Teufelsbrut (eBook)
329 Seiten
tolino media (Verlag)
978-3-7579-5757-5 (ISBN)
Sarah M. T. Bacher, Jahrgang 1986, lebt in den Bergen Österreichs und hat Spanisch sowie Russisch studiert. Ihre Leidenschaft für Sprachen und für das Lesen - vorzugsweise von Thrillern - führte eines Tages unweigerlich dazu, selbst die Feder in die Hand zu nehmen. Angefangen als Ghostwriter, entschied sie schon bald, ihr erstes eigenes Buch zu schreiben, inspiriert von großen Vorbildern wie Sebastian Fitzek und Joy Fielding.
Sarah M. T. Bacher, Jahrgang 1986, lebt in den Bergen Österreichs und hat Spanisch sowie Russisch studiert. Ihre Leidenschaft für Sprachen und für das Lesen – vorzugsweise von Thrillern - führte eines Tages unweigerlich dazu, selbst die Feder in die Hand zu nehmen. Angefangen als Ghostwriter, entschied sie schon bald, ihr erstes eigenes Buch zu schreiben, inspiriert von großen Vorbildern wie Sebastian Fitzek und Joy Fielding.
Lenore
Es vergeht kaum ein Tag, an dem ich diesem verwöhnten Gör nicht am liebsten ihr freches Grinsen aus dem Gesicht schlagen würde. Und manchmal tue ich das auch, denn in meiner Tochter steckt etwas Böses, etwas Unberechenbares, das ausgetrieben werden muss. Ein wahrhaftiger Christ unterwirft sich Zucht und Ordnung, wie Paulus bereits in seinem ersten Brief an die Korinther schrieb. Und unter meinem Dach leben rechtschaffene Christen, so wahr mir Gott helfe.
Ich sehe sie zu einer jungen Frau heranwachsen. Ihre Figur nimmt langsam zaghafte Rundungen an und sie trägt neuerdings Lipgloss, wenn sie morgens das Haus verlässt. Wo sie dieses Teufelszeug herhat, ist mir schleierhaft, denn sie bekommt kein Taschengeld, doch ich nehme mal an von einer ihrer beiden Freundinnen. Kitty und Katy - oder wie auch immer diese ebenso eingebildeten Mädchen heißen mögen - erwarten Prinzessin stets für ihren gemeinsamen Fußweg zur Schule. Manchmal stecken sie kichernd die Köpfe zusammen, während sie zu unserem Schlafzimmer heraufschauen. Ihr spöttisches Lästern kann ich dann beinahe durch das geschlossene Fenster hören.
Izzy ist unser einziges Kind, unser einziges lebendiges Kind. Mein Mann Andrew und ich hatten uns immer einen Sohn gewünscht. Es dauerte Jahre, bis wir schließlich die frohe Botschaft erhielten, dass ich Leben in mir trug. Dementsprechend überwältigt waren wir, als uns der Arzt in der zwölften Schwangerschaftswoche mit der Neuigkeit überraschte, wir würden Zwillinge bekommen. Das Geschlecht konnte zur damaligen Zeit zwar noch nicht so einfach festgestellt werden, doch ich fühlte, dass ich zumindest einen Jungen in mir trug. Ein Sohn wäre bereits ein Segen, zwei Söhne ein Geschenk des Himmels. In der dreiunddreißigsten Woche bekam ich eines Nachts plötzlich unerträgliche Schmerzen und starke Blutungen. Andrew brachte mich auf dem schnellsten Weg ins Krankenhaus, wo ein Notkaiserschnitt durchgeführt werden musste. Ein Kind starb, eines überlebte. Ich hielt meinen toten Jungen so lange im Arm, bis mich die Schwestern nahezu gewaltsam von ihm trennen mussten. Das Mädchen hingegen konnte ich nicht an mich nehmen. Ich sollte ihr längst die Brust geben, denn sie schrie und schrie vor Hunger, doch ich brachte es einfach nicht über mich. Schon während ihrer Geburt fühlte ich, dass sie Unheil über meine Familie bringen würde. Schlussendlich brachte eine Hebamme sie ins Säuglingszimmer und gab ihr ein Fläschchen. Das nehme ich zumindest an, denn als sie zurückkehrte, wiegte sie ein zufriedenes Baby in ihren Armen. Vorsichtshalber überreichte sie das Kind meinem Mann, der in einem unbequemen Metallstuhl an meinem Bett saß. Wir sprachen bis dahin kaum ein Wort miteinander, denn es gab nichts zu sagen. Andrew breitete die Arme aus, um das Mädchen entgegenzunehmen. Eingehüllt in eine weiße Decke, konnte ich bloß ein runzliges, gerötetes Gesicht erkennen. Die rabenschwarzen Augen standen weit offen und starrten mich nun direkt an. Das Einzige, was ich darin sehen konnte, war die leibhaftige Reinkarnation des Bösen. In diesem Moment wusste ich, dass sie allein für den Tod unseres Jungen verantwortlich gewesen war. Diese Teufelsbrut hatte meinen Sohn im Mutterleib getötet.
Manche Menschen kommen bereits verdorben zur Welt und Izzy ist einer davon. Doch den Verstoß gegen das Fünfte Gebot wird der Herr nicht ungestraft lassen. Eines Tages wird das Mädchen dafür in der Hölle schmoren. Bis dahin darf jedoch niemand erfahren, wie ich dem Kind gegenüber fühle. Ein rechtschaffener Christ lebt in Vergebung und überlässt dem Herrn die Führung, auch wenn manche seiner Wege unergründlich sind.
Andrew und Izzy führen hingegen eine stabile Vater-Tochter-Beziehung. Mein treuherziger Ehemann ist vom reinen Licht Gottes geblendet, denn im Gegensatz zu mir hegte er nie einen Groll gegen das Kind. Er liebt sie aus tiefstem Herzen, das kann ich an seinen leuchtenden Augen erkennen, wenn er sie ansieht. Das Mädchen hat ihn von Anfang an mit Leichtigkeit um den Finger gewickelt. Mit sieben Jahren hat sie ohne fremde Hilfe eine hölzerne Jesuskrippe für ihn gebaut und ihm ein paar Jahre später eine zugegebenermaßen nicht ganz so miserable Kopie von Da Vincis „Das letzte Abendmahl“ auf Leinwand gemalt. Wenn sie Kummer hat, sucht sie ausschließlich Trost bei ihrem Vater, und manchmal tauschen die beiden heimliche Blicke, deren Bedeutung mir verwehrt bleibt. Es ist ein Spiel, das Izzy inzwischen meisterlich beherrscht. Zudem ist sie nicht hässlich, zumindest scheint das die allgemeine Meinung zu sein, und das weiß sie auch einzusetzen. Ihr langes, honigblondes Haar reicht ihr bis zur Taille, sie ist hochgewachsen und gertenschlank. Mit ihren großen, rehbraunen Augen, den vollen Lippen und der milchigen Haut gleicht sie einer Porzellanpuppe. Pubertierende Jungen und selbst ältere Männer fangen bereits an, sich verstohlen auf der Straße nach ihr umzudrehen. Es ist widerwärtig, wie das Teufelskind sie alle in ihren Bann zieht. Doch mich kann sie nicht täuschen. In meinen Augen wirkt sie schlichtweg gewöhnlich und eingebildet. Zudem ist es nicht die äußere Schönheit, die uns ein Leben im Paradies beschert, sondern einzig und allein die innere. Und der Tag wird kommen, an dem meiner Tochter die gerechte Strafe widerfährt. Bis dahin liegt die Erziehung des Mädchens allerdings in meinen von Gott geführten Händen und ich werde nicht davor zurückschrecken, ihr die Zehn Gebote einzuprügeln, wenn es denn sein muss.
„Guten Morgen, Lenore!“
Mein Mann Andrew kommt wie jeden Morgen pünktlich um sieben Uhr in die Küche, um am gedeckten Tisch sein Frühstück einzunehmen, ehe er den restlichen Tag der Kirche widmet. Vor knapp zwanzig Jahren hat Andrew sich der Church of England verpflichtet, seither dient er als anglikanischer Pfarrer den Gläubigen von Old Bridge. Im hereinfallenden Sonnenlicht fällt mir auf, dass sein dunkles Haar bereits von feinen, grauen Strähnen durchzogen ist. Andrew ist kein eitler Mann, sondern von Natur aus gutaussehend. Viele alleinstehende Frauen aus unserer Gemeinde suchen das Haus Gottes nur aus einem einzigen Grund auf, und zwar um meinem attraktiven Ehemann nahe zu sein. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Schließlich sind die begierigen Blicke, die sie Andrew während der Messe zuwerfen, nicht zu übersehen. Hätte ich vor beinahe siebzehn Jahren einen anderen geheiratet, würde ich mir darüber wahrscheinlich den Kopf zerbrechen. Doch mein Mann lebt strikt nach den heiligen Geboten und lehnt alles ab, was einer Sünde gleichkommt. Den Geschlechtsakt an sich haben wir vor Izzys Geburt lediglich aus dem einzig wahren, dafür vorgesehenen Grund vollzogen. Seither leben wir in Keuschheit aus Demut vor dem Herrn.
Ich serviere ihm eine dampfende Tasse Schwarztee, dazu Spiegeleier mit Speck. Während ich mich über ihn beuge, dankt er mir für gewöhnlich und haucht mir einen zärtlichen Kuss auf die Wange. Doch heute sieht er nicht einmal zu mir auf, sondern blättert weiter in seiner Zeitung. Gerade, als ich mich zu ihm setze, um noch ein wenig Zweisamkeit zu genießen, kommt Izzy zur Tür herein. Das ist so typisch für dieses Mädchen, immer muss sie sich zwischen uns drängen.
„Guten Morgen, mein Kind!“, empfange ich sie bemüht freundlich, wie immer in Andrews Gegenwart, und stehe sogleich wieder auf, um auch ihr Frühstück anzurichten.
In sich gekehrt, wie sie seit einiger Zeit ist, lehnt sie murmelnd ab, greift sich einen Apfel aus der Obstschale und ist bereits zur Tür hinaus, ehe die Eier kalt werden können. Mein Mann schüttelt bloß resigniert den Kopf.
„Die Pubertät ist eben eine schwierige Phase, damit müssen wir uns wohl abfinden. Gott wird sie schon auf den rechten Weg führen“, sagt Andrew, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder ganz der Daily Mail widmet.
Und damit ist unsere Unterhaltung, welche noch nicht einmal richtig begonnen hat, offenbar auch wieder beendet.
Nachdem Andrew schließlich das Haus verlassen hat, nehme ich mir die Hausarbeit vor. Donnerstag ist Putztag. Ich mache zwar nur einmal wöchentlich sauber, dafür jedoch gründlich. Wie immer beginne ich mit Izzys Zimmer, denn unsere Tochter ist ein unordentliches Ding. Natürlich ist sie längst alt genug, um selbst aufzuräumen, doch sie macht es nun mal nicht so, wie ich es haben möchte. Sie ordnet ihre Bücher nach Autoren, nicht nach Genres. Ihre Kleider hängt sie willkürlich in den Schrank, anstatt sie nach Kategorien zu sortieren. Blusen zu Blusen, Röcke zu Röcken. Selbst das Bett macht sie völlig falsch. Dieses Chaos ist unakzeptabel, also mache ich mich zum wiederholten Mal daran, alles so anzuordnen, wie es gehört. Als ich den kleinen Raum betrete, steigt mir der süßliche Geruch ihres Apfelshampoos in die Nase. Rasch öffne ich das Fenster, um den unverkennbaren Duft meiner Tochter nach draußen zu befördern. Izzys Lieblingsbrettspiel, Trivial Pursuit, liegt auf dem kleinen Schreibtisch. Der Deckel ist geöffnet und die Tortenstücke sind achtlos über den Tisch verstreut. Sie muss es gestern Abend noch gespielt haben, denn gegen Mittag, als ich zum letzten Mal in ihrem Zimmer war, lag es noch nicht dort. Es ist mir ohnehin ein Rätsel, wie man dieses Spiel immer und immer wieder allein spielen kann.
Als ich mit dem Bücherregal und dem Kleiderschrank fertig bin, ziehe ich zu guter Letzt die längst überfällige Bettwäsche ab. Dabei sticht mir ein bräunlicher Fleck auf dem Laken ins Auge. Bei näherer Betrachtung wird mir klar, dass es getrocknetes Blut sein muss. Es sieht so aus, als sei meine Tochter endlich zur Frau geworden. Mit vierzehn Jahren ist sie ohnehin spät entwickelt.
Nachdem ich auch den Rest des Hauses sauber gemacht habe, fange ich an, das Mittagessen vorzubereiten. Um Punkt ein...
Erscheint lt. Verlag | 31.8.2023 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Häusliche Gewalt • Psychische Erkrankung • Psychothriller • Seele • Spannung • Thriller |
ISBN-10 | 3-7579-5757-1 / 3757957571 |
ISBN-13 | 978-3-7579-5757-5 / 9783757957575 |
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Größe: 334 KB
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