Fremde Feuer: Feuerflüstern (eBook)

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2023 | 1. Auflage
318 Seiten
tolino media (Verlag)
978-3-7579-3575-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Fremde Feuer: Feuerflüstern -  COLETTE PICARD
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Sind Mut, Hoffnung und Liebe in dunklen Zeiten möglich? London 1941: Bei einer Tanzveranstaltung begegnen sich die Exil-Französin Caroline und der englische Ingenieur Andrew. Kurz darauf verlieren sie einander wieder aus den Augen. Während Caroline die Ausbildung zur Lazarettschwester wenig liegt, setzt Andrew die Kampfflugzeuge der Royal Air Force instand. Unterdessen koordiniert Charles-Henri Leroux als Offizier des Freien Frankreichs die Operationen von Résistancegruppen in der von der Wehrmacht besetzten Heimat. Um der Enge und den Zwängen ihrer Familie zu entkommen, tritt Caroline eine Stelle als Funkerin in der Abteilung R an und erweist sich als besonders begabt und gelehrig. Ausgerechnet als Caroline beginnt, heimliche Gefühle für Charles zu entwickeln, begegnet ihr unerwartet Andrew wieder. Schließlich wird sie für einen riskanten Einsatz hinter feindlichen Linien in Frankreich ausgewählt, bei dem auch der britische Geheimdienst MI6 die Strippen zieht ...

Colette Picard ist das Pseudonym einer Autorin, die sich ebenfalls der Geschichte - im wahrsten Sinne des Wortes - verschrieben hat. Ihre Romane handeln im 20. Jahrhundert und dabei stellt sie ihre Charaktere vor die Herausforderungen ihrer jeweiligen Zeit.

Colette Picard ist das Pseudonym einer Autorin, die sich ebenfalls der Geschichte – im wahrsten Sinne des Wortes – verschrieben hat. Ihre Romane handeln im 20. Jahrhundert und dabei stellt sie ihre Charaktere vor die Herausforderungen ihrer jeweiligen Zeit.

Verdun, November 1916: Pas de Gloire –

Kein Ruhm

 

Im östlichen Himmel schimmerten die Wolken rot. Als hätte sie nicht die aufgehende Sonne durchtränkt, sondern der blutige Schlamm. Lieutenant Charles-Henri Leroux kauerte neben den Männern seiner Einheit hinter dem Erdwall des Schützengrabens. Über der anderen Seite, jenseits der Krater, des Stacheldrahtzauns und der gespaltenen Bäume, stiegen Dunstschleier der Sonne entgegen. Gleichzeitig hauchte die Erde den Gestank des Todes und der entladenen Munition aus.

Ein greller Pfiff durchschnitt die Luft und eine Detonation folgte in Charles‘ unmittelbarer Nähe. Erdbrocken fielen über den Rand des Schützengrabens und prasselten auf seinen Helm. Krächzend stoben die Krähen auf und schwirrten als schwarze Schatten über ihn hinweg.

»Die Deutschen haben das Feuer eröffnet!«, hörte er den Kommandeur schreien. »Erwidert das Feuer! An die Geschütze!«

Der Befehl galt nicht Charles. Hinter ihm rannten Soldaten vorbei, beeilten sich, an die Kanonen zu gelangen. Erneut schlug eine Haubitze dicht vor der französischen Stellung ein. Stimmengewirr und hektische Befehle vermischten sich mit Gewehrsalven.

»Laden! Feuer!«

Donnernd entluden sich die Rohre der Geschütze, der Rückstoß fuhr Charles in die Knochen.

»Lieutenant Leroux!«, kam die Stimme des Kommandeurs über den Lärm hinweg bei ihm an.

Charles wandte sich um. Dabei sah er in die Gesichter seiner Soldaten. Sie waren allesamt junge Männer, Bürgerliche aus den Städten wie Bauernsöhne aus Aquitanien oder der Gascogne. Oder wie er aus dem Pas-de-Calais. Manche waren gerade einmal siebzehn, achtzehn Jahre alt. Die Angst machte ihre Wangen fahl und ihre Augen groß.

Im Schutz des Erdwalls lief Charles zum Kommandeur, der sich im Unterstand mit zwei anderen Offizieren an einem Tisch unter durchweichten Sandsäcken verschanzt hatte. Charles war bewusst, in welcher Aufmachung er seinem Vorgesetzten gegenübertrat. Seine Gamaschen waren dreckig und starr von vertrocknetem Schlamm, die Hose und der Feldmantel sahen nicht besser aus. Doch alle, die in der vorderen Reihe standen und die Stellung hielten, waren in diesem Zustand.

»Mon Colonel!« Er salutierte, bemerkte die Erdkrumen auf der Karte mit den Frontlinien.

»Bereiten Sie mit Ihrer Einheit den Sturm der deutschen Stellung vor!«

»Zu Befehl!« Charles trat ab, eilte zu seinen Männern zurück. »Vorwärts! Marsch!«

Die Pistole in der Hand, neben ihm der Fähnrich mit der Trikolore, erklomm er den Wall, setzte sich darüber hinweg und gab dem Trupp hinter ihm ein Zeichen.

»Für Frankreich!«, rief er den Soldaten zu.

»Vive la France! Es lebe Frankreich!«, erwiderten sie den Schlachtruf.

Ich werde sie in den sicheren Tod führen. Dabei renne ich selbst ins Sperrfeuer der Deutschen, bedachte Charles bitter.

Mit aufgepflanzten Bajonetten folgten ihm die jungen Männer. Bald waren sie gleichauf, gaben ihm Deckung. Das Stacheldrahtgewirr baute sich vor Charles und seinem Trupp auf. Schemenhaft und plötzlich klar erkannte er einen toten Körper darin. Sie haben in der Feuerpause die Verwundeten geborgen, nicht die Gefallenen. Neben sich hörte er den atemlosen Schrei einer seiner Soldaten. Das ist keine gewöhnliche Welt, mein Junge. Das ist die Welt der Toten. Charles blieb keine Zeit, innezuhalten. Mit einem Seitenblick registrierte er, dass der Gefallene einer der Deutschen war, die gestern den Angriff versucht hatten. Er trug keine Stiefel mehr und von seinem Gesicht ließ sich nichts weiter erkennen als ein Loch, das einmal ein Mund war.

Zwischen dem Toten und dem verknäuelten Stacheldraht war eine Schneise entstanden. Im Hintergrund dröhnten die Geschütze der eigenen Stellung, die Deutschen erwiderten mit ihren Kanonen das Feuer.

»In Deckung!« Charles warf sich auf den wüsten, aufgerissenen Boden. In der Ferne, hinter Sandsäcken, erkannte er die Pickelhauben der deutschen Schützen.

Sinnlos, in Deckung zu gehen … Wohin? Kein Baum, kein Strauch, nicht einmal Gras, sondern nur ein glitschiges, karges Etwas, das mehr an Mondkrater erinnerte als an Irdisches. Wie ein Schatten stürzte die Haubitze nieder, pfiff, schlug krachend ein und ließ die Mondlandschaft erbeben. Schlammbrocken bedeckten Charles, während er die andere Hand schützend auf seinen Kopf legte. In der Rechten lag der rutschige Griff seiner Pistole. Jetzt klatschte das Sperrfeuer aus den deutschen Maschinengewehren, mähte jeden Mann nieder, der versäumt hatte, sich in den Morast zu ducken. Unmittelbar vor Charles zerrte ein Schrei an ihm, als zog jemand einen glühenden Draht durch sein Ohr. Er wischte den Schlamm aus seinen Augen, schob den Helm aus der Stirn und sah auf. Der Fähnrich krümmte sich, presste die Hände auf seinen Bauch. Als wollte er sein Sterben aufhalten, schob er seine Eingeweide zurück. Flehend sah er dabei Charles an, doch der konnte nichts für ihn tun. Ihm war klar, er könnte jetzt an Stelle des Fähnrichs ausbluten und langsam krepieren.

»Vorwärts! Bleibt dicht auf dem Boden!«, schrie Charles stattdessen – das reinste Selbstmordkommando!

Mit einem Ruck stieß er sich aus dem Morast ab, balancierte sich auf die Knie. Langsam rutschte er vor, bis die Pickelhauben in Reichweite waren. Er schoss, um ihn herum klatschten die Salven, hinter ihm und vor ihm röhrten die Geschütze. In den Atempausen der Kanonenrohre vernahm er das Jammern und Schreien der Verwundeten. Kurz wandte er den Kopf um. Von seiner Einheit waren nicht mehr viele übriggeblieben. Hinter sich hörte er die schmatzenden Schritte, Dutzende von Stiefelpaaren, gebrüllte Befehle, bis sie heiser bei ihm ankamen: Vorwärts! Lauft, ihr Muttersöhnchen! Habt ihr etwa Schiss vor dem Boche? Wieder das Sperrfeuer. Schreie. Dicht vor den Befestigungen der Deutschen schlug eine Haubitze ein. Wieder zerriss Munition Menschen und schlug eine tiefe Furche in aufgeschüttete Erde.

»Los, Leroux!«, übertönte der Befehl des Offiziers das Getöse und die Schmerzensschreie. Der Offizier kauerte neben Charles, umfasste seine Schulter. »Brechen wir durch! Rufen Sie Ihre Männer zusammen!«

»Vorwärts! Marsch!« Charles gab mit der Pistole in der Hand das Zeichen. Er sah sich um und zählte. »Es sind nur noch sechs … Mit sechs Männern, mon Commandant

»Ja, mit sechs Männern! Das ist ein Befehl!«

Aus dem Himmel fiel ein schwarzer Schatten. Den Einschlag des Geschosses erwartend, zog Charles die Schultern ein, umklammerte den Griff der Pistole mit beiden Händen. Unter ihm wackelte die Erde. Sie bewegte sich, riss ihn mit in ein tiefes Loch. Die explodierte Munition versprühte roten Nieselregen auf ihn. Ich bin tot … Wenn ich in die Hölle kommen sollte, erkläre ich dem Teufel, dass ich gerade dort war …

Ein brennender Schmerz im linken Oberarm holte Charles zurück. Der Kinnriemen seines Helms schnitt in die Haut. Er bewegte jeden einzelnen Finger, den rechten Arm, die Beine. Erschrocken befühlte Charles sein Gesicht, seinen Kopf, dann löste er den Lederriemen und nahm den Helm ab. Seine Haare, seine Stirn, seine Wangen, alles dort, wo es sein sollte. Aber etwas musste fehlen, denn der Schmerz raste von seinen Schultern abwärts, ins Rückenmark und breitete sich in seinem Unterleib aus. Als er seine linke Schulter und den Oberarm abtastete, fasste er in eine blutende Masse.

Ihm wurde schwummrig, gleichzeitig pochte sein Herz so heftig, dass er fürchtete, sein Brustkorb würde zerspringen. Mit aller Kraft versuchte Charles, seine schweren Augenlider offen zu halten. Vielleicht würde er nie wieder aufwachen, wenn sie zufielen. Doch gegen die Schwärze, die ihn einhüllte, kam er nicht mehr an. Er sank in eine weiche Schwerelosigkeit, die ihn umgab wie eine beschützende Decke. Vielleicht fühlte es sich angenehm und tröstend an wie im eigenen Bett, wenn man starb und dem Gemetzel und den Schmerzen einfach entschwebte. Warum aber schlotterte er vor Kälte, wenn er sich warm und geborgen fühlen sollte?

 

Stille breitete sich mit dem kalten Nebel aus. Als Charles wieder zu sich kam, blickte er über einen Kraterrand hoch in einen fahlgrauen Himmel. Weiße Flocken rieselten auf ihn herab. Das Schneetreiben wurde heftiger. Er sah darin Julies Gesicht, seiner geliebten Julie. Sie trug ein Hochzeitskleid, Orangenblüten schmückten ihr Haar. Warte auf mich! Selbst der unversehrte Arm fühlte sich starr an. Sie entschwand. Immer dichter fielen die Schneeflocken, bedeckten ihn.

Plötzlich hörte Charles Stimmen. Jemand schien in der Nähe zu sein. Er lauschte nach ihrem Klang, nach vertrauten Worten. Wenn es die Deutschen waren, stellte er sich besser tot, was ihm keine Mühe bereitete, denn er war bereits halbtot. Lieber verreckte er in diesem Loch und in der Kälte, bevor er in Gefangenschaft geriet.

»Es gibt kaum noch Überlebende.« Ein Landsmann! »Für ihn hier können wir auch nichts mehr machen.«

Der Lebenswille kehrte zu Charles zurück. Schwerfällig bewegte er seinen rechten Arm, richtete sich auf und lehnte den Rücken gegen die kalte Erde. Waren es Sanitäter? Ein anderer Trupp Soldaten?

»Hier!«, schrie er, und es strengte ihn an. »Ich bin hier!«

Niemand antwortete. Das Schweigen wurde zur quälenden Ewigkeit.

»Hören sie mich?«, rief Charles. Seine Stimme brach, wieder flammte der Schmerz auf. Mit jeder Bewegung. Der Stoff seines Hemds und seiner Jacke riss an seiner Haut.

»Wo sind Sie?«, entgegnete die Stimme.

»Ich bin in diesem Loch!«

Charles vernahm Schritte und das langsame Getrappel...

Erscheint lt. Verlag 5.7.2023
Reihe/Serie Fremde Feuer
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte 2.Weltkrieg • 2. Weltkrieg • Abenteuer • age gap • Alliierte • de Gaulle • England • Frankreich • Historischer Roman • Liebesbeziehung • London • Militär • resistance • Roman • Spionage • Verbotene Liebe
ISBN-10 3-7579-3575-6 / 3757935756
ISBN-13 978-3-7579-3575-7 / 9783757935757
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