Perry Rhodan Neo 314: Vergeltungsschlag (eBook)
160 Seiten
PERRY RHODAN digital (Verlag)
978-3-8453-5514-6 (ISBN)
2.
»Als ich ein Junge war, gab es hier einen Nationalpark. Man will es kaum glauben, was?« Reginald Bull wies auf den tristen Landeplatz für Antigravgleiter vor den Stolleneingängen des Bergwerks mit ihren altmodischen Fördergerüsten. »Er stand sogar auf der Welterbeliste der UNESCO.«
Die Frau, die neben ihm ging, bewahrte das gleiche eisige Schweigen wie während des Flugs zur Mamut Percellar Mine. Ihre bloße Ausstrahlung brachte Bull zum Frösteln, und das trotz der angenehmen Temperatur, die in Borneo am Mount Kinabalu auf tausendfünfhundert Metern Höhe auch im Januar herrschte. Mann, war sie wütend auf ihn! Aber hatte er es verdient? Nein, eigentlich nicht. Er öffnete den Mund, um sich zu äußern.
Sie kam ihm jedoch zuvor. »Ich verstehe es nach wie vor nicht«, sagte Thora Rhodan da Zoltral.
Damit brachte die Arkonidin ihn wieder in eine Rechtfertigungsposition, die er verabscheute. »Was verstehst du nicht?«, fragte Bull, obwohl er genau wusste, was sie meinte: Er hatte sich in ihren Augen ins Unrecht gesetzt. Und ganz anders als sonst scheute er vor der verbalen Auseinandersetzung mit ihr zurück. Lag es daran, dass er nur Perry Rhodan länger kannte als Thora? Selbst seine eigenen Ehefrauen hatte er erst lange nach ihr kennengelernt.
Perry und Thora waren bei ihrer Expedition in die Große Magellansche Wolke verschwunden, während sich ein undurchdringlicher schwarzer Energieschirm um das irdische Sonnensystem gelegt hatte. Zweiundachtzig Jahre waren ohne ein Wort von Rhodan vergangen, zweiundachtzig Jahre, in denen Bull nicht gealtert war, alle anderen um ihn herum aber doch. Und auch die Welt hatte sich verändert: Die Aphilie war ausgebrochen. Bull gehörte zu den Menschen, die gegen den Verlust der Fähigkeit zur emotionalen Empfindung immun waren. Er hatte die Organisation Guter Nachbar gegründet, die durch ihre Taten die Erinnerung an Mitgefühl und andere positive Emotionen aufrechterhalten wollte.
Das bisherige Hauptquartier der Organisation Guter Nachbar war in der Kupfermine untergebracht, der sie sich gerade näherten. In geringem Umfang wurde in dem Bergwerk normalerweise sogar weiterhin Erz gefördert, gerade ausreichend, um keinen Verdacht zu erregen und als Tarnung zu dienen.
Seit dem Erdbeben vor einigen Wochen waren die Arbeiten aber eingestellt, die Naturkatastrophe hatte die meisten Wohnhäuser der Bergleute und ihrer Familien zerstört, ebenso einige Bereiche der Minenstollen. Deshalb war ein Großteil der Menschen aus der Gefahrenzone in Sicherheit gebracht worden – und diesen Deckmantel hatte die OGN genutzt, um zugleich zahlreiche eigene Leute auszufliegen. Bull bedauerte, dass sie gezwungen waren, die Mine aufzugeben. Eigentlich bot sie ein ideales Versteck, aber der aphilischen Regierung war es gelungen, dort einen Agenten einzuschleusen.
Bull hatte den angeblichen Logistiker Sander Pawlow persönlich enttarnt und festgenommen. Wahrscheinlich sogar, bevor es dem Spion gelungen war, den Standort der OGN-Zentrale zu verraten. Trotzdem gebot die Vorsicht, ein geheimes Hauptquartier aufzugeben, das einmal infiltriert worden war. Bull hatte entsprechende Anweisungen erteilt, und die Räumung der Mine war in vollem Gang. Das Erdbeben hatte ihrem Versteck den ersten Schlag versetzt, der Verräter hatte ihm dem Rest gegeben.
Dass sie das Bergwerk überhaupt so lange hatten nutzen können, war ein Glücksfall gewesen. Die Grubenanlage gehörte Sergio Percellar, einem OGN-Mitglied, mit dem Bull noch ein Hühnchen zu rupfen hatte.
Aber vorher würde Thora wohl ihm den Kopf waschen.
Sie blieb stehen und fuhr zu Bull herum. Er verharrte mitten im Schritt und wandte sich ihr zu.
»Ich komme nicht darüber hinweg: Du hast Perry vorgeworfen, das Licht der Vernunft zu sein. Machst du dir überhaupt eine Vorstellung davon, wie absurd das ist? Wie widersinnig es ist, auch nur in Betracht gezogen zu haben, er könnte ein Aphiliker sein?«
Bull merkte, wie ihm Röte in die Wangen stieg. »Ach ja, absurd? Vielleicht für dich, Thora. Du bist nicht hier gewesen.« Er hob die Hand. »Ich weiß, das ist nicht deine Schuld. Wir befinden uns im Innern eines Energiefelds mit temporaler Komponente, für uns sind zweiundachtzig Jahre vergangen, für euch draußen nur ein paar Monate. Das ist mir alles klar. Wer sich aber einiges nicht klarmacht, das bist du.«
Der Blick ihrer goldroten Augen hätte ihn versengen müssen.
Bull presste die Lippen zusammen und fuhr fort: »Du hast die Aphiliker noch nicht richtig erlebt. Sie haben kein Schild auf der Stirn, das sie eindeutig kenntlich macht, du kannst dich bei ihnen auf nichts verlassen. Erst kürzlich, vor dem Hyperperforator-Einsatz, habe ich erlebt, wie aphilische Techniker einen Kollegen nach einem Unfall im All haben sterben lassen. Begründung: Er versprach keine Chance ›auf nutzbringende Tätigkeit‹ mehr, und von ihm waren nur noch ›nicht amortisierbare Ausgaben zu erwarten‹. Für die aphilischen Kollegen war das nicht akzeptabel. Genau das ist zwar ihre wahre, unverfälschte Natur. Aber Thora, ich als Immuner habe schon oft vortäuschen müssen, ich sei so ein Aphiliker, und ich hatte umgekehrt mit Aphilikern zu tun, die sich als Immune ausgaben. Vergiss nicht, wir hatten gerade erst einen aphilischen Agenten im Zentrum der OGN. Sie können uns also durchaus Gefühle vortäuschen, Thora.«
»Du müsstest bei Perry trotzdem gewusst haben, dass er kein Aphiliker ist, sondern er selbst. Sagte nicht einer eurer großen Schriftsteller des zwanzigsten Jahrhunderts, man sehe nur mit dem Herzen gut?«
»Für dich steht Perry an erster Stelle, und das ist vollkommen richtig so. Ich aber trage nicht nur für ihn Verantwortung, sondern vor allem für Tausende von Immunen, die der OGN angehören. Im Umgang mit Aphilikern ist es höchst unklug, sich aufs Gefühl zu verlassen. Nur harte Fakten zählen.«
»Dir ist schon klar, welche Ironie in deiner Wortwahl steckt?«, versetzte Thora.
»Durchaus.« Bull riss sich zusammen. »Betrachte es aus meiner Perspektive. Perry und all ihr anderen seid vor zweiundachtzig Jahren verschollen. Die aphilische Regierung ist aus Gründen des Selbstschutzes anonym, sowohl die Minister als auch ihr Oberhaupt, das selbst ernannte Licht der Vernunft. Dann taucht nach zweiundachtzig Jahren plötzlich jemand auf, der sich als Perry Rhodan ausgibt und versucht, Kontakt zur OGN aufzunehmen. Hätten bei dir denn keine Alarmsirenen geheult, wenn du an meiner Stelle gewesen wärst? Selbst nachdem wir Perrys Identität zweifelsfrei verifiziert hatten, bestand definitiv weiterhin die Möglichkeit, dass er ein Aphiliker ist – das lässt sich nicht von der Hand weisen. Den Informationen zufolge, die uns NATHAN übermittelt hatte, sind seine DNS-Spuren an Orten entdeckt worden, wo das Licht der Vernunft aktiv gewesen ist. Die Sprachmusteranalysen belegen mit annähernder Sicherheit, dass die Reden des obersten Aphilikers von Perry verfasst wurden. Und wenn man Perrys Talente und sein politisches Geschick berücksichtigt, liegt es doch auf der Hand, dass er als Aphiliker höchstwahrscheinlich zum Licht der Vernunft aufsteigen würde. Nachdem man mir solche Beweise auf den Tisch gelegt hatte, musste ich vom schlimmstmöglichen Fall ausgehen, Thora.« Er wischte sich den Schweiß von der Stirn, der nicht nur vom Klima Borneos verursacht war. »Auch wenn es mir wehgetan hat.«
»Du räumst ein, dass es ein Fehler war?«
»Dass ich Perry unrecht getan hatte? Ja – das habe ich dir schon mehrmals beteuert. Dass meine Vorsicht ein Fehler war?«
Sein Multifunktionsarmband piepte im Vorrangcode. Er runzelte die Stirn und nahm den Ruf entgegen.
Als er fertig war, sagte er grimmig: »Percellar und Demmister treffen gleich ein. Ich bin sehr gespannt, was sie zu berichten haben.«
»Du bist mir noch eine Antwort schuldig.«
Er setzte sich wieder in Bewegung. »Vorsicht kann nie ein Fehler sein, Thora.«
Sie verzog den Mund, aber sie schloss sich ihm an.
Hinter dem Mundloch des Stollens, der in den Mount Kinabalu führte, gelangten sie auf eine weite Plattform, wo das vorgereinigte Erz aus den Tiefen der Mine in Frachtcontainer umgeladen worden war, die es zur Verhüttung fortschafften. Von dort stiegen sie in das nächsttiefere Vollgeschoss, das auf der einen Seite als Verwaltungstrakt gedient hatte, in dem ehemals Büros und ein Besprechungszimmer gewesen waren. Auf der anderen Seite ging es zum Arbeitertrakt mit mehreren Umkleiden, einer Kaue, in der sich die Grubenarbeiter nach der Schicht waschen konnten, Aufenthaltsräumen für die Bereitschaft sowie zu den Lampenstuben, in denen die Bergleute ihre Ausrüstung erhielten. Dazu gehörten vor allem Atemschutzmasken, die vor dem gesundheitsschädlichen Erzstaub schützten, Handschuhe, Helme, festes Schuhwerk und natürlich Lampen, denn abseits der ausgebauten Hauptstrecken waren die mit Desintegratoren gefrästen Stollen unbeleuchtet.
Sämtliche Einrichtungen waren bis vor Kurzem mit OGN-Leuten und einigen Arbeitern aus dem Dorf weiterbetrieben worden, um den Anschein einer gewöhnlichen Mine zu wahren. OGN-Mitglieder waren weiterhin zugegen, aber es handelte sich nicht mehr um Verwaltungsleute, sondern Kämpfer, die ihre Kampfanzüge und Waffen außer Sicht, aber in Reichweite aufbewahrten.
In den etwas tieferen Ebenen, den oberen Altstrecken, befanden sich die Anlagen zur Anreicherung des Erzes. Dort wurden die kupferhaltigen Minerale vom tauben Gestein getrennt, und dort fanden sich auch die Depots und Reparaturwerkstätten für Abbaufahrzeuge und -geräte.
Die eigentlich stillgelegten, alleruntersten Altstrecken des Bergwerks hätte man normalerweise längst mit Abraum zugeschüttet....
Erscheint lt. Verlag | 28.9.2023 |
---|---|
Reihe/Serie | Perry Rhodan Neo |
Verlagsort | Rastatt |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction |
Schlagworte | Neo • Perry Rhodan • Perryversum • Science Fiction |
ISBN-10 | 3-8453-5514-X / 384535514X |
ISBN-13 | 978-3-8453-5514-6 / 9783845355146 |
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
![EPUB](/img/icon_epub_big.jpg)
Digital Rights Management: ohne DRM
Dieses eBook enthält kein DRM oder Kopierschutz. Eine Weitergabe an Dritte ist jedoch rechtlich nicht zulässig, weil Sie beim Kauf nur die Rechte an der persönlichen Nutzung erwerben.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich