Wege durch die Angst -  Michael Nußbaumer

Wege durch die Angst (eBook)

Geisterbahn, Exit
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2023 | 1. Auflage
Buchschmiede von Dataform Media GmbH (Verlag)
978-3-99152-048-1 (ISBN)
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'Wege durch die Angst - Geisterbahn, Exit' ist eine Sammlung aus kurzen Geschichten, Gedichten und Essays, die alle ein Grundthema haben: Einen Umgang mit der existentiellen menschlichen Angst unserer Zeit zu finden, der uns öffnet für eine tiefere, weitere Lebendigkeit. Wie können wir Spaltungen integrieren, zuallerest in uns - und so uns selbst treuer werden und in eine tiefere Verbindung mit anderen kommen? Dieses Buch ist eine große Einladung, wieder zu dir zu finden, durch die Angst.

Michael Nußbaumer (*1971, Dornbirn) lebt mit seiner Frau und seinen drei Töchtern in Wien. Nach dem Studium in Salzburg und Wien (Soziologie, Publizistik) Friedensdienst im kriegszerstörten Vukovar. Anschließend zahlreiche berufliche Stationen, vom Flüchtlingsberater bis zum Schauspieler, vom Figurenspieler bis zum Jugendarbeiter und Erwachsenenbildern. Seit 2011 beruflich selbständig als Teamsupervisor, Coach und Moderator mit dem "Labor für Kulturtransformation". Außerdem Romanautor (WELTÜBERGANG) und Publizist (TAU-Magazin).

Vom Aufleuchten des Feuers

Wenn man den Geschichten, die unsere (post-)moderne Kultur über das Leben erzählt, Glauben schenkt, kann man nur Angst bekommen. Dann sind wir unbedeutende Organismen in einem beinah leeren, unaufhaltsam dem Kältetod entgegen strebenden Universum, die jeden Moment grundlos, durch einen blinden Zufall, für immer ausgelöscht werden können, während sie in ihrer auf Konkurrenz angelegten Natur ums Überleben beziehungsweise die besten Plätze in der Gesellschaft kämpfen.

Dass sich eine so tief deprimierende Geschichte als weithin anerkannte Wahrheit durchsetzen konnte ist erstaunlich – ebenso erstaunlich ist es, wie viel Menschlichkeit im besten Sinne wir angesichts einer solchen Erzählung noch vorfinden!

Nehme ich diese Geschichte vom separierten und zum Tode verurteilten Individuum in einer sinnlosen und gottlosen Welt für wahr, MUSS Angst, ja Todesangst meine beständige Begleiterin sein und da die meisten Menschen so nicht leben könnten, spalten sie diese Angst ab.

Bin ich aber offen dafür, Angst zu fühlen, bekomme ich es zusätzlich mit den abgespaltenen und verleugneten Ängsten eines ganzen Kollektivs zu tun. Es braucht also immensen Mut, Angst zu fühlen.

Mut allein reicht aber nicht aus.

*

Man kann sich von der Angst klein machen lassen, bis man sich so zerbröselt fühlt, dass man die Lügen der Gesellschaft glaubt und nach ihren unmenschlichen Spielregeln spielt, um Dinge zu erhalten oder zu erreichen, die ohne echten Wert sind oder die dir ohnehin schon gehören.

Man kann aber auch aufhören damit.

Und beginnen, die eigene, ruhige Größe zu erkennen und zu würdigen. Eine Größe, die dich nicht über andere stellt, die dir nicht einmal gehört, weil es einfach Gottes unendliche Liebe zu dir beziehungsweise in dir ist.

Vielen wird diese Sprache nicht schmecken, weil sie zu viel vergiftete Religiosität kosten mussten oder weil sie ihr Geschmacksvermögen durch seelisches junk food verwirrt haben. Aber es kommt nicht auf die Begriffe an, nicht darauf, ob du an Gott glaubst oder nicht, sondern ob du an dich als zutiefst geliebtes Wesen glauben kannst, das den Ruf „Fürchtet euch nicht!“ als Einladung zur Selbstbefreiung zu verstehen vermag.

*

Wenn man aus der Gruppe ausschert – und wenn man dem eigenen Weg folgt, kann man nicht anders, als aus der Gruppe auszuscheren – bekommt man es ebenfalls mit der Angst zu tun, weil wir zutiefst aufeinander bezogen sind und das Verlassen einer Gruppe oder das Ausgeschlossenwerden aus einer Gruppe existentielle Ängste auslöst. Ohne Angst geht die Selbstwerdung also nicht, aber wenn wir nicht danach streben, wir selbst zu werden, verweigern wir uns dem Fluss des Lebens und das macht letztlich auch Angst. Das bedeutet, dass es ohne Angst nicht geht.

Es muss also mit der Angst gehen!

Sich mit der Angst vertraut machen, ohne sich von ihr einsperren zu lassen, sie also weder verleugnen, noch von ihr davonzurennen, das ist eine Kunst und noch mehr ist es eine Gnade. Sich in der Enge der Angst für die Weite in uns zu öffnen, wieder und wieder. Nicht ein für allemal sich von der Angst heldenhaft befreien, sondern mitten in der Angst ruhig und weit werden können, in dem wir uns unserem göttlichen Kern zuwenden und anvertrauen und in der Haltlosigkeit, im Abgrund Geborgenheit, Getragensein erfahren.

*

Wie willst du einem Menschen trauen, der sich in den entscheidenden Fragen des Lebens auf das Urteil anderer verlässt? Was, wenn ihm diese anderen sagen, dass es das Beste ist, dich „vor den Bus zu werfen?“

Die Delegation der inneren Autorität an äußere Autoritäten ist so üblich, ja sie ist geradezu das Fundament für Zugehörigkeit zur Gesellschaft, dass es uns kaum auffällt, dass darauf kein Fundament für echtes Vertrauen unter den Menschen geschaffen werden kann – auch kein echtes Vertrauen sich selbst gegenüber.

Und wenn ich mir nicht traue, sondern externen Autoritäten, die mich vielleicht gar nicht kennen, wahrscheinlich nicht lieben, muss ich wieder Angst bekommen, eine unheimliche Spielart von Angst, weil ich nicht weiß, wer mir freundlich gesonnen ist und wer etwas im Schilde führt. In dieser Angst kann ich mich auf nichts und niemanden verlassen und darf deswegen nicht zu viel fragen und prüfen, weil mir sonst klar werden würde, dass da kein Boden ist. Wenn ich nicht geübt habe, mir selbst zu trauen, bin ich kein vertrauenswürdiger Mensch, allenfalls ein guter Untertan.

Und zu üben, mir selbst zu vertrauen, bedeutet nicht, mir anzumaßen, die Wahrheit zu kennen, sondern mich auf meinen inneren Kompass einzulassen, mit dem ich auf die Welt gekommen bin, der meine Verbindung zur Weisheit ist – und den die meisten Menschen zu ignorieren gelernt haben, nach dem hundertsten oder tausendsten oder hunderttausendsten Mal, nach dem ihnen gesagt wurde, dass sie nichts wissen und nichts wissen können und dass das eigene Gespür trügerisch sei, aber die Wahrheiten irgendwelcher Autoritäten nicht.

Das bedeutet natürlich nicht, die eigene Perspektive als objektive Wahrheit zu nehmen und diese nicht immer wieder zu prüfen! Es bedeutet jedoch, das eigene Erleben ernst zu nehmen.

*

Es wirkt eine unfassbare Intelligenz im Kosmos und in uns und diese beiden Intelligenzen sind aufeinander abgestimmt, weil sie nicht getrennt sind.

Unsere Anmaßung, mit dem rationalen Verstand, der Boss, der Besserwisser dieser Intelligenz sein zu wollen, muss Angst auslösen, weil wir in Wahrheit wissen, dass es eine Lüge ist.

Wir sind diesen Weg aber so weit gegangen, dass wir nicht mehr wissen, wie es anders geht, wie wir uns dieser Intelligenz in den täglichen Fragen des Lebens überlassen können, dieser Intelligenz, an der wir Anteil haben und von der wir Ausdruck sind. Das hat uns in eine schier aussichtslose Lage gebracht, in der der Verstand nicht mehr weiter weiß und doch keine Instanz außerhalb von sich anerkennt, sondern alles außerhalb des rationalen Denkens als unbewusst, also dumm ansieht.

Das sind keine abstrakten philosophischen Fragen, denen wir uns zuwenden können, wenn wir die Alltagsfragen halbwegs im Griff haben – es ist die zentrale Frage unseres Alltags: Woran orientiere ich mich? Worauf verlasse ich mich? Wo nehme ich meine Antworten her?

Wie ist mein Zugang zu der umfassenden Intelligenz?

*

Es gibt also zahlreiche, massive Gründe richtig viel Angst zu haben. Das trostlose Welt- und Menschenbild unserer Kultur, die lebensfeindlichen Strukturen, die sich daraus ergeben und von denen wir existentiell abhängig sind; unser Impuls zur Individuation, der uns in Konflikt mit unserem Wunsch nach Sicherheit durch Zugehörigkeit bringt; die mangelnde Ausbildung unseres inneren Kompasses und die ausgedünnte Anbindung an die umfassende Weisheit; die vielen Menschen, die sich mehr auf äußere Autoritäten verlassen als auf ihre „innere Spur“ und die deshalb wenig vertrauenswürdig sind…

Welche Gründe gibt es aber, keine Angst zu haben, oder mitten in der Angst Vertrauen zu fassen?

Der wesentliche Grund ist, dass die trostlose Erzählung von unserem bedeutungslosen Sein in einem bewusstlosen Kosmos nicht wahr ist. Diese Vorstellungen sind wie Wolken, haben keine bleibende Substanz; sie sind zwar imstande, die Sonne zu verdunkeln, wenn wir ihnen Glauben schenken, aber sobald wir sie durchdringen, lösen sie sich auf und sind wie nie gewesen, wie ein Spuk.

Es reicht aber nicht, sich einfach zu sagen, dass es nicht wahr ist, dass ich ein unbedeutendes Etwas sei, unbehütet und ohne Sinn und mich verbiegen muss, um wenigstens noch einige Zeit leben zu dürfen – denn diese Geschichten gehen tiefer, sie sind in unseren Leib eingeschrieben, ja in unsere Seele. Wir können uns aus dieser Angst nicht hinausdenken, nicht in weitere Abstraktionen flüchten, die uns vor der Angst bewahren sollen und doch nicht dazu imstande sind.

Bleibt nur mehr, mit der Angst vertraut zu werden, damit wir erkunden und erfahren können, dass diese Erzählungen nicht die Wirklichkeit abbilden.

So kann die Angst nicht mehr gegen dich verwendet werden, dann müssen dich keine externen Autoritäten vor ihr schützen (während sie womöglich die Angst gleichzeitig schüren!), dann musst du dich wegen ihr nicht mehr selbst verraten. Und wenn sie dir vertraut wird, verliert sie nicht nur ihren Schrecken, sondern auch ihren Namen. Angst war nur ein Hilfsbegriff, ein Etikett!

*

Diese Zuwendung zu, ja die Akzeptanz von Angst und Schmerz, kann nicht von dir gemacht werden. Nur weil es logisch klingen mag, dass man Angst nicht besiegen kann, weil sie ein Teil unserer Existenz und tief in uns eingeschrieben ist, verschwindet der Impuls, Angst und Schmerzen zu vermeiden oder vernichten zu wollen, nicht. Denn die Angst erwischt dich ja immer dort, wo du zutiefst verletzlich und bedürftig bist, wo du dich (zu) klein fühlst. Und der Impuls, der diesen kindlichen Gefühlen entspricht, ist es, Schutz und Geborgenheit zu suchen – und das tun wir...

Erscheint lt. Verlag 6.6.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga
ISBN-10 3-99152-048-6 / 3991520486
ISBN-13 978-3-99152-048-1 / 9783991520481
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