Seniorenresidenz (eBook)
282 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7578-5586-4 (ISBN)
Elke Hilsen ist freiberufliche Buchautorin. Sie lebt in einem kleinen Dorf in Deutschland. Zu ihrer Lieblingslektüre zählen Krimis, Fantasy und Science Fiction. Seit Jahren wuchs in ihr die Idee, die Genres zu verbinden. Mit Ein Dorf steht still und schweiget probierte sie eine Geschichte aus, bei der ein Alien, Matetus, dabei hilft, einige Morde aufzuklären. Dieses Experiment wurde von der kleinen Lesergemeinde positiv aufgenommen. Viele wollten wissen, wie es weitergehen könnte. So kam es zu Band 2, High Five, und Band 3, Seniorenresidenz.
VORHER
Adrian saß mit Ilona beim Frühstück und las die Zeitung, während sie sich die Nägel lackierte und ihm ihre Pläne für den heutigen Tag darlegte. Heute trug sie ein dunkelblaues Cashmere-Oberteil und darunter türkisblaue Leggings. Die rot lackierten Fingernägel glänzten im Sonnenlicht und warfen bunte Bögen, als sie sie lufttrocknete. Ilona betrieb ein Nagelstudio, das sich trotz aller Krisen zwar mehr schlecht als recht aber doch behauptete.
Missmutig las Adrian die Stellenanzeigen und blendete das Nageldesign der Woche erfolgreich aus. Er hatte keine Probleme damit, sich gedanklich aus der Welt zu beamen. Allerdings deutete sich bereits jetzt die Entwicklung an, die ihm schon bald fast den Hals kosten würde. Was er natürlich nicht wusste. Die Zeit verstrich.
»Hast du den Müll rausgebracht?«
Er antwortete nicht.
»Du bist diese Woche dran.«
Immer noch keine Antwort.
»Ich kann jetzt nicht, meine Nägel sind noch nicht trocken.«
Adrian träumte von ruhigen Zeiten.
»Du musst endlich etwas tun.«
Ewig das Gleiche. Er war Kellner in der Pizzeria Pizza Perfetta und hatte nicht nur blöde Arbeitszeiten, er bekam auch nicht genug Geld dafür, fand sie. Ihre Mutter übrigens auch, wie sie bei jeder Gelegenheit zu erwähnen geruhte. Aber im Endeffekt war er mit der Situation genauso unzufrieden wie sie, obwohl, der Job hatte auch ein paar Annehmlichkeiten. Da er etwas italienisch sprach und dunkle Haare und dunkle Augen hatte, war er der Vorzeigekellner und genoss einige Privilegien, wenn es darum ging, die Arbeitszeit hin und wieder abzukürzen. Seine Fähigkeit, im rechten Moment wegzusehen und zu schweigen, war ebenfalls von Vorteil. Auch Ilonas Mutter gegenüber. Heute Nacht hatte er wie so oft schlecht geschlafen und sich ständig im Bett herumgewälzt, während Ilona sich einfach hingelegt hatte und eingeschlafen war. Beneidenswert. Sie hatte so viel Energie, er hingegen war meist lustlos. Ja, er musste etwas tun, das sah er ein. Er ärgerte sich und wurde ein bisschen rot im Gesicht.
»Was wünschst du dir zum Geburtstag?«
fragte er sie.
Etwas später verbrachten Adrian und Ilona den Nachmittag in dem Shopping-Center mit, Überraschung: shoppen. Hier gab es keine Gucci- oder Cartier-Läden. Trotzdem wirkte alles hell und freundlich. Eine Frau mittleren Alters betrachtete skeptisch den Schmuck in einem der Schaufenster. Sie trug modische, geschmackvolle Kleidung und hatte dichte, blonde Locken. Eine andere kämpfte mit einem schreienden Kleinkind. Aus den Lautsprechern klang angenehmes Relax-Gedudel. Während Ilona aufgedreht und gesprächsfreudig sämtliche Läden auf der Suche nach überflüssigem Kleinkram abklopfte, war Adrian still und in sich gekehrt. Meistens ließ er ihr ihren Willen und ihre Meinung und ging Konflikten lieber aus dem Weg. Aber Ilona wusste, dass er auch ausfallend werden konnte.
Sie spazierten auf der oberen Etage an den Geschäften vorbei. Ein Pärchen mit Hund links, rechts zwei junge Mädchen, die sich aufgeregt unterhielten und gar nicht merkten, dass sie auf Kollisionskurs waren. Adrian und Ilona trennten sich kurz, um ebendieses zu vermeiden. Nach ihrer üblichen Runde gingen sie zu McDonald‘s und dann noch in ein Bistro, um einen Kaffee zu trinken.
Adrian wusste wieder einmal nicht, was er ihr schenken sollte. »Ach, ich weiß nicht, vielleicht ein Wellnesswochenende?«
Auf keinen Fall. Da müsste er ja mit, oder die Schwiegermutter finanzieren. Das war doch ein wenig teuer, deshalb schwieg er durchdringend. Ilona träumte noch etwas vor sich hin und zählte alles Mögliche auf. Erst bei dem Thema Tattoo wurde Adrian wieder wach. Das lag im Rahmen seiner Möglichkeiten.
»Keine schlechte Idee«,
sagte er vorsichtig.
»Wir könnten in unser Studio und gemeinsam etwas aussuchen.«
Ilona klang begeistert. Sie sah jünger aus als Mitte dreißig, war schlank, sehr gepflegt und hatte sorgfältig blondierte, lange Haare. Adrian mochte sie wirklich sehr.
***
Es hatte etwas abgekühlt. Der Nachtwind streichelte durch das Laub der Bäume. Die letzten Wolken verschoben sich, teilten sich, verflogen. Das Mondlicht brach immer mehr durch, sanft und rein. Er lag wach. Ihm war schwindelig, der Kopf dröhnte. Mein Gott, hatte er vergessen, den Herd auszumachen, die Kerzen zu löschen? Sein Herz raste vor Aufregung, doch er wusste genau, dass alles in Ordnung war. Lästiger Durst störte ihn, aber er war müde und blieb liegen. Da, klang das nicht wie Schritte? Am Fenster flog etwas vorbei. Neugierig geworden stand er nun doch auf, ging hin und sah ein paar Fledermäuse, die mit schnellen Flügelschlägen am Gebäude vorbei hinter ihrer Beute herjagten. Er blickte durch das Fenster und sah die Sterne. Schön, dachte er und fasste sich an die schmerzende Brust. Um zwei Uhr morgens war die Nacht hell, der Himmel wolkenklar. So schön. Ihm war übel und er ging in die Küche, um etwas Wasser zu trinken. Er kontrollierte die Kerzen, alle waren aus. Noch immer hing etwas von dem rauchigen Duft in der Luft. Dann legte er sich wieder hin und schloss beruhigt die Augen. Zum letzten Mal.
***
Die Sonne schien. Über den Dächern der Stadt erstrahlte der Himmel in einem wunderbar klaren Blau. Ein weiterer Hitzerekord drohte. Adrian und Ilona fuhren zu ihrem Lieblings-Tattoo-Studio. Es lag in einer ziemlich verrufenen Ecke von Fahrenzburg. Keine Bäume oder Sträucher, nur Unkraut wuchs in allen möglichen Ritzen. Auf dem Kopfsteinpflaster hatte Ilona Mühe, mit ihren Stöckelschuhen das Gleichgewicht zu halten. Die Gegend war ziemlich abgerissen. Viele Häuser waren dunkel, einige auch etwas verfallen mit dicken Staubschichten und Spinnweben in den Schaufenstern.
Sie betraten den Laden. Er befand sich ebenfalls in einem schlechten Zustand. Regale, Theke und ein paar Stühle, alles alt und abgegriffen. Auf einem der Hocker saß eine schäbig wirkende Frau und blätterte in einem Katalog. Auf dem freizügig ausgestellten Dekolleté welkte das Bild einer knitterigen Rose vor sich hin. Sie war wohl einmal auf der oberen Rundung der Brust gewesen, im Laufe der Zeit aber zwischen Falten versackt. Die Frau hatte eine dicke Schicht Make-up aufgetragen und einen grellroten Lippenstift. Der Rock war kurz und hochgerutscht, das Oberteil zu eng. Man konnte zahlreiche Krampfadern an den Beinen sehen. Sie warteten, dann kam Inky Joss in den Raum. Sein Vollbart machte einen ungepflegten Eindruck, passend zum Ambiente. Dafür hatte er oben gar keine Haare, Ohrringe in beiden Ohren und eine schiefe Nickelbrille auf der Nase. Sein Oberkörper strotzte vor Muskeln und diversen sehr interessanten Tätowierungen auf Ober- und Unterarmen, die im Spiel der Bizepse auflebten. Die drei kannten sich bereits seit mehreren Jahren, denn sowohl Adrian als auch Ilona hatten sich bei ihm einige Piercings und Tattoos stechen lassen. Jetzt wollte sich Ilona ein neues Motiv aussuchen. Während sie in einem Nebenraum die Muster durchsah, kam ein weiterer Kunde in den Laden.
»Boah, voll cool, hier der Half Sleeve Demon, oder das hier, ist das ein Werwolf, oder, Mann!, der Water Color Phoenix.«
Der sah tierisch teuer aus, Adrian schüttelte den Kopf, kam aber nicht zu Wort, denn Ilona schwärmte weiter.
»Und hier, dieser Black Dragon da, der könnte sich toll von meinem Nabel aus hoch schlängeln.«
Augenblicklich setzte sich Adrian das in Szene, und er musste innerlich lächeln. Nun trat der andere Kunde zu ihnen, der wahrscheinlich gerade gedanklich ähnlich aktiv war, so wie er griente, und betrachtete ebenfalls die Motive – und Ilona. Dann nur Ilona. Er war etwas älter als Adrian und sie, um die vierzig, leicht übergewichtig, Raucher und Biertrinker, wenn man der Duftwolke trauen durfte, und hatte noch ein paar dunkelblonde Haare. Auf dem linken Handrücken hatte er das Infinity-Symbol eintätowiert. Wieder schüttelte Adrian entsetzt den Kopf, weil ihm der Kunde zu intensiv seiner Freundin auf den Oberkörper starrte. Leichter Unmut stieg hoch und setzte sich im Rachen fest.
»Vielleicht nicht schon wieder Fantasy, vielleicht mal Tribal Style?«
schlug Adrian vor, weil die Bilder deutlich kleiner waren. Den Rest schluckte er hinunter. Er begann, seine Ärmel hochzukrempeln, damit man sein Schlangen- und Drachentattoo sah. »Ich weiß nicht, schau mal, dieser Baum hier. Und das Winged Sword, oder hier, der Black and Grey Armor, der könnte noch links auf den Oberarm passen, was meinen Sie?«
Sie blickte den Kunden an, der etwas rot wurde. Ilona schaukelte sanft mit den Hüften, legte ihren Zeigefinger an die schön geschwungenen, vollen, knallrot gefärbten Lippen und dachte träumerisch nach. Der Mund öffnete sich etwas, und gleichmäßige, weiße Zähne ließen eine klitzekleine rosa Zungenspitze wie von einem Kätzchen erahnen. Ihre Stimme hatte einen angenehmen, melodischen Klang. Adrian wusste nicht, ob er das verdorben oder interessant finden sollte.
»Also, ich finde ja den Dragon am schönsten«,
meinte...
Erscheint lt. Verlag | 13.6.2023 |
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Reihe/Serie | Matetus | Matetus |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Cosy Krimi • Cozy • Cozy Crime • Ermittler Duo • Geschenk für Krimi-Fans • Hobbydetektive • Hobbydetektive Rentner • Humor • humorvolle Krimis • Krimi • Krimis mit Detektivinnen • Krimis mit privaten Ermittlern • Krimis über Hobbydetektive • Krimis wie Miss Marple • Krimis zum Schmunzeln • Murder Mystery • Mystery • Senioren Krimi • skurril • Sommerbuch • Standlektüre • Tatort Deutschland • Unterhaltungsliteratur für Frauen • Urlaubsbuch • Whodunit |
ISBN-10 | 3-7578-5586-8 / 3757855868 |
ISBN-13 | 978-3-7578-5586-4 / 9783757855864 |
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