Harper - Jäger und Gejagter -  Stephan Michels

Harper - Jäger und Gejagter (eBook)

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2022 | 1. Auflage
259 Seiten
Ruhrkrimi-Verlag
978-3-947848-51-5 (ISBN)
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Der ehemalige Elitesoldat Simon Harper löst als 'Troubleshooter' unkonventionell die Probleme seiner Klienten. Als ihn die Ehefrau des Revisors einer Düsseldorfer Privatbank beauftragt, den angeblichen Unfalltod ihres Mannes zu untersuchen, ahnt er noch nicht, dass er mit seinen Ermittlungen in ein Wespennest sticht. Plötzlich ist er im Visier des Verfassungsschutzes und eines Profikillers. Auf welche Informationen ist der Revisor gestoßen, die ihn das Leben gekostet haben? Die Situation verschärft sich dramatisch, als sich Harper der Lösung dieses Rätsels nähert. Vom Jäger wird er zum Gejagten. Und nicht nur sein eigenes Leben steht auf dem Spiel.

Stephan Michels, Jahrgang 1965, wuchs in Kleve am Niederrhein auf und zog nach Abitur und Studium nach Düsseldorf, wo er im IT-Umfeld tätig ist. Seit 20 Jahren wohnt er mit seiner Familie in Wegberg in unmittelbarer Nähe zur deutsch-niederländischen Grenze und pendelt seitdem regelmäßig zwischen Land und Stadt. Er liebt spannende Literatur und liest gerne Krimis und Thriller. So ist es kaum verwunderlich, dass er sich auch schreibend in diesem Genre tummelt - mit Kurzkrimis und nun schon mit dem zweiten Roman.

2


Harper blickte auf die Armbanduhr. Der Zeitpunkt war perfekt. Kurz vor vier Uhr. Die Zeit, zu der der Gegner am wenigsten mit einem Angriff rechnete. Harper sollte für seinen Auftraggeber nur das Geld übergeben, im Austausch gegen peinliche Fotos. Aber das war ihm zu wenig. Er wollte das Problem lösen, und das funktionierte nicht immer mit Geld.

Harper stand in der Passage eines Teppichgeschäfts in der Düsseldorfer Innenstadt, zu seinen Füßen ein schwarzer Aktenkoffer aus Kunstleder mit abgestoßenen Ecken. Schmutziggraue mehrstöckige Gebäude schmiegten sich aneinander. Der Herbst lag in seinen letzten Zügen. Unter den wenigen Linden, die die Stadtverwaltung lieblos alle hundert Meter hatte einpflanzen lassen, vermoderten gelb gefärbte Blätter. Eine Leuchtreklame flackerte unruhig. Bar Chez Madame stand darauf, und trotz der abgebildeten roten Rose wäre niemand auf die Idee gekommen, es könne sich um einen Floristen handeln. Auch der wuchtige glatzköpfige Mittdreißiger, der in seiner speckigen Lederjacke gelangweilt davor stand, machte nicht den Eindruck, als wollte er Blumen verkaufen.

Harper ging in Gedanken seinen Plan durch.
Am Türsteher vorbei und dessen Boss suchen: zwei Minuten.
Die Verhandlungen und die Problemlösung: drei Minuten. Zeitpuffer, um Gegenargumente zu entkräften: eine Minute.

Harper sah noch einmal auf seine Uhr: 3:55 Uhr. Um fünf Minuten nach vier sollte der Auftrag erledigt sein.

Er dehnte sich, nahm den Aktenkoffer in die Hand und schritt auf die Bar zu. Kein Fußgänger war mehr unterwegs, nur zwei Taxis fuhren in Richtung Hauptbahnhof vorbei.

Vor dem Eingang der Bar stand ein aufgemotzter Ford Mustang. Gelb lackiert wie ein Kanarienvogel. Mit blitzenden Edelstahlfelgen. So auffällig, dass jeder Vorbeikommende einen Blick auf ihn werfen musste, selbst wenn er nicht halb auf dem Gehsteig geparkt hätte. Harper steuerte direkt auf den Türsteher zu.

»Wir schließen gleich«, sagte dieser und streckte den Arm aus, als wollte er Harper zurückschieben. Auf seinem Unterarm erkannte Harper einen geflügelten Totenkopf, das Zeichen der Hell’s Angels.

»Dein Chef erwartet mich«, sagte Harper.

»Davon weiß ich nichts.«

»Das solltest du aber, wenn du seine Vorzimmertussi bist.«

Der Türsteher stutzte einen Moment. Dann spannte er seine Muskeln an, sodass sich seine Jacke aufblähte.

»Ich habe schon ganz andere Typen platt gemacht, die mir blöd gekommen sind. Also verpiss dich!«

Harper seufzte. Die Zeitkalkulation geriet ins Wanken.

»Sag deinem Chef, dass ich ihm das Geld jetzt schon bringe! Vereinbart war zwar erst heute Nachmittag, aber sein Schuppen liegt gerade auf meinem Weg.«

Das Zauberwort Geld ließ den Türsteher leichtsinnig werden. Sonst hätte er Harper sicherlich nicht in die Bar gelassen, ohne ihn abzutasten. Somit entdeckte er nicht die 9 Millimeter Glock 17, die hinten in Harpers Hosenbund steckte. Vermutlich tat sich der Türsteher, ohne es zu wissen, einen Gefallen damit, sofort die Sprechanlage zu betätigen.

»Der Typ mit dem Geld ist da«, nuschelte er hinein, ohne Harper aus den Augen zu lassen. Eine verzerrte Stimme antwortete. Der Türsteher trat einen Schritt zur Seite.

»Geht doch!«, sagte Harper.

Er schritt an dem Türsteher vorbei, als würde dieser gar nicht existieren. Er schob einen dicken roten Vorhang, der vermutlich seit der Wiedervereinigung nicht mehr gereinigt worden war, zur Seite und trat ein. Lichterketten, die kreuz und quer an der Decke hingen, erleuchteten den Raum nur spärlich und strahlten eine verfrühte Weihnachtsstimmung aus. Rote Ledersessel und -sofas standen locker verteilt um die Bühne, die die Mitte des Raums einnahm. Spiegel an den Wänden versuchten, ihn größer wirken zu lassen, jedoch verstärkten sie nur den deprimierenden Anblick einer leeren Bar. Auch an der mit rotem Stoff verkleideten Theke saß kein Gast mehr. Dahinter wischte eine Bardame mit zu vielen Falten und zu greller Schminke mit einem Lappen über den Tresen.

»Du kommst zu spät, Süßer«, sagte sie. »Wir schließen gleich. Hat Ulf dir das nicht gesagt?«

»Ulf schmollt draußen, weil er nicht mit rein darf. Der Chef erwartet mich.«

Harper hielt den Koffer hoch.

Die Bardame deutete mit dem Kopf auf eine unscheinbare Tür in einer dunklen Nische.

Bevor Harper die Tür erreichte, wurde sie bereits von innen geöffnet. Fred Golz, der Betreiber der Bar und einer Reihe weiterer Etablissements, trat heraus. Er mochte um die sechzig Jahre sein, versuchte jedoch, sein Alter mit viel Sonnenbräune und einem strähnigen Zopf zu verschleiern. Er war gut einen Kopf kleiner als Harper. Man hätte ihn leicht übersehen können, hätte er nicht zwei goldene Ohrringe und eine Goldkette über dem eng anliegenden T-Shirt getragen. Er starrte auf den Koffer in Harpers Hand.

»Komm in mein Büro!«

Er ging voraus. Harper folgte ihm und schloss leise die Tür hinter sich.

Eine Neonleuchte tauchte das kleine, fensterlose Büro in kaltes Licht. Eine offen stehende Tür führte in einen weiteren Raum, in dem Sekt- und Weinflaschen in Regalen schimmerten. Vermutlich das Nachschublager, um die Gäste in Stimmung zu bringen und ihnen das Geld aus den Taschen zu ziehen, dachte Harper.

Golz ließ sich in einen schwarzen Bürosessel hinter seinen Schreibtisch fallen. Er deutete auf das rote Ledersofa, welches davor stand.

»Setz dich! Du bringst das Geld vom alten Böhme schon jetzt? Das nenne ich gute Zahlungsmoral.«

Harper schob den Koffer flach auf eine Schreibtischecke. Ein Stapel Papiere, der dort aufgehäuft war, kippte zur Seite. Die Blätter fielen wirbelnd zu Boden. Weder Golz noch Harper kümmerten sich darum. Harper drehte den Koffer so, dass die Schnappverschlüsse auf Golz zeigten.

»Bist kein Freund großer Worte, was?«, stellte Golz fest. »Egal, Hauptsache, die Kohle stimmt.«

»Gib mir die Fotos!«, sagte Harper.

»Lass mich zuerst das Geld sehen!«, sagte Golz.

Harper öffnete den Aktenkoffer. 10.000 Euro brauchten nicht viel Platz. Der Koffer wirkte erschreckend leer, jedoch starrte Golz das Geldpäckchen, welches mit einem roten Gummi zusammengehalten wurde, gierig an. Harper klappte den Koffer zu.

»Ist noch ein bisschen Platz drin«, meinte Golz.

»Nur für das, womit du meinen Auftraggeber erpresst hast.«

»Dafür brauchst du keinen Aktenkoffer. Glaubst du, ich habe ein Fotoalbum für ihn angelegt? Ist alles digital. Schon mal gehört? Von den installierten Kameras direkt auf meinen PC.«

»Dann muss ich also deinen PC mitnehmen«, stellte Harper fest.

»Du hast keine Ahnung von Technik«, sagte Golz. »Die Daten habe ich auf einen USB-Stick kopiert. Und …«, er zwinkerte mit einem Auge, »selbstverständlich vom PC gelöscht.«

»Selbstverständlich«, wiederholte Harper. Er öffnete die Hand. »Dann darf ich um die Daten bitten.«

Einen winzigen Augenblick sah Golz zu dem kleinen Wandtresor, der in die seitliche Wand eingemauert war. Dann wandte er sich wieder Harper zu.

»Schritt für Schritt. Erst das Geld!«

»Das hast du bereits gesehen.«

Golz dachte einen Moment nach. Dann ging er zum Tresor. Er zog einen Schlüsselbund aus seiner Hosentasche, entriegelte den Safe und öffnete die Eisentür. Harper konnte erkennen, dass in dem kleinen Wandsafe drei Bündel Geldscheine sowie einige USB-Sticks lagen. Golz nahm diese nacheinander in die Hand und hielt sie auf Armlänge entfernt, um die Beschriftung darauf besser entziffern zu können. Endlich schien er den richtigen USB-Stick gefunden zu haben. Er ließ den Tresor geöffnet und steckte den Schlüsselbund in die Hosentasche.

»Hier ist das gute Stück, wofür Böhme bezahlt.«

Er positionierte sich hinter dem Schreibtisch. »Jetzt das Geld!«

Harper streckte die linke Hand aus, um den USB-Stick entgegenzunehmen. Mit der Rechten öffnete er den Koffer. Golz warf ihm den Stick zu.

»Mit besten Empfehlungen des Hauses! Böhme ist hier jederzeit herzlich willkommen.«

Er griff mit der Hand in den Koffer, um sich das Geldbündel zu nehmen. In diesem Moment schlug Harper den Deckel des Aktenkoffers zu und stemmte sich mit seinem ganzen Gewicht darauf.

Golz schrie vor Schmerz auf. Er starrte Harper an. Tränen standen in seinen Augen.

»Das geht auch aufs Haus«, sagte Harper. »Und wenn du oder einer deiner Milchbubis auch nur in die Nähe meines Auftraggebers kommt, wird das für dich schlimmer enden, als mit ein paar verstauchten Fingern.«

Er öffnete den Koffer. Golz zog die Hand heraus. Er krümmte sich vor Schmerz. Harper schob ihn ohne Gegenwehr in den Lagerraum.

In diesem Moment öffnete sich die Bürotür. Harper blickte nach hinten. Ulf, der Türsteher, starrte ihn an.

»Jetzt bist du reif, Freundchen!«, sagte er. Er griff in seine Hosentasche und präsentierte ein Springmesser. Er betätigte den Entriegelungsknopf. Zwölf Zentimeter tödlicher Stahl sprangen heraus und glänzten im Licht der Neonröhre.

»Mach ihn kalt!«, brüllte Golz.

Harper stieß Golz in ein Weinregal.

Dann lief er aus dem kleinen Lagerraum, um mehr Bewegungsfreiheit zu haben. Ulf hatte mittlerweile den Schreibtisch umrundet und stand nun knapp zwei Meter von Harper entfernt. Einen Moment dachte Harper an die Pistole im Hosenbund, aber das würde vermutlich die Angelegenheit nur komplizierter machen.

In diesem Moment griff Ulf an. Er kam mit ausgestrecktem Arm auf Harper zu, zielte auf seine Brust. Harper drehte sich zur Seite. Ulf stach ins Leere. Mit einer fließenden Bewegung griff Harper sich den Unterarm des Türstehers und zog ihn...

Erscheint lt. Verlag 16.3.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
ISBN-10 3-947848-51-X / 394784851X
ISBN-13 978-3-947848-51-5 / 9783947848515
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