Wundersame Erlebnisse, Band 2 -  Günter Jahn

Wundersame Erlebnisse, Band 2 (eBook)

Kleine Geschichten, die darauf gewartet haben, erzählt zu werden

(Autor)

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2023 | 1. Auflage
222 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7583-7803-4 (ISBN)
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1. »Fratelli tutti«[1] schrieb der heilige Franz von Assisi und wandte sich damit an alle Brüder und Schwestern, um ihnen eine dem Evangelium gemäße Lebensweise darzulegen. Von seinen Ratschlägen möchte ich den einen herausgreifen, mit dem er zu einer Liebe einlädt, die alle politischen und räumlichen Grenzen übersteigt. Er nennt hier den Menschen selig, der den anderen, »auch wenn er weit von ihm entfernt ist, genauso liebt und achtet, wie wenn er mit ihm zusammen wäre«.[2] Mit diesen wenigen und einfachen Worten erklärte er das Wesentliche einer freundschaftlichen Offenheit, die es erlaubt, jeden Menschen jenseits des eigenen Umfeldes und jenseits des Ortes in der Welt, wo er geboren ist und wo er wohnt, anzuerkennen, wertzuschätzen und zu lieben.

2. Hundert Meter


„Das ist aber kein sehr spannender Titel. Darunter kann man sich nicht viel vorstellen: Hundert Meter – ein sportliches Ereignis? Ein Wettbewerb? Oder – noch hundert Meter bis zum Ziel? Dann könnte es allerdings schon spannender werden. Und worum geht es nun?“

„Du weißt, wie immer möchte ich zu Beginn nicht zu viel verraten und absichtlich diesmal den Titel so neutral wie möglich erscheinen lassen. Aber hinsichtlich ‚Spannung‘ – da wird diese Geschichte manche andere übertreffen.“

„Aha, also ein bißchen hast du damit schon verraten, daß wir uns nämlich auf Aufregendes einstellen müssen – Schönes oder nicht so Schönes?“

„Nun, auch da muß ich antworten, wie immer geht es gut aus, denn Schwieriges ohne guten Ausgang haben wir nie erlebt; man muß wohl durch Beschwerliches hindurch, aber immer konnten wir uns letztlich beschützt fühlen.“

„Weil ihr vertraut habt, stimmt das?“

„Ja, ohne ein Grundvertrauen hätten wir uns nie auf den Weg machen können, und unsere Wege waren ja viele Wege, wie ihr aus den bisherigen Geschichten ersehen könnt.“

„Und wohin führt euch euer Weg diesmal?“

Also gut, die Geschichte kann beginnen: Es ist halb sechs Uhr morgens, wir sind gerade wohlbehalten in Mexico City gelandet, kommen aus La Paz in Bolivien, wo wir zur Zeit leben, sind voller Vorfreude auf die zu erwartenden Erlebnisse, vor allem auf den Spuren der Mayas, deren Kultur uns besonders nahe ist.

Und da geschieht das völlig Unerwartete: Am Ausgang, in all dem Menschengewühl dieses großen Flughafens, steht vor uns unser Sohn und heißt uns herzlich willkommen in Mexiko. Dazu muß man wissen, daß er in den USA im Staate Kansas (also im Mittleren Westen) zur Zeit studiert und nie eine Andeutung gemacht hat, uns auf dieser Reise zu überraschen.

Er steht freudestrahlend da vor uns, freut sich an unserem Nicht-Begreifen im ersten Moment: Er hier – das ist doch nicht möglich, so weit weg von seinem Studienort – und das so früh am Morgen, da muß er ja die ganze Nacht durchgefahren sein, und woher weiß er unsere Ankunftszeit…?

Er wußte wohl von unseren Reiseplänen, und so hat er, erklärt er uns nun, die Reiseroute mit Zwischenlandung in Lima zuvor am Flughafen recherchiert und das einzig mögliche Flugzeug abgepaßt, ganz egal, zu welcher Nachtzeit, und hat Glück: Er kann uns in Mexiko begrüßen.

Wir sind gerührt über einen so anhänglichen Sohn, der nur für einen Tag, einfach mal so, seine Eltern sehen möchte. – Er stellt uns dann einen Studienkameraden an seiner Seite vor, mit Namen Kamal, der sich bereitfand, als kleines Abenteuer unseren Sohn zu begleiten.

Sie erklären dann noch, sie hätten in etwa einer Viertelstunde Entfernung vom Flughafen ein Hotel am frühen Morgen aufgesucht, ihr bißchen Gepäck dort gelassen, um uns gerade rechtzeitig zu unserer Landung zu überraschen – was ihnen vortrefflich gelungen ist!

So müssen wir einiges entscheiden: Wir fahren in Gerrits Auto (so heißt unser Sohn) zu unserem vorgebuchten Hotel, gönnen uns Vier ein gutes mexikanisches Frühstück (mit Tortillas und u.a. der leckeren Paste aus roten Bohnen) und reservieren ein Zimmer für die Beiden.

Sie fahren dann los, um ihre Sachen aus dem nachts gemieteten Hotel, mit Namen El Dorado, zu holen und dann mit uns einen guten Tag in dieser Riesen-Metropole zu verbringen.

Es vergehen etwa zwei Stunden: Es klopft an unserem Hotelzimmer, Beide stehen vor uns mit einem Gesichtsausdruck, in dem Erschöpfung und Verzweiflung abzulesen ist: „Dies ist ein Alptraum – diese Stadt! Ich kenne ja viele Städte in den USA“, sagt Gerrit, „aber dies hier ist nicht zu fassen – wir haben unser Hotel nicht gefunden!“

Und dann erzählen sie von ihrer verzweifelten Suche anhand von Hinweisen, die sie sich gemerkt hatten: Abzweigungsschilder (Mexico City ist durchzogen von vielen Hauptachsen wie Stadtautobahnen, unendlich vielen Abzweigungen, Überführungen, Unterführungen), gigantische Leuchtreklameschilder an allen Straßenrändern… Es war ja Nacht gewesen, und jetzt ist Tag.

Sie hatten sich z.B. eine Leuchtreklame, mehrere Meter hoch, von einem Brathändel gemerkt, doch nun bei Tage leuchtete nichts, und außerdem entdeckten sie überall dieselben Schilder.

So verzweifelt haben wir unseren Sohn selten gesehen – er als erfahrener Autofahrer, und hier kommt er an seine Grenzen…

So bleibt uns nichts anderes übrig, den weiteren Tagesverlauf der Suche nach dem Hotel zu widmen. Und dann gestehen sie noch, daß ihr zurückgelassenes Gepäck im Hotel aus Gerrits wertvoller Foto-Ausrüstung besteht und einem großen Kassettenrekorder, den sie auf der Fahrt gebraucht hatten, um wachzubleiben, der aber – geliehen war!

Kurz entschlossen brechen wir Vier auf, winken an der Straße das erste Taxi herbei (in dieser Zeit alle ein Fabrikat: der VW Käfer; es gibt in Mexiko eine VW Fabrik), quetschen uns in dies enge Gefährt (Ellinor vorn, Kamal, Gerrit und ich hinten) und versuchen, dem Fahrer eine Vorstellung davon zu geben, wohin es gehen soll: Auf jeden Fall in die nähere Umgebung des Flughafens, und der Name des Hotels ist klar: El Dorado.

Doch es stellt sich heraus, daß es viele Hotels mit diesem Namen gibt. So klappern wir eins nach dem anderen ab, hoffen immer wieder auf Hinweise, die den beiden Jungs zu einer Erinnerung verhelfen, zu einem ‚Ja, das ist es – Erlebnis‘, doch vergeblich.

Der Taxifahrer gibt nach einer Stunde auf, wir bezahlen (zum Glück nur einen geringen Betrag), und die Suche geht mit dem nächsten Taxi weiter…

Es dämmert. Die ersten Reklame-Gebilde leuchten auf: da, das Brathändel – doch an der nächsten Kreuzung dasselbe!

Ich möchte für euch die qualvolle Suchfahrt, Stunde für Stunde, immer wieder in einem anderen VW Käfer, abkürzen, aber, ihr werdet es kaum glauben, wir haben die Geduld und das Vertrauen, daß schließlich diese nervenaufreibende Mühe zum Erfolg führen wird.

Der fünfte Taxifahrer gibt uns einen Tip: Am Flughafen gäbe es bei den Taxi-Ständen jemanden, schon älter, der spezialisiert sei auf die Hotels der näheren Umgebung, und, wenn wir Glück hätten, hätte der Dienst.

Wir haben Glück, und er ist auch frei und bereit, uns in dieser scheinbar hoffnungslosen Situation zu helfen. Ich bewundere die Ruhe, die Gelassenheit, die dieser Fahrer an den Tag legt: Er schaut sich ständig achtsam, besonnen, um, blickt immer wieder in den Rückspiegel, um in Blickkontakt mit Gerrit und Kamal zu sein, beginnt ein fast detektivisches Befragen der beiden Jungs: Könnte es diese Abzweigung sein, dieser Richtungshinweis, dieses Gebäude…?

Er fährt ruhig und langsam, läßt alle verwirrenden optischen Eindrücke links und rechts vorübergleiten, immer ausgerichtet auf einen entscheidenden Hinweis – und der kommt: Gerrit ruft: „Ja, hier waren wir vorbeigekommen, an dieser Raststätte mit dem Namen ‚Hundert Meter‘, ja, kein Zweifel, ich erkenne es wieder!“

Der Taxifahrer ist begeistert: ‚Hundert Meter‘ – diesen Namen für eine Raststätte gäbe es nur einmal, sie ist für Lastwagenfahrer, und nun wüßte er, wo wir sind, und da kann nur ein bestimmtes El Dorado in Betracht kommen… (von den Hunderten von Hotels gleichen Namens in Mexico City) – Nur noch wenige Minuten, und beide Jungs rufen: „Da ist es, da ist es!“

Und so hat dies nun zum Erfolg geführt – dank der Aufmerksamkeit und des Gedächtnisses von Gerrit und eines so besonnenen, umsichtigen Taxifahrers.

Habt ihr noch geglaubt, daß wir es finden würden? Es ist schwer zu beschreiben, was in einem jeden vor sich geht, wenn man ständig, über Stunden (insgesamt sechs Stunden!) zwischen Bangen und Hoffen schwebt und dennoch getragen ist von einem tiefen Vertrauen. Ellinors Worte waren immer wieder: Nicht aufgeben! (Dies gilt für ihr ganzes Leben.)

Alles Weitere ist kurz erzählt: Das Gepäck wird aus dem Hotelzimmer geholt, wir als Eltern bezahlen das Hotel (natürlich), es ist schon spät in der Nacht. Und wozu entschließen wir uns danach? Uns etwas zu gönnen, in dem vornehmsten Restaurant, hoch oben auf einem Wolkenkratzer, mit einem phantastischen Blick über die (in dieser Zeit) größte Stadt der Welt, Mexico City (mit 21 Millionen Einwohnern).

Ein Geflimmer unter uns, bis an den Horizont zieht sich das Lichtermeer hin. Das Restaurant dreht sich in einer Stunde einmal um sich selbst, so blicken wir auf ein sich langsam und beständig veränderndes Panorama.

Und dann kommt die Belohnung für all die Mühe, all die Ausdauer: Die Speisen sind mexikanisch-köstlich, und als Höhepunkt und Abschluß: Der Teufels-Kaffee!

Das ist eine Kreation ganz eigener Art: Ein fahrbares Tischchen kommt neben unseren Tisch, darauf...

Erscheint lt. Verlag 11.10.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Lyrik / Gedichte
ISBN-10 3-7583-7803-6 / 3758378036
ISBN-13 978-3-7583-7803-4 / 9783758378034
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