Drei Krimis Spezialband 1078 (eBook)
600 Seiten
Uksak E-Books (Verlag)
978-3-7389-8500-9 (ISBN)
Thomas West: Rächer ohne Namen
11. Juni 1979
Irgend jemand zündete ein paar Kerzen an und schaltete das Licht hinter der Theke aus. Talita ging zum Plattenspieler und legte Meat Loaf auf. Und Jane huschte mit Marty in eines der Nebenzimmer.
Nervös drehte Marc DaCol die Bierdose zwischen den Fingern. Natürlich wollten sie, dass er sich endlich verpisste! Die meisten waren ja schon gegangen. Fast der ganze Abschlussjahrgang. Nur die acht vom harten Kern noch nicht. Die Bacon-Clique. Und eben er.
Er hatte einen Kloß im Hals, er rutschte nervös auf der Matratze hin und her, er zündete eine Zigarette nach der anderen an und eine ängstliche Stimme in ihm jammerte: "Jetzt geh, Marc, die wollen dich hier nicht..."
Die andere Stimme in ihm aber - die trotzige, wütende Stimme - beharrte darauf: "Du bleibst!"
Sie hatten ihn nicht auf ihre Parties eingeladen, sie hatten seine Einladungen ausgeschlagen, sie hatten ihn aus dem Basketballteam herausgeekelt, sie hatten ihn drei Jahre lang spüren lassen, dass sie ihn für einen Streber hielten, sie hatten ihn wie Luft behandelt. Je offener er sich um die Aufnahme in ihre Clique bemüht hatte, desto krasser hatten sie ihn weggedrückt.
Jesus, Maria! Wie gut er das kannte! Von klein auf kannte! Ich sagen, hieß für ihn: Von jemandem reden, den keiner wollte.
Heute aber konnten sie ihn nicht einfach nach Hause schicken. Fast drei Jahre lang hatte er um ihre Anerkennung gebuhlt. In einem Monat die letzte Prüfung, und dann war Schicht.
Und heute stieg das inoffizielle Abschlussfest, eine Fete des gesamten College-Jahrgangs. Auch wenn es im Haus von Wangs Eltern stattfand und Furyo Wang der beste Freund von Lester Bacon war. Die Bacon-Clique hatte also eine Art Hausrecht.
Trotzdem sollte ihn der Teufel ihn holen, wenn er hier nicht als letzter ging. Oder wenigstens als vorletzter.
Er versuchte so cool wie möglich in die Runde zu grinsen. Furyo und Lester an der Theke wichen seinem Blick aus und sahen sich mit hochgezogenen Brauen an.
Wang, du Schwein - du warst es vor allem, der Stimmung gegen mich gemacht hat...
Der lange Wash, der sich ihm gegenüber auf einer Matratze lümmelte, zuckte mit dem rechten Mundwinkel. Seine großen Augen fixierten ihn verächtlich.
Noah, Tom und Talita schüttelten sich auf der Tanzfläche und schienen ihn nicht zu beachten. Doch er spürte ihre Gedanken mit jeder Faser seines Körpers. Wie Moskitos surrten sie böse durch die stickige Luft: Hau endlich ab, DaCol!
Er hatte gelernt, Worte zu verstehen, die in den Köpfen der Leute rumorten und den Ausgang mieden. Jedenfalls glaubte er immer genau zu wissen, was man über ihn dachte. Und noch nie hatte er jemanden in Verdacht gehabt, etwas Gutes über ihn zu denken.
Zwischen Meat Loafs Songs hörte er Gekicher aus dem Nebenzimmer.
Was machen die da drin?
Irgendwann holte sich Talita eine Cola von der Theke und kam zu ihm. Er atmete auf. Auch wenn er wusste, dass sie es aus reiner Höflichkeit tat. Sie hielt einfach keine Spannung aus.
Talita ließ sich neben ihm auf der Matratze nieder. "Na, Marc? Was machst du denn nach dem College?"
"Erst... erst... erst mal zur Army." Wenn er aufgeregt war, blieben ihm die Worte manchmal im Hals stecken.
Ihr ungläubiger Blick entging ihm nicht. Die Frage, die sie unterdrückte, las er in den grünen Augen des blonden Mädchens: Nehmen die so kleine Männer wie dich?
"Und danach?", wollte sie wissen.
Süße Frau. Interessiert sie sich wirklich für mich?
Die Platte war zu Ende. Stöhnen aus dem Nebenzimmer - Janes Stimme.
Sonnenklar, was die da machen!
Sein Mund wurde trocken.
Jesus Maria! Die lässt sich ficken...
"M... mal sehen", sagte er, "wahrscheinlich studieren." Er sah wie Wash seinen langen schwarzen Körper von der Matratze schob und ins Nebenzimmer zu Marty und Jane verschwand.
"Und was?" Er hasste diese verkrampften Interviews. Aber weit mehr hasste er es, allein zu sitzen und nicht beachtet zu werden.
"Chemie." Er sah wie Lester und Furyo sich über die Theke beugten. Beide hielten Strohhalme an ihr rechtes Nasenloch und drückten das linke mit den Daumen zu. Stimmten die Gerüchte also doch, die er gehört hatte: In der Bacon-Clique wurde nicht nur Shit geraucht, sondern auch Koks geschnupft.
"Und wo?" Talitas Stimme klang angestrengt. Aus dem Nebenzimmer wieder Gekicher. Und ein kehliger Seufzer. Wash.
Dann stimmt das andere also auch. Sexorgien - Jesus Maria!
"Wahrscheinlich in Boston." Nun drängten sich auch Noah und Tom an die Theke der Hausbar heran und beugten sich über das Glastellerchen mit dem weißen Pulver.
Der illegale Teil der Fete hatte begonnen. Die berüchtigten wilden Nachtstunden der Bacon-Clique. Sie hatten vor seiner Hartnäckigkeit resigniert. Also gehörte er jetzt dazu! Wenigstens für ein paar Stunden.
"Und was machst du nach dem College?" Ein Schrei im Nebenzimmer. Wash.
Jesus! Mein Schwanz pocht!
Talita zuckte müde mit den Schultern. "Erst mal muss ich die letzte Prüfung bestehen."
Er wusste, dass sie in fast allen naturwissenschaftlichen Fächern auf der Kippe stand. Dafür hatte sie auf ihrer ersten Ausstellung gleich zwei Bilder verkauft. Vor drei Wochen, drüben in Manhattan.
Sie berührte ihn am Arm. Ein heißer Strom durchzuckte ihn. "Komm, wir tanzen." Er schwebte geradezu auf den freigeräumten Teppich vor den Lautsprecherboxen.
Verkrampft bewegte er sich zu den Rhythmen von Meat Loaf. Talita lächelte ihn ermutigend an.
Du tust ihr leid. Verflucht, du tust ihr leid! Das ist alles!
Der Gedanke bohrte sich schmerzhaft in seine Brust. Er schob ihn weg.
Seine Bewegungen wurden lockerer, er versuchte Talitas Lächeln zu erwidern. An der Theke beobachtete er Lester und die anderen. Sie tuschelten und grinsten hämisch.
Im Türrahmen erschienen nacheinander Marty und Wash. Marty verschwitzt und wankend. Wash knöpfte den Schlitz seiner Jeans zu und strahlte zufrieden. Von Jane keine Spur.
Die beiden Jungen stelzten zur Theke und zogen sich einen Streifen in die Nase. Noah verschwand im Nebenzimmer. Bald darauf schrie Jane lustvoll.
Jesus! Das ist ja absolut irre! Die lässt sich von allen durchbumsen...!
Er schluckte. Seine Knie wurden weich. Das Atmen fiel ihm schwer. Talita schien von all dem keine Notiz zu nehmen.
Ob sie auch...?
Er führte einen aussichtslosen Kampf gegen seine Hemmungen. Immer näher tänzelte er an sie heran. Plötzlich war der schwarze Wash hinter ihr. Seine kräftigen Arme legten sich um ihren Hals und zogen das Mädchen rückwärts auf die Matratze neben der Stereoanlage.
Du verfluchter Scheißkerl! Ich hasse dich! Ich hasse dich...
Seine Tanzbewegungen wurden linkischer. Die spöttischen Blicke von der Theke saugten sich an seinen steifen Gliedern fest. Die Schamröte stieg ihm ins Gesicht.
Ich hasse euch! Jesus Maria - wie ich euch hasse!
Unschlüssig blieb er stehen. Noah und Marty erschienen im Türrahmen des Nebenzimmers. Grinsend schlenderten sie auf die improvisierte Tanzfläche. Lester und Furyo rutschten von ihren Barhockern. Sie hatten es eilig zu Jane zu kommen.
"Komm her, DaCol." Der blonde Tom Ockham winkte ihn zur Theke. "Wenn du schon hier bist, dann nimmt dir was Gutes zur Brust."
Warum geht er nicht zur ihr? Traut er sich nicht?
Zögernd näherte sich der Theke und ließ sich zeigen, wie man das weiße Pulver inhaliert. Tom beobachtete ihn. Mit dem typischen geringschätzigen Zug um seine dicken Lippen. "Und?", grinste er. "Tut's gut?"
Es war wie ein kalter Guss nach der Sauna. Als würde ein verstopftes Loch in seinem Hirn aufgesprengt. Alle Unsicherheit fiel von ihm ab.
Tom grinste ihn an. Wash und Talita grinsten von der Matratze aus zu ihm hoch. Die beiden Burschen vor den Boxen grinsten ihn an. Er hielt es für ein Zeichen seiner Aufnahme in die Clique. Sie grinsten ihn an, statt die Augen zu verdrehen. Eine von ihnen hatte mit ihm getanzt. Einer von ihnen hatte ihm Koks gegeben. Und jetzt...
Lester kam mit nacktem Oberkörper aus dem Nebenzimmer.
....jetzt zu Jane...
Mit vier, fünf raschen Schritten war er im Nebenzimmer. Flackerndes Kerzenlicht. Zwei Körper im Halbdunkeln. Auf dem Bett. Stöhnen und Seufzen. Wie gebannt starrte er auf die Szene. Irgendwann sah er Furyos Hintern von Janes nacktem Körper gleiten. Es war dunkel im Zimmer, aber nicht so dunkel, dass er ihre weiblichen Rundungen nicht sah.
Jesus Maria!
Er zog seine Hose aus und warf sich auf sie. Sie riss erschrocken die Augen auf. "Hey, Kleiner - spinnst du?!"
Wut packte ihn. Er drückte sie in das Kissen. Sie versuchte sich aufzubäumen und schrie. "Lass mich, du geiler Stotterzwerg!" Sie kreischte.
Jemand packte ihn von hinten an den Haaren und riss seinen Kopf hoch. Ein eiserner Griff schloss sich um seine Haare und zerrte ihn aus dem Bett. Lester und Wash standen über ihm. "Bist du wahnsinnig geworden, DaCol?!"
Der Hass trieb ihm die Tränen in die Augen. Er zog die Beine an und trat zu. Lester ging schreiend in die Knie. Sofort war Wash auf ihm - der...
Erscheint lt. Verlag | 20.9.2023 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
ISBN-10 | 3-7389-8500-X / 373898500X |
ISBN-13 | 978-3-7389-8500-9 / 9783738985009 |
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