: Frankreich Krimi
von Henry Rohmer
Eine Serie von Attentatsversuchen und Morden erschüttert Paris. Doch die Opfer scheinen nichts gemeinsam zu haben. Privatdetektiv Alain Boulanger übernimmt den Fall, aber plötzlich will niemand mehr, dass er ihn auch tatsächlich aufklärt.
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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
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Henry Rohmer ist ein Pseudonym von Alfred Bekker
© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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1
Paris 1995 …
Als sich Gerard Lefebre an diesem Morgen von seinem Chauffeur ins Büro fahren ließ, war seine Laune nicht gerade besonders gut.
„Ärger, Monsieur?“
„Sprechen Sie mich besser nicht drauf an.“
„Wie Sie meinen, Chef.“
„Wenigstens auf Sie kann ich mich verlassen!“
„Schön, dass Sie das sagen, Monsieur.“
„Ansonsten bin ich leider nur von Idioten umgeben!“
„Wem sagen Sie das, Chef!“
„Naja, muss ja nicht Ihre Sorge sein!“
Es gab Ärger in seiner Firma, und wie es schien, würde er mit dem eisernen Besen fegen müssen, um da wieder aufzuräumen. Aber im Augenblick schienen seine Gedanken ganz woanders zu sein. Er blickte nachdenklich aus dem Fenster, während der Chauffeur die schwarze Limousine durch den Pariser Stadtverkehr lenkte.
Es gab einen Punkt, an dem man sich fragte: Wozu das alles?
Und vielleicht war Gerard Lefebre an diesem Punkt. Zwischendurch schaute er kurz auf die Uhr. Er war spät dran. Wenn man hinaus in den Regen sah und auf die Blechlawine schaute, die sich durch die Straßen quälte, konnte man auf die Idee kommen, dass es damit zu tun hatte, dass Gerard Lefebre heute zum ersten Mal seit Jahren nicht pünktlich war.
Aber daran lag es nicht.
Lefebre hatte seinem Notar noch einen kurzen Besuch abgestattet. Auch eine Sache, die ihm nicht angenehm gewesen war und die er lange vor sich hergeschoben hatte.
Was soll‘s!, dachte er. Jetzt habe ich wenigstens das hinter mir!
Und die Firma lief ihm schließlich nicht davon. Wenn es sich einer leisten konnte, spät dran zu sein, dann er, denn er war der Chef.
Sollte man zumindest meinen.
Es dauerte nicht mehr lange, und der Wagen hielt vor dem mächtigen Gebäude, in dessen Mauern die Lefebre Compagnie ihre Büros hatte.
Der Wagen hielt; der Chauffeur stieg als erster aus, um seinem Chef die Tür zu öffnen. Die Tür ging Sekunden später auf.
„Vielleicht brauche ich Sie in einer halben Stunde wieder“, meinte Lefebre zum Chauffeur. „Halten Sie sich also bereit!“
„Jawohl, Chef!“
Lefebre stieg mit umständlichen, etwas ungeschickt wirkenden Bewegungen aus. Er hatte mindestens ein Dutzend Kilo Übergewicht, und das machte ihn langsam. Er keuchte erbärmlich, und sein Gesicht war puterrot angelaufen, als er schließlich neben seinem Chauffeur stand.
Dann geschah es.
Lefebre hörte quietschende Reifen und das Heranbrausen eines anderen Wagens. Er drehte sich unwillkürlich dorthin um. Es war ein zweisitziger Sportwagen mit verdunkelten Scheiben, soviel sah er noch.
Alles Weitere dauerte nur Sekunden!
Eine der Scheiben ging ein Stück hinunter, etwas Längliches schob sich einige Zentimeter hindurch, und dann blitzte es auf einmal. Es war ein Mündungsfeuer ohne Schussgeräusch. Nur ein Klacken des Abzugs, das durch die Geräusche der Umgebung fast völlig verschluckt wurde.
Und trotzdem war es ein Geräusch, das Gerard Lefebre das Blut in den Adern gefrieren ließ, denn er kannte es nur zu gut. Es war ein verdammt hässliches Geräusch, auch wenn es kaum zu hören war.
Gerard Lefebre sah eine Kugel am Lack der Limousine kratzen, direkt vor seinen Augen, oben auf dem Dach.
Und noch ehe er wirklich begriffen hatte, was vor sich ging, und dass der Fahrer des fremden Wagens es ganz offensichtlich auf sein Leben abgesehen hatte, wurde ein zweiter Schuss abgefeuert. Und ein dritter und dann noch ein vierter. Lefebre sah den Chauffeur mit einem kleinen, runden Loch im Kopf auf dem Pflaster liegen. Die Augen starrten weit aufgerissen in den smogverhangenen Himmel. Er war tot.
Lefebre war wie gelähmt.
Dann fühlte er einen höllischen Schmerz in der linken Schulter. Die Wucht des ersten Treffers riss ihn herum. Die zweite Kugel fuhr ihm seitlich in den Brustkorb.
Das Letzte, was er fühlte, war Schwindel. Alles begann sich drehen. Und dann kam die Schwäche.
Seine Beine knickten ihm unter dem Körper weg, und er sackte zu Boden. Er hörte noch, wie Leute zusammenliefen und aufgeregt durcheinander redeten. Irgendjemand schrie hysterisch.
Und dann hörte Lefebre die quietschenden Reifen des Sportwagens mit den verdunkelten Scheiben, der offensichtlich davonraste.
Dann wurde es auf einmal stumm in seiner Umgebung und dunkel vor seinen Augen.
Sehr, sehr dunkel.
2
Die Tür flog auf, und Alain Boulanger kam schwungvoll herein. Er hatte den Mantel bereits ausgezogen, knöpfte sich nun den obersten Hemdenknopf auf und lockerte dann seine Krawatte etwas.
„Guten Morgen, Jeanette!“, grüßte er gutgelaunt Jeanette Levoiseur, seine Assistentin.
„Tag, Alain!“
„Ich weiß, ich bin etwas spät dran. Aber dieser verdammte Verkehr!“
Jeanette erhob sich von ihrem Platz und trat an Boulanger heran, der unterdessen seinen Mantel irgendwo abgelegt hatte.
„Du hast Glück, Alain!“
„Inwiefern?“
„Die Klientin, die seit fast einer Stunde in deinem Büro wartet und der ich bereits die dritte Tasse Kaffee aufgebrüht habe, sieht dermaßen verzweifelt aus, dass sie wahrscheinlich auch noch ein paar weitere Stunden auf sich genommen hätte.“
Alain zuckte mit den Schultern.
„Leute, die ein sorgloses Leben führen und keinerlei Probleme haben, sind ja auch nicht gerade die typische Kundschaft eines Privatdetektivs, oder?“
Als Alain Boulanger einen Moment später sein Büro in der 7. Etage in der Rue Saint-Dominique nahe des Parc Champ de Mars betrat, wusste er, was Jeanette gemeint hatte.
Da saß eine junge Frau vor ihm im Sessel, die wirklich alles andere als ein glückliches Gesicht machte. Sie hatte ausdrucksstarke, grün-graue Augen, ein fein geschnittenes Gesicht und das lange blonde Haar fiel ihr auf die Schultern herab. Sie gefiel Alain.
Aber es war ihrem Gesicht anzusehen, dass sie große Sorgen haben musste.
Alain grüßte höflich.
„Bonjour, Mademoiselle...“
„Cathèrine Lefebre“, sagte sie.
Alain gab ihr die Hand und versuchte zu lächeln. „Angenehm.“
„Sie sind Alain Boulanger, der Privatdetektiv?“
„Richtig.“
„Eigentlich eine dumme Frage. Ich habe Ihr Bild nämlich vor ein paar Tagen in der Zeitung gesehen. Sie sollen der Beste sein, Monsieur Boulanger.“
„Man tut, was man kann“, erwiderte Alain bescheiden und setzte sich hinter seinen Schreibtisch. „Aber nennen Sie mich Alain! Und dann sagen Sie mir bitte, was Sie auf dem Herzen haben, Mademoiselle Lefebre.“
„Vielleicht haben Sie schon einmal den Namen meines Vaters gehört – Gerard Lefebre.“
Alain überlegte kurz, aber dann schüttelte er den Kopf.
„Nein, tut mir leid. Jedenfalls fällt es mir im Moment nicht ein.“
„Gerard Lefebre von der Gerard Lefebre Compagnie.“
„Ich lese zwar nicht regelmäßig den Wirtschaftsteil in der Zeitung, aber den Namen der Firma habe ich schon gehört. Was ist mit Ihrem Vater?“
„Auf ihn wurde gestern ein Mordanschlag verübt. Es steht heute in den Zeitungen.“
Alain sah das zusammengefaltete Exemplar der Zeitung Le Monde auf seinem Tisch liegen.
„Ich bin heute noch nicht dazu gekommen, in die Zeitung zu sehen“, gab er zu.
„Ein Wagen kam vorbei. Mit verdunkelten Scheiben. Und dann wurde geschossen. Der Chauffeur ist dabei ums Leben gekommen, aber es sieht wohl ganz so aus, als hätte man es eigentlich auf meinen Vater abgesehen gehabt. Mein Vater liegt jetzt noch immer auf...