[empfindungsfæhig] (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
448 Seiten
lectorbooks (Verlag)
978-3-906913-41-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

[empfindungsfæhig] -  Reda El Arbi
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Ein rasanter und messerscharfer Science-Fiction Roman u?ber zuku?nftige Macht und Empathie von KI-Einheiten. Im Fru?hling 2082 wird die zivilisierte Welt von vernunftbegabten KI-Einheiten regiert, die Schweiz ist eine Sonderzone in der EU und das Flussbett der Limmat aufgrund der Wasserknappheit trockengelegt. In einem Zu?rich zwischen superreichen, allmächtigen Großkonzernen, sogenannten Corpos, sowie den unabhängigen, aber mittellosen Bewohnern des Shantytowns in der Innenstadt ermittelt Lea Walker. Die Ex-Drogensu?chtige, stets begleitet von ihrer intelligenten und empathischen Armprothese Cali7, wird eines verkaterten Morgens von der Vergangenheit eingeholt. Ein alter Freund ihrer Mutter, der Ermittler Patrik Meyr, soll die Ermordung einer kanadischen Top-Coderin sowie einen Anschlag auf die regierende KI EuroGov aufklären und braucht Walkers Hilfe. Die atemlose Jagd nach einem alten Datenspeicher mit einem fu?r Regierungs-KIs tödlichen Virus beginnt. Die Spur fu?hrt sie von Hamburg u?ber Zu?rich bis in die hinterwäldlerischen Christlichen Staaten von Amerika und in ein komplett libertäres Orbital, 36000 Kilometer u?ber dem Planeten. Und schlussendlich zuru?ck zum Ursprung der mächtigsten KIs und einem misslungenen Anschlag mit furchterregenden Folgen...

Reda El Arbi, geboren 1969. Journalist, Blogger, Campaigner, Texter. Kaffee, Zigaretten. El Arbi hat bis 2018 in verschiedenen Schweizer Medientiteln unverblu?mt seine Meinung kundgetan. Er tut dies weiterhin u?ber seinen Twitter-Account mit mehr als 17'000 Followern (@redder66). »empfindungsfaehig« ist sein erster Roman.

Reda El Arbi, geboren 1969. Journalist, Blogger, Campaigner, Texter. Kaffee, Zigaretten. El Arbi hat bis 2018 in verschiedenen Schweizer Medientiteln unverblümt seine Meinung kundgetan. Er tut dies weiterhin über seinen Twitter-Account mit mehr als 17'000 Followern (@redder66). »empfindungsfaehig« ist sein erster Roman.

[Gebratenes]


Hamburg 2082


Wie winzige, rote Würmer schimmerten die geplatzten Blutgefäße im gelblichen Augapfel. Getrocknete, rostbraune Rinnsale führten von Ohr und Nase den Kiefer entlang über den weichen Kragen auf den Teppich. Absorbierende Fasern machten sich bereits über das organische Material her und verdauten es in wiederverwertbare Elemente für das Recyclingsystem des Gebäudes.

»Recycling stopp«, wies Meyr die Gebäude-KI über die Schulter an, als ob die virtuelle KI-Persona direkt hinter ihm stehend auf Anweisungen warten würde. Von bloßem Auge konnte er nicht erkennen, ob der Vorgang stoppte, und sein BrainAssistent bekam keine Bestätigung der Haus-KI. Stirnrunzelnd schob er seine altertümliche Brille hoch, zog seinen Inhalator aus der Innentasche und drückte sich zischend eine Dosis in den Mund. Die Zeit verlangsamte sich, und die Details seiner Umgebung gewannen an Schärfe, als das ProtoCain seine Wirkung entfaltete. Viele Menschen benutzten heutzutage gezielte Nanoerweiterungen, um ihren Intellekt zu boostern. Meyr, mit einem natürlichen IQ von über 140, brauchte etwas anderes. Der kurze ProtoCain-Schub fuhr seine emotionale Bandbreite hoch und schob die ihn sonst beherrschende Ratio beiseite, um der Intuition Platz zu machen. Die Droge verschaffte ihm besseren Zugang zu der sehr archaischen Systemerkennung, die es schon den ersten Menschen in der afrikanischen Steppe ermöglicht hatte, zwischen den Blättern eines Busches ein einzelnes Paar Raubtieraugen auszumachen. Die Mischung braute ein Bekannter extra für Meyrs Biochemie zusammen. Normalerweise hielt die Wirkung ungefähr dreißig Sekunden an, danach löste sich der Stoff ohne weitere Folgen im Blutkreislauf auf.

Konzentriert wandte der Ermittler seine Aufmerksamkeit wieder der Leiche zu.

Der gebrochene Blick der Frau zeigte in Richtung Fensterfront und verlor sich in den vom Mond erhellten Wolkentürmen über der Nordsee. Mitte vierzig, mit schickem Undercut und weißblondem Deckhaar, die zarten Silberlinien der Programmierer-Implantate schimmerten an der Schläfe, und eine kleine Tätowierung – ein stilisierter Fuchs – zierte die zarte Haut über dem rechten Schlüsselbein. Die Kleidung unauffällig, beinahe schon langweilig, die zierlichen Arme unbedeckt und trotz Rigor Mortis weich. Ein Fuß steckte in einem erdfarbenen Mokassin, der zweite hatte sich wahrscheinlich in einem Krampf vom Schuh befreit. Die Hose aus verwaschenem blauem Retro-Denim war über dem rechten Knöchel hochgerutscht. Keine Anzeichen von Gewalt. Das Opfer war aus dem Sitzen nach vorne gerutscht, zwischen das unbequeme Sofa und den niedrigen Couchtisch, die rechte Hand mit dem Siegelring ihrer Kaste noch auf der Kunstglasplatte. Der geneigte Oberkörper verdeckte den linken Arm, die knapp sichtbare Hand zur Faust verkrampft. Seine drogeninduzierte Intuition ließ Meyrs Wahrnehmung kurz erzittern. Sein Blick glitt zurück zur verkrampften Faust. Die Haltung passte nicht zum restlichen, gelösten Körper. Die Tote hatte sich im Sterben bewusst dazu entschieden, die Faust zu ballen. Er beugte sich herunter. Etwas Grünes schimmerte in der Höhle zwischen Handfläche und Fingern. Er nahm einen Stift aus der Innentasche seiner Jacke und bog damit die verkrampfte Hand auf. Eine kleine Plastikfigur, ein Schlüsselanhänger in der Form einer Comic-Schildkröte, löste sich und fiel auf den Teppich. Nachdenklich betrachtete der Ermittler die Figur und steckte sie dann ein, ohne einen Vermerk in seinem BrainAssistenten zu hinterlassen. Sein Blick wanderte nochmals über die Leiche. Eine weitere Unregelmäßigkeit zupfte an seinem Unterbewusstsein, aber er konnte sie nicht sehen. Er schloss die Augen, um sich besser auf seine anderen Sinne fokussieren zu können. Ungewöhnliche Stille. Der sehr zarte Geruch von Gebratenem lag in der Luft, kaum wahrnehmbar, aber unbestreitbar vorhanden. Seltsam, da die Küchennische nicht die geringsten Spuren von Gebrauch aufwies. Zudem war Fleisch in den veganen Kreisen der Coder-Subkultur verpönt. Meyr notierte sich dieses Detail mit einem mentalen Befehl in seinem BrainAssistenten.

Leise ächzend erhob er sich. Meyr war ein großer Mann in den frühen Fünfzigern, schlaksig, aber nicht dürr, mit einem schmalen Gesicht, das schon als hart bezeichnet wurde. Er leistete sich in einer Zeit der medizinischen Nanokorrekturen die Eitelkeit einer anachronistischen Halbrahmenbrille, die seinen ausgewaschenen grauen Augen etwas Gleichgültiges gab. Die ungewohnt gebückte Haltung triggerte die Erinnerung an eine alte Rückenverletzung, wie häufiger in letzter Zeit. Selbst Nanomedizin konnte nur reparieren, keine Wunder vollbringen. Bei der Arbeit verzichtete er auf Schmerzmittel, weil diese die Wirkung seines Inhalators beeinflussen konnten.

Mit einer unbewussten Bewegung zupfte er die Weste seines dunkelgrauen dreiteiligen Anzugs zurecht und lockerte mit einem Finger den Hemdkragen. Es war heiß, offenbar hatte sich die Klimaanlage verabschiedet. Der Leichenbeschauer sollte die Leiche wohl bald abtransportieren. Zum wiederholten Male fragte sich Meyr, was zum Teufel er in dieser unpersönlichen Mietbleibe am Hamburger Hafen, zweitausend Kilometer von zu Hause entfernt, verloren hatte. Durchs geschlossene Fenster blickte er über die Nordsee, die sich in den letzten Jahrzehnten von Westen her bis zur Stadt durchgefressen hatte. Durch die energiereichen Naniten, die das Wasser von Plastik und anderen Verunreinigungen befreiten, entstand ein warmes, fast romantisches Glimmen in den Wellen. Die KIs säuberten den Planeten von den Sünden der Menschheit. Er mochte das Meer nicht. Es hatte in seiner Gier mehrere Städte verschlungen, die er als junger Mann geliebt hatte. Er riss sich zusammen und schob die Melancholie, die ihn in letzter Zeit des Öfteren befiel, mit einem mentalen Kraftakt beiseite.

Das leise Zischen des Inhalators, mit dem er sich geistesabwesend eine weitere Dosis genehmigte, begleitete seinen prüfenden Blick. Er nahm erneut den Tatort in sich auf: eine typische Corpo-Unterkunft in einem Apartmentkomplex für vorübergehende Gäste. Auf einem marineblauen Wandboard versuchten künstliche Blumen in einer giftgrünen Vase, eine aggressive Illusion von Fröhlichkeit zu erzeugen, das leuchtende Orange der Sessel lieferte sich ein nerviges Duell mit den senfgelben Wänden. Meyr schauderte innerlich und fragte sich, ob er bereits in dem Alter war, in dem man neues Design einfach nicht mehr verstand. Nichts Privates störte die sterile Atmosphäre des Mietraums, kein Getränk auf dem Tisch, keine Jacke auf dem Sessel, keine Tasche an der Tür, nichts. Ein Blick ins Schlafzimmer zeigte ihm, dass das Bett noch immer mit der üblichen Monomolekülfolie versiegelt war. Die Frau schien nicht hier gewohnt zu haben, das Ganze sah mehr nach einem anonymen Treffpunkt aus. Trotzdem fehlten Dinge. Geld, Ausweispapiere, persönliche Gegenstände, die man auch bei einem kurzen Treffen auf sich trug. Die Monitore an den Wänden waren stumm und blind, keine virtuelle Kunst, keine Monitoransicht, kein Newsfeed, alle interaktiven Funktionen waren deaktiviert und bildeten graue, rechteckige Löcher in der überbunten Umgebung. Die Absenz des sonst allgegenwärtigen audiovisuellen und virtuellen Datenflusses, die Stille, war sowohl das Auffälligste als auch das Unwirklichste am ganzen Tatort. Meyr suchte mit seinem BrainAssistenten nochmals nach der Haus-KI, griff aber in eine digitale Leere. Er zuckte mit den Schultern. Wahrscheinlich hatte die EuroGov-KI den Raum und die nähere Umgebung datentechnisch versiegelt und die Haus-KI und die Streams ausgesperrt.

Draußen vor der Tür hörte er die beiden uniformierten Junior-Agenten, eine Frau und ein pickliger Junge, leise miteinander tuscheln. Sie gehörten zum menschlichen EuroGov-Ausbildungscorps. Ein leicht zynisches Lächeln über den Stolz, mit dem die jungen Leute die grau-blaue Uniform trugen, zeigte sich auf Meyrs Lippen. Für diese Generation verkörperte die Regierungs-KI beinahe eine Gottheit, kannten sie doch nur eine Welt, in der Menschen von künstlichen Superintelligenzen umsorgt wurden. Die beiden hatten ihn mitten in der Nacht freundlich, aber nachdrücklich aus seiner gemütlichen Wohnung in London gezerrt, in der er sich vor den Menschen versteckte und nur in Gesellschaft seines Hundes die Neuzugänge seiner Sammlung antiker Literatur aus dem 20. Jahrhundert genoss. Gnadenlos freundlich hatten sie ihn in den bereitstehenden EuroGov-Atmosphärengleiter verfrachtet und von Camden Town über den Ärmelkanal nach Nordosten geflogen. Normalerweise kontaktierte ihn die europäische Regierungs-KI direkt oder über die zuständigen Ermittlungsteams vor Ort, wenn wieder einmal seine Expertise gefragt war. Diesmal schien sie sich damit zu begnügen, ihre jugendlichen Minions zu schicken. Auf dem Flug hatte sein BrainAssistent einen respektablen neuen Betrag auf seinem Konto registriert, dazu die Zustellung einer Verschwiegenheitserklärung und die Ermittlungs-Credentials für seine Person, aber keine weiteren Details, keine...

Erscheint lt. Verlag 28.8.2023
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte AI • Anschlag • Ermittlung • KI • Künstliche Intelligenz • Orbital • Prothese • Wasserknappheit • Zürich
ISBN-10 3-906913-41-4 / 3906913414
ISBN-13 978-3-906913-41-4 / 9783906913414
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