Schneesturm (eBook)
384 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-491808-2 (ISBN)
Tríona Walsh liebt es, Krimis und Thriller zu lesen und zu schreiben, ist im wirklichen Leben aber ziemlich gesetzestreu. Die zweimalige Gewinnerin des Wettbewerbs »Irish Writers Centre Novel Fair« lebt mit vier Kindern, drei Katzen und einem Ehemann in Dublin. Ihr erster Thriller »Schneesturm« eroberte direkt die Bestsellerlisten in Großbritannien, Irland und Deutschland. Auch ihr zweiter Thriller »Nachtwald« erscheint in vielen Ländern weltweit.
Tríona Walsh liebt es, Krimis und Thriller zu lesen und zu schreiben, ist im wirklichen Leben aber ziemlich gesetzestreu. Die zweimalige Gewinnerin des Wettbewerbs »Irish Writers Centre Novel Fair« lebt mit vier Kindern, drei Katzen und einem Ehemann in Dublin. Ihr erster Thriller »Schneesturm« eroberte direkt die Bestsellerlisten in Großbritannien, Irland und Deutschland. Auch ihr zweiter Thriller »Nachtwald« erscheint in vielen Ländern weltweit. Birgit Schmitz hat Theater- und Literaturwissenschaften studiert und arbeitete einige Jahre als Dramaturgin. Heute lebt sie als Literaturübersetzerin, Texterin und Lektorin in Frankfurt am Main.
Autorin Tríona Walsh bringt ihre Protagonisten dazu, mit offenem Visier zu kämpfen, unangenehmen Wahrheiten ins Auge zu blicken [...].
Geschickt verknüpft Walsh die Ereignisse der Vergangenheit, die Auswirkungen bis in die Gegenwart haben, hält die Spannung lange aufrecht.
[...] es geht Schlag auf Schlag [...].
[...] spannend und unterhaltsam. Die Dramatik steigert sich von Seite zu Seite, die Auflösung ist überraschend und schlüssig.
Ein atmosphärischer Thriller, der einen frösteln und mit den leidtragenden Protagonisten mitfiebern lässt.
[...] ein spannender und atmosphärisch dichter Krimi.
Ein sehr, sehr spannender und atmosphärischer Thriller.
Kapitel 1
»Verdammter Mist!«, sagte Cara atemlos und zog die Tür hinter sich zu. Sie schüttelte sich wie ein nasser Hund. Auf dem Weg vom Polizeirevier bis zu ihrem Auto war sie vom Wind herumgeschubst worden wie ein unbeliebtes Kind im Schulflur. Sie blickte durch die Windschutzscheibe über den im Dämmerlicht liegenden Hafen. Es war erst halb fünf Uhr nachmittags, aber die Sonne war schon fast untergegangen. Die funkelnden Weihnachtslichterketten an den Laternenmasten entlang der Küste zappelten und zuckten wie von Stromstößen geschüttelt. Cara sah riesige Wellen gegen den Pier krachen und Fischerboote, die in der Bucht hin und her geworfen wurden wie Spielzeug bei einer Schaumschlacht in der Badewanne. Das Unwetter war über die Insel hereingebrochen, als hege es einen persönlichen Groll gegen sie, und hatte sie vollkommen eingehüllt. Seit dem frühen Nachmittag reichte die Sicht nicht mehr bis zum Festland. Es war, als hätte der Sturm ihre kleine Insel weiter auf den Atlantik hinausgeweht. Weiter weg von der Welt.
Und als Nächstes war Schnee vorhergesagt.
Cara hoffte, dass er ausblieb.
Sie fuhr los und folgte der Hauptstraße durchs Dorf zum Derrane’s, Daithís Pub. Der Ort war wie leergefegt. Die Inselbewohner nahmen die Warnungen ernst und blieben zu Hause, in Sicherheit. Da wäre Cara auch gern gewesen. Doch sie war die einzige Garda hier, die einzige Polizistin auf Inishmore. Sie hatte Verpflichtungen. Verglichen mit den Kollegen auf dem Festland, führte sie auf einer Insel mit neunhundert zumeist rechtschaffenen Seelen normalerweise ein ruhiges Leben. Aber wenn ein Unwetter die Insel von der Umwelt abschnitt, musste sie zeigen, dass sie ihr Geld wert war. Den ganzen Tag lang hatte sie den Alten und Schwachen auf der Insel geholfen, sich für den Sturm zu rüsten.
Cara hielt vor dem Pub und atmete tief ein, um sich für ihre nächste Konfrontation mit dem Starkwind zu wappnen. Dann stieg sie aus und rannte den Weg hoch. Durch die mit Lametta-Girlanden geschmückten Fenster fiel das weiche Licht des brennenden Kaminfeuers. Der Raum schien sich schützend um die wenigen unerschrockenen Insulaner zu schmiegen, die es riskiert hatten, auf ein Bier hier einzukehren. Cara drückte die Tür auf und stolperte in den Gastraum.
Alle im Pub erstarrten.
Gläser verharrten auf halbem Weg zum Mund, Gespräche verstummten. Über die Einheimischen senkte sich Stille. Cara kam sich vor wie der neue Sheriff im Ort. Nur die schwingenden Saloontüren fehlten. Dabei war sie schon zehn Jahre hier. Außerdem verstand sie nicht, warum die Leute nicht einfach weiterredeten. Denn selbst wenn, wäre Cara ebenso ausgeschlossen gewesen wie durch dieses Schweigen. Die erste Sprache der Inselbewohner war Irisch, und das beherrschte Cara bekanntlich nicht. Wie die Mehrheit ihrer Landsleute hatte sie keinen rechten Bezug zu der Sprache. Was nicht gerade zu ihrer Beliebtheit bei den Insulanern beitrug.
»Sergeant«, murmelten ein oder zwei der Anwesenden, als sie vorbeiging, begleitet von einem kaum wahrnehmbaren Nicken und noch knapperem Blickkontakt.
Cara marschierte zum Tresen, wo Daithí sich mit einem der Stammgäste unterhielt, einem alten Iren mit Schiebermütze. In der Ecke saß eine Gruppe fröhlich plaudernder Fremder. Touristen, selbst zu dieser Jahreszeit. Dank ihrer mystischen Vergangenheit, ihrer Ruinen und ihrer Lage am Ende der Welt zog die Insel unablässig Leute an.
Am Tresen blieb Cara stehen und stützte ihre Ellenbogen auf die polierte Eichentheke. Sie unterbrach Daithí und den Mann nicht. Sosehr das Irische auch ein Stein des Anstoßes zwischen ihr und den Menschen war, denen sie diente – wenn sie nur zuhörte, waren die lyrischen Klänge, die über Daithís Lippen kamen, wie Musik in ihren Ohren. Cara warf verstohlen einen Blick über die Schulter, um zu sehen, ob die Einheimischen sie endlich nicht mehr beachteten. Mehr als ein Kopf fuhr herum. Sie wusste, dass die Leute sie nicht nur wegen der Sprache ablehnten. Sie war noch dazu eine Zugezogene. Sicher, ihr Vater war ein Einheimischer gewesen, und sie selbst wohnte seit einem Jahrzehnt hier – bei ihrer mamó, ihrer Großmutter, die von der Insel stammte, eine von ihnen. Aber Caras Lungen hatten nach ihrer Geburt zunächst verpestete Stadtluft geatmet anstelle der eisig-reinen Atlantikbrise. Und das ließen die Leute sie hier immer wieder spüren.
Manchmal jedoch, wenn sie im Bett lag und ihre Kinder und ihre mamó schliefen, hörte sie die Wellen gegen die Küste schlagen und fragte sich, ob das Problem in Wahrheit womöglich weder mit der Sprache zu tun hatte noch damit, dass sie nicht hier geboren war. Vielleicht hegten die Leute ja auch wegen des Unfalls eine Abneigung gegen sie. Vielleicht gaben sie ihr die Schuld an dem, was Cillian zugestoßen war.
»Hey, alles okay? Du siehst so ernst aus.«
Daithís Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Cara schaute hoch und lächelte.
»Ich war nur gerade ganz weit weg. War ein langer Tag.«
»Alle freuen sich schon riesig auf dich.«
Caras Lächeln wurde noch ein bisschen breiter.
»Ich kann’s auch kaum erwarten.«
Weil Daithí groß und kräftig war wie ein Fischer, brauchte er keinen Türsteher vor seinem Pub. Und wenn es mal Ärger gab, was selten vorkam, musste er nie die Stimme erheben. Ein Blick genügte. Er war ein ruhiger, umsichtiger Mann. Und einer ihrer besten Freunde. Zusammen mit Maura Conneely, der örtlichen Grundschullehrerin, bildeten sie ein eingeschworenes Trio. Sie waren Freunde, seit sie sich als Achtjährige im weißen Sand des Kilmurvey Beach zum ersten Mal getroffen hatten. Das Stadtkind Cara verbrachte gerade die Ferien auf der Insel und lernte so die wilde Maura und den vernünftigen Daithí kennen. Drei glorreiche, jedes Jahr gemeinsam verbrachte Sommermonate hatten ein Fundament gelegt, das bis heute hielt.
»Sind das Gäste von dir?« Cara wies mit dem Kopf auf die Gruppe in der Ecke.
»Ja, ich bin ausgebucht.«
»Hübscher kleiner Zuverdienst um die Zeit.«
»Kann ich definitiv gebrauchen. Übrigens, toll, dass du da bist«, fuhr Daithí fort. »Wir hatten schon Sorge, dass du bei dem Wetter gar nicht aus Galway wegkommst.«
»Ja, und ich erst! Stell dir vor, nach Ewigkeiten sind endlich mal wieder alle hier, und ich hänge auf dem Festland fest.«
Daithí schüttelte den Kopf.
»Das war ja auch das letzte Schiff. Ich hatte riesiges Glück.« Die Fährfahrt vom Festland hierher am Morgen war riskant gewesen. Es hatte sich so angefühlt, als könnte der Wind das Boot jederzeit zum Kentern bringen. Bei der Ankunft im Hafen hatte der Kapitän seine grüngesichtigen Passagiere doppelt so schnell wie sonst von Bord gescheucht und dann sofort den Heimweg angetreten, um nur ja nicht wegen des Sturms bis Neujahr auf Inishmore zu stranden.
»Jetzt sind wir uns selbst überlassen, bis das Unwetter vorbei ist.«
»Wie üblich.«
Cara hasste es, wenn der Fährbetrieb eingestellt war. Und auch der kleine Flieger mit den zehn Sitzen konnte seinen zehnminütigen Überflug nicht mehr machen. So nah und doch so fern. Fakt war, dass sie, obwohl sie im 21. Jahrhundert lebten, genauso von allem abgeschnitten waren wie die Mönche, die hier vor einem halben Jahrtausend zu Hause gewesen und deren kalte, steinerne Klosterruinen noch immer über die Insel verstreut waren. Cara glaubte nicht, dass sie sich je daran gewöhnen würde. An diese Verwundbarkeit. Daran, dass sie auf sich allein gestellt waren, wenn etwas Schlimmes passierte. Vielleicht war das der wahre Unterschied zwischen ihr und den Einheimischen. Sie kannten diese Isolation von Geburt an. Sie war ihnen in Fleisch und Blut übergegangen. Zugezogene wie Cara würden das nie wirklich begreifen.
»Wie geht’s denn allen so? Maura hat mir gestern Abend ein Video geschickt. Ihr saht aus, als hättet ihr kein Problem, euch auch ohne mich zu amüsieren.«
»Vermisst haben wir dich trotzdem, keine Sorge.« Daithí lächelte. »Anfangs war’s schon ein bisschen komisch. Seamus hat inzwischen einen leichten amerikanischen Akzent. Und Ferdy und Sorcha haben sich zwar nicht sonderlich verändert, aber sie bilden sich schon ziemlich was drauf ein, dass sie jetzt in London leben.«
Seamus, Ferdy und Sorcha. Der Rest der Truppe aus jenen glorreichen Sommern. Der, der nicht auf der Insel geblieben war, als sie erwachsen wurden. Nach dem Unfall.
»Mich wundert ja, dass du nicht total verkatert bist«, sagte sie.
»Ich stand die meiste Zeit hinterm Tresen. Außerdem war’s auch nur halb so wild, wie man nach dem Video meinen könnte.«
»Ihr hättet die Sperrstunde ignorieren können. Wo die einzige Inselpolizistin doch nicht da war?«
»Ha, auf keinen Fall! Ich kenn doch deine Spürnase. Du hättest es trotzdem sofort gewittert.«
»Ich hätte ein Auge zugedrückt.«
»War aber gar kein Thema. Maura hat gegen halb zwölf schlappgemacht und beschlossen, dass sie nach Hause muss.«
»Echt? Sieht ihr gar nicht ähnlich.«
»Ja, das fand ich auch. Darum hab ich sie nach Hause gebracht. Sie meinte zwar, es ginge ihr gut, aber ich wollte lieber auf Nummer sicher gehen.«
»Vielleicht wird sogar die wilde, verrückte Maura Conneely langsam alt.«
»Vierunddreißig ist jetzt noch nicht so alt, Cara.«
»Stimmt, fühlt sich aber manchmal so an.«
Daithí wischte um sie herum die Theke ab. »Hast du die anderen schon gesehen, seit du heute Morgen angekommen bist?«
»Nein. Ich bin zwar gleich von der Fähre zum Haus gefahren und hab geklingelt, aber es hat niemand aufgemacht.«
»Wahrscheinlich schlafen sie...
Erscheint lt. Verlag | 1.12.2023 |
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Übersetzer | Birgit Schmitz |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Árainn • Aran Inseln • Arno Strobel • Atlantik • Bücher über zerbrochene Freundschaften • Buch mit Farbschnitt • Claire Douglas • Das Chalet • Das College • das sanatorium • Entspannen • Familiengeheimnis • Gefangen auf einer Insel • holly jackson • Inishmore • Inis Mór • Insel • Irland Reisen • Julie Clark • Krimi • Krimi Neuerscheinungen • locked room krimi • Lucy Foley • Mordmysterien auf abgelegenen Inseln • Mord unter Freunden • Nervenkitzel • Neuschnee • Polizistin • Psychospannung • Psychothriller • ruth ware • Serpent's Lair • Silvester • Spannung • Sturm • Tana French • Thriller • Thriller mit unerwarteten Wendungen • Thriller Neuerscheinungen • Viveca Sten • Weihnachten • Whiskey |
ISBN-10 | 3-10-491808-2 / 3104918082 |
ISBN-13 | 978-3-10-491808-2 / 9783104918082 |
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