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Alfred Bekker
© Roman by Author
© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Alles rund um Belletristik!
Kommissar Jörgensen und der gerechte Zorn
von Alfred Bekker
1
»Sie können schon gehen, Marita.«
Dr. Mike Gurth saß hinter seinem Schreibtisch und sah einige Laborwerte durch, die gerade noch per Kurier in die Praxis gebracht worden waren.
»Bis Morgen, Dr. Gurth.«
»Ich sehe mir nur noch kurz die Befunde an, dann gehe ich auch nach Hause!«
Mike Gurth hörte, wie die Schritte seiner Arzthelferin auf dem Flur verklangen. Wenig später fiel die Tür ins Schloss.
Gurth überflog die Laborergebnisse. Das Telefon klingelte. Gurth nahm den Hörer ans Ohr.
»Mike Gurth?«, krächzte eine verzerrte Stimme.
»Am Apparat.«
»Du Kindermörder!«
»Hören Sie, ich …«
»Aber noch heute Abend wirst du selbst tot sein.«
Es machte klick. Die Verbindung war unterbrochen.
Gurth seufzte hörbar.
Dieser Spinner hat mir gerade noch gefehlt!, dachte er.
Als ein Gynäkologe, in dessen Praxis im Rahmen der gesetzlichen Grenzen auch Abtreibungen durchgeführt wurden, war es gewöhnt, dass religiöse Fanatiker und sogenannte Lebensschützer in ihm eine willkommene Zielscheibe ihrer Kampagnen sahen. Das war auch der Grund dafür, dass Gurth seine Praxis in einem Gebäude in Hamburg-Winterhude eingerichtet hatte - einem Gebäude mit erstklassigem Sicherheitsstandard. Rund um die Uhr sorgten die bewaffneten Security-Leute eines privaten Sicherheitsunternehmens dafür, dass kein Unbefugter ins Gebäude gelangen konnte. Flure, die Eingangshalle und die Aufzüge waren ebenso mit einer Videoüberwachungsanlage ausgestattet wie das zum Gebäude gehörige unterirdische Parkhaus.
Seit Gurth vor drei Jahren auf einem Ärztekongress von einem fanatischen Lebensschützer mit einem Messer angegriffen worden war, trug er häufig einen Revolver bei sich.
Gurth legte die Befunde zur Seite. Er konnte sich jetzt einfach nicht mehr auf die Ergebnisse konzentrieren.
Immerhin, das hast du erreicht, Krächzer!, dachte Gurth.
Krächzer – das war der Name, den er diesem Anrufer für sich persönlich gegeben hatte. Der Krächzer verfolgte ihn schon seit langem mit seinen Todesankündigungen. Manchmal täglich, dann wieder nur alle vier bis fünf Wochen. Die Polizei hatte die Identität des Krächzers bisher nicht herausbekommen. Alles, was man wusste, war, dass er mindestens dreimal von einer bestimmten Telefonzelle bei der U-Bahnstation Kehlinghusstraße angerufen hatte und ansonsten verschiedene Prepaid Handys benutzt. Außerdem gehörte der Krächzer zu einem guten Dutzend Anrufern, die Gurth mehr oder minder regelmäßig mit Beschimpfungen, Beleidigungen oder Drohungen bedachten. Zwei von ihnen hatte die Polizei erwischt.
Die meisten von ihnen nahm Gurth nicht besonders ernst. Ihre Rhetorik mochte martialisch klingen, aber Gurth schätzte die meisten von ihnen als harmlos ein. Menschen, für die es nur schwarz oder weiß gab und die nicht bereit waren, sich mit der Not, die eine Frau vielleicht zu der Entscheidung trieb, eine Schwangerschaft zu unterbrechen, überhaupt zu beschäftigen.
Aber Gurth wusste spätestens seit dem Messeranschlag auf dem Ärztekongress, dass es eine kleine Minderheit in den Reihen der Abtreibungsgegner gab, die bereit waren, weiter zu gehen.
Einmal war sein Wagen angezündet worden. Die Polizei hatte die Täter bislang ebenso wenig ermitteln können, wie die Identität des Krächzers und der anderen Anrufer. Manche von ihnen waren für Gurth im Laufe der Zeit zu so etwas wie guten Bekannten geworden.
Gurth versuchte so wenig wie möglich daran zu denken, dass da draußen vielleicht tatsächlich jemand auf ihn lauern mochte.
Der Arzt war überzeugt davon, dass seine Arbeit wichtig war und getan werden musste. Also setzte er sie trotz der damit verbundenen Gefahren fort und versuchte ansonsten einfach, alle nur denkbaren Sicherheitsvorkehrungen zu treffen.
Mike Gurth streifte den weißen Kittel ab, hängte ihn an einen Haken an der Wand seines Behandlungszimmers, ging in den Vorraum und nahm Jackett und Mantel von der Garderobe. Kurz bevor er die Praxis verlassen wollte, klingelte noch einmal das Telefon.
Gurth zögerte. Eine Frau in Not oder der Krächzer – beides war möglich. Schließlich gab Gurth sich einen Ruck, ging zum Tresen, hinter dem Marita normalerweise ihren Platz hatte und nahm das Gespräch entgegen.
»Unbekannter Anrufer« stand im Display.
»Hier Dr. Gurth«, meldete er sich.
Auf der anderen Seite der Leitung war nur ein schweres Atmen zu hören. Dann machte es klick und die Verbindung war unterbrochen.
Der Schweiger!, dachte Gurth. Von dir habe ich schon länger nichts mehr gehört!
2
Gurth ging zu den Aufzügen. Unterwegs begegneten ihm vor allem Raumpflegerinnen und Angehörige des Wachpersonals. Nur ab und zu mischte sich noch einer der Anwälte und Architekten, deren Büros in diesem Gebäude ebenfalls zu finden waren, dazwischen.
Mit dem Aufzug ging es hinab in die Tiefgarage. Überall folgten ihm Kameraaugen.
Gurth fuhr einen Porsche. Ein fester Platz war für ihn reserviert.
Bis auf zwanzig Meter hatte er sich dem Wagen genähert, als plötzlich das Licht ausging. Es war stockdunkel. Nur noch Schwärze umgab ihn. Mike Gurth griff unter das Jackett, wo er seinen Revolver trug. Er zog den kurzläufigen 38er hervor und war vollkommen orientierungslos. Der Puls schlug ihm bis zum Hals. Da war nichts, auf das er hätte zielen können.
Er konnte nicht die Hand vor Augen sehen. Wie blind stand er da.
Er griff zum Handy. Nicht, weil er hoffte, eine Verbindung zu bekommen. In diesen Katakomben war jeder Netzkontakt ausgeschlossen. Aber das Display war eine Lichtquelle - wenn auch keine besonders starke.
Er klappte das Gerät auf. Ein schwacher Schein leuchtete auf.
Nur Sekundenbruchteile, nachdem das Display aufblitzte, ertönte ein Geräusch, das an ein kräftiges Niesen erinnerte. Blutrot leuchtete Mündungsfeuer auf. Zweimal kurz hintereinander geschah das.
Gurth fiel mit einem dumpfen Geräusch zu Boden. Das Handy und der 38er Revolver entglitten seinen Händen und rutschten über den Asphalt. Einen Augenblick lang leuchtete das Display noch, dann schaltete es sich automatisch ab.
Schritte hallten in der Dunkelheit.
Ein letzter, gedämpfter Schuss war zu hören. Aber diesmal war noch nicht einmal Mündungsfeuer zu sehen, denn der Killer hatte die Mündung direkt auf die Schläfe des regungslos daliegenden Opfers gehalten.
3
Ich holte meinen Kollegen Roy Müller wie beinahe jeden Tag an der bekannten Ecke ab. Er konnte ein Gähnen nicht unterdrücken. Mir ging es nicht anders. Mein Name ist Kriminalhauptkommmissar Uwe Jörgensen. Kollege Roy Müller und ich gehören zu einer Sondereinheit mit der Bezeichnung ’Kriminalpolizeiliche Ermittlungsgruppe des Bundes’ in Hamburg.
»Ich hoffe, Mandys Kaffee sorgt gleich dafür, dass wir nicht einschlafen«, sagte Roy.
Ich grinste.
»Das ist der Nachteil des bequemen Sitzmobiliars in Herrn Bocks Büro.«
Wir hatten eine lange Nacht hinter uns. Viele Stunden hatten wir uns zusammen mit einem Dutzend anderer Kollegen des Polizeipräsidiums Hamburg um die Ohren schlagen müssen, um Ricky Fratella, den Chef eines Drogenrings auf frischer Tat bei einem Deal zu ertappen. Fratella hatte geglaubt, das Geschäft seines Lebens machen zu können. In Wirklichkeit war er in eine Falle getappt. Monatelange, sehr aufwendige Ermittlungen konnten damit wahrscheinlich zum Abschluss gebracht werden.
Eine halbe Stunde später fanden wir uns im Besprechungszimmer von Kriminaldirektor Jonathan D. Bock, dem Chef unserer Abteilung, ein. Außer uns waren noch die Kommissare Stefan Czerwinski und Ollie Medina sowie die Kollegen Tobias Kronburg und Ludger Mathies anwesend.
Herr Bock wartete, bis Mandy allen einen Becher Kaffee serviert hatte. Die Sekretärin unseres Chefs...