Commissaire Marquanteur und die Schüsse auf Monsieur Marteau: Frankreich Krimi
von Alfred Bekker
Wer will Polizeichef Marteau töten? Nach unmissverständlichen Drohbriefen folgt ein ernstzunehmender Anschlag. Den Videoaufnahmen nach handelt es sich um eine Frau, und der Verdacht konzentriert sich auf die Tochter eines Auftragsmörders. Ist sie die einzige, die den Chef gern tot sehen möchte? Commissaire Marquanteur und seine Kollegen ermitteln unter Hochdruck.
Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton Reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Jack Raymond, Jonas Herlin, Dave Branford, Chris Heller, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.
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Alfred Bekker
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© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Mein Name ist Pierre Marquanteur. Ich bin Commissaire in Marseille. Mein Kollege François Leroc und ich sind Teil einer Sonderabteilung, die den etwas umständlichen Namen Force spéciale de la police criminelle, kurz FoPoCri, trägt und sich vor allem der Bekämpfung der organisierten Kriminalität gewidmet hat.
Unser Chef ist Monsieur Jean-Claude Marteau, Commissaire général de police.
Eigentlich sind es Leute wie François und ich, die in der Schusslinie stehen. Ermittler im Außendienst eben. Und der Chef der Abteilung hat natürlich auch alle Hände voll zu tun – nur erledigt er das vom Büro aus, und seine Sekretärin versorgt ihn mit so viel von ihrem guten Kaffee, wie hineingeht und nötig ist, um ab und zu mal eine Nacht durchzuarbeiten.
Aber diesmal war es anders.
Diesmal stand der Chef selbst in der Schusslinie.
*
Monsieur Jean-Claude Marteau erstarrte, als er den roten Punkt über das Grau seines Mantels zucken sah.
Der Laserpointer eines Zielerfassungsgerätes!
Monsieur Marteau reagierte blitzschnell. Er warf sich hinter eines der am Straßenrand parkenden Fahrzeuge zur Seite.
Sekundenbruchteile später schlug ein Projektil in den Asphalt ein. Ein Schussgeräusch war nicht zu hören. Monsieur Marteau kauerte hinter einem Renault, zog die Dienstwaffe hervor und wartete ab.
Irgendwo in dieser schmalen, unübersichtlichen Seitenstraße lauerte ein Killer auf ihn.
Monsieur Marteau umrundete in geduckter Haltung den Renault. Aufmerksam streifte sein Blick die Fassaden der Häuser, die Balkone, die Reihe der parkenden Wagen am Straßenrand. Der Killer hatte alle Vorteile auf seiner Seite.
Wieder sah Monsieur Marteau den Laserpunkt tanzen.
Er duckte sich.
Kugeln schlugen durch die Bleche des Renaults, ließen einen der Reifen platzen und die Scheiben zerspringen. Ein Satz, und Monsieur Marteau hatte sich hinter dem dahinter parkenden Van einer Installateurfirma verschanzt.
Passanten blieben stehen, hier und da war ein Panikschrei zu hören.
Monsieur Marteau griff in die Innentasche seines Mantels und holte sein Handy hervor. Die Nummer des FoPoCri-Präsidiums Marseille war in das Menü einprogrammiert. Ein Knopfdruck, und er war verbunden.
»Hier Jean-Claude Marteau«, meldete er sich. In knappen Worten gab er seine Position und Lage durch.
Verstärkung war unterwegs. Aber bis die eintraf, würde es noch etwas dauern.
Monsieur Marteau klappte das Handy ein, steckte es weg und tauchte vorsichtig hinter seiner Deckung hervor. Die Pistole vom Typ SIG Sauer P 226 hielt er dabei im beidhändigen Anschlag.
Ein Schuss zischte haarscharf an Monsieur Marteaus Kopf vorbei.
Sein Blick glitt hoch, entlang an den Hausfassaden. Fieberhaft versuchte er zu erkennen, von wo aus man ihn ins Visier genommen hatte.
Er sah eine Bewegung an einem Fenster im dritten Stock. Ein Gewehrlauf wurde zurückgezogen.
Monsieur Marteau umrundete in geduckter Haltung den Van, lief über die Straße. Einige Passanten beobachteten ihn dabei misstrauisch. Monsieur Marteau holte seinen Dienstausweis hervor, hielt ihn hoch und rief: »Gehen Sie aus der Schusslinie! Da oben ist ein Killer.«
Monsieur Marteau erreichte die andere Straßenseite. Er hetzte den Bürgersteig entlang. Seine Kondition war zwar nicht mehr so gut wie damals, als er ein junger Mann war, aber für einen Mann seines Alters war er in guter körperlicher Verfassung.
Aus der Ferne hörte er die Sirenen eines Polizei-Fahrzeugs. Er konnte nicht warten, bis die Kollegen am Ort des Geschehens waren. Er wollte den geheimnisvollen Killer stellen, der es auf ihn abgesehen hatte. Monsieur Marteau lief auf den Eingang des Gebäudes zu, in dem er den Killer gesehen hatte.
Haus Nummer 234.
Es war kein moderner Bau. Und das in jeder Hinsicht. Die Fassade bröckelte, und die Videokamera über der Tür hatte eine zersprungene Linse.
Monsieur Marteau drückte ein gutes Dutzend Klingelknöpfe. Ein Surren ertönte.
Die Tür ließ sich öffnen. Monsieur Marteau stürmte zu den Aufzügen.
Auch sie wurden eigentlich von Videokameras überwacht.
Jemand hatte die Kabel herausgerissen. Sicherheitspersonal schien es in Nummer 234 nicht zu geben. Man verließ sich auf die Videokameras, die so etwas wie eine Illusion von Sicherheit erzeugten.
Einer der Aufzüge öffnete sich.
Ein Mann in einer dunkelbraunen Jacke trat heraus. Über der Schulter trug er eine längliche Tasche, wie man sie für Golfschläger verwendete.
Monsieur Marteau hielt ihm seinen Ausweis unter die Nase.
»FoPoCri! Bitte öffnen Sie die Tasche!«
Der Mann war etwas verdutzt, gehorchte dann aber. Sehr vorsichtig öffnete er das langgezogene Futteral. Es enthielt tatsächlich Golf-Schläger.
»Verzeihen Sie«, sagte Monsieur Marteau.
»Schon gut. Was ist denn los?«
»Wo wohnen Sie?«
»Dritter Stock.«
»Sind Sie gerade jemandem begegnet?«
»Nein. Ich wohne in Apartment C 23, bin durch die Tür und dann zum Aufzug gegangen.«
»Niemand da?«
»Nein.«
»Gibt es einen zweiten Ausgang?«
»Ja, aber der ist abgeschlossen, da kommen Sie nicht so einfach durch – es sei denn, Sie wohnen hier und haben einen Schlüssel.«
»Danke.«
Indessen heulten Sirenen durch die Straße. Das waren die Kollegen der Polizei.
Die Aufzugtür bewegte sich. Ehe sie sich schließen konnte, stellte Monsieur Marteau den Fuß dazwischen. In einem der oberen Stockwerke hatte jemand den Aufzug aktiviert. Aber solange die Sensoren der Schiebetür einen Widerstand registrierten, verhinderte die Sicherheitsschaltung, dass der Lift benutzt werden konnte. Monsieur Marteau zog seinen Mantel aus, rollte ihn zu einem Bündel und legte ihn so auf den Boden, dass sich die Tür nicht schließen konnte.
»Rühren Sie das nicht an!«, wies Monsieur Marteau den Mann in der braunen Jacke an. Seine Stimme hatte einen autoritären Klang, der keinen Widerspruch duldete. »Gehen Sie hinaus zu den Beamten der Polizei und sagen Sie Ihnen, dass sie das Haus umstellen sollen!«
Der Mann stand wie erstarrt da.
»Na los!«, forderte Monsieur Marteau nachdrücklich. »Worauf warten Sie noch?«
Der Mann in der braunen Jacke setzte sich zögernd in Bewegung.
Monsieur Marteau ging indessen vorsichtig die Treppe hinauf.
Nachdem der Aufzug funktionsunfähig war, gab es nur diesen Weg hinunter. Das hatte er gewollt.
Monsieur Marteau nahm die SIG in beide Hände.
Normalerweise residierte er in seinem Büro im Polizeipräsidium und koordinierte die Einsätze des FoPoCri-Präsidiums von Marseille. Ein Schreibtischjob. Aber wenn er auch nicht so im Training war wie die aktiven Commissaires im Außendienst, so hatte er doch nichts verlernt.
Er arbeitete sich bis zum ersten Treppenabsatz vor. Den Lauf der SIG ließ er herumschnellen, riss ihn empor.
Es war niemand zu sehen.
Mit großen Schritten ging er...