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An diesem Morgen geschah etwas, das die Agents Burke und Harris in Staunen versetzte: Der Assistant Director erschien in ihrem Büro, kaum, dass sie den Dienst angetreten hatten. Nachdem er sie mit Handschlag begrüßt hatte, sagte er: „Ich bekam soeben einen Anruf. Es war eine Frau namens Rachel Davidson. Sie hat einen Brief in Händen, in dem Gladys Fleming behauptet, Augenzeuge des Mordes an Richard Parker gewesen zu sein. Bei dem Mörder handelt es sich um Herb Murphy.“

„ Das ist bekannt“, erklärte Owen Burke. „Murphy ist der Bursche, den Gladys Fleming in Notwehr erschoss. Ich glaube, jetzt wird mir einiges klar. Was steht sonst noch in dem Brief?“

„ Auftraggeber für den Mord soll ein Mann namens Steven Cooper gewesen sein“, sagte der AD. „Und Cooper war Parkers Vertrauter. Er stand in der Hierarchie noch über Alfred Parker.“

„ Ich frage mich“, murmelte Owen Burke versonnen, fast wie im Selbstgespräch, „aus welchem Grund Gladys Fleming ihr Wissen dieser Rachel Davidson in einem Brief mitteilt.“

„ Wahrscheinlich befürchtete sie, dass man auch sie töten würde“, antwortete der AD. „Ich schließe auch nicht aus, dass sie versuchte, Cooper zu erpressen. Das war womöglich auch der Grund für den Besuch Murphys bei ihr. - Und ihre Befürchtungen schienen nicht grundlos gewesen zu sein. Gladys Fleming ist seit gestern Abend spurlos verschwunden. Rachel Davidson vermutet, dass sie entweder tot ist oder sich in der Gewalt Coopers befindet.“

„ Wo wohnt Rachel Davidson?“, fragte Burke.

„ 173 West 78th Street.“

Wenige Minuten später waren die Agents unterwegs. Die Wohnung Rachel Davidsons in der 78th Street lag in der Nähe des ‚Museum of Natural History‘ und des Haydn Planetariums. Dahinter erhoben sich die alten Bäume des Central Parks.

Ron Harris fand direkt vor dem Gebäude, in dem Rachel Davidson wohnte, einen Parkplatz. Bei dem Gebäude handelte es sich um ein Hochhaus mit zwölf Stockwerken. Das Apartment lag in der 7. Etage. Sie fuhren mit dem Aufzug nach oben. Als sie den Lift verließen, kam ein Mann aus einer der Wohnungen. Auf seinem Kopf saß eine rote Baseballmütze. Er zog die Tür hinter sich zu, ging schnell zur Treppe und lief sie hinunter.

Eine halbe Minute später wussten die Agents, dass er aus Rachel Davidsons Apartment gekommen war. Und sie konnten feststellen, dass die Tür gewaltsam geöffnet wurde. Als Owen Burke dagegen drückte, schwang sie nach innen auf. Holzsplitter vom Türstock lagen auf dem Boden.

„ Geh du in die Wohnung, Ron!“, gebot Burke und rannte schon los, erreichte die Treppe und sprang sie, immer drei oder vier Stufen auf einmal nehmend, nach unten.

Als er einmal kurz anhielt und lauschte, hörte er weiter unter sich trampelnde Schritte. Der Kerl, der vorhin aus der Wohnung gekommen war, floh. Burke setzte sich kurz entschlossen wieder in Bewegung. Auf einem Treppenabsatz lag die rote Baseballmütze des Mannes, den er verfolgte.

Als er ziemlich außer Atem die Halle erreichte, rannte der Bursche gerade aus der Tür. Es handelte sich um eine Drehtür. Er warf einen gehetzten Blick hinter sich und für einen kurzen Moment sah Burke sein Gesicht.

Der Special Agent erreichte die Tür und war im nächsten Moment draußen. Der Bursche rannte zu einem Ford und öffnete per Fernbedienung die Türen, riss die Fahrertür auf und blickte erneut hinter sich. Er sah Burke mit langen Sätzen näherkommen, und ihm wurde wahrscheinlich klar, dass ihm die Zeit nicht reichte, um den Wagen anzulassen, ihn aus der Parklücke zu steuern und zu fliehen.

Seine Hand zuckte unter die Jacke und kam mit einer Pistole wieder zum Vorschein. Der Gangster repetierte und begann zu feuern. Owen Burke federte zur Seite, ging zwischen zwei am Straßenrand geparkten Fahrzeugen in Deckung und zog seine Dienstwaffe.

Aber der Gangster gab schon Fersengeld. Dabei wandte er sich immer wieder um, um zu sehen, ob ihm Burke folgte.

Der Special Agent kam jetzt hoch und nahm wieder die Verfolgung auf.

Der Gangster rannte in Richtung Central Park, erreichte die Grünanlage des ‚Museum of Natural History‘ mit seiner großen Freitreppe und den Türmen, die dem Gebäude ein schlossähnliches Aussehen verliehen, rannte zwischen dem Museumsgebäude und dem Planetarium hindurch und verschwand gleich darauf im Park.

Owen Burkes Beine wirbelten. Ich rannte direkt hinter dem Gangster her. Als ein Schuss krachte, sprang er zur Seite und registrierte die Gestalt zwischen den Büschen. Wieder feuerte der Gangster, dann hetzte er die Böschung zum West Drive hinauf, überquerte ihn und verschwand auf der anderen Seite.

Auch Burke kletterte den Steilhang hinauf und befand sich auf dem West Drive. Rechter Hand sah er den großen See, der den Namen ‚The Lake‘ trägt. Unter ihm war die Transverse Road Nummer 2, die sich quer durch den Park zog und über die der West Drive führte.

Der Special Agent keuchte wie eine alte, ausgediente Dampflokomotive. Sein Gesicht war gerötet, seine Lungen pumpten, sein Atem flog und er schwitzte.

Der Gangster war zwischen den Büschen verschwunden, als hätte ihn die Erde verschluckt.

Burke rannte wieder los, denn er wollte den Kerl unbedingt erwischen.

Burke begann, das Gebiet nördlich der Transverse Road zu durchkämmen. Auch der Gangster würde Luft schnappen müssen; immerhin hatte er einen Spurt hingelegt, der so manchem Leichtathleten zur Ehre gereicht haben würde. Dass er konditionell besser drauf war als er, Owen Burke, der regelmäßig Sport trieb und an den Wochenenden stundenlang joggte, daran glaubte der G-man nicht. Also ging er davon aus, dass sich der Kerl irgendwo versteckt hatte.

In der Tat! Er kauerte zwischen einigen Koniferen. Burke nahm ihn in dem Moment wahr, als er abdrückte, und hechtete ansatzlos zu Boden. Der Schuss peitschte, aber die Kugel pfiff an dem G-man vorbei. Er rollte sich über die Schulter ab, kam vom eigenen Schwung getragen wieder hoch und feuerte.

Doch sein Gegner war schon herumgewirbelt und setzte seine Flucht fort.

„ Stehenbleiben!“, brüllte Burke. „FBI!“

Die Antwort war ein Schuss, den der Gangster im vollen Lauf abgab, doch die Kugel verfehlte den Agent. Der Kerl hielt auf den Belvedere Lake zu. Burke konnte schon das Belvedere Castle am Südwestufer des Sees sehen. Es handelt sich hierbei um den höchsten Punkt des Parks. Das Castle ist eine Stiftung des Verlegers George T. Delacorte. Von hier hat man den schönsten Ausblick auf den Central Park und auf Manhattan.

Im Innern von Belvedere Castle befindet sich das ‚Central Park Learning Center‘. Im so genannten ‚Discovery Chamber‘ erhalten Interessierte einen Überblick über die Fauna des Central Parks. Das Castle dient darüber hinaus aber auch als Wetterstation.

Der Gangster rannte an dem Castle vorbei. Weiter östlich tauchte das Gebäude des ‚Metropolitan Museum of Art‘ zwischen Bäumen und Büschen auf. Dahinter beginnt die Ostseite Manhattans. Die Grenze zwischen Ost- und Westmanhattan bildet die Fifth Avenue.

Burke feuerte einen Schuss in die Luft ab und der Kerl verschwand blitzartig hinter einem Baum.

Der Special Agent war hinter dem dicken Stamm einer Pappel in Deckung gegangen. „Geben Sie auf!“, rief er. „Sie entkommen mir nicht.“

Der Gangster schwieg. Der Special Agent lugte hinter dem Stamm der Pappel hervor, und sofort schoss der Bursche. Rinde spritzte, als seine Kugel den Baum streifte. Burke hatte sein Gesicht zurückgezogen.

Der Special Agent setzte alles auf eine Karte und rannte geduckt – Schuss um Schuss in die Richtung des Gangsters feuernd -, über die Wiese, erreichte wieder einen Baum und presste sich hart an den Stamm. Als der Kerl das Feuer erwiderte, war Burke schon in Sicherheit. Der Knall trieb auseinander und verklang. Owen Burke dankte dem Himmel, dass es ein trister Tag war und dass sich keine Spaziergänger in den Central Park verirrt...