Jenny (eBook)

Roman

(Autor)

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2023 | 1. Auflage
288 Seiten
Reclam Verlag
978-3-15-962164-7 (ISBN)

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Jenny -  Fanny Lewald
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Die jüdischen Buddenbrooks Die lebhafte Jenny entstammt einer reichen jüdischen Kaufmannsfamilie. Als sie sich in den Pfarrer Gustav verliebt, wird ihr erstmals klar, wie sehr die preußische Gesellschaft Angehörige des jüdischen Glaubens ausgrenzt. Mutig und selbstbewusst kämpft sie um ihre Liebe, für die Emanzipation der Frauen und gegen den Antisemitismus ihrer Zeit. Wird Jenny trotz aller Widrigkeiten ihr Lebensglück finden? Der Roman von Fanny Lewald gilt als einer der bedeutendsten feministischen Romane des 19. Jahrhunderts und entfaltet ein beeindruckendes Gesellschaftspanorama der Jahre kurz vor der 1848er Revolution. • Gesellschaftlich relevant: Das Thema Emanzipation von Frauen und Jüdinnen hat an Aktualität nichts verloren • Spannend und autobiographisch: Die Geschichte von Fanny Lewald, einer der bekanntesten feministischen Schriftstellerinnen des 19. Jahrhunderts Eine literarische Wiederentdeckung! 

 Fanny Lewald (1811-1889), jüdische Kaufmannstochter aus Königsberg, frühe Feministin und eine der bekanntesten Schriftstellerinnen des 19. Jahrhunderts. Mirna Funk, geb. 1981, ist Schriftstellerin, Journalistin und Drehbuchautorin. Sie schreibt insbesondere über Feminismus und jüdisches Leben in Deutschland. 

 Fanny Lewald (1811–1889), jüdische Kaufmannstochter aus Königsberg, frühe Feministin und eine der bekanntesten Schriftstellerinnen des 19. Jahrhunderts. Mirna Funk, geb. 1981, ist Schriftstellerin, Journalistin und Drehbuchautorin. Sie schreibt insbesondere über Feminismus und jüdisches Leben in Deutschland. 

Jenny

Zu dieser Ausgabe
Nachwort

Kapitel 1


Bei Gerhard, dem ersten Restaurant einer großen deutschen Handelsstadt, hatte sich im Spätherbst des Jahres achtzehnhundertzweiunddreißig nach dem Theater eine Gesellschaft von jungen Leuten in einem besondern Zimmer zusammengefunden, die anfänglich während des Abendessens heiter die Begegnisse des Tages besprach, allmählich zu dem Theater und den Schauspielern zurückkehrte und nun in schäumendem Champagner das Wohl einer gefeierten Künstlerin, der Giovanolla, trank, welche an jenem Abende die Bühne betreten hatte.

Sie soll leben und blühen in ewiger Schönheit!, sagte entzückt der Maler Erlau, und möge es mir vergönnt sein, die Feueraugen und den Götternacken dieses Mädchens immer vor meinen Augen zu haben, wie sie sich mir bei der gestrigen Sitzung zeigten. Ihr seht sie alle in der falschen, täuschenden Beleuchtung der Bühne und könnt nicht ahnen, wie schön ihre Farben, wie regelmäßig und vollendet ihre Züge und wie üppig ihre Formen sind. Ich sage euch, sie ist der Typus einer italienischen Schönheit.

Wenn sie nur nicht so verdammt jüdisch aussähe, sagte wegwerfend der junge Horn, der Sohn und Erbe eines reichen Kaufmanns. Ich sagte es gleich zu meinem Vetter Hughes, den ich Ihnen, lieber Erlau! als einen Mitenthusiasten empfehlen kann und der für nichts Augen hatte als für diese Person, die mir wirklich mit all ihrer gepriesenen italienischen, oder sagten Sie orientalischen Schönheit? im höchsten Grade missfallen hat. Wir lieben in unserer Familie diese Art von Schönheit nicht, es ist eine uns angeborne Antipathie, und mir wurde erst wieder in England bei den schlanken, blonden Insulanerinnen recht wohl, nachdem ich mich in Havre ein Jahr lang unter jenen kleinen, brünetten Französinnen in der Frankfurter Judengasse geglaubt hatte.

Apropos, von Judengasse, lieber Ferdinand!, fiel der Vetter, ein geborner Engländer und erst seit wenig Tagen in dieser Stadt, dem Sprechenden ins Wort, wer war wohl das ganz junge Mädchen in der zweiten Loge rechts von der Bühne? Sie ist offenbar eine Jüdin, aber es ist ein sehr interessantes Gesicht.

Ich kenne die Leute nicht, antwortete der Gefragte.

Schämen Sie sich, rief im komischen Zorn der Maler, und verleugnen Sie nicht, wie unser heiliger Apostel Petrus, seligen Andenkens, Ihren Meister und Herrn. Sie sollten den reichen Bankier Meier nicht kennen, bei dessen Vater Ihr Herr Vater die Handlung erlernte und von dem er die Mittel zu seinem Etablissement erhielt, als er sich in Ihre Mutter verliebte? Freilich kam Ihr Herr Papa durch diese Heirat in die schönste Mitte der Kaufmannsaristokratie und mag in der Gesellschaft wohl seine alttestamentarischen Verbindungen vergessen haben.

Horn war halb beleidigt, halb verlegen. Ach so!, sagte er, die Meiers hatten die Loge? Es waren die Meiers? Die Tochter soll ein hübsches Mädchen werden, eine sehr reiche Erbin, sie steht noch zu Diensten, lieber Vetter! – Das ist aber auch alles, was ich von ihnen weiß.

So erlauben Sie mir, nahm der Kandidat Reinhard, ein schöner, junger Mann, der bis dahin schweigend der Unterhaltung zugehört hatte, die ihm nicht zu gefallen schien, das Wort, so erlauben Sie mir, Ihnen, falls es Sie interessiert, nähere Auskunft über die Familie zu geben. Das Meier’sche Haus ist eines der gastlichsten in unserer Stadt, die Mutter eine freundliche, wohlwollende Frau, der Vater ein sehr gescheiter und braver Mann, der ein offenes Herz für die Menschen und die Menschheit hat und sich lebhaft für alles interessiert, was es Großes und Schönes gibt. Die Leute haben nur zwei Kinder: einen Sohn, der mein genauer Freund ist, den Doktor Meier, und eben diese Tochter, Jenny Meier, die ich bis vor kurzem unterrichtet habe.

Und ist niemand da, der die Handlung fortsetzt, wenn der alte Meier, dessen Firma ja sehr bekannt ist, einmal stirbt?, fragte der Vetter.

Jawohl, ein Neffe, seines Bruders Sohn, der auch Meier heißt und schon lange in der Handlung ist. Man sagt, er werde die Tochter heiraten und das Geschäft einst übernehmen, antwortete Reinhard zögernd.

Der Glückliche, ich könnte ihn beneiden, denn das Mädchen ist wahrhaft reizend, rief der Engländer aus.

Das denkt Freund Reinhard auch, lachte Erlau, und gewisse Leute wollen behaupten, dass er die junge Dame, nachdem er ihre geistige Ausbildung meisterhaft geleitet, jetzt praktisch in der Konjugation mancher Zeitwörter unterrichte, als da ist: ich liebe, du liebst usw. usw. Werde nicht rot, lieber Reinhard, es ist eine Bemerkung wie jede andere, und ich teile deine Neigung und Anhänglichkeit für das ganze Meier’sche Haus. Es sind gute und gebildete Leute, und wenn auch die sogenannte Elite der Gesellschaft dort im Hause nicht zu sehen ist, so findet man den größten Teil unserer Gelehrten und Künstler, eine Menge von Fremden und vortreffliche Unterhaltung bei Meiers. Ich wüsste kein Haus, das ich lieber besuchte als das ihre.

Sie schildern die Familie so anziehend, dass Sie mir fast den Wunsch einflößen, mich in dem Hause einführen zu lassen, sagte Hughes.

Nicht doch, William!, fiel Horn ein, meine Mutter würde das sehr ungern sehen, wie kommst du nur darauf? Ich bitte dich, diese Juden hängen wie die Kletten zusammen, und bist du erst in einem ihrer Zirkel, so steckst du auch gleich so fest in der ganzen Clique, dass man sich scheuen muss, mit dir an öffentlichen Orten zu erscheinen, aus Furcht, von deiner mosaischen Bekanntschaft überfallen zu werden. Die Visite bei Meiers –

Würde Ihnen beweisen, dass Ihr Herr Vetter mit seinen Gesinnungen in mancher Beziehung noch tief im Mittelalter steckt, unterbrach Reinhard die Rede, und ich bekenne Ihnen, Herr Horn, dass mir Ihre Äußerungen nicht nur in unserer Zeit höchst befremdlich scheinen, sondern dass ich sie geradezu für unschicklich halte, nachdem ich Ihnen gesagt habe, dass ich der Familie befreundet bin und sie hochachte.

Entschuldigen Sie, ich vergaß, dass Sie Lehrer in dem Hause sind und die Sache also anders ansehen müssen. Ich aber, der ich unabhängig bin, gestehe Ihnen – – – –

Gestehen Sie nichts mehr, Sie haben ja schon so vieles heute gestanden, rief Erlau dazwischen, was Sie lieber hätten verschweigen sollen. Sie sind ein reicher, junger Kaufmann, sehr elegant, sehr fashionable, was kümmern Sie Geständnisse und Juden? Mein Gott! Sie haben nun einmal die Antipathie, und Sie brauchen ja auch nicht zu Meiers zu gehen, es hat Sie niemand gebeten – selbst nicht, fügte er halblaut, gegen Reinhard gewendet, hinzu, als vor drei Jahren die Sonntag dort war und der junge Herr alle Segel aufsetzte, um eingeladen zu werden. Ich bitte dich, Reinhard, ärgere dich über den Laffen nicht und lass ihn laufen.

Die Unterhaltung war zu einem Punkte gekommen, auf dem sie leicht eine verdrießliche Wendung nehmen konnte, da öffnete sich plötzlich die Türe, und ein junger, hübscher Mann, kaum dreißig Jahre alt, trat in das Zimmer. Er war nur mittlerer Größe, aber kräftig und wohlgebaut, hatte krauses, schwarzes Haar, eine gebogene Nase, ein Paar durchdringend kluge, schwarze Augen und vor allem eine hohe, gewölbte Stirn, die beim ersten Anblick den Mann von Geist und Charakter verriet. Seine Bewegungen waren rasch, wie sein Blick. Er hatte eine gelbliche, aber gesunde Farbe und war modern, doch ganz einfach gekleidet. Kaum war er in das Zimmer getreten, als Erlau und Reinhard ihm mit dem Ausruf: Guten Abend, Meier, gut dass du kommst!, entgegengingen. Er wandte sich aber, die Begrüßung nur flüchtig erwidernd, an Horn und sagte: Ich komme eben aus dem Hause Ihrer Eltern. Ihr Fräulein Schwester hat sich den Fuß beschädigt, als sie nach der Rückkehr aus dem Theater aus dem Wagen stieg. Man hat mich holen lassen, es ist jetzt alles in Ordnung, durchaus nichts zu befürchten, und ich freue mich, dass ich Sie hier treffe, denn ich glaube, man erwartet Sie zu Hause. – Guten Abend, und schön, dass ich euch noch finde, fuhr er, gegen die Freunde gewendet, fort und setzte sich zu ihnen nieder.

Horn machte ein paar besorgte Fragen, die von Doktor Meier beruhigend beantwortet wurden, dann brach jener auf, und William wollte ihn begleiten. Erlau indessen, der niemals genug Leute beisammenhaben konnte und dem der Engländer gefiel, redete ihm zu, bei ihnen zu bleiben, um noch ein paar Stunden zu plaudern. Im Hause Ihres Onkels können Sie nichts nützen, und hier, sagte er, haben wir Gelegenheit, Sie unserm Freunde, dem Doktor Meier, von dem wir vorhin sprachen, vorzustellen, also bleiben Sie immer hier.

William war das zufrieden, und Horn empfahl sich dem kleinen Kreise, indem er William versicherte, er beneide ihn um den Genuss, in so vortrefflicher Gesellschaft noch länger zu bleiben, dabei warf er einen spöttischen Blick auf Meier, den dieser nicht sah, da er Horn den Rücken zugewendet hatte, und den Reinhard mit verächtlichem Achselzucken erwiderte.

Ein Kellner räumte die leeren Bouteillen, die gebrauchten Gläser fort und setzte eine volle Flasche vor die Zurückbleibenden hin.

Erlau, Reinhard und William, die schon seit einer Stunde beim Weine saßen, gerieten allmählich in eine immer munterere Laune, gegen welche Meiers Ruhe eigentümlich abstach. Vor allen konnte Erlaus ausgelassene Fröhlichkeit sich nicht genug tun; ein Witz folgte dem andern, ein Toast dem andern. Alt-England soll leben!, rief er aus, mit seinen freien Institutionen, mit seinem edlen Lord auf dem Wollsack, seiner magna Charta und seinen Constables und Beefsteaks, und Sie sollen leben und leben immer mit uns, wie heute, Mr Hughes.

Der Toast wurde erwidert. Hughes trank auf die Einheit Deutschlands; Reinhard ließ die deutschen...

Erscheint lt. Verlag 8.9.2023
Nachwort Mirna Funk
Verlagsort Ditzingen
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 1848er Revolution • 19. Jahrhundert • Antisemitismus • Belletristik • Deutsche Literaturgeschichte • Effingers • Emanzipation • Familienroman • Fanny Lewald Buch • Fanny Lewald Jenny • Fanny Lewald Menschenkenntnis • Fanny Lewald Roman • Feminismus • feministische Biografien • Feministische Literatur • Frauenbewegung • Frauendiskriminierung • Frauenemanzipation • Frauenroman • Gabriele Tergit • historischer Frauenroman • Judendiskriminierung • Judenemanzipation • jüdische Literatur • Klassische Belletristik • Liebe • Literatur • Literaturklassiker • Preußen • Prosa • Reclams Klassikerinnen • Reclam Wiederentdeckung • Starke Frauen • Vormärz • Weltliteratur
ISBN-10 3-15-962164-2 / 3159621642
ISBN-13 978-3-15-962164-7 / 9783159621647
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