Science Fiction Dreierband 3046 (eBook)
500 Seiten
Uksak E-Books (Verlag)
978-3-7389-8037-0 (ISBN)
Prolog
Scharan, Zentrum
Raiconn betrachtete die Gefangene aus der Abgeschiedenheit der ZENTRALE heraus. Die Menschenfrau bemerkte davon nichts. Sie saß mit offenen Augen auf dem Boden ihrer Zelle und starrte scheinbar ins Nichts. Aber der Auruune vermutete, dass sie Erinnerungen und Sehnsüchten nachhing, aus denen sie Trost und Hoffnung zu schöpfen versuchte.
Er empfand kein Bedauern für sie. Sie war niemand, sie war nichts. Sämtliche Kreaturen, die dieses aberwitzige, aus den Fugen geratene EXPERIMENT hervorgebracht hatte, waren in seinen Augen minderwertig, mehr noch: künstlich . Er hätte genauso gut anfangen können, Mitgefühl für eine KI zu entwickeln.
Absurd. Dieser ganze Kosmos ist ein einziger böser Traum.
Es schmerzte ihn mehr, als er nach außen dringen ließ, dass er und alle, die ihm in dieses wahnwitzige Universum gefolgt waren, um hier endlich die notwendigen Schritte zum Schutz ihres Urkontinuums einzuleiten, in diesem bösen Traum enden würden. Sie würden mit ihm vergehen, und niemand, der sich zu diesem Zeitpunkt darin befand, würde die Löschung überstehen.
Wobei: Löschung? Nach Raiconns Vorstellung der falsche Begriff. Die Vernichtung würde nicht von einem Moment zum anderen erfolgen – auch nicht mithilfe des Schlüssels, der sich nun in ihrem Besitz befand. Denn das Tragische war, dass dieses von Maschinen – der EWIGEN KETTE - generierte Universum selbst mithilfe des Schlüssels nicht einfach auf Knopfdruck verschwinden würde.
Nichtsdestotrotz war die Umprogrammierung der CHARDHIN-Stationen die einzige Hoffnung, die sich sein Kontinuum machen durfte, nachdem sämtliche Versuche, die Bedrohung von »drüben« zu stoppen, gescheitert waren. Ein paar Jahre oder Jahrzehnte würden die Situation in seinem Heimatkosmos, die sich über Äonen angebahnt hatte, nicht merklich verschlimmern.
»Die Flotte meldet Bereitschaft«, sagte eine Stimme, ohne dass sich an Raiconns Alleinsein im Herzen der ZENTRALE etwas änderte. »Wir können jederzeit aufbrechen und warten nur noch auf deinen Befehl.«
»Sobald ich auf der VERVE eintreffe«, erwiderte Raiconn, ohne sich nach dem Hologramm umzusehen, das in nächster Nähe zu ihm materialisiert war, »geht es los.«
»Was soll mit der Gefangenen geschehen?«
»Nichts«, sagte Raiconn lapidar.
»Nichts?«
»Stelle sicher, dass sie auch künftig mit allem Lebensnotwendigen versorgt wird: Luft, Wärme, Nahrung. Wir wollen ihr den Aufenthalt so angenehm wie möglich machen. Solange er dauert.«
Raiconn beendete die Verbindung und starrte noch eine ganze Weile auf die Gefangene. Seine letzte Begegnung mit ihr lag nicht lange zurück. Sie ahnte nicht, dass es zu keiner weiteren kommen würde. Sie war festen Glaubens, weiter von ihren Häschern traktiert zu werden.
Raiconn fand das amüsant. Er hätte ihr mitteilen können, dass die riesige Station, die den Auruunen so lange als Basis gedient hatte, nun verlassen und aufgegeben werden würde.
Aber warum? Alles näherte sich seinem Ende. Die Basis bildete keine Ausnahme, dafür hatte er gesorgt.
Mit einem letzten Blick auf die reglos Dasitzende kehrte er dem Hologramm, in dem sie abgebildet war, den Rücken und aktivierte das Transportfeld, das ihn ohne messbaren Zeitverlust in die VERVE versetzte.
Dort angekommen stellte er Kontakt zu jedem einzelnen seiner Schiffe her. Seine Befehle waren eindeutig, und wenig später setzte sich die vielleicht gewaltigste Flotte, die dieses Universum jemals gesehen hatte, in Bewegung.
Sie nahm Kurs auf einen 13 Milliarden Lichtjahre entfernten Punkt.
Einen Punkt, der sich bei Annäherung in Milliarden Sterne verwandeln würde.
Aber nur einer davon zählte.
Nur einer beherbergte das Schloss , zu dem der Schlüssel passte, der in einem der unzähligen Räume der VERVE vor sich hin dämmerte.
Raiconn spürte eine Erregung, wie er sie ähnlich nur unmittelbar nach seiner Ankunft in diesem Kosmos empfunden hatte – als er endlich hatte in einen Körper schlüpfen und Einfluss auf die ihm fremde Umgebung nehmen können.
Sein Seufzer wurde ihm kaum bewusst.
Wie ein gigantischer Keil durchpflügte die Formation aus Tausenden und Abertausenden Ringschiffen die Ätherschleier Scharans. Dann war diese Etappe geschafft, und die Armada nahm Kurs auf eine der Stationen des Weltennetzes , das den Sprung über den gewaltigen Abgrund hinweg ermöglichte.
Und dann…
… waren sie auch schon am Ziel ihrer Wünsche.
Zumindest räumlich gesehen.
Der Rest… würde sich finden…
Scharan, unter der Ätherkruste
»Wird er je zurückkehren?« Morghayn sah Fendergoyn mit brennenden Augen an. »Was glaubst du, Bruder?«
»Du meinst Artovayn?« Der älteste Freund, den Morghayn hatte, erwiderte seinen Blick scheinbar ungerührt. »Ich weiß es nicht. Aber wie wir alle hoffe ich es.«
»Wenn er nicht zurückkäme, wäre das der Anfang vom Ende.« Morghayn sonderte einen Laut ab, der ihm selbst fremd erschien.
»Unsinn! Warum sagst du das? Wir sind... auf einem guten Weg!«
»Wir waren es – weil er uns die Sinne geschärft hat für das, was aus uns wurde. Nur dank seines Appells an unsere Ehre, unser Selbstwertgefühl, wurde uns aufgezeigt, wie selbstgerecht, dekadent und träge wir in all der Zeit geworden sind, seit unsere Welt ihren angestammten Platz verließ und wir uns unter einer dicken Kruste Ätherfilz verbergen müssen, weil wir sonst -«
»Weil wir sonst längst von den Schrecklichen gestellt und vernichtet worden wären – sprich es ruhig aus, Bruder. Die Tyrannen scheuen sich vor keinem Mord. Sie haben so viele Völker in den Untergang gerissen und nicht einmal haltgemacht vor der Natur an sich. Diese Galaxie sah einmal völlig anders aus als heute. Inzwischen wissen wir es wieder, sind Erinnerungen zurückgekehrt, Aufzeichnungen gefunden und gesichtet worden. Eine andere Generation von Gloriden erlebte den Niedergang Scharans als Zeitzeugen mit. Damals war dies eine Sterneninsel wie Milliarden andere im Kosmos. Heute stellt sie einen absonderlichen Einzelfall dar – zumindest, soweit wir wissen. Wir können aber nicht ausschließen, dass die Auruunen noch andere Galaxien in ähnlicher Weise heimsuchten wie Scharan. Es mag mehr Anomalien im Universum geben, als wir auch nur ahnen können.«
Morghayn machte eine Geste entschiedener Verneinung. »Das glaube ich nicht. Die, mit denen wir Kontakt haben, hätten davon berichtet.«
»Auch die, die du meinst, sind nicht allwissend.«
»Aber weit herumgekommen. Weiter als wir.«
»Das wird sich in Zukunft ändern.«
»Wie meinst du das?«
»Wir stellen gerade die Weichen für eine neue Epoche – sag nicht, dass dir das entgangen ist.«
»Wir renovieren die Perle. Aber ich würde nicht davon ausgehen, dass wir -«
»Zauderer! Wann hörst du endlich auf, im Moment zu leben.«
»Was ist daran falsch?«
»Nichts – wenn sich alles Denken nicht nur auf das Erreichte und die Gegenwart fokussiert.«
»Worauf sollte es sich...
Erscheint lt. Verlag | 25.6.2023 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction |
ISBN-10 | 3-7389-8037-7 / 3738980377 |
ISBN-13 | 978-3-7389-8037-0 / 9783738980370 |
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