäger die Wälder, voll Wirte das Weltschland. Der Johannes hatte den Zug heimgebracht vom Felde und stopf‌te auf der B’setzi die Pfeife, um sie auf dem Bänkchen zu genießen vor dem Nachtessen; seine Frau kam eben aus dem Keller, wo sie Obst auf die Hürde hatte schütten lassen, und sagte, schwer Atem schöpfend: »Sag, Johannes, ich weiß einmal nicht, was anfangen; drunten sind schon fast alle Hürden voll hoch auf, und es hangen noch fast tausend Körbe voll: du musst sehen, dass da etwas geht, so kann es nicht länger bleiben; wenn es schon fast nichts giltet, so ist neuis doch immer besser als es lä’h z’Schange gäh z’Unnutz. Der liebe Gott hat es wachsen lassen, und da muss es für neuis gebraucht sein.« »Ich möchte mich nadisch nicht versündigen, Frau«, sagte Johannes, »ich habe auch schon daran gedacht. Willst morgen mit z’Märit? Ich habe allerlei zu tun, sollte für eine Kuh sehen, sollte auf den Metzger luegen, der mir das Kalb noch nicht bezahlt hat, und hätte noch neuis z’rede mit einem Schreiber wegen Gemeindssachen, und da hab ich gedacht, es sollte sein, dass ich z’Märit gehe. Da kann ich nachsehen, ob so ein Essig- oder Brönzmacher sie gleich alle miteinander wolle.« »E, was sinnist, Johannes, wie könnte ich z’Märit! Ich will von allem andern noch nichts sagen: aber wir haben die Schneider auf der Stör; denk doch, was das sagen will! Da müsste ich Tuch füre gäh u Fade für e ganze Tag! He nu, i’h chönt wohl füre gäh, un es wär ne viellicht z’rechte; aber vo wegem Tuch u Fade denke ich doch, ich verdiene am meisten daheim. U de läh ni d’Jumpfere u d’Schnyder o nit gern alleini daheim; das chönt arig gäh. Aber gang du und nimm Ross und Wägeli und nimm ein Füderli Äpfel mit.« »O Frau, das trägt nichts ab«, sagte Johannes. »Morgen ist der ganze Märit g’stacket voll. Ein jeder bringt ein Füderli, und man löset nicht, was Ross und Wagen versäumen und vertun. Aber Ross und Wägeli will ich doch nehmen. Es ist mir z’wider zu laufen; es ist mir gar in den Beinen und...

Erscheint lt. Verlag 25.10.2023
Reihe/Serie Gotthelf Zürcher Ausgabe
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 19. Jahrhundert • Alkohol • Bauern • Bildungsroman • Dorf • Dorfgemeinschaft • Emmental • Entwicklungsroman • Familie • Geld • Generationen • Gesellschaft • Gottesfürchtigkeit • Gutes Leben • Heiratspläne • Knecht • Lehrmeister • Liebe • Neuedition • Peter von Matt • Philipp Theisohn • Schweiz • Schweizer Literatur • Verantwortung • Zürcher Leseausgabe
ISBN-10 3-257-61414-4 / 3257614144
ISBN-13 978-3-257-61414-5 / 9783257614145
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