Toskanische Verdammnis (eBook)
368 Seiten
Insel Verlag
978-3-458-77655-0 (ISBN)
Wer erstach den Barkeeper des noblen Hotels Bella Vista? Der perfekte Urlaubskrimi für Italien-Fans.
An einem späten Oktobermorgen im beschaulichen Örtchen Gravigna in der Toskana sind Ex-Cop Nico Doyle und sein Freund, Maresciallo Salvatore Perillo, gerade beim Frühstück, als sie zurück auf die Wache gerufen werden: Der achtzigjährige Cesare Rinaldi, Barkeeper im Hotel Bella Vista, wird seit drei Tagen vermisst.
Nicos treuer Hund OneWag findet am nächsten Tag eine tödliche Spur: Bei einem Auto nimmt er einen Geruch wahr und schlägt an. Im Kofferraum liegt Cesares Leiche, mit Messerstichen in der Brust. Der Besitzer des Autos ist Nicos Freund Jimmy, Inhaber seiner Stammbar All'Angolo. Warum sollte Jimmy Cesare töten, und was hat die junge Hotelmanagerin Laura Benati mit dem Fall zu tun? Maresciallo Perillo braucht erneut Nicos Hilfe, um den Fall zu lösen ...
<p>Camilla Trinchieri, geboren in Prag, lebt in New York. Neben ihren Toskana-Kriminalromanen um den Polizisten Nico Doyle hat sie weitere erfolgreiche Krimis unter den Pseudonymen Trella Crespi und Camilla Crespi veröffentlicht.</p>
Eins
Gravigna, ein kleines Dorf in den Chianti-Hügeln der Toskana
Ein Sonntag Mitte Oktober, 10:35
Barfuß, in Jogging-Shorts und einem verwaschenen Yankees-T-Shirt saß Nico Doyle auf dem Balkon des kleinen Bauernhauses, in dem er zur Miete wohnte, und aß eine letzte Scheibe Toast. Endlich war die drückende Sommerhitze milderen Tagen und kühlen Nächten gewichen. Die drei Schwalben, die sich zwischen den Holzbalken der Balkon-Überdachung angesiedelt hatten, waren bereits zu ihrem langen Vogelzug nach Südafrika aufgebrochen; zurück blieben nur ihre leeren Nester, die im Frühling wieder gefüllt werden würden.
Vor ihm lag ein freier Tag. Tilde erwartete ihn erst zur Abendessenszeit im Sotto Il Fico. Als er seinen Blick über die ihn immer noch überwältigende Szenerie schweifen ließ, spürte er, wie aller Kummer vergangener Zeiten von ihm abfiel. Die Farben eines italienischen Herbstes waren eher gedämpft – sie erschienen in unterschiedlichen Schattierungen gelber, brauner, grauer und blassgrüner Töne. Italienischer Ahorn konnte sich nicht mit jenem atemberaubend leuchtenden Rot messen, das typisch für das Herbstlaub Neu-Englands war. Die einzig kräftige Färbung boten in einiger Entfernung die Zypressen mit ihrem tiefen Dunkelgrün.
Eine strahlende Sonne ließ die Blätter an den in der Nähe stehenden Olivenbäumen, die seinem Vermieter gehörten, silbern glitzern. Hinter dem Hain erstreckten sich ordentliche Reihen von Ferriello-Reben, deren Blätter vergilbt und deren Trauben bereits per Hand abgeschnitten worden waren. Die Olivenernte würde Ende des Monats beginnen. Letztes Jahr hatte Nico sich seinem Vermieter und den Saisonarbeitern angeschlossen. Auf einer uralten Holzleiter balancierend hatte er Zweige gerüttelt, hartnäckige »Kletten« abgerissen und die unterhalb der Bäume ausgebreiteten schwarzen Netze mit den grünen Früchten vollgeschüttet. Er freute sich darauf, auch in diesem Jahr mithelfen zu können. Sein Lohn bestand aus zwei Flaschen des besten Olivenöls, das er je gekostet hatte.
Aus dem Wald hinter dem Bauernhaus drangen Gewehrschüsse. Die Jagdsaison war eröffnet und die sonst so friedlichen Wochenenden dröhnten vom ständigen Widerhall der Gewehrsalven. Der Lärm veranlasste Nico, sein Gegenüber an dem kleinen Balkontisch anzuschauen; dort saß Perillo, Maresciallo dei Carabinieri des Greve-in-Chianti-Reviers, und trank seinen dritten Espresso. Sie hatten sich vor knapp über einem Jahr kennengelernt, als Nico von einem einzelnen Schuss, gefolgt vom Jaulen eines Hundes, aufgeschreckt in den Wald gerannt war. Er hatte den Hund adoptiert und ihm den Namen »OneWag« gegeben. Nun schlief OneWag gerade zu seinen Füßen. Und der Maresciallo war ein Freund geworden.
»Ich habe Sie nie danach gefragt«, sagte Nico. »Jagen Sie?«
Perillo schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, was daran Spaß machen soll.« Er war ohne Voranmeldung bei Nico hereingeschneit. Nico war überrascht, ihn so früh an einem Sonntagmorgen vor seiner Tür zu sehen, hatte ihn aber mit einem freundlichen Lächeln willkommen geheißen und ihm sofort Frühstück angeboten. Nicos Hund hatte ihn mit einem Schwanzwedeln begrüßt und ausgiebig an seinen Schuhen geschnüffelt.
Perillo schob seinen leeren Teller zur Seite und griff nach seinen Zigaretten. »Sehr anständig, mich zu empfangen und mir etwas zu essen anzubieten. Zwar waren es nicht die Spiegeleier mit Speck, die Sie mir mal versprochen hatten« – Perillo klopfte eine filterlose Zigarette aus der Schachtel –, »aber ich muss zugeben, so ein Toast mit einer dicken Schicht Ricotta und Akazienhonig schmeckt auch ganz ausgezeichnet.«
Nico bückte sich und hob eine Schüssel voll neuer Kartoffeln auf, die neben OneWag am Boden stand. »Ich konnte ja nicht ahnen, dass Sie kommen.« Das ernste Gesicht des Maresciallo hatte Nico kurz vermuten lassen, dass etwas Schlimmes geschehen war, aber Perillo hatte sein Frühstück verzehrt, ohne ein Wort zu sagen. Nico wusste, was immer seinem Freund auf der Seele lag, er würde früher oder später damit herausrücken.
»Was haben Sie mit all den Kartoffeln vor?«, fragte Perillo. Nico versuchte sich immer wieder neue Rezepte für das Restaurant von Tilde auszudenken, der Cousine seiner verstorbenen Frau. Was für ein seltsames Hobby für einen ehemaligen Kriminalkommissar, dachte Perillo, aber als unbezahlte Kraft in einem Restaurant zu arbeiten war ja noch seltsamer.
»Ich schäle sie und werde mich hüten, Sie zu bitten, mir dabei zu helfen«, sagte Nico.
»Was für eine unfaire Bewertung unserer Freundschaft.« Perillo zog eine zusammengerollte Zeitung aus der hinteren Tasche seiner Jeans. »Aus reiner Nächstenliebe lege ich Ihnen für die Schalen diese noch ungelesene Zeitung zu Füßen.«
»Sehr großzügig, Maresciallo.«
Perillo lehnte sich zurück und drehte seine Zigarette zwischen den Fingern hin und her. Er war nicht gerade bester Laune, schon seit Wochen nicht. Es war Ivanas Idee gewesen, Nico aufzusuchen und mit ihm zu sprechen. Als Amerikaner, der ihm auch noch ein paar Jahre voraushatte, würde Nico eine andere Sicht der Dinge beisteuern.
OneWag unter dem Tisch betrachtete die ausgebreitete Zeitung. Er hob die Schnauze und schnüffelte. Die Zeitung verströmte offenbar einen warmen Geruch, denn der kleine Hund ging näher und machte sich darauf breit.
»Ehi, Rocco, runter da.« Perillo ruckelte an einer Zeitungsecke, um den Hund zu verscheuchen. Er hatte OneWag einen Namen gegeben, den er aussprechen konnte. Schlau, wie er war, hörte der Hund auf beide Namen. Jetzt bedachte er den Maresciallo mit seinem Kenne-ich-dich?-Blick und rührte sich nicht vom Fleck. Papier war wesentlich wärmer als die Fliesen.
»Ist schon in Ordnung«, sagte Nico. »Dann wird er eben unter Kartoffelschalen begraben. Das hat er nun davon.«
»O Sole Mio«, schallte es aus der Wildlederjacke, die über Perillos Stuhllehne hing. Er langte nach dem Handy, schaute erst, wer der Anrufer war, und wischte dann über das Display. »Vince, habe ich dir nicht gesagt, dass ich mir den Vormittag freinehme?« Perillo stellte auf Lautsprecher.
»Ja, das haben Sie, Maresciallo, aber eine Signorina Benati besteht darauf, dass ich Sie anrufe.«
»Und warum?«
»Ihr Barkeeper ist seit drei Tagen verschwunden.«
»Nimm die Details auf, sag ihr, wir kümmern uns darum, und schick sie heim.«
»Sie weigert sich aber zu gehen, bevor sie mit Ihnen gesprochen hat. Sie ist die Managerin des Hotels Bella Vista und behauptet, Sie hätten sich letzten September kennengelernt.«
»Natürlich, jetzt erinnere ich mich. Biete ihr einen Kaffee aus der Bar an. Ich bin in einer halben Stunde da.« Er schob sein Handy wieder in die Jackentasche.
»Nichts Ernstes, hoffe ich«, sagte Nico.
»Als wir das letzte Mal nach jemandem suchten, stellte sich heraus, dass die vermisste Frau beschlossen hatte, einen Ehezwist beizulegen, und zwar, indem sie eine Woche allein nach Paris fuhr. Hoffen wir mal, dass das hier nichts Ernsteres ist.« Perillo beäugte die Zigarette und hielt sie noch ein paar Sekunden in der Hand, um sie dann zurück in die Schachtel zu schieben.
Nico bemerkte es, sagte aber nichts. Er hatte noch nie erlebt, dass Perillo, als starker Raucher, der er war, eine Zigarette wieder weggesteckt hatte.
»Ich habe mir überlegt, ob es nicht vielleicht besser wäre, mit dem Rauchen aufzuhören«, verkündete Perillo, als hätte er Nicos Gedanken gelesen.
Nico ließ eine geschälte Kartoffel ins Sieb fallen und griff nach einer neuen. »Ausgezeichnete Idee.«
Perillo starrte weiter auf die Zigarettenschachtel. »Dazu gehört Mut.«
Genauso viel Mut, wie er anscheinend braucht, seine Sorgen offen anzusprechen, dachte Nico. »Aber wesentlich weniger, als einen Mörder dingfest zu machen.«
Perillo beugte sich vor und ließ seine Ellbogen auf die Knie fallen. »Das letzte Mal habe ich es ziemlich vermasselt.«
»Sie haben den Schuldigen gefunden.«
Perillo schüttelte den Kopf. »Ich bin ein Mann geworden, den ich nicht mag.«
Eine kühne Aussage für einen Kerl, der äußerst selbstbewusst, manchmal sogar wichtigtuerisch auftrat. Nico ließ das Schälmesser ins...
Erscheint lt. Verlag | 19.6.2023 |
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Reihe/Serie | Nico Doyle ermittelt | Nico Doyle ermittelt |
Übersetzer | Ruth Keen |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Murder on the vine |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | aktuelles Buch • Bella-Italia-Krimi • bücher neuerscheinungen • Carabinieri • Chianti • Cosy Crime • Dante • Dolce Vita • Donna Leon • Genießen • Geschenk für Männer • Göttliche Komödie • Historische und kulturelle Regionen in Italien • Historische und kulturelle Regionen: Mittelitalien • insel taschenbuch 4979 • IT 4979 • IT4979 • Italien • Jean-Luc Bannalec • krimi serie • Mafia • Marco Malvaldi • Martin Walker • mediterran • Mittelitalien • Mittelmeer • Mord • Murder on the vine deutsch • Neuerscheinungen • neues Buch • NYPD • Paolo Riva • Pasta • Pietro Bellini • Regiokrimi • Regionalkrimi • Ristorante • Südeuropa • Toskana • Wein • Winzer |
ISBN-10 | 3-458-77655-9 / 3458776559 |
ISBN-13 | 978-3-458-77655-0 / 9783458776550 |
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