Perry Rhodan Neo 312: Spiel des Todes (eBook)
160 Seiten
PERRY RHODAN digital (Verlag)
978-3-8453-5512-2 (ISBN)
2.
Likibis Schaumdruckbügler
Jahr 78 der reinen Vernunft
Algot Kråkasson schrak aus dem Schlaf. Er schnappte verzweifelt nach Luft. Seine Arme hingen schlaff von den Schultern wie zwei Fremdkörper. Er spürte sie nicht mehr. Auf seiner Brust lastete ein gewaltiger Druck, ein Bleiklotz, der seine Lungen daran hinderte, sich zu weiten. Er wollte schreien, aber kein Laut drang aus seiner Kehle. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er die Wand an. Von draußen dämmerte die Morgenröte herein.
Seine hektischen Atemzüge wurden ruhiger. Alles ist gut. Alles ist gut! Ich bin in Sicherheit!
Es war ganz und gar nicht alles gut. Nachdem er wieder Luft bekam, dominierte die Panik wegen seiner Arme. Sie waren immer noch taub. Hastig bewegte er die Schultern hin und her, seine oberen Extremitäten schlenkerten nur kraftlos um seinen Leib.
Schon wieder! Das Gefühl von Hilflosigkeit und einer nicht greifbaren Bedrohung war zu seinem allmorgendlichen Begleiter geworden, war zuweilen so schlimm wie an diesem Morgen. Dann fürchtete der Elfjährige, dass es dieses Mal ernst sein könnte. Dass er keine Arme mehr hatte, ersticken musste.
Aus zwei lang gezogenen Fremdkörpern wurden aber doch allmählich wieder Gliedmaßen mit Sensorik und Muskelkraft. Algot ließ sich in die durchgeschwitzten Laken zurückfallen und atmete tief durch. Prüfend bewegte er die Finger. Alles in Ordnung. Nur die unbestimmte Angst war geblieben.
Noch hatte er Zeit bis zum Aufstehen. Er schaltete das Hörbuch aus seiner Lieblingssammlung an. Es war eine mehr als hundert Jahre alte Aufnahme, über Generationen gehegt und gepflegt von einem Kreis hartnäckiger Fans. Die Qualität war nicht mit der von modernen Aufnahmen zu vergleichen, denn sie war noch original von einem Magnetband digitalisiert worden. Tonbandkassette hatte das Ding geheißen, und das Abenteuer »Die drei Fragezeichen und der Super-Wal«.
Die Angst schwand, während er den Ermittlungen der Protagonisten über den geheimnisvollen Wal lauschte. Bei den Szenen, wo Peter sich den Taucheranzug anlegte und unter hörbar lautem Platschen ins Wasser stieg, sah Algot eine Meeresküste vor seinem geistigen Auge und spürte das kühle Nass. Ein Gefühl der Geborgenheit stellte sich ein. Wasser beruhigte ihn. Da war Peter Shaw als passionierter Surfer und begabter Taucher die perfekte Identifikationsfigur für ihn. Dass der zweite Detektiv zwar athletisch und sportlich, aber auch total ängstlich war, machte ihn für Algot umso sympathischer.
Aber er selbst wollte natürlich nicht als Angsthase dastehen.
Als er einige Stunden später im Kid-Slow-Stadion von Bradbury Central ankam, der Hauptstadt des Mars, standen beim Tor drei schon alle anderen beisammen. Ungeduldig winkte ihn der Stadionvorarbeiter Cedric Likibi zu sich. »Du bist spät dran, Junge.« Der Form halber fügte er hinzu: »Alles okay? Geht es dir gut? Keine Probleme sonst? Nein?«
Algot wurde rot und verbiss sich eine Antwort. Die anderen Jungen feixten. Der Vorarbeiter hatte die Empathie eines Rammbocks.
»Der Astroground muss bis elf Uhr tipptopp in Schuss sein!«, rief Likibi. »Um fünf starten die Spiele. Außerdem seid ihr gestern nicht mit den Sitzreihen fertig geworden, also streichen wir heute die Pausen. Ran an die Arbeit!«
Algot hatte am Vortag bis Sonnenuntergang geschuftet. Er hatte nur gehen dürfen, weil er erst elf Jahre alt war – alle Älteren hatten länger bleiben müssen.
»Wenn der uns die Aufgabe früher gegeben hätte, wäre das gar kein Ding gewesen«, maulte Nilay, ein ziemlich kleiner, schwarzhaariger Junge.
Es half nichts. Sie holten Schaumdruckbügler, Eimer mit Füllmasse und Härter sowie die großen Handfeudel. Dabei mussten sie zwischen dem halben Dutzend Reinigungsroboter hindurchgehen, die an eine Statuengalerie gemahnten: Einer nach dem anderen war im Laufe der Jahrzehnte ausgefallen, und niemand hatte die Mittel aufgebracht, um sie wieder instand zu setzen.
Sie begaben sich auf das Spielfeld. Es war eine riesige, rote Fläche. Algot kam sich winzig und verloren darauf vor. Es war drückend heiß.
Die Atmosphäreaufbereiter spinnen mal wieder, dachte Algot. Wegen der schieren Masse an Menschen, die von der Erde auf den Mars geflüchtet waren, waren so ziemlich alle Lebenserhaltungssysteme der Glassit- und Prallschirmdome überlastet.
Mit dem Schaumdruckbügler bearbeitete er ein fingertiefes Loch im gummiartigen Material des Bodens. Die Maschine reinigte automatisch die Bruchkanten, ihre mehr oder weniger zuverlässig funktionierenden Mikrodesintegratoren frästen die Oberfläche ab und rauten sie an, sodass die Füllmasse optimalen Halt fand. Am Schluss konnte Algot das schwere Gerät abnehmen, von Hand nachpolieren und Versiegelung darüberstreichen.
»Ordentlich! Ich will keinen Rand sehen!«, herrschte Likibi ihn an.
Algot schwitzte und schrubbte. Die Zahl der Löcher nahm kaum ab. Seine Arme brannten vom Gewicht des Schaumdruckbüglers. Aber irgendwann war es vollbracht.
»Ihr habt viel zu lange für das bisschen gebraucht!«, beschwerte sich Likibi. »Und nun macht ihr die Bankreihen fertig!«
Nach seiner Schicht trottete Algot in den Waschbereich. Er fühlte sich wie ein Fisch, der zu lange in einer lauwarmen Fettsoße gelegen hatte. Die Duschen waren natürlich tabu, die waren den Spielern vorbehalten. Wasser war ein kostbares Gut auf dem Mars. Vor wenigen Wochen noch war Algot täglich in der Schule gewesen. Aber dann hatte die Grundbildungszeit geendet, und seitdem hieß es für Algot arbeiten. Denn seine Familie brauchte Geld.
Ein eigenes Zimmer war ein Luxus, den er gar nicht kannte. Seit den großen Auswanderungswellen von der Erde auf den Roten Planeten war nach wie vor noch nicht genug gebaut worden, um für alle Familien eigene Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Deshalb mussten die Kråkassons mit einer halben Wohnung auskommen – Algots Schlafzimmer diente tagsüber als Wohnzimmer, nachts teilte er es sich mit seiner Schwester Rebi, und das Getöse der Nachbarn bildete eine ständige Lärmkulisse.
»Du sollst es mal besser haben«, hatten seine Eltern ihm gesagt. »Wir hätten dich so gern auf der Erde großgezogen. Da ging es uns gut ... eigenes Haus ... gutes Auskommen ... immer genug zu essen ... Haushaltsroboter ...«
Algot hatte anfangs noch Sehnsucht verspürt, mittlerweile war er lediglich genervt davon. In solche Grübeleien versunken, ließ er sich durch die Gassen des Stadionviertels treiben.
Lautes Schlagen und Jubeln riss ihn aus seinen Gedanken. »Mach ihn ab!« – »Lass ihn nicht durch!« – »Zurück, zurück!«, schallte es aus einer Seitengasse.
Auf einem runden Platz am jenseitigen Ende des kurzen Sträßchens geschah etwas, das wie eine gewaltige Prügelei anmutete. Nur dass sie mit großen Schlägern erfolgte und die Leute in primitive Rüstungen aus Schrottteilen gehüllt waren. Algot glaubte, Topfdeckel an den Schultern einer kräftig gebauten Frau zu erkennen, zusammengesetzte Stücke von tief profilierten Autoreifen als Helme auf den Köpfen vieler Spieler, und die mannshohen Stangen, mit denen sie gegeneinander fochten, glichen überdimensionierten Trommelschlägeln. Manche führten Schilde aus ausrangierten Gleitertüren oder anderen Blechen in der einen und kurze Knüppel in der anderen Hand.
Neugierig näherte sich Algot dem Trubel und blieb nahebei stehen. Je länger er zusah, desto mehr erkannte er eine gewisse Ordnung in der Meute. Es schien sich um zwei Mannschaften zu handeln. Aus Gründen, die er nicht nachvollziehen konnte, ließen Duellanten plötzlich voneinander ab, eilten zu einem anderen Teil des Kampfgeschehens und mischten dort mit. Plötzlich raste eine Frau auf Gleiterschuhen haarscharf an Algot vorbei und setzte mit einem Sprung über zwei Kämpfende hinweg, während sie etwas unter dem Arm trug. Kurz darauf hörte er einen triumphierenden Schrei.
Die beiden Parteien stellten sofort ihre Kämpfe ein. Sie besprachen sich, gingen sich anschließend entgegen ... und umarmten einander! Leute, die sich gerade noch gegenseitig mit Hieben eingedeckt hatten, lachten und schlugen den Kontrahenten spielerisch auf die Oberarme. Danach löste sich die Menge auf.
Algot rätselte, von was er da gerade Zeuge geworden war. Obwohl es wüst und chaotisch ausgesehen hatte, hatte es eine unerklärliche Faszination auf ihn ausgeübt.
Zu Hause wartete wieder die dröge Realität. Das begann damit, dass es wieder nur den Standardfraß gab, der Algot schon zum Hals heraushing.
»Mach dir ein paar Flocken drauf, dann schmeckt es besser«, sagte sein Vater Mats.
Super, dachte Algot. Damit das Zeug schmeckt, brauche ich aber richtig viele Flocken. Er hob die Dose an. Und die sind natürlich fast leer.
»Lass mir was übrig!«, schrie seine kleine Schwester Rebi. »Ich will auch was ab!«
»Ist ja gut, schrei nicht so«, blaffte Algot zurück.
»Red nicht so mit deiner kleinen Schwester!«, ermahnte ihn Mats.
»Sonst gibt's eine Strafe, bäbäbäh«, stichelte Emre, der ältere Sohn der anderen Familie, mit der sie sich die Wohnung teilten.
Algot brummte genervt und zog sich mit seiner Schale in die hinterste Ecke der Küche zurück. Gerade mal den anderen den Rücken zudrehen konnte er, um etwas Platz für sich zu haben. Damit riskierte er aber eine neuerliche Ermahnung seiner Eltern, weil sie das für unfreundlich hielten.
Ich will doch nur meine Ruhe haben!, dachte er verzweifelt. Der Arbeitstag saß Algot in den Knochen. Er wollte unbedingt von dem...
Erscheint lt. Verlag | 31.8.2023 |
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Reihe/Serie | Perry Rhodan Neo |
Verlagsort | Rastatt |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction |
Schlagworte | Neo • Perry Rhodan • Perryversum • Science Fiction |
ISBN-10 | 3-8453-5512-3 / 3845355123 |
ISBN-13 | 978-3-8453-5512-2 / 9783845355122 |
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