Das Haus Zamis 72 (eBook)

Schwarze Madonna

(Autor)

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2023 | 1. Aufl. 2023
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-5462-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Haus Zamis 72 - Catalina Corvo
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Die Freaks verließen den Raum, ohne mich wahrzunehmen. Ich blieb allein mit dem Sarg zurück. Wie schon einmal untersuchte ich ihn und schob schließlich den Deckel beiseite. Doch in dem Sarg lag nicht meine Mutter. Sondern ein kleines Mädchen. Die gebrochenen Augen starrten mich vorwurfsvoll an. Mit einem Aufschrei fuhr ich zurück. Die Kleine hatte mein Gesicht.

Die Reisegruppe um Asmodi erreicht das Schloss der Gräfin von Lethian, mit der Asmodi einst Dorian Hunter und dessen Brüder gezeugt hat. Jetzt jedoch steht die Gräfin merklich unter Nocturnos Einfluss.
Auch Asmodi ist nur noch ein Schatten seiner ehemaligen Herrlichkeit. Nur ab und zu gelingt es ihm unter größter Kraftanstrengung, eine menschliche Gestalt anzunehmen. Also müssen Coco, Michael, Thekla und Georg Zamis die Verhandlungen übernehmen ...


1. Kapitel


Die Dorfbewohner fürchteten die Burg der Gräfin und alles, was von dort kam. Das war für jeden offensichtlich, der länger als ein paar Minuten in diesem Dorf zubrachte.

Und auch ich beendete meinen Spaziergang und machte mich auf den Weg zurück in mein Quartier. Doch während die Dörfler die verfluchte Hexenburg scheuten wie der Teufel das Weihwasser, folgte ich dem Pfad, der hinauf zur Burg führte.

Am Vorabend der Verhandlungen erwarteten wir alle gespannt die Ankunft der Oppositionsdämonen.

Wir befanden uns dort seit einigen Tagen. Nach den unrühmlichen Ereignissen, die mit unserer Reise nach Asmoda verbunden gewesen waren, hatten wir es vorgezogen, gleich danach bei der Gräfin anzuklopfen.

Sie tat unbändig erfreut, uns zu sehen. Vor allem Asmodi. Ich hegte den Verdacht, dass sie ein doppeltes Spiel trieb, doch Asmodi wollte davon nichts wissen. Unter ihrer Pflege schien er zunächst wieder der Alte. Wenigstens fast. Er legte die lächerliche Deneuve-Maskerade ab. Der Zombiebiss verheilte innerhalb weniger Stunden. Doch er wirkte merkwürdig lethargisch. Fieberschübe schüttelten ihn.

Mir hatte die ganze verfahrene Situation keine Ruhe gelassen. Ich hatte mir die Beine vertreten müssen, um meine innere Unruhe zu bekämpfen und die Gelassenheit zu finden, die ich für die Verhandlungen zweifelsohne brauchen würde. Wobei ich noch nicht einmal wusste, was Asmodi von mir erwartete. Vielleicht würde ich auch nur stumm danebenstehen, wenn die beiden Kontrahenten sich befehdeten.

Als ich die letzten Bauernhäuser hinter mir ließ und auf die offene Wiese trat, erklang irgendwo im Dorf, ein panischer Schrei. Dieser Laut aus einer Kinderkehle spiegelte äußerstes Grauen.

Meinem Instinkt folgend drehte ich mich um und lief zurück. Ich huschte durch die Gassen wie ein Schatten. Heimlich und unbemerkt durch Straßen und Hinterhöfe zu schleichen, hatte ich schon vor langer Zeit gelernt. Ich hielt inne, als ich vor mir, an der Rückwand einer Scheune, drei Kinder sah. Sie starrten mit ausdrucklosen Gesichtern auf einen großen Heuhaufen.

Eine rote Flüssigkeit tränkte das Stroh zu ihren Füßen. Eins der Kinder, ein vielleicht achtjähriger Junge, zitterte am ganzen Körper. Er hatte den Mund aufgerissen, war erstarrt im Schrei. Auch die anderen schienen zu keiner Regung fähig. Kein Wunder. Zu ihren Füßen lag im Stroh ein kleiner Körper. Leblos. Es war das kleine Mädchen, dem der Junge beim Spiel gefolgt war. Ihre Pulsadern waren aufgeschnitten, das Genick gebrochen. Blut färbte die Spitzen ihrer hellen Zöpfe dunkel. Ihre leeren, toten Augen starrten zu ihrem Kameraden hinauf wie in stummer Anklage.

Ich zog mich zurück und überließ die Kinder sich selbst. Obwohl es mich in den Fingern juckte, die Knirpse wenigstens mit einem Zauber zu belegen, der sie beruhigen konnte, hielt ich mich zurück. Das war nicht mein Kampf, und ich hatte bei allen Göttern und Dämonen genug Probleme am Hals. Außerdem ahnte ich, warum das Mädchen hatte sterben müssen. Manche Dämonen konnten nicht anders, als sich an den Qualen Unschuldiger zu ergötzen. Und wir hatten eindeutig bald zu viele zornige Dämonen in der Burg.

Solange es während der Verhandlungen in der Burg nur eine Tote gab, kam das Dorf glimpflich davon. Eine innere Stimme flüsterte mir zu, dass ich viel zu optimistisch dachte, aber ich brachte sie zum Schweigen. Ich wollte einfach das Beste hoffen. Auch wenn ich für das Mädchen nichts mehr tun konnte. Ihr Schicksal war entschieden.

Aber wer war ihr Mörder? Ein Dämon, der in der Gestalt des Jungen mit dem schwarzen Kopftuch spioniert hatte? Ich schüttelte den Kopf. Nein. Heute würde ich nicht Detektiv spielen. Zu viele gewichtige Dinge standen auf dem Spiel. Zügig machte ich mich nun auf den Rückweg.

Ich hatte das Burgtor schon fast erreicht, als ich vor mir plötzlich drei vermummte Gestalten in schwarzen Kutten sah, die an mittelalterliche Mönche erinnerten. Sie alle trugen schwarze Masken, die ihre Gesichter unter den weiten Kapuzen substanzlos erscheinen ließen. Sie standen in einem mit Kreide und Blut gezeichneten Beschwörungspentagramm.

An den Ecken des Fünfsterns brannten schwarze Kerzen herunter. Der dichte, betörende Kräuternebel, der sich über sieben im Kreis arrangierten Räucherschalen kräuselte, bewies ebenso wie der bluttriefende Totenschädel, der sich im Zentrum des Kreises befand und dessen leere Augenhöhlen in fahlem Grün schillerten, dass das Ritual noch nicht beendet war.

Gemeinsam begannen die drei ›Mönche‹ einen dumpfen Gesang und wiegten sich in einem arrhythmisch wirkenden, abgehackten Takt hin und her. Immer wieder zuckten ihre Körper wie von Stromschlägen, während sie zu dritt mit der Kraft ihres Willens unsichtbare Energieströme formten und lenkten, ein Muster knüpften.

Das grüne Glimmen im Schädel nahm zu, pulsierte wie ein Herzschlag, dumpfer, lauter. Wuchs zu einem tiefen Dröhnen, das meine Ohren mehr erahnten als hörten. Der Boden unter meinen Füßen vibrierte. Das Licht tanzte im Schädel, als wollte es ihn sprengen. Dann erlosch es urplötzlich. Der Schädel blähte sich auf und zerbarst mit einem hässlichen Knacken.

Ein Knistern erfüllte den Raum. Süßlicher, beißender Gasgeruch bereitete sich aus. Im Zentrum des Pentagramms stand nun eine schwarze Gestalt, ebenso gekleidet wie die anderen drei.

Doch statt einer Maske bedeckte ein rundes, graues Wabern die Gesichtszüge. Das Nicht-Gesicht wandte sich mir zu. Ohne dass der Herbeigerufene dazu den Körper bewegte. Der Kopf drehte sich einfach um 180 Grad wie der einer Puppe.

Obwohl ich hinter der magischen Maske keinerlei Gesichtszüge ausmachen konnte, spürte ich seinen intensiven Blick wie eisige Kälte, die über meinen Körper glitt. Ich fror augenblicklich. Zugleich begann mein Permit zu brennen. Erschrocken starrte ich auf meinen Arm. Ein roter Schimmer drang durch den Stoff meiner Bluse hindurch. Ich schob den Ärmel nach oben. Die Adlerköpfe glühten. Sie rissen die Schnäbel in stummem Schrei auf. Begrüßten sie etwa ihren Meister?

Der Fremde im Beschwörungskreis starrte mich noch immer an. Und plötzlich befand ich mich in einer ganz anderen Burg. In den Karpaten. Ein Vampirschloss. Mir war schlecht. Mir war heiß. Flammen, magische Flammen auf der Burgmauer. Ich dort eingeschlossen mit Vladimir, dem Vampir.

Vladimir brüllte mir etwas zu, das ich nicht verstand. Er war außer sich, kein Wunder, hatte er doch eben den Mord an seinem Vater mit ansehen müssen. Die Dorfbevölkerung stürmte die Burg, legte Feuer und wollte Blut sehen. Schwarzes Blut. Und den Oppositionsdämon hatte all dies lediglich amüsiert. Er gratulierte Vladimir. Die Dörfler stürzten sich auf eine Frau, eine Hausdienerin. Im Blutrausch traten die Rasenden auf die Hilflose ein, stampften sie in den Boden, bis das, was von ihr übrig blieb, kaum noch als menschlich zu erkennen war. Ein anderer zerrte ein kleines Mädchen herbei. Die Kleine aus dem Dorf.

»Vampirin! Hexe!« Die Dörfler schnitten ihr die Kehle auf und hängten den kleinen Leib kopfunter an die Burgmauer, um das Kind auszubluten wie ein geschlachtetes Tier. Es schrie und zappelte und starrte mich an.

Hinter mir erklang ein leises Lachen. »Willst du ihr nicht helfen?«, fragte mich eine dunkle, schmeichelnde Männerstimme. Doch ich konnte nicht, ich war wie gelähmt. »Oder lässt du sie im Stich, um dich selbst zu retten?« Ich konnte mich noch immer nicht rühren. Meine Füße waren wie mit den Zinnen verwachsen, die Finger schwer wie Mühlsteine. Das Schreien des Mädchens erstarb schließlich. Seine Ärmchen zuckten nicht länger. Meine Übelkeit wuchs.

Ich kämpfte. Mit jedem Quäntchen Willenskraft, das ich aufbringen konnte, zwang ich meinen Körper herum, um den Dämon anzusehen. »Was für ein Spiel treibst du?«, presste ich halb stöhnend, halb keuchend hervor. Doch er war verschwunden. Lediglich ein leichter Geruch von Ozon erinnerte an seine Anwesenheit.

Dann überkam mich eine weitere Übelkeitswelle. Ich schloss die Augen.

Als ich sie öffnete, war ich auf Schloss Behemoth. Ich saß in meinem alten Lernpult. Sara Thornton hielt meiner Schwester Vera und mir gerade einen ellenlangweiligen Vortrag über irgendwelche alchemistischen Zauberbücher, die wir lesen sollten, und Vera trat mich ein paarmal heimlich gegen das Schienbein. Plötzlich schob sie mir einen Zettel zu. ›Willst du mal was Tolles sehen?‹, stand darauf.

Ich verspürte keine gesteigerte Lust, mir etwas anzuschauen, das meiner Schwester gefiel, andererseits langweilte ich mich schrecklich. Also nickte ich. Außerdem war es ungewöhnlich warm im Schloss. Es war ein heißer Sommertag. Dennoch war ich sicher, dass es draußen erfrischender sein würde als in der stickigen Moderluft des alten Schlosses.

Ich nickte Vera heimlich zu. Daraufhin heuchelte Vera mit überzeugendem Elendsblick, dass es ihr von der Hitze schlecht sei und wir eine Pause brauchten. Die Thornton gab uns zwanzig Minuten. Vera schleifte mich praktisch aus...

Erscheint lt. Verlag 18.7.2023
Reihe/Serie Das Haus Zamis
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Coco Zamis • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • Dorian Hunter • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • sonder-edition • spannend • Spin-Off • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony-Ballard • Top • Zaubermond
ISBN-10 3-7517-5462-8 / 3751754628
ISBN-13 978-3-7517-5462-0 / 9783751754620
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