Der Auftrag 62-35 -  Rolf-Jürgen Lang

Der Auftrag 62-35 (eBook)

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2020 | 1. Auflage
550 Seiten
TWENTYSIX (Verlag)
978-3-7407-7750-0 (ISBN)
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Sich seines Marschbefehls widersetzend unterbricht der Gefreite Hubert Rösler in den letzten Kriegstagen 1945 seine Fahrt aus dem Prager Lazarett nach Schwerin zu seiner Einheit, um seine Eltern kurz vor seinem 22. Geburtstag besuchen zu können, die er seit zwei Jahren nicht gesehen hat. Trotz der Warnung seines Vaters, nun fahnenflüchtig zu sein, setzt Rösler seine Reise tags darauf fort, wobei ein Hauptmann auf ihn aufmerksam wird. Statt den jungen Gefreiten an die Wand stellen und erschießen zu lassen, bietet der Hauptmann ihm an, seinen Kopf durch die Beteiligung an einem Sonderkommando aus der Schlinge ziehen zu können. Hubert Rösler stimmt der geheimnisvollen Mission zu. Nicht ahnend, welche Konsequenzen die folgenden Tage für sein Leben haben würden, wird er hin- und hergerissen zwischen Treueschwur, der Liebe seines Lebens und bitteren Erfahrungen bis in das 21. Jahrhundert der demokratischen Bundesrepublik seiner Kinder gespült, die mit der Hypothek ihres Vaters schwer zu kämpfen haben.

Rolf-J. Lang, Jahrgang 1955, ist in Hamburg geboren, lebt aber seit seinem ersten Lebensjahr in Oberbayern. Bis zu seinem Studienabschluss als Sozialpädagoge war er im Landkreis Mühldorf am Inn zuhause, seit 1980 lebt er in der Nähe vom Ammersee im Landkreis Landsberg am Lech. Dort war er lange Jahre hauptamtlich in der Jugendarbeit tätig. In den neunziger Jahren hat er sich als Medienberater selbstständig gemacht und mit dem Schreiben begonnen. Neben drei Erzählbänden, hat der verheiratete Vater von zwei erwachsenen Töchtern auch zwei Musicals geschrieben und mehrere Kabarettprogramme.

Café Drechsel


Strahlender Sonnenschein flutet diesen Freitagmorgen und verwandelt die graue staubige Straße in ein Spiel zwischen Licht und Schatten. Noch beleben vereinzelt eilig in die Fabriken hastende Frauen und Männer das Trottoir. Ein Schornsteinfeger ist mit dem Fahrrad unterwegs, zwei Hausfrauen mit Einkaufstaschen in der Hand steuern die kleine Gemischtwarenhandlung in dieser Straße an und ein großgewachsener stattlicher Herr im hellen Trenchcoat und mit breitkrempigem Hut läuft zielstrebig aber ohne Hast auf das Kaffeehaus Drechsel an der Straßenecke zu und tritt ein. Der lange hohe Raum mit seiner in goldgelb gehaltenen Stuckdecke und den farblich passenden marmorierten Wänden, die vom Boden weg zu einem guten Drittel mit einer edlen dunkelbraunen Holzvertäfelung verkleidet sind und die tief von der Decke hängenden schmiedeeisernen Leuchter mit den vier weißen Schirmen, geben dem Raum etwas Herrschaftliches. Die hohen Arkadenfenster mit den schweren Brokatvorhängen, die rotweiß gemusterten Polstersitzelemente und die weißen ovalen, runden und quadratischen Marmortischplatten auf schweren eisernen Füßen verstärken den Eindruck eines adeligen Ambientes. Es sind nur wenige Gäste anwesend.

Ein schon etwas älterer Ober läuft dem Gast dienstbeflissen entgegen. Ohne den Ober auch nur eines Blickes zu würdigen, reicht der stattliche Herr diesem seinen Trenchcoat, seinen Hut und seine schwarzen Lederhandschuhe.

Gezielt geht er ein paar Schritte in Richtung des Billardraumes, an dessen Eingang vor den Spieltischen ein großer Tisch steht, auf dem verschiedene Tageszeitungen und Wochenmagazine aufliegen.

Der elegante Gast greift nach der Extraausgabe der Deutschen Allgemeinen Zeitung, die mit großen schwarz unterstrichenen Lettern titelt: Der Führer an die Nation/Komplott völlig zusammengebrochen/Unser Gelöbnis:

Bedingungslose Treue

Der noble Gast steuert den kleinen quadratischen Marmortisch im ersten Arkadenfenster an und nimmt vom herbeieilenden Ober eskortiert auf einem der rotweiß gepolsterten Stühle Platz. Mit der offenen Hand auf das auf dem Tisch liegende Blatt Papier deutend, signalisiert der Gast ihn doch mit dem Kaffeehausfrühstücksangebot zu bedienen.

„Bitte sehr, gerne Herr Direktor, zu Ihren Diensten!“ Der Ober, ein weißes feinsäuberlich gefaltetes Stofftuch über dem linken Unterarm tragend, eilt in Richtung Serviceraum davon.

Der respektvoll angesprochene Gast greift nach dem Zeitungshalter und liest noch einmal die Schlagzeilen und folgt dann dem Text auf der ersten Seite:

Zwei Befehle des Führers

Himmler zum Befehlshaber des Heimatheeres ernannt

Generaloberst Guderian in den Generalstab berufen

Führerhauptquartier 21.Juli 1944

Der Führer hielt heute nacht im deutschen Rundfunk folgende Ansprache an das deutsche Volk.

Deutsche Volksgenossen und Volksgenossinnen!

Ich weiß nicht zum wievielten Male nunmehr ein Attentat auf mich geplant und zur Ausführung gekommen ist. Wenn ich heute zu Ihnen spreche, dann geschieht es aber besonders aus zwei Gründen:

  1. Damit Sie meine Stimme hören und wissen, daß ich selbst unverletzt und gesund bin.
  2. Damit Sie aber auch Näheres erfahren über ein Verbrechen, daß in der deutschen Geschichte seinesgleichen sucht. Eine ganz kleine Clique ehrgeiziger, gewissenloser und zugleich verbrecherischer dummer Offiziere hat ein Komplott geschmiedet, um mich zu beseitigen und zugleich mit mir den Stab der deutschen Wehrmachtsführung auszurotten. Die Bombe, die von dem Oberst Graf von Stauffenberg gelegt wurde, krepierte zwei Meter an meiner rechten Seite. Sie hat eine Reihe mir treuer Mitarbeiter sehr schwer verletzt, einer ist gestorben.

Ich selbst bin völlig unverletzt, bis auf ganz kleine Hautabschürfungen, Prellungen oder Verbrennungen. Ich fasse das als Bestätigung des Auftrages der Vorsehung auf, mein Lebensziel weiter zu verfolgen, so wie ich es bisher getan habe.

Der Ober stellt eine Tasse dampfenden Kaffees auf den Tisch, rückt die Zuckerdose und das Milchkännchen etwas mehr in Richtung des Gastes und stellt ein Glas Wasser dazu. Schließlich nimmt er auch noch den Teller mit dem Weißbrothörnchen und dem kleinen Glas oranger Marillenmarmelade von seinem kunstvoll balancierten Tablett und schiebt es neben die Kaffeetasse.

„Bitte sehr, Herr Direktor, lassen Sie es sich munden, bitte gerne!“ Und mit einem ordentlichen Diener zieht sich der Kaffeehausangestellte wieder zurück.

Am Kaffee nippend konzentriert sich der elegante Herr wieder auf die Lektüre seiner Zeitung.

Denn ich darf es vor der ganzen Nation gestehen, daß ich seit dem Tage, an dem ich in die Wilhelmstraße einzog, nur einen einzigen Gedanken hatte, nach besten Wissen und Gewissen meine Pflicht zu erfüllen, und daß ich, seit mir klar wurde, daß der Krieg ein unausbleiblicher war und nicht mehr aufgeschoben werden konnte, eigentlich nur Sorge und Arbeit kannte und in zahllosen Tagen und durchwachten Nächten nur für mein Volk lebte.

Es hat sich in einer Stunde, in der die deutschen Armeen in schwerstem Ringen stehen, ähnlich wie in Italien nun auch in Deutschland eine ganz kleine Gruppe gefunden, die nun glaubte wie im Jahre 1918 den Dolchstoß in den Rücken führen zu können. Sie hat sich diesesmal aber schwer getäuscht.

Die Behauptung dieser Usurpatoren, daß ich nicht mehr lebte, wird jetzt in diesem Augenblick widerlegt, da ich zu Euch, meine lieben Volksgenossen, spreche. Der Kreis, den diese Usurpatoren darstellen, ist ein denkbar kleiner. Er hat mit der deutschen Wehrmacht und vor allem auch mit dem deutschen Heer gar nichts zu tun. Es ist ein ganz kleiner Klüngel verbrecherischer Elemente, die jetzt unbarmherzig ausgerottet werden. Ich befehle daher in diesem Augenblick:

  1. Daß keine zivile Stelle irgendeinen Befehl entgegenzunehmen hat von einer Dienststelle, die sich diese Usurpatoren anmaßen.
  2. Daß keine militärische Stelle, kein Führer einer Truppe, kein Soldat irgendeinem Befehl dieser Usurpatoren zu gehorchen hat, daß im Gegenteil jeder verpflichtet ist, den Übermittler eines solchen Befehls oder den Geber eines solchen Befehls entweder sofort zu verhaften oder bei Widerstand augenblicklich niederzumachen.

Ich habe, um endgültig Ordnung zu schaffen, zum Befehlshaber des Heimatheeres den Reichsminister Himmler ernannt. Ich habe in den Generalstab Generaloberst Guderian berufen, um den durch Krankheit zur Zeit ausgefallenen Generalstabschef zu ersetzen, und einen zweiten bewährten Führer der Ostfront zu seinem Gehilfen bestimmt.

In allen anderen Dienststellen des Reiches ändert sich nichts. Ich bin der Überzeugung, daß wir mit dem Austreten dieser ganz kleinen Verräter- und Verschwörer-Clique nun endlich aber auch im Rücken der Heimat die Atmosphäre schaffen, die die Kämpfer der Front brauchen. Denn es ist unmöglich, daß vorn Hunderttausende und Millionen braver Männer ihr letztes hergeben, während zu Hause ein ganz kleiner Klüngel ehrgeiziger, erbärmlicher Kreaturen diese Haltung dauernd zu hintertreiben versucht. Diesmal wird nun so abgerechnet, wie wir das als Nationalsozialisten gewohnt sind.

Ich bin überzeugt, daß jeder anständige Offizier, jeder tapfere Soldat in dieser Stunde das begreifen wird.

Welches Schicksal Deutschland getroffen hätte, wenn der Anschlag heute gelungen sein würde, das vermögen die wenigsten sich vielleicht auszudenken. Ich selber danke der Vorsehung und meinem Schöpfer nicht deshalb, daß er mich erhalten hat – mein Leben ist nur Sorge und ist nur Arbeit für mein Volk – , sondern, wenn ich danke, nur deshalb, daß er mir die Möglichkeit gab, diese Sorgen weiter tragen zu dürfen und in meiner Arbeit weiter fortzufahren, so gut ich das mit meinem Gewissen und vor meinem Gewissen verantworten kann.

Es hat jeder Deutsche, ganz gleich, wer er sein mag, die Pflicht, diesen Elementen rücksichtslos entgegenzutreten, sie entweder sofort zu verhaften oder – wenn sie irgendwie Widerstand leisten sollten – ohne weiteres niederzumachen. Die Befehle an sämtliche Truppen sind ergangen. Sie werden blind ausgeführt, entsprechend dem Gehorsam, den das deutsche Heer kennt.

Ich darf besonders Sie, meine alten Kampfgefährten, noch einmal freudig begrüßen, daß es mir wieder vergönnt war, einem Schicksal zu entgehen, das nicht für mich Schreckliches in sich barg, sondern das den Schrecken für das deutsche Volk gebracht hätte.

Ich ersehe daraus auch einen Fingerzeig der Vorsehung, daß ich mein Werk weiter fortführen muß und daher weiter fortführen werde!

Das Ablegen der Zeitung und eine winzige Handbewegung des Gastes genügt, um das Herbeieilen des aufmerksamen Obers zu aktivieren. Die drei orangen Lebensmittelmarken und die größere Silbermünze, die der Gast in das mit der Rechnungsnote versehene...

Erscheint lt. Verlag 5.10.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
ISBN-10 3-7407-7750-8 / 3740777508
ISBN-13 978-3-7407-7750-0 / 9783740777500
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