Tutti Frutti - Mord mit Mutti (eBook)
236 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7578-7348-6 (ISBN)
schreibt Kriminalromane sowie Kurzgeschichten und Regionalliteratur und arbeitet als Schreibcoach www.sylke-tannhäuser.com
Tutti Frutti - Mord mit Mutti
»Schätzchen, das wird nichts mit uns.« Die Worte hatten in dem leeren Studio von RTL wie eine Ohrfeige geklungen. Ella schluckte. Am liebsten hätte sie diesem Knilch die Meinung gegeigt, doch sie beherrschte sich. Marlon Till Mayer-Mayershausen, kurz MTMM, war der neue Star der Fernsehbosse, jedermann lobte ihn, obwohl auch er es nicht geschafft hatte, das Revival von Tutti Frutti zu einem Erfolg zu machen. In den 90ern war die überwiegend in Mailand gedrehte Show zum Kult geworden, aber das hier war lediglich ein müder Abklatsch des Originals. Köln hatte eben nun mal keinen italienischen Charme zu bieten, und die Neuauflage der Show drohte ein Flop zu werden. Deshalb war Ella zu Marlon gegangen. Sie konnte dazu beitragen, dass die Sendung wieder besser wurde. Weil sie im Playboy gewesen war, als Playmate. Blond, schlank und mit Formen, so verführerisch, dass sie ihr damals eine Dauerrolle in allen Staffeln eingetragen hatten, in der es von Früchtchen nur so gewimmelt hatte. Sie war die Erdbeere gewesen, und genauso hatte sie sich gefühlt, wenn sie mit den anderen Models des Balletts die jungen Hüften geschwungen hatte. Süß und knackig.
Cin-Cin – das war der Name des Balletts gewesen, und Cin-Cin hatten sie auch gesungen, wenn sie ihren Einsatz hatten, der darin bestand, die Bikinioberteile zu öffnen und den Blick auf die Brüste freizugeben und auf die Früchte, unter denen die Brustwarzen verborgen waren.
Im Grunde war es eine leichte Art gewesen, Geld zu verdienen und nur zu gern würde sie wieder einsteigen. Dass sie die Show retten konnte, war nur einer ihrer Gründe. Der wichtigere war, dass sie ein Einkommen brauchte. Im Laufe der Jahre war ihr Guthaben auf dem Bankkonto geschmolzen, und jetzt tendierte es gegen Null. Die Zeit drängte. Ella brauchte einen Job, aber sie hatte nur eine Ausbildung als Tänzerin, und in dem Beruf waren die Angebote für Neunundvierzigjährige mehr als spärlich gesät. Das neue Tutti Frutti war ihre Chance. Und nun das!
»Warum wird das deiner Meinung nach nichts mit uns beiden?«, fragte sie. »Schließlich war ich früher mal das Zugpferd der Show, und ich war echt gut. Der Publikumsliebling, würde ich sagen.«
»Du bist zu alt, Schätzchen, und zu dick bist du auch. Also vergiss, was du mal warst und verschwinde. Ich habe nämlich zu tun.« MTMM ließ sie stehen und eilte hinter die Kulissen.
Hasserfüllt schaute sie ihm nach. So ein Knilch. Wie konnte er derart mit ihr umspringen? Unverschämt war das, sowas hatte es früher nicht gegeben.
Enttäuscht fuhr sie zurück nach Marienburg, wo sie in der Parkstraße eine Wohnung besaß. Hier lebten nur gut betuchte Leute. Wenn sie nicht bald eine Lösung fand, würde sie ihr Heim aufgeben müssen. Allein der Gedanke verursachte Ella ein Magengrummeln, doch gleichzeitig stieg Wut in ihr auf. Diesem Marlon würde sie es schon noch zeigen.
Zu Hause nahm sie als erstes ein heißes Bad. Während sie umhüllt von einer Wolke duftenden Schaums im Wasser plantschte, genehmigte sie sich ein, zwei Gläser Prosecco, nur um nach kurzer Überlegung noch ein drittes zu kippen. Der prickelnde Genuss hatte sie stets aufgemuntert, so auch jetzt. Beschwingt stieg sie aus der Wanne und trocknete sich ab. Dabei fiel ihr Blick auf den Spiegel, der die gesamte Wand neben der Tür beanspruchte; eine Fläche von drei mal drei Metern, so eine Größe war schwer zu ignorieren, und tatsächlich konnte sie nicht anders, als ihr Spiegelbild zu mustern.
Hatte sie wirklich zugenommen? Sie beugte sich ein kleines Stück nach vorn und kniff die Augen ein bisschen zusammen. Tatsächlich, ihre Taille war in die Breite gegangen, und auch an den Hüften hatte sie hässliche Pölsterchen. Sie wandte sich um und schielte über die Schulter. Hinten sah es nicht besser aus. Ihr Po war in jungen Jahren prall und rund wie ein Apfel gewesen. Jetzt erinnerte er sie in Form und Größe an die ausgehöhlten Kürbisse, die ihre Nachbarin im Herbst vor der Haustür aufbaute, bestückt mit angezündeten Kerzenstumpen, deren Hitze die Schale schrumpeln ließ.
Ella streckte dem Spiegel die Zunge raus und hüllte sich in ihren Bademantel. MTMM hatte recht, längst war es mit ihrer Topform vorbei. Eine alte Erdbeere schnitt im Vergleich zu einer frischen Frucht nun mal nicht gut ab.
Ella brauchte zwei weitere Gläser Prosecco, bis sie die Erkenntnis verdaut hatte. Dann rief sie ihre Mutter an.
Einen Tag später klingelte es an Ellas Wohnungstür. Ella war gerade dabei, das Frühstück mit einem Glas Prosecco zu beginnen, als Fortsetzung des vergangenen Tages gewissermaßen. Sie öffnete, und Mina Anders, ihre Mutter, rauschte herein. Die stattliche Frau zählte siebzig Lenze und war viel zu grell geschminkt für ein Tages-Makeup. Dazu trug sie ein blutrotes Kleid, das bis an die Zehen reichte und über das sie einen Umhang geworfen hatte, der mit goldfarbenen Zeichen übersät war.
Ella runzelte die Stirn. »Muss dieser Aufzug sein, Mama?«
»Aber gewiss, das bin ich mir und meinem Ruf schuldig.« Mina Anders bezeichnete sich als Hexe, und zwar als eine gute. Unter dem Namen Minerva Anderma, die Erste trat sie überall dort auf, wo sie ein Publikum fand, also auf Volksfesten und Mittelaltermärkten. Dort las sie die Zukunft der Leute aus Tarotkarten ab oder versprach die Erfüllung aller Träume, die sie in ihrer Glaskugel zu sehen glaubte. »Zeig mir deinen Laptop, Kind. Du hast doch einen, oder?«
»Natürlich, aber ich benutze ihn nur selten.« Ella führte ihre Mutter ins Wohnzimmer und legte den Laptop auf den Tisch.
Sogleich machte sich Mina daran zu schaffen. »Es sollte nicht allzu schwer sein, die Lösung für dein Problem zu finden. Wie ist dein Passwort?«
Ella zuckte mit der Schulter. »Was weiß denn ich.«
»Dein Passwort, bitte. Ich brauche es, um ihn zu starten.«
»Was weiß denn ich – so heißt es, mein Passwort.«
»Wie kommt man denn auf sowas?«
»Na ja, als ich mich das erste Mal an dem Ding angemeldet habe, war da die Aufforderung Nennen Sie ein Passwort, und ich habe gesagt Was weiß denn ich. Ich habe es dabei belassen.«
Mina verdrehte die Augen. »Kein Wunder, dass du mich brauchst, Kind. Allein kommst du eben nicht zurecht.« Sie gähnte. »Ich war nicht untätig. Die ganze Nacht habe ich mich durch alle möglichen Krimiserien gezappt, und jetzt weiß ich, wie ich dir helfen kann.«
»Mit Krimis?«, fragte Ella.
»Irgendwo musste ich mir ja einige Anregungen holen. Du willst wieder mitmischen im Showgeschäft, doch da gibt es dieses ziemlich gemeine Spiel namens Auslese, richtig?«
»Stimmt. Anscheinend ist meine Schönheit dahin und meine Jugendzeit aus.« Trübselig starrte Ella auf die Flasche in ihrer Hand, dann hellte sich ihre Miene auf. »Aber Prosecco wäre noch da.«
Auf Minas Stirn erschien eine tiefe Falte. »Du solltest weniger trinken.«
»Das werde ich mir sowieso nicht mehr allzu lange leisten können. Ich bin nämlich blank.«
»Umso mehr sollten wir uns beeilen, damit dieser fiese Moderator die Fliege macht. Ein bisschen Rattengift sollte genügen.«
»Du willst ihn umbringen?«
»Hast du eine bessere Idee?«
Ella dachte daran, dass Marlon sie für zu alt und für zu dick hielt, und sie schüttelte den Kopf.
»Gut, nun müssen wir nur noch feststellen, was der Mann besonders gern isst.« Mina beugte sich erneut über den Laptop, und eine Stunde später hatte sie erfahren, was sie wissen wollte.
Am Abend stolzierte Ella erneut in das Aufnahmestudio auf dem Gelände der MMC GmbH. Sie hatte Glück, Marlon war vor Ort und damit beschäftigt, irgendwelche Requisiten hin und her zuschieben.
Bei Ellas Anblick guckte er böse. »Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich keine Verwendung für dich habe. Du solltest …«
»Und dafür möchte ich dir danken«, fiel Ella ihm schnell ins Wort. »Du hast mir endlich die Augen geöffnet, denn du hattest natürlich recht. Ich tauge nicht mehr zur Tänzerin und suche mir einen neuen Job. Zum Abschied habe ich dir Erdbeeren mitgebracht, sie sind ganz frisch geerntet.« Ella holte eine Tupperdose aus der Tasche und hielt sie MTMM unter die Nase.
»Wie passend, Schätzchen.« Marlon fingerte sich eine besonders große und saftige Beere heraus und steckte sie in den Mund. Er kaute,...
Erscheint lt. Verlag | 13.6.2023 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Comic / Humor / Manga ► Humor / Satire |
Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller | |
Schlagworte | Humor • Krimi • Kurzgeschichten • Lachen • Tannhäuser |
ISBN-10 | 3-7578-7348-3 / 3757873483 |
ISBN-13 | 978-3-7578-7348-6 / 9783757873486 |
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