Zwischen Himmel und Erde (eBook)
178 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7562-6325-7 (ISBN)
Ursula Blatti, Jahrgang 1980, wohnt mit ihrer Familie in den inspirierenden Bergen des Berner Oberlands (CH). Sie ist Geschäftsleiterin des Bildungszentrums für christliche Begleitung & Beratung bcb und daneben als Psychosoziale Beraterin in eigener Praxis sowie als Referentin und freie Autorin tätig.
WAS DAS LEBEN LEHRT
VON FLUGZEUGEN UND GRÜNEN UND ROTEN SCHUBLADEN
«Nun ist Papa entweder gut angekommen oder abgestürzt», stellt meine Tochter ganz nüchtern und emotionslos fest. Recht hat sie. Doch glücklicherweise trifft Ersteres zu, wie bald darauf der SMS zu entnehmen ist. Die Kinder atmen auf. Ihre Angst, dass dem Papa etwas zustossen könnte, ist beträchtlich. Da nützt alles beschwichtigen nichts. Die Logik eines Siebenjährigen ist ganz einfach: «Wenn das Flugzeug runterfällt, dann habe ich keinen Papa mehr!» Hm, da hat er sogar recht! Wenn das Flugzeug runterfällt, hat er wirklich keinen Papa mehr. Nicht auszumalen, was das bedeuten würde… «Ich fliege nie», so der Tenor der beiden Schlaumeier. Die Fliegerei ist ihnen suspekt.
Gespannt verfolgen die beiden via Blog, was der Papa auf seiner Sizilien-Tournee erlebt. Und natürlich fiebern sie seiner Rückkehr entgegen! Auch da stürzt das Flugzeug nicht ab und Papa kommt gesund und munter nach Hause – Gott sei Dank! Nun – man höre und staune – möchten diese zwei Kinder, die sich nie in ein Flugzeug setzen würden, auch fliegen! Am besten gleich sofort und zwar nach Sizilien, genau dorthin, wo Papa gewesen ist. Sie möchten sehen und erleben, was er erlebt hat!
Bisher war bei den Kindern die Fliegerei in der roten Schublade abgelegt. Rot = gefährlich, ein No-Go. Nun ist aber dem Papa nichts passiert dabei. Plötzlich gibt es da ein positives Erlebnis, das dazu führt, dass die Fliegerei von der roten in die grüne Schublade wandert! Die Neugier überwiegt und mit der positiven Erfahrung im Hintergrund gewinnen die Kinder den Mut zu neuen Schritten, die vorher unmöglich schienen.
Bei mir ist es wohl gerade anders rum. Ich bin geflogen. Flugzeug = grüne Schublade. Doch in einem kleinen Schüttelbecher über Nordirland Turbulenzen zu erleben, ist ein mässiges Erlebnis. Die Fliegerei ist in eine andere Schublade gewandert – ich überlege gerade, ob sie orange oder rot aussieht...
Ich staune, wie einfach doch eigentlich der Mensch funktioniert! Jede Sache wird im Hirn mit Erfahrungen verknüpft. Diese Erfahrungen bestimmen über unsere Einstellung zu etwas und beeinflussen damit auch unsere Entscheidungen. Deshalb ist es gerade bei den Kindern so wichtig, dass sie viele kleine positive Erfahrungen, Prägungen und auch Erfolge abspeichern können. Dass die grüne Schublade prall gefüllt wird. Und dass sie lernen, mit Spannungsfeldern umzugehen, und erleben, wie auch einmal etwas die Schublade wechseln kann. Bestimmt gibt es dabei wichtigere Themen als die Fliegerei.
KLEBRIG WIE SIRUP
Es ist Sirup-Zeit. Nicht dass ich es liebe, stundenlang in der Küche zu stehen, Flaschen abzuwaschen und Nahrungsmittel zu verarbeiten. Doch es bietet sich geradezu an. Ein Luxusproblem eigentlich. Wir haben mehr Zitronenmelisse, Rhabarber und Minze und bald auch schon Holunderblüten, als wir verdauen können. Also entsteht daraus Sirup. Nicht zuletzt deshalb gelingt es uns auch, komplett auf den Kauf von Süssgetränken zu verzichten. Aber ab und zu was Süsses trinken, ist halt doch lecker. Am liebsten in Kombination mit prickelndem Mineralwasser. Gerade ist die letzte Sirupflasche aus dem Vorjahr weg. Zeit für Nachschub also.
Das Kochen von Sirup bringt leider unangenehme Nebenwirkungen mit sich. Wenn endlich die Flaschen gefüllt sind und fertig ausgeknobelt ist, welcher Deckel zu welcher Flasche passt, ist die Arbeit noch längst nicht getan. Denn: Es klebt. Die Küche klebt. Herd und Abstellfläche kleben. Je nachdem, wie sorgfältig ich gearbeitet habe – und das gelingt nie gut genug – finden sich auch auf den Fliesen Spritzer. Und bleibe ich nicht auch auf dem Fussboden kleben? Lästig… Auch die eine oder andere Flasche ist klebrig.
Gibt es nicht auch im Leben so klebrige Stellen, die uns Mehrarbeit bescheren? Während ich die Küche putze, denke ich über dieses Thema nach. Ja, diese klebrigen Stellen gibt es. Alte Muster, die ich längst besiegt zu haben glaubte, tauchen wieder auf. Stolpersteine halten sich hartnäckig. Negative Prägungen haften an wie klebriger Sirup. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, damit umzugehen. Ich kann die klebrigen Spuren ignorieren. Doch dann wird es immer klebrig bleiben. Oder ich kann sie akzeptieren: «Ach ja, da ist es klebrig. Nichts Neues. Das ist schon okay.» Doch irgendwann wird es nicht mehr okay sein. Sondern Ameisen anziehen. Und dann entsteht echt ein Problem. Ich merke, wie wichtig es ist, dass ich mich den klebrigen Punkten in meinem Leben stelle. Dass ich zum Putzlappen greife und mich an die Arbeit mache. Sprich, hinschaue, an mir arbeite. Dass ich Unterstützung suche, um negative Prägungen und destruktive Muster zu durchbrechen. So dass mir diese nicht länger anhaften und eines Tages ganze Kolonien von Ameisen anziehen können. Hinschauen kostet Mut. Bedeutet Arbeit. Es ist auch ein Stück weit ein Zulassen von Verletzlichkeit. Doch es ist all dies wert. Weil am Ziel Freiheit wartet. Eine saubere Küche. Die einlädt, hier zu leben. Neues zu wagen. Zuhause zu sein.
VON SIEGERN UND VERLIERERN
Die Leichtathletik-WM. Das war ein Grossanlass, für den sich die ganze Familie begeistern konnte. Wie gut, dass er in die Ferienzeit fiel. Wann immer möglich, setzten wir uns vor den PC und verfolgten die eine oder andere Disziplin mit. Da jubelten Champions. Verlierer vergossen Tränen. Die einen bejubelten ihre Bronzemedaille, andere weinten enttäuscht über Silber. Emotionen pur. Und sie lassen mich nicht mehr los. In Gedanken bewege ich die Geschichten weiter.
Da sind zum einen die Gewinner. Sie werden gefeiert und bejubelt. Sie sind glücklich und saugen den Moment auf. Tausende von Menschen sehen auf ihre Leistung, auf ihren Erfolg. Es ist alles, was zählt. Doch was war vorher? Wie oft scheiterte ein Athlet, bis er siegte? Wie viele Niederlagen steckte er ein? Wie oft war er am Abend eines langen Tages am Boden zerstört? Auf der Ehrenrunde zählen diese Momente nicht. Da gibt es nur Sieg. Und doch gibt es den Sieg nur, weil da auch Kampf war. Jubel ist nur, weil auch Tränen waren. Es ist nicht nur Sieg, es waren auch Niederlagen. Bei jedem einzelnen. Diese Niederlagen formten Stärke. Wille. Und die Fähigkeit, sich unbändig über Erfolg zu freuen.
Wie gerne würde ich ins Denken der Athleten auf dem Treppchen sehen. Was ist ihre Motivation? Lieben sie einfach ihren Sport und haben Spass daran? Oder laufen und springen sie, weil sie diese Anerkennung brauchen? Muss es immer höher, immer schneller sein, damit sie auch auf der Beliebtheitsskala immer weiter nach oben klettern? Gibt es Athletinnen oder Athleten, die in einer Sucht nach Liebe und Anerkennung gefangen sind? Die davon leben, bejubelt und vom Publikum geliebt zu werden?
Es ist wie überall im Sport. Berichtet wird über die Gewinner. Fans haben nur Augen für sie. Alles dreht sich um sie. Der Jubel gilt ihnen. Doch was ist mit den anderen? Sie bleiben enttäuscht zurück. Niemand interessiert sich für sie. Und sie sind so viel zahlreicher als die Bejubelten. Vielleicht braucht ein Journalist mal noch einen Lückenbüsser, bis die Champions endlich Zeit fürs Interview finden. Und interviewt deshalb doch noch einen Verlierer. Dieser hat nur eine Antwort: «Ich richte alles auf den nächsten Grossanlass aus. Da werde ich es wieder versuchen.» Und so sind die nächsten Monate wieder getaktet. Alles richtet sich darauf aus, zuoberst zu stehen. Zu jubeln. Seine Enttäuschung betäubt er mit noch härterer Arbeit.
Doch es gibt auch die stillen Sieger. Kaum einer wird auf sie aufmerksam. Wie der Mann im 10‘000m-Lauf. Er wurde vom späteren Sieger und dessen schnellen Verfolgern zweimal überrundet! Trotzdem lief er persönliche Bestleistung. Er liess sich nicht beirren. Lief sein Tempo und freute sich über seinen ganz persönlichen Erfolg. Es war ihm egal, dass er mit grossem Abstand Letzter war. Es war ihm nicht wichtig, was die Leute dachten. Für ihn zählte nur, dass er alles gab. Dass er sein ganz persönliches Ziel erreichte: Eine gute Leistung an der WM!
In jedem einzelnen Punkt gibt es Parallelen zu meinem und deinem Leben. Zählen nur die erfolgreichen Momente? Braucht es nicht dazu auch die Kämpfe, die Niederlagen? Sie machen mich stärker. Sie lassen mich wachsen. Und sie tragen dazu bei, dass ich mich über die glücklichen Tage freuen kann. Diese «Bewährungstage» sind so viel zahlreicher. Doch ich darf wissen: Gott ist im Verborgenen am Werk! Und eines Tages werde ich sehen, was daraus geworden ist.
Mit welcher Motivation gehe ich durchs Leben? Bin ich abhängig von dem, was andere über mich denken? Suche ich die Liebe und Aufmerksamkeit meiner Mitmenschen? Tue ich das, was ich tue, um anderen zu gefallen? Oder weiss ich, wer ich bin, egal was andere über mich sagen oder denken? Bin ich gefangen in Leistung und Perfektion? Muss ich immer besser, immer schneller sein? Muss ich gar die Beste sein? Es lohnt sich, die eigenen Motive immer wieder zu überprüfen. Und wenn nötig zu korrigieren. Mich darauf zu besinnen, dass Gott...
Erscheint lt. Verlag | 30.8.2022 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur |
ISBN-10 | 3-7562-6325-8 / 3756263258 |
ISBN-13 | 978-3-7562-6325-7 / 9783756263257 |
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