EIN MEISTERWERK DER WELTLITERATUR -  Hubert Katzmarz,  Andreas Fieberg

EIN MEISTERWERK DER WELTLITERATUR (eBook)

Roman und Novelle
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2023 | 1. Auflage
372 Seiten
p.machinery (Verlag)
978-3-95765-749-7 (ISBN)
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Was macht ein Schriftsteller, dem nichts zu schreiben einfällt? Er sucht sich andere Schriftsteller, denen nichts zu schreiben einfällt. Gemeinsam frönt man der Bohème, in der stillen Hoffnung, daß dem mit Alkohol und Sex gedüngten Boden eines Tages das Pflänzchen Kreativität entsprießt. Doch die göttlichen Musen haben anderes im Sinn, und so vertreiben sie den tragikomischen Helden aus den Salons der verkrachten Literaten, locken ihn durch die Betten Literaten liebender Mädchen, durch künstliche Computerwelten, spiritistische Sitzungen und seltsame Bibliotheken, bis in ein futuristisches Physikerlabor, wo sie ihn die Grundfesten des Universums erschüttern lassen und ihm endlich zu erkennen geben, daß es mit der Kreativität ganz anderes auf sich hat, als er es sich je hätte träumen lassen. Ein irrwitziger Roman, der die Elemente der Erfahrung und Logik solange durcheinanderwirbelt, bis dem Leser schwindlig wird - oder er die Konturen einer neuen Welt zu ahnen beginnt! »... denn es darff nicht seyn, dasz solch ein Meistherwerck der Weltlitterathur dem Vergessen anheimfallet.« (Goethe) »Aber genau diese Vagheit, diese Unsicherheit, dieses, ich möchte es einmal so formulieren: Schicksalhafte und Unplanbare im menschlichen Leben - ist es nicht genau dies, das den SchriftstellerInnen wie überhaupt KünstlerInnen Perspektiven und Tätigkeitsfelder eröffnet, ist nicht genau dies die conditio sine qua non allen künstlerischen Schaffens?« (Sabine Bäuerlein-Füsseneck) »Eine Art Standardwerk für höheren Blödsinn, so ziemlich das Dämlichste, was zu diesem Thema je verfaßt wurde, ein wahres Kompendium intellektueller Abstürze. Ich sag Ihnen, die größte logische Lachnummer seit Erfindung des aufrechten Ganges!« (Jonathan Dudenschlupf) »Muß man einfach gelesen haben, damit man auch weiß, daß man nix verpaßt hätte.« (Astrid Tassler) »No Sports.« (Winston Churchill) Titelbild & Illustrationen von: Thomas Hofmann.

Hubert Katzmarz wurde am 3. November 1952 in Recklinghausen geboren und wuchs im Ruhrgebiet auf. Einer frühen Neigung zur Literatur folgend, studierte er zunächst Sprachen, später Kommunikationswissenschaft und Phonetik in Bonn, u. a. bei Prof. Gerold Ungeheuer. Seine hintergründigen Erzählungen, die er teilweise unter den Pseudonymen Bertram Kuzzath und Zamburt Zarthek veröffentlichte, erscheinen bis heute in Zeitschriften, Magazinen und Anthologien. In seinem 1987 gegründeten Verlag gab er - zeitweise in Zusammenarbeit mit Andreas Fieberg - Kriminalromane und Literatur aus dem Bereich der Science-Fiction und Phantastik heraus, letztere insbesondere in dem Story-Reader daedalos, der inzwischen nach einer zwanzigjährigen Pause wiederbelebt wurde. Bis zu seinem Tod im Jahr 2003 war Hubert Katzmarz mit der Journalistin und Autorin Ellen Norten verheiratet, die seinen literarischen Nachlaß verwaltet.

Zweites Kapitel


 

 

 

Als ich aufwache, bringen sich die Kopfschmerzen in Erinnerung; sodann stelle ich fest, daß es hell und sonnig ist; schließlich kommt mir ein Kichern zu Ohren: Zwei barock gewandete Mädels stehen am Rand der Wiese und zeigen mit Fingern auf mich.

»He du!« ruft die eine.

»Laß ihn doch«, sagt die andere.

»Vielleicht ist er krank«, meint die eine.

»Er wackelt schon mit dem Kopf«, bestätigt die andere.

»Ganz blaß ist er auch«, entdeckt die eine.

»Und schmutzig«, findet die andere.

»Wir sollten ihm helfen«, beschließt die eine.

»Wir kennen ihn nicht«, zaudert die andere.

Ich brauche eine Weile, bis ich begriffen habe, daß die beiden reizenden Wesen über mich verhandeln. Ihre Stimmen klingen glockenhell, auch wenn der Dialekt mir fremd und – Verzeihung! – ein wenig plump vorkommt. Aber das muß so sein, das hat seine Richtigkeit, das ist zu erwarten gewesen. Ich habe es in der Tat geschafft!

»Der sieht komisch aus«, behauptet die eine.

»Der kommt aus der Stadt«, vermutet die andere.

»Mag sein«, überlegt die eine.

»Da sehen alle komisch aus«, erklärt die andere.

»Ein Mantel im Sommer!« grinst die eine.

»Hei Mädels, guten Morgen!« Mühsam hebe ich den Arm zum Gruße. »Natürlich komme ich gerade aus der Stadt, und zwar aus der Zzzz …«

Mir ist ein Stück Pizza in den Mund und dann in die falsche Röhre geraten. Ich huste und würge, bis eine Welle von Kopfschmerzen mich erneut niederstreckt. Verdammter Mist! Das Aspirin ist immer noch nicht auffindbar.

»Oh, reden kann der Herr auch, hast du gehört, Maria?«

»Und wie vornehm, nicht wahr, Franziska?«

»Wa– wa– wo bin ich eigentlich?« höre ich mich stammeln.

O Gott, ist mir schlecht! Und ich kotze. Pizza und Schnaps und Rotwein. Danach ist mir besser, vor allem, als ich zarte Mädchenhände spüre, die mir rechts und links aufhelfen und mich stützen. Schon geht’s quer über die Wiese und einen holprigen Feldweg entlang, hügelan, hügelab, hinein ins Dorf mit windschiefen Bauernhäusern, wo ich bei einem zerknitterten Alten abgeliefert werde, der was von »Suff« und »Muff« murmelt und mich mit wenig Zartgefühl auf die Ofenbank bettet.

Schade. Franziska hat so schöne stramme Waden, ich hätte ihr gerne noch ein Weilchen beim Laufen zugeschaut.

 

Besonders pfiffig bin ich als Kleinkind nicht gewesen, dafür war mein Verhältnis zur Sprache viel zu problematisch – oder besser gesagt: feindselig. Mutter erzählt, daß ich spät zu sprechen anfing und als erstes Wort weder »Mama« noch »Papa« oder was ähnlich Normales von mir gab, sondern »Zamburt«. Ausgerechnet Zamburt! Das sei ihr peinlich gewesen. Meine gleichaltrige Cousine Stephanie konnte sich schon gesittet verständigen, als ich gerade mal »Zamburt« brabbelte, das allerdings in feinsten Varianten von Tonlagen, Betonungen und Rhythmisierungen. Wenn man mir sagte, ich sollte das lassen, hätte ich geschrien wie am Spieß, während meine Cousine Stephanie ihre Sprache bereits nutzte, um sich die Rätsel einer abenteuerlichen Welt zu erschließen. »Zamburts Fluch« nannte man das, was mich betraf, im Familienkreis. Die mitleidigen Blicke der Verwandtschaft seien für Mutter unerträglich gewesen. Als ich endlich aufgehörte, mit dem Wort Zamburt Arien abzusingen, und die Familie Gott dankte, daß der Fluch des Ahnherrn sich rauswuchs, schwieg ich für Monate ganz und zeigte allen die kalte Schulter. »Zum Glück hat Bertram nur eine Schraube locker«, nannte man das im Familienkreis. Später wäre ich in der Lage gewesen, altersgemäß zu sprechen, sagt Mutter, aber ich hätte es selten getan. Statt dessen hielt ich Monologe über Rhythmus und Astrophysik, und wenn mir jemand zu nahe kam, spuckte und biß ich und fluchte in Ausdrücken, die sie selbst nicht kannte, weiß der Henker, wo Kinder so was aufschnappen. Aber die magischen Formeln, die brauchte ich nur einmal zu hören, um sie mit so viel Feingefühl rezitieren zu können, daß Mutter Angst bekam, ich würde eine Evokation hervorrufen. Überhaupt sei ich ein großer Meister darin gewesen, die Leute nachzuäffen. »Stephanie ist so ein hübsches und kluges Kind«, nannte man das im Familienkreis. Ob Mutter sich eigentlich keine Sorgen mache?

Ich habe andere Erinnerungen an jene Zeit. Mein vorherrschendes Gefühl war Angst und Verwirrung. Angst vor einer rastlos wirbelnden Welt, die zu verstehen mir unmöglich schien, die aber mit dröhnender Macht über mich herfiel. Ruhe und Zufriedenheit fand ich nur in mir selbst und im Rhythmus der Dinge. Ich sah die anderen Menschen, wie sie mit sicheren Schritten von einem schwankenden Fleckchen der Welt zum anderen sprangen, dabei das Auf und Ab und Gegeneinander und Durcheinander ignorierten. Und ich sehnte die Zeit herbei, selbst erwachsen zu sein, dann wäre ich ihnen gleich, ich würde die Angst verlieren und mit ihnen um die Wette springen. Erwachsene tun dies und jenes. Also tat auch ich dies und jenes. Das sollte mich ihnen näherbringen. Wenn sie lachten, fühlte ich die Einsamkeit. Wenn sie schimpften, fühlte ich die Einsamkeit. Wenn sie mich nicht beachteten, fühlte ich die Einsamkeit. Wenn sie sich mir zuwandten, bekam ich Angst, sie wollten mir die Stille ausbrennen. Egal was sie taten, nie konnte ich sicher sein, daß es nicht voll flirrender Zudringlichkeit geschah. Erwachsene sprachen mit Wörtern zu mir. Also sprach auch ich mit Wörtern zu mir. Erwachsene sprachen mit Wörtern zueinander. Also sprach auch ich mit Wörtern zu ihnen. Doch was sie sagten und was sie taten, paßte nicht zusammen. Ihre Wörter sprachen von Zuneigung, ihre Gesichter von Gleichgültigkeit, ihre Gerüche von Angst und ihre Gesten von Gewalt. Wie sollte man die wahre Bedeutung der Wörter kennenlernen? Es blieb die Angst. Andere Kinder sprachen mit Wörtern zu mir, aber nie über die Angst der Kinder. Also schwieg ich zu ihnen. Erst spät begriff ich, daß andere Kinder die Angst nicht kannten, daß sie die Einsamkeit nicht kannten, daß sie all die sich widersprechenden Wahrheiten in den Wörtern, den Gesichtern, den Gerüchen, den Gesten und Taten nicht lesen konnten. Ich hatte das rhythmische Schwingen der Welt genau beobachtet und seine Struktur zu durchschauen versucht. Die anderen Kinder hatten gar kein Schwingen bemerkt. Mir kam der Gedanke, daß andere Kinder anders als ich wahrnahmen, lernten, dachten und fühlten.

Sprache, so wurde mir bewußt, war das Tor zur Welt der Dinge und Ereignisse. Sprache war Rhythmus und Form. Sprache war das Raster, dem sich die Welt fügen mußte. Die Dinge fügten sich, wie immer ich es wollte. Die Menschen nicht. Sie sprachen ihre unergründliche Sprache. Zueinander und zu mir. Ich besaß Zamburts Sprache, deren Geheimnisse ich erforschen mußte, wenn ich die Welt kennenlernen wollte. Wer die Welt kannte, brauchte sich nicht vor ihr zu fürchten. Zamburts Sprache war heilig. Wie konnte ich sie vor den Menschen mit ihrer gefräßigen Poltrigkeit behüten?

Als ich die Schrift entdeckte, war sie ein neues Tor zur Welt, das an der Zudringlichkeit der Menschen vorbeiführte und mir Stille und Rhythmus ließ. Doch fast zur gleichen Zeit lernte ich auch den Tod kennen.

Die Nachbarn mit dem Froschteich waren ein alleinlebendes, älteres Ehepaar. Ich durfte sie Tante Trudi und Onkel Willi nennen, weil sie keine eigenen Enkelkinder hatten. Sie wohnten ein paar Häuser weiter in Richtung Stadtwald. Je näher der Stadtwald, desto reicher die Leute. Unser Nachbarhaus zur anderen Seite war der Block einer Wohnungsbaugesellschaft. Dort wohnte Elvira. Wir selbst wohnten in einem kleinen Einfamilienhaus, das Vater von seinen Eltern geerbt hatte und das von Opa zum Teil noch eigenhändig gebaut worden war. Nach vorn raus Vaters Steingarten mit kleinen, geraden Kieswegen und viel Grün, nach hinten raus Mutters Biogarten mit hohem Gras und bunten Wiesenblumen. Die Villa von Tante Trudi und Onkel Willi stand inmitten eines gepflegten Parks mit weiten Rasenflächen, exotischen Büschen und mächtigen Bäumen, die, wie Vater mir erklärt hatte, in hundert Jahren hundert Meter hoch wüchsen. Ich stellte mir den Himmel vor, daß er von den Bäumen immer höher gehoben würde bis zum Mond und daß ich an den Ästen hinaufkletterte und aus luftiger Stille zu den Menschen hinunterwinkte.

Onkel Willi war emeritierter Mathematikprofessor. Er verstand sich vor allem mit Vater sehr gut. Stundenlang konnten die beiden Männer in Vaters Labor hocken, an seinen Erfindungen herumbasteln und neue Konzepte diskutieren. Tante Trudi verstand sich vor allem mit Mutter sehr gut. Die beiden Damen waren das spiritistische Zentrum der Stadt, veranstalteten in gemeinsamer Organisation viele okkulte Treffen und Vorträge mit zum Teil großen Berühmtheiten der Branche, hielten wöchentliche Séancen ab und gaben für Interessierte den Baphomet-Rundbrief heraus.

Wenn meine Eltern ausgingen, brachten sie mich meistens zu Tante Trudi und Onkel Willi. Die hatten nichts dagegen, wünschten es sogar. Beim ersten Mal, ich weiß es noch genau, sträubte ich mich und schrie die ganze Straße zusammen. Den Umgang mit Menschen und wie ich mich vor ihrer Zudringlichkeit schützen konnte, hatte ich noch nicht gelernt. Vater behauptet, er sei entnervt drauf und dran gewesen, das Handtuch zu werfen und freiwillig Babysitter zu spielen, doch Mutters Unnachgiebigkeit setzte sich durch, ich solle mich ruhig schon mal an so was gewöhnen, schließlich habe auch Stephanie, ohne zu murren und ohne Schaden an Leib und Seele zu nehmen, drei Wochen allein bei Verwandten an der Nordsee verbracht – übrigens nur deshalb allein, weil ich...

Erscheint lt. Verlag 6.10.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
ISBN-10 3-95765-749-0 / 3957657490
ISBN-13 978-3-95765-749-7 / 9783957657497
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