Kommissar Jörgensen und der Mann mit dem neuen Gesicht: Mordermittlung Hamburg Kriminalroman (eBook)
270 Seiten
Uksak E-Books (Verlag)
978-3-7389-8063-9 (ISBN)
Der Mann stand auf dem Balkon seiner Hamburger Wohnung und rauchte, als ihn vom Nachbarbalkon aus jemand ansprach.
“Moin.”
“Moin.”
“Was mich mal interessieren würde: Kennen Sie eigentlich den Mann, der die dritte Wohnung auf unserer Etage hat?”
“Nee.”
“Gar nicht?”
“Nicht näher.”
Auf der Elbe war Nebel und ein Signalhorn ertönte. Irgendein größeres Schiff quälte sich da wohl gegen die Strömung flussaufwärts.
“Ich habe gehört, der heißt Jörgensen.”
“Ja, so heißt er.”
“Uwe Jörgensen.”
“So steht es an seiner Tür.”
“Haben Sie eine Ahnung, was der so beruflich macht?”
“Hat er nicht gesagt.”
“Haben Sie denn schonmal mit ihm gesprochen?”
“Nö.”
“Interessiert Sie das denn gar nicht, wer mit Ihnen zusammen in einem Haus wohnt.”
“Nö. Nicht so sehr. Wissen Sie denn was über den?”
“Der hat auf jeden Fall keinen normalen Job.”
“Wieso?”
“Weil er zu unmöglichen Zeiten nach Hause kommt. Und oft bleibt er dann auch nur für ein paar Stunden. Viel Schlaf scheint der nicht zu brauchen.”
“Möglich. Ich brauche auch nicht viel Schlaf. Aber meine Zigarette. Ist aber leider eine Nichtraucher-Wohnung. Schon Scheiße.”
“Haben Sie das denn nicht gesagt, dass Sie Raucher sind?”
“Dann hätte ich die Wohnung nicht gekriegt.”
“Ist das nicht Betrug?”
“Nein. Notwehr durch Notlüge.”
“So sehen Sie das?”
“Wollen Sie mich verpetzen?”
“Denken Sie das wirklich?”
“Man weiß nie.”
“Mich stört Ihre Raucherei nicht.”
“Okay.”
“Ich habe früher selber geraucht.”
“Und abgewöhnt?”
“Wegen meiner Frau. Die Ehe ist inzwischen auseinander. Aber soll ich es mir deswegen vielleicht wieder angewöhnen? Wäre auch doof, oder?”
“Ja.”
“Am besten, man gewöhnt es sich gar nicht erst an.”
“Stimmt.”
“Aber zurück zu diesem Jörgensen.”
“An dem haben Sie Narren gefressen, was?”
“ich habe zuerst gedacht, der ist vielleicht aus dem Gesundheitswesen. Ein Arzt oder ein Krankenpfleger oder sowas. Wegen den eigenartigen Zeiten, zu denen der auf Arbeit ist.”
“Und? Ist er Arzt?”
"Das weiß ich nicht. Wäre aber praktisch, einen Arzt im Haus zu haben, der könnte sich dann die Stelle an meinem Fuß mal ansehen.”
“Warum fragen Sie ihn nicht einfach mal?”
“Habe ich schon versucht.”
“Und?”
“Der ist ja so maulfaul. Sagt einfach nichts über sich.”
“Jeder wie er mag.”
“Und dann habe ich neulich bemerkt, dass er vermutlich eine Waffe unter der Jacke hatte.”
“Eine echte Waffe?”
“Eine Pistole.”
“Dann ist er vermutlich kein Arzt.”
“Dachte ich mir auch. Aber was könnte er dann sein?”
“Diamantenhändler. Wenn ich Diamantenhändler wäre, hätte ich immer eine Waffe dabei. Wegen den Diamanten.”
“Vielleicht frage ich ihn einfach nicht mal. Irgendwie beunruhigt mich das.”
“Mich nicht.”
Der Raucher ließ den Rest seiner Zigarette einfach über den Balkon fallen.
“Die feine hanseatische Art war das aber jetzt nicht.”
Der Raucher grinste. “Nein, aber praktisch.”
“Trotzdem.”
“Tschüss dann.”
Damit ging der Raucher wieder zurück in seine Wohnung und schloss die Balkontür.
Irgendwie schien er keine Lust zu haben, die Unterhaltung weiter fortzusetzen.
Ich habe wirklich keine Ahnung, woran das liegt, dachte sein Gesprächspartner, während von der Elbe her erneut das Signalhorn ertönte.
*
Auf Silvio Schönbergs Schreibtisch schrillte das Telefon. Irgendwie kam es ihm an diesem Tag lauter und durchdringender vor als normal. Es mutete ihn geradezu aggressiv an.
Schönberg war ein mittelgroßer, bulliger Mann. Dichtes, schwarzes Haar bedeckte seinen Kopf. Dunkle, stechende Augen beherrschten sein kantiges Gesicht.
Er war ein Managertyp, eine Erscheinung, die natürliche Autorität und Intelligenz ausstrahlte.
Schönberg legte den Kugelschreiber zur Seite, mit dem er gerade seinen Namen unter einen Liefervertrag setzen wollte, hob ab und sagte seinen Namen in die Muschel.
"Ein Herr Reichelt oder so ähnlich ist am Apparat", hörte er die Stimme seiner Sekretärin, Frau Dornhardt. "Ich stelle durch ..."
Gleich darauf versteinerte Schönbergs Miene. Seine Brauen schoben sich düster zusammen. Am anderen Ende der Leitung erklang eine zeternde Stimme: "Jetzt habe ich Sie überführt, Schönberg. Ich habe Verbindung mit dem Sozialdienst in Rio des Janeiro aufgenommen. Die Adoption Juans wurde nicht über diese Behörde in die Wege geleitet. Sie haben mich betrogen. Wahrscheinlich handelt es sich bei Juan nicht mal um ein Waisenkind. Kurz und gut, Schönberg: Ich will mein Geld zurück. Weigern Sie sich, es zurückzuzahlen, gehe ich zur Polizei!"
Silvio Schönberg atmete tief durch. Er schluckte trocken. Er wusste, wer der Anrufer war. Ein kaltes Licht begann in seinen Iris zu glimmen.
"Nun beruhigen Sie sich mal, Herr Reichelt", sprach er betont ruhig, mit kehliger Stimme. "Wahrscheinlich wurden in Brasilien die Adoptionspapiere verschlampt. Das ist nicht auszuschließen. Eine bürokratische Ordnung wie bei uns kennt man dort unten nicht. Da geht es oft drunter und drüber. Wenn ich Ihnen aber versichere, dass bei der Adoption alles mit rechten Dingen zugegangen ist, müssen Sie mir das schon glauben."
"Ihnen glauben?", kam es sarkastisch durch die Leitung. "Einem miesen Kinderhändler! Sie könnten es mir beim Leben Ihrer Mutter schwören, Schönberg. Ich habe Beweise. Juan ist bei keiner offiziellen Stelle bekannt."
"Das klingt ja gerade so, als würden Sie mir illegale Machenschaften unterstellen. Der Vater des Jungen, Pablo Vasquez, war Diplom-Physiker, die Mutter Ärztin. Die beiden sind bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Juan landete im San Michele Waisenhaus ..."
"In diesem Waisenhaus weiß kein Schwein etwas von Juan", erklang es wieder erregt durch die Strippe. "Wahrscheinlich haben ihn Ihre Helfershelfer in Rio entführt, Schönberg. Gekidnappt!" Jörg Reichelt atmete einige Male keuchend durch. Ihn würgte die Wut. Dann schnaubte er: "Die Adoptionspapiere sind gefälscht. Das alles ist ein gottverdammter, groß angelegter Schwindel. Sie sind ein niederträchtiger Kinderhändler."
"Verdammt, Reichelt, Sie ..."
"Schweigen Sie!", zischte Jörg Reichelt. Schließlich sank seine Stimme herab zu einem heiseren, fanatischen Geflüster. "Ich will mein Geld zurück, Schönberg. Zweihunderttausend Euro - bis auf den letzten Cent. Sie haben drei Tage Zeit ..."
Es klickte in der Leitung. Jörg Reichelt hatte aufgelegt.
"Reichelt!", rief Schönberg erregt in die Leitung. "Verdammt, Reichelt ..."
Die Verbindung war tot.
Silvio Schönbergs Hand mit dem Hörer sank nach unten. Er starrte vor sich hin und hielt den Hörer noch kurze Zeit nachdenklich in der Hand. Seine Wangenmuskulatur vibrierte. Er hatte die Lippen so sehr zusammengepresst, dass sie nur noch einen dünnen, blutleeren Strich bildeten.
Hinter seiner Stirn arbeitete es fieberhaft.
Schließlich legte auch er auf. Er ging zum Fenster und starrte gedankenverloren hinaus. Sein Büro lag im 15. Stockwerk des Bürogebäudes der General Autotechnik GmbH.
Vor seinem Blick lag die Stadt. Die Wolken hingen tief und trieben schnell nach Osten. Die hohen Gebäude schienen in sie hineinzuragen. Es war regnerisch und windig. Ein Wetter, das nicht dazu angetan war, die Stimmung zu heben.
Das alles registrierte Schönberg nicht.
Wenn Reichelt die Polizei einschaltet, dann kannst du deine Villa am Stadtrand mit einer Gefängniszelle vertauschen, Silvio, durchflutete es ihn heiß. Deine Yacht, der Landsitz im Bergland von Mato Grosso - alles futsch. Und wenn du in vielen Jahren wieder herauskommst, stehst du als Bettler auf der Straße. Dafür hast du nicht jahrelang geschuftet wie ein Tier. Das lässt du dir auf keinen Fall nehmen.
Silvio Schönberg entschloss sich von einem Augenblick zum anderen.
Er hatte einen Fehler gemacht, als er trotz des offensichtlichen Argwohns Reichelt das Geschäft abwickelte. Seine Habgier hatte ihn dazu verleitet.
Es galt, den Fehler auszubügeln.
Mit drei Schritten war er bei seinem Schreibtisch. Er nahm den Hörer ab, wollte schon den Zeigefinger auf eine der Zahlentasten setzen, überlegte es sich aber anders und warf den Hörer wieder auf die Gabel.
Er ging zum...
Erscheint lt. Verlag | 28.6.2023 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
ISBN-10 | 3-7389-8063-6 / 3738980636 |
ISBN-13 | 978-3-7389-8063-9 / 9783738980639 |
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